Tatbestand:

Der 1966 geborene Kläger begehrt die Erstattung von Kosten für ein von ihm im Widerspruchsverfahren in Auftrag gegebenes Privatgutachten in Höhe von weiteren 430,65 EUR.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 24. September 1999 stellte der Beklagte einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 aufgrund eines Hodenverlustes rechts mit Lungenbeteiligung im Februar 1999 im Stadium der Heilungsbewährung fest. Mit weiterem bestandskräftigem Bescheid vom 8. Juni 2004 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 16. September 2004 änderte der Beklagte den Bescheid dahingehend ab, dass wegen Restbeschwerden nach Hodenverlust mit Komplikationen der GdB nunmehr mit 50 festgestellt wurde.

Auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 19. September 2007 holte der Beklagte das Gutachten des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde G. vom 21. Januar 2008, der ein Bronchialasthma mit einem Einzel-GdB von 20 bewertete, sowie der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie F. vom 22. Juni 2008 ein, die eine bestehende Polyneuropathie ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 bewertete. Nachdem der Facharzt für HNO-Krankheiten Dr. M. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 13. Juli 2008 auch eine bestehende Schwerhörigkeit mit einem Einzel-GdB von 20 festgestellt hatte, setzte der Beklagte den Gesamt-GdB mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 nach Anhörung des Klägers auf 30 herab.

In dem hiergegen vom Kläger geführten Widerspruchsverfahren erstattete der Arzt für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie Dr. S. im Auftrag des Klägers am 24. Juni 2009 ein Gutachten. In Auswertung dieses Gutachtens, insbesondere aber der übrigen vorliegenden medizinischen Erkenntnisse gelangte der Arzt für Psychiatrie Dr. S. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 7. August 2009 zu der Einschätzung, dass die Polyneuropathie durch die Ärztin Fr zu niedrig bewertet worden sei; sie hätte richtigerweise mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet werden müssen. Daraufhin gab der Beklagte dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2009 statt und stellte den GdB unverändert mit 50 fest. Zugleich stellte er fest, dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten seien.

Mit Antrag vom 27. Oktober 2009 machte der Kläger bei dem Beklagten unter Beifügung einer Rechnung des Dr. S. vom 24. Juni 2009 die Erstattung der dort ausgewiesenen Gutachtenkosten in Höhe von 500,- EUR geltend. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2010 gab der Beklagte dem Antrag insoweit statt, als ein Betrag in Höhe von 69,35 EUR als erstattungsfähig anerkannt und der Antrag im Übrigen abgelehnt wurde. Erstattungsfähig seien nur die notwendigen Aufwendungen. Zur Begründung eines Widerspruches sei ein ärztliches Attest ausreichend. Die Beibringung eines freien Gutachtens sei unter dem Aspekt der Prozesswirtschaftlichkeit nicht angemessen. Soweit ein Gutachten zur Sachaufklärung erforderlich sei, erfolge dies durch die Verwaltungsbehörde. Erstattungsfähig seien daher nur die Kosten für ein ärztliches Attest unter Anerkennung von Aufwendungen für eine das gewöhnliche Maß übersteigende gutachtliche Äußerung gemäß Nr. 85 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

Mit Urteil vom 27. Juli 2010 hat das Sozialgericht Berlin die auf die Erstattung eines Betrages von weiteren 430,65 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Der Beklagte habe den Antrag insoweit im Ergebnis zu Recht abschlägig beschieden. Zur Begründung des Widerspruches hätte eine auf wenige Sätze beschränkte ärztliche Stellungnahme ausgereicht, um die Fehlerhaftigkeit der von dem Beklagten bis dahin vorgenommenen Bewertung aufzudecken. Notwendig und daher über § 63 des X. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) erstattungsfähig seien daher allein Aufwendungen in dem Umfang, wie sie der Beklagte anerkannt habe.

Gegen das ihm am 8. September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Oktober 2010 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 4. Mai 2011 hat der Senat die Berufung zugelassen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Beibringung eines ärztlichen Attestes angesichts des bereits vorliegenden Gutachtens der Ärztin F. nicht ausgereicht hätte, einen Erfolg des Widerspruchs herbeizuführen. Die Diagnosen seien bereits bekannt gewesen. Erst durch das Gutachten habe Abhilfe geschaffen werden können, da hierdurch belegt worden sei, dass die bestehende Polyneuropathie zu niedrig bewertet worden sei. Schließlich sei seiner Frau anlässlich eines vor Einholung des Gutachtens geführten Telefonates durch einen Mitarbeiter des Beklagten auch die Auskunft erteilt worden, dass ein "echtes" Gutachten vorgelegt werden müsse, die Vorlage eines Befundberichtes sei nicht ausreichend.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juli 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 15. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2010 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten des eingeholten Gutachtens des Dr. S. in Höhe von weiteren 430,65 EUR zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Denn der angefochtene Bescheid vom 15. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung eines Betrages von weiteren 430,65 EUR.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 34 SGB X. Denn unterstellt, der Beklagte hätte, wie anlässlich des Termins vor dem Senat erstmals vorgetragen, zur Begründung des Widerspruchs die Vorlage eines privaten Gutachtens gefordert, würde es für eine darin möglicherweise zum Ausdruck kommende Zusicherung, die Kosten des Gutachtens zu übernehmen, an der erforderlichen Schriftform fehlen. Eine entsprechende schriftliche Erklärung hat der Kläger weder vorlegen können noch lässt sich der Verwaltungsakte des Beklagten entnehmen, dass diesbezüglich eine schriftliche Erklärung abgegeben worden wäre.

Eine Erstattungsfähigkeit des Betrages von weiteren 430,65 EUR ergibt sich auch nicht aus § 63 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen zu erstatten.

Ob die Kosten eines von dem jeweiligen Widerspruchsführer im Widerspruchsverfahren eingeholten reinen privaten Gutachtens nach § 63 Abs. 1 SGB X dem Grunde nach erstattungsfähig sind, erscheint bereits zweifelhaft. Auch das Widerspruchsverfahren als Vorverfahren nach §§ 78 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wird gemäß § 20 SGB X von dem Untersuchungsgrundsatz bestimmt, wonach der Sachverhalt von Amts wegen ermittelt wird. Zwar sind in diesem Rahmen dem jeweiligen Widerspruchsführer Anhörungs- und Mitwirkungsrechte nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 2 SGB X eingeräumt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Behörde Herr des Verfahrens bleibt; ihr obliegt es grundsätzlich auch darüber zu entscheiden, ob zur Aufklärung die Erstattung eines Gutachtens erforderlich ist (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 SGB X). Eine dem § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG vergleichbare Vorschrift, wonach im Klageverfahren unter bestimmten Maßgaben ein Anspruch darauf besteht, dass ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden muss, besteht im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren - ungeachtet dessen, dass im Klageverfahren die Entscheidung über die Einholung eines entsprechenden Gutachtens gleichwohl dem Gericht obliegt - nicht. Für die Einholung eines privaten Gutachtens im Widerspruchsverfahren besteht grundsätzlich auch kein Bedürfnis, weil in einem sich ggf. anschließenden Klageverfahren dem jeweiligen Kläger das Recht aus § 109 SGG zur Verfügung steht. Vor diesem Hintergrund erscheint zweifelhaft, ob die Kosten eines eingeholten privaten Gutachtens als Kosten der Amtsermittlung anzusehen und über § 63 Abs. 1 SGB X erstattungsfähig sind.

Ungeachtet dessen scheidet eine Erstattungsfähigkeit der mit der Klage geltend gemachten Gutachterkosten in Höhe von weiteren 430,65 EUR nach § 63 SGB X jedenfalls deshalb aus, weil sich die Einholung des Gutachtens auch zur Überzeugung des Senats als nicht notwendig erweist. Soweit man die Einholung eines Privatgutachtens als dem Grunde nach erstattungsfähig ansieht, kann ihre Einholung im Verwaltungsverfahren nur ausnahmsweise als notwendig anerkannt werden. Denn wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes reicht grundsätzlich ein substantiierter Vortrag aus, um die Behörde zu eigenen, weiteren Ermittlungen zu veranlassen. Unter welchen Voraussetzungen die Kosten eines solchen Gutachtens erstattungsfähig sind, kann nicht generell, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Maßgeblich ist, ob das Gutachten im Zeitpunkt seiner Einholung aus der Sicht einer verständigen, auf eine sparsame Verfahrensführung bedachten Partei geboten und geeignet erschien, das Verfahren unter entscheidungserheblichen Gesichtspunkten zu fördern. Abzustellen ist insbesondere darauf, ob die Einholung zur Vorbereitung des weiteren Verfahrens und/oder zur Erlangung der erforderlichen Sachkunde geboten war (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 11. Februar 2010 - L 13 SB 61/08 - sowie LSG Niedersachsen, Beschluss vom 22. August 2001 - L 3 P 12/01 - und Bay. VGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 - 15 C 10.2937 - sowie OLG Saarland, Beschluss vom 14. Oktober 2011 - 9 W 131/11 - 21 -).

Dies zu Grunde gelegt, besteht kein Anspruch auf die Erstattung eines Betrages von weiteren 430,65 EUR. Die Einholung eines Gutachtens in der hier erfolgten Form erweist sich unter dem Gesichtspunkt einer Verfahrensförderung als nicht notwendig. Zur Darlegung und ggf. Widerlegung der aus Sicht des Klägers insbesondere unzureichenden Bewertung der bestehenden Polyneuropathie hätte es genügt, einen qualifizierten ärztlichen Befundbericht eines behandelnden Facharztes vorzulegen. Hiervon wäre auch ein auf eine sparsame Verfahrensfortführung bedachter Beteiligter in der vorgefundenen Verfahrenssituation zunächst ausgegangen, um die Behörde zu einer nochmaligen Überprüfung des zur Grundlage des Ausgangsbescheides vom 21. Oktober 2008 u. a. gemachten Gutachtens der Ärztin F. zu veranlassen. Zur Einholung eines umfangreichen Privatgutachtens hätte sich ein verständiger Beteiligter in der aktuellen Situation des Verfahrens weder veranlasst gesehen noch veranlasst sehen dürfen. Die Ermittlungen von Amts wegen waren durch den Beklagten noch nicht abgeschlossen, das Handeln des Klägers war auf eine bloße (einfache) Mitwirkung beschränkt. Der Kläger befand sich jedenfalls nicht in einer solchen Situation, die es aus Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten unausweichlich erschienen ließ, seine Rechte nur noch durch Vorlage eines umfangreichen Privatgutachtens durchsetzen zu können. Vor diesem Hintergrund wirkt das Handeln des Klägers als übereilt und erweist sich Einholung eines privaten Gutachtens als verfahrensrechtlich nicht notwendig. Die Notwendigkeit lässt sich insoweit auch nicht damit begründen, dass dem Kläger von einem Mitarbeiter des Beklagten mitgeteilt worden sein soll - was die Prozessvertreterin des Beklagten im Termin ausdrücklich bestritten hat -, dass die Vorlage eines Privatgutachtens erforderlich sei.

Eine entsprechende Verlautbarung eines Mitarbeiters des Beklagten würde auch nicht zu einer Erstattungsfähigkeit der weiteren Kosten des Gutachtens aufgrund des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruches führen. Denn dieser Anspruch ist allein auf Naturalrestitution gerichtet, d. h. auf Vornahme einer Handlung zur Herstellung einer sozialrechtlichen Position im Sinne desjenigen Zustandes, der bestehen würde, wenn der jeweilige Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß erfüllt hätte (vgl. hierzu u. a.: BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 15/10 R -). Ein unterstellt ordnungsgemäßes Handeln hätte demzufolge einen Anspruch auf die Erstattungsfähigkeit der weiteren Kosten nicht ausgelöst.

Insoweit kommen wegen der vermeintlichen Äußerung des Mitarbeiters des Beklagten allenfalls Amtshaftungsansprüche in Betracht, die auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen wären.

Vor dem Hintergrund, dass es, um den bisher durch den Beklagten im Widerspruchsverfahren getroffenen Feststellungen entgegen zu wirken, in der vorgefundenen Verfahrenssituation gereicht hätte, einen qualifizierten Befundbericht eines behandelnden Facharztes vorzulegen, folgt der Senat der Auffassung des Beklagten und des Sozialgerichts, dass allenfalls Kosten für ein ärztliches Attest unter Anerkennung von Aufwendungen für eine das gewöhnliche Maß übersteigende gutachtliche Äußerung gemäß Nr. 85 GOÄ erstattungsfähig sind. Die darüber hinausgehenden Kosten des Privatgutachtens sind im vorliegenden Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.