Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Einmalzahlung und einer Rente für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 30. April 2005 nach dem Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (Anti-D-Hilfegesetz, AntiDHG).

Die 1957 geborene Klägerin erhielt am 16. November 1978 im Zusammenhang mit einer in den Krankenanstalten P durchgeführten Interruptio ein Anti-D-Immunserum der Charge Nr. 090578, das mit Hepatitis-C-Viren kontaminiert war. Die Hepatitis-C-Erkrankung der Klägerin wurde ihren Angaben zufolge nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (GüK) der DDR als Impfschaden anerkannt. Entschädigungsleistungen erhielt sie seinerzeit nicht.

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wurde, um unbillige Härten zu vermeiden, aufgrund einer Bund-Länder-Vereinbarung in analoger Anwendung der Übergangsbestimmungen des Einigungsvertrages (Anlage I Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 3 lit. c) der Kreis der betroffenen Personen, die nicht nach dem GüK-DDR entschädigt worden waren, in die Entschädigung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) einbezogen. Hierüber informierte der Beklagte Mitte der neunziger Jahre die Frauen, die als Empfängerinnen der kontaminierten Anti-D-Immunseren von den damaligen Kreishygiene-Inspektionen erfasst worden waren. Er schrieb 1997 auch die Klägerin an, erhielt jedoch den Brief als unzustellbar zurück, da sie inzwischen den Familiennamen ihres Ehemannes angenommen hatte und verzogen war. Einen Antrag auf Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz stellte die Klägerin nicht.

Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten am 4. Mai 2005 die Gewährung einer Einmalzahlung und einer Versorgungsrente nach dem am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen AntiDHG.

Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 15. März 2007 "chronische Hepatitis C mit gering entzündlicher Aktivität" als Schädigungsfolge an und gewährte der Klägerin mit Wirkung ab 1. Mai 2005 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 30 v.H.

Die Leistung einer E i n m a l z a h l u n g lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2009 ab. Hiergegen hat die Klägerin sich mit ihrer Klage bei dem Sozialgericht Berlin - zuletzt zum Az. S 199 VJ 203/09 - gewandt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 11. Juni 2012 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die Ablehnung der Einmalzahlung durch den Beklagten sei rechtmäßig, da die Klägerin hierauf keinen Anspruch habe. Zwar gehöre sie zum Kreis der nach dem Anti-DHG berechtigten Personen, jedoch habe sie die die Leistung erst im Mai 2005 beantragt und damit die bis zum 31. Dezember 2000 laufende Antragsfrist des § 3 Abs. 3 Satz 1 Anti-DHG versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne ihr nicht gewährt werden. Denn nach § 27 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) könne nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen sei. Dies sei nicht der Fall, da die bloße Unkenntnis der anspruchsbegründenden Rechtsnormen keinen Umstand höherer Gewalt darstelle. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs berufen. Die hiernach erforderliche Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers könne nicht darin gesehen werden, dass der Beklagte es unterlassen habe, den aktuellen Namen und die Adresse der Klägerin zu ermitteln und sie persönlich über mögliche Ansprüche nach dem Anti-DHG zu informieren. Denn der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus einem im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Gesetz, weshalb der Beklagte nicht gehalten gewesen sei, die Klägerin über dessen Inkrafttreten gesondert zu informieren. Zwar ergebe sich im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass die Ansprüche in einem Gesetz geregelt seien, das sich an einen begrenzten und namentlich bekannten Personenkreis richte. Die hieraus folgende Informationspflicht habe der Beklagte jedoch erfüllt. Zum einen habe er angesichts der Vielzahl der im Jahr 1995 veröffentlichten Berichte regionaler und überregionaler Zeitungen über den "Impfskandal" und die Möglichkeit der Antragstellung nach dem BSeuchG davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin hiervon erfahren habe. Zum anderen habe er die Klägerin auch angeschrieben. Es sei unschädlich, dass der Beklagte, als er das Schreiben als unzustellbar zurückbekommen habe, keine weiteren Ermittlungen angestellt habe. Denn Aufgrund des Wechsels des Familiennamens hätte die Einholung einer einfachen Melderegisterauskunft nicht ausgereicht, um die aktuelle Adresse der Klägerin ausfindig zu machen. Der geltend gemachte Zinsanspruch scheitere mangels Hauptforderung.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung bei dem Landessozialgericht (Az. L 13 VJ 29/12) eingelegt.

Bereits am 28. März 2007 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 15. März 2007 insoweit Widerspruch, als ihr der Beklagte die monatliche R e n t e nach einer MdE von 30 erst ab 1. Mai 2005 gewährt hatte. Sie meinte, ihr stehe die Rente seit Inkrafttreten des Anti-DHG zu. Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2007 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Berlin Klage (zum Az. S 48 VJ 231/07) erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat.

Mit Urteil vom 17. Juni 2014 hat das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet, der Klägerin bereits für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. April 2005 eine monatliche Rente nach dem Anti-DHG nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin gehöre zum anspruchsberechtigten Personenkreis des Anti-DHG, da sie durch die Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert worden sei. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe die MdE 30 v.H. betragen. Dem Anspruch der Klägerin stehe nicht die Versäumung der in § 7 Abs. 1 AntiDHG festgelegten Antragsfrist entgegen. Zwar sei ihr keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, jedoch habe sie nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Anspruch auf Gewährung einer Rente vor dem 1. Mai 2005. Der Beklagte habe gegenüber der Klägerin seine Beratungspflicht verletzt, da er sie über die Versorgungsmöglichkeiten nach dem AntiDHG persönlich hätte informieren müssen. Zwar würden Gesetze grundsätzlich mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten gegenüber als bekannt gelten, jedoch sei zu berücksichtigen, dass Adressat des AntiDHG ein kleiner, namentlich bekannter Personenkreis sei. Insofern habe es dem Beklagten oblegen, die betroffenen Frauen anzuschreiben. Dies habe er nach eigenem Bekunden 1997 auch getan. Als der Brief als unzustellbar zurückgekommen sei, habe der Beklagte die Sache auf sich beruhen lassen, statt beim Einwohnermeldeamt die neue Anschrift der Klägerin in Erfahrung zu bringen. Dieses Unterlassen sei ihm anzulasten. Hierdurch sei der Klägerin ein Nachteil entstanden, weil sie die Rente erst ab Antragstellung im Mai 2005 erhalten habe. Hätte sie von dem Beklagten rechtzeitig die für die Antragstellung erforderlichen Informationen erhalten, hätte sie die monatliche Rente nach dem AntiDHG bereits ab 1. Januar 2000, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, erhalten. Allerdings habe die Klägerin einen Anspruch auf Rentenzahlung nach der auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X erst ab 1. Januar 2001. Danach würden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden sei. Dabei werde der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen werde. Erfolge die Rücknahme auf Antrag, trete bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen seien, anstelle der Rücknahme der Antrag. Dieser Vierjahreszeitraum sei vorliegend von dem Zeitpunkt an zurückzurechnen, zu dem das auf der Verletzung der Nebenpflicht beruhende Leistungshindernis - hier die fehlende Beantragung der Rente nach dem AntiDHG - behoben worden sei. Dies sei im Mai 2005 der Fall gewesen.

Der Beklagte hat sich gegen diese Entscheidung mit der Berufung bei dem Landessozialgericht (Az. L 11 VJ 45/14) gewandt. Ihm seien keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, denn er habe davon ausgehen können, dass die seinerzeit laufende Pressekampagne auch die letzten Betroffenen erreichen würde. Die Anschlussberufung, mit der die Klägerin eine monatliche Rente nach dem AntiDHG bereits ab dem 1. Januar 2000 begehrt hat, hat sie am 1. Juli 2015 zurückgenommen.

Mit Beschluss vom 14. Januar 2015 hat der Senat die Verfahren L 13 VJ 29/12 und L 11 VJ 45/14 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Klägerin beantragt ihrem schriftlichen Vorbringen zufolge,

1. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 2012 aufzuheben sowie den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 3. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2009 zu verpflichten, an sie eine Einmalzahlung nach dem AntiDHG in Höhe von 6.135,50 Euro zu leisten und die Zahlung ab dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs, spätestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu verzinsen, 2. die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2014 zurückzuweisen,

Der Beklagte beantragt seinem schriftlichen Vorbringen zufolge,

1. die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 2012 zurückzuweisen, 2. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2014 insoweit aufzuheben, als er verpflichtet wird, der Klägerin bereits für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. April 2005 eine monatliche Rente nach dem AntiDHG nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden sind (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

1. Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 2012 ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2009, mit dem er eine E i n m a l z a h l u n g an die Klägerin nach dem AntiDHG in Höhe von 6.135,50 Euro abgelehnt hat, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, denn sie hat hierauf einen Anspruch.

Nach § 3 Abs. 1 AntiDHG erhalten Berechtigte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG als finanzielle Hilfe eine Einmalzahlung. Die Klägerin zählt zu dem Personenkreis der Berechtigten, da sie infolge einer 1978 durchgeführten Anti-D-Immunprophylaxe mit der Charge des Bezirksinstituts für Blutspende- und Transfusionswesen des Bezirkes Halle Nr. 090578 mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert wurde.

Dem Anspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie die finanzielle Hilfe erst am 4. Mai 2005 und damit nach Ablauf der Antragsfrist des § 3 Abs. 3 Satz 3 Anti-DHG, dem 31. Dezember 2000, beantragte. Denn abweichend von dem Grundsatz des § 7 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG, dass die Hilfen nach § 3 AntiDHG auf Antrag gewährt werden, hatte der Beklagte vorliegend nach § 7 Abs. 3 AntiDHG von Amts wegen über die Hilfe zu entscheiden. Zwar hatte die Klägerin im Hinblick auf ihre Hepatitis-C-Infektion im Sinne des § 1 Abs. 1 AntiDHG - anders als § 7 Abs. 3 AntiDHG voraussetzt - keinen Antrag auf Anerkennung nach dem BSeuchG gestellt. Sie ist jedoch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie die Anerkennung nach dem BSeuchG beantragt hätte.

Der Tatbestand dieses richterrechtlichen Rechtsinstituts setzt Folgendes voraus (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 15. August 2000 - B 9 VG 1/99 R -, SozR 3-3100 § 60 Nr. 3, SozR 3-3100 § 61 Nr. 2, SozR 3-1200 § 14 Nr. 30): Es muss eine Pflichtverletzung vorliegen, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers muss ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre.

Nachdem der Bund und die Länder zur Vermeidung unbilliger Härten überein gekommen sind, auch denjenigen Frauen, die infolge der Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert, aber nicht nach dem GüK-DDR entschädigt worden waren, über die Übergangsbestimmungen des Einigungsvertrages hinaus nach dem BSeuchG zu entschädigen (vgl. BT-Drucks 13/2732, S. 23, 31), oblag es dem Beklagten, die betroffenen Frauen über die Möglichkeit dieser Entschädigung zu unterrichten (siehe hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 9 VJ 2/02 R -, SozR 4-3100 § 60 Nr. 1, BSGE 92, 34-42, SozR 4-1200 § 14 Nr. 3). Zwar ist ein Leistungsträger auch bei bedeutsamen und folgenschweren Rechtsänderungen nicht verpflichtet, die bei ihm geführten Akten daraufhin zu überprüfen, ob sie Anlass für eine spontane Beratung geben. Die Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung gebieten jedoch aus Gründen des sozialen Schutzes der Betroffenen ausnahmsweise eine andere Beurteilung: Während ein Leistungsträger sonst davon ausgehen kann, dass mit der Verkündung eines Gesetzes dessen Inhalt als bekannt gilt (vgl. BSG, Urteile vom 21. Juni 1990 - 12 RK 27/88 - BSGE 67, 90, und vom vom 21. April 1993 - 5 RJ 58/91 -), ist eine derartige formelle Publizität hier nicht zu verzeichnen, weil die die Klägerin begünstigende Entschädigungsregelung allein auf einem Übereinkommen zwischen dem Bund und den Ländern beruhte. Hinzu kommt, dass sich diese Regelung auf einen begrenzten, den betroffenen Ländern namentlich bekannten Personenkreis bezog. Der Beklagte war deshalb gehalten, die zuständigen Stellen zu veranlassen, die archivierten Listen der betroffenen Frauen unverzüglich zu beschaffen, zu prüfen, ggf. die Namen und Anschriften zu aktualisieren und die betreffenden Personen anzuschreiben bzw. auf andere Weise zu informieren.

Dieser Pflicht ist der Beklagte nicht vollständig nachgekommen. Zwar schrieb er seinen Angaben zufolge 1995 an die Klägerin, versäumte aber nach Rücksendung des Briefes als unzustellbar, deren aktuellen Familiennamen und Anschrift zu ermitteln. Hierbei durfte er entgegen seiner Ansicht nicht davon ausgehen, dass die Klägerin durch Presseberichte hinreichend unterrichtet wurde. Denn abgesehen davon, dass die von dem Beklagten eingereichten (allerdings nicht durchgehend mit Quelle und Datum versehenen) Zeitungsartikel sich größtenteils darauf beschränken, über den "Impfskandal" und die Forderung nach Entschädigung zu berichten, wurde der Beklagte hierdurch nicht von seiner Informationspflicht entbunden. Denn unmittelbar nach Zustandekommen der genannten Bund-Länder-Vereinbarung war dafür Sorge zu tragen, dass die betroffenen Frauen "persönlich über die gesundheitlichen Fragen und Entschädigungsmöglichkeiten informiert" werden (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 a.a.O.). Dies hat der Beklagte versäumt.

Durch diese dem Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung ist bei der Klägerin ein sozialrechtlicher Nachteil eingetreten sein. Hätte der Beklagte es nicht pflichtwidrig unterlassen, die Klägerin über die Möglichkeit einer Entschädigung auf der Grundlage des BSeuchG zu unterrichten, hätte diese nach Überzeugung des Senats einen derartigen Antrag gestellt. Abgesehen von der - hier nicht streitgegenständlichen - Versorgung nach dem BSeuchG hätte die Klägerin im Verwaltungsrechtsverhältnis mit dem Beklagten nach Inkrafttreten des AntiDHG eine wegen der Regelung des § 7 Abs. 3 AntiDHG privilegierte Stellung erlangt, indem der Beklagte über die Leistung einer Einmalzahlung von Amts wegen zu entscheiden hätte. Es gereicht ihr zum Nachteil, dass sie mangels vorangehenden Antrags auf Anerkennung nach dem BSeuchG nunmehr auf der Grundlage des AntiDHG gehalten war, diese finanzielle Hilfe innerhalb einer bestimmten Frist zu beantragen (§ 3 Abs. 3 Satz 3 AntiDHG). Durch die Entscheidung von Amts wegen über die Leistung der Einmalzahlung hat der Beklagte den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre.

Die Höhe der Einmalzahlung beträgt, da im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin eine MdE 30 v.H. vorlag, nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Anti-DHG 6.135,50 Euro.

Dieser Betrag, abgerundet auf den vollen Euro-Betrag, ist nach § 11 Abs. 1 AntiDHG in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) ab 1. Februar 2000 mit vier vom Hundert zu verzinsen.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2014 ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. April 2005 eine monatliche R e n t e nach dem Anti-DHG nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.

Als Berechtigte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG kann die Klägerin nach § 3 Abs. 1 AntiDHG erfolgreich eine Rente in der sich aus § 3 Abs. 2 AntiDHG (in der für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. April 2005 maßgeblichen Fassung) ergebenden Höhe bei einer MdE von 30 v.H. beanspruchen (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Anti-DHG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 BVG). Entgegen der Ansicht des Beklagten ist für den Beginn des Anspruchs nicht § 7 Abs. 1 Satz 2 AntiDHG maßgebend, wonach Rentenleistungen im Sinne des § 3 Abs. 2 AntiDHG frühestens mit dem Antragsmonat beginnen. Der Beklagte hat vielmehr nach § 7 Abs. 3 AntiDHG von Amts wegen über die Hilfe zu entscheiden, da die Klägerin - wie bereits ausgeführt - nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als ob sie die Anerkennung nach dem BSeuchG beantragt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.