Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SB 151/06 - Urteil vom 28.07.2009
In Feststellungsverfahren nach dem SGB IX geht es zu Lasten des Anspruchstellers, wenn dieser nicht bereit ist, sich einer sachdienlich erscheinenden persönlichen Untersuchung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen zu unterziehen.
Die Feststellung des Merkzeichens "B" setzt voraus, dass das Merkzeichens "G" festgestellt ist.
Tatbestand:
Die 1963 geborene Klägerin ist schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Sie begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 70 und die Feststellung der Merkzeichen "B" und "RF".
Auf den Erstantrag vom 10.08.1995 hat das Amt für Versorgung und Familienförderung N. mit Abhilfe-Bescheid vom 06.05.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 19.08.1996 das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 50 festgestellt. Berücksichtigt worden ist vor allem das Vorliegen einer "seelischen Störung" mit einem Einzel-GdB von 50.
Auf den Neufeststellungsantrag vom 26.10.1998 hat das Amt für Versorgung und Familienförderung N. mit Änderungs-Bescheid vom 19.01.1999 den GdB für die Zeit ab 26.10.1998 mit 70 bewertet. Berücksichtigt worden sind nunmehr als Behinderungen: 1. Seelische Störung mit psychosomatischen Beschwerden (Einzel-GdB 50); 2. organische Hirnleistungsstörung (Einzel-GdB 30); 3. Polyneuropathie (Einzel-GdB 20); 4. Entleerungsstörung der Blase (Einzel-GdB 10); 5. Funktionsbehinderung der Kniegelenke (Einzel-GdB 10); 6. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10).
Die Klägerin hat mit Widerspruch vom 30.01.1999 hervorgehoben, bei ihr liege ein Immundefekt im Sinne einer MCS vor. Die Polyneuropathie beruhe auf einer Amalgamintoxikation. Die Hirnschädigung frühkindlicher Genese bedinge durch eine lebenslange toxische Belastung psychische Folgeschäden. Immundefekte bei Allergien gegen Chemikalien usw. hätten ein CFS und ein MCS zur Folge gehabt. Dementsprechend betrage der GdB 100. Die Merkzeichen "G", "aG", "B", "RF" und "H" seien zuzuerkennen.
Das Bayerische Landesamt für Versorgung und Familienförderung hat den Widerspruch vom 30.01.1999 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. vom 19.01.1999 mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.1999 zurückgewiesen. Der GdB betrage zutreffend 70; Merkzeichen seien nicht festzustellen.
Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht Nürnberg mit Aktenzeichen S 11 SB 219/99 ist mit Nachricht des Betreuers der Klägerin vom 13.08.2003 zurückgenommen worden.
Der Antrag der Klägerin vom 21.09.2004 auf Feststellung der Merkzeichen "G", "aG" und "B" ist mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. vom 27.10.2004 abgelehnt worden. Der Betreuer der Klägerin hat diese mit Schreiben vom 22.12.2004 darauf aufmerksam gemacht, dass die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nur dann Sinn mache, wenn sie bereit sei, sich fachärztlich untersuchen zu lassen.
Im Einvernehmen mit ihrem neuen Betreuer hat die Klägerin am 19.12.2005 einen Neufeststellungsantrag eingereicht und die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF" beantragt. Festzustellen seien "alle wissenschaftlich nicht gesicherten psychischen Erkrankungen".
Das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Mittelfranken hat es mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28.02.2006 abgelehnt, eine neue Feststellung nach § 69 SGB IX zu treffen. Dr. B. habe mitgeteilt, dass die Klägerin bei ihm nicht in Behandlung gewesen sei. Dr. B. habe ebenfalls mitgeteilt, dass die letzte Behandlung im Juni 2000 stattgefunden habe. Aktuelle Unterlagen lägen nicht vor. Der gewünschten Untersuchung durch den Versorgungsärztlichen Dienst sei nicht zugestimmt worden.
Der Widerspruch vom 07.03.2006 ist mit Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 06.04.2006 zurückgewiesen worden. Der GdB sei wie bisher mit 70 richtig bewertet; die nunmehr begehrten Merkzeichen "B" und "RF" könnten nicht festgestellt werden.
Die hiergegen gerichtete Klageschrift vom 19.04.2006 ist am 20.04.2006 beim Sozialgericht Nürnberg eingegangen. Der Betreuer der Klägerin hat vorgetragen, dass der GdB bei der Klägerin 100 betrage. Die Merkzeichen "B", "RF" und "H" seien zuzuerkennen. Der Beklagte habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Dies gelte vor allem in Hinblick auf die regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit eines MCS.
Das Sozialgericht Nürnberg zog die Schwerbehinderten-Akten und die weiteren Streitakten der Klägerin bei. Mit Beweisanordnung vom 06.07.2006 wurde Dr. G. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hat, sie könne nicht zu der vorgesehenen gerichtsärztlichen Begutachtung erscheinen, wurde sie auf die Folgen der fehlenden Mitwirkung hingewiesen. Dr. G. hat mit Gutachten nach Aktenlage vom 03.08.2006 das Vorliegen eines Gesamt-GdB von 70 bestätigt. Die seelische Störung habe offenkundig durchaus zumindest mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten zur Folge und sei für sich allein mit einem GdB von 50 zu bewerten. Merkzeichen stünden nicht zu.
Hierauf gestützt hat das Sozialgericht Nürnberg die Klage mit Urteil vom 03.08.2006 abgewiesen. Hinsichtlich des im gerichtlichen Verfahren erstmals beantragten Merkzeichens "H" sei die Klage unzulässig, da ein entsprechendes Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Im Übrigen sei die Klage trotz der unbeirrbaren Fixiertheit sowohl der Klägerin als auch ihres Betreuers auf die somatische Erkrankung MCS unbegründet. Das Gericht habe sich hier mit einem Gutachten nach Aktenlage begnügt. Denn die Versuche, die Klägerin anderweitig einer Begutachtung durch persönliche Untersuchung zuzuführen, wären von vornherein aussichtslos erschienen. Der einzige von der Klägerin akzeptierte Ermittlungsweg, die Einschaltung eines Umweltmediziners, ginge an den tatsächlichen Befunden gänzlich vorbei; deshalb habe sich das Gericht nicht darauf eingelassen. Das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen nach persönlicher Untersuchung verkörpere somit ein "unerreichbares" Beweismittel. Im Übrigen sei die Klägerin erstaunlich mobil. So lasse es ihr Gesundheitszustand zu, dass diese nach A-Stadt fahre, um dort ihre Frauenärztin aufzusuchen. Wie sich aus dem psychiatrischen Fachgutachten der Frau Dr. W. vom 13.07.2004 ergäbe, halte sich die Klägerin offenbar regelmäßig mehrere Monate in ihrer Heimat A-Stadt auf. Dies belege mittelbar, dass die Merkzeichen "B" und "RF" nicht zustünden.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 25.10.2006 ging am 27.10.2006 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Zur Begründung legte der Betreuer der Klägerin eingehend die Problematik von MCS-Patienten in der Bundesrepublik Deutschland dar. Rechtsanwalt Dr. L. und Prof. S. hätten wiederholt publiziert, dass es bei einem fachfremden Gutachter vor Gericht zu einer unweigerlichen Psychiatrisierung und somit zu einer juristischen, rechtlichen und auch gesundheitlichen Benachteiligung der Kläger komme.
Das BayLSG zog die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten und die weiteren Streitakten der Klägerin bei. In Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 16.11.2006 wurde Dr. B. um einen Befundbericht gebeten. Dieser teilte am 15.01.2007 mit, dass folgende Diagnosen bestünden: Neuropathie, beginnende Myopathie, extreme chemische Überempfindlichkeit und auch physikalische Überempfindlichkeiten auf Lärm und Licht, stark verminderte psychische Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit nach toxischer Belastung seit der Jugend (Holzschutzmittel, Chlor, vor allem aber vielfache Schwermetalle, Lösungsmittel und Ätz-Mittel in der Glasfachschule Z.). Dem beigefügten umfassenden Bericht an den behandelnden Arzt vom 18.11.2006 sei zu entnehmen, dass die zuständige Berufsgenossenschaft schon 1996 informiert worden sei. Diese habe aber Leistungen abgelehnt.
Frau B. führte in einer nervenärztlich-versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.02.2007 aus, dass nach Aktenlage ein Gesamt-GdB von 70 zutreffend sei und Merkzeichen unverändert nicht zustünden.
Der Betreuer der Klägerin teilte mit Schreiben vom 10.05.2007 mit, er habe die Klägerin bereits seit längerem über die Notwendigkeit einer persönlichen Untersuchung informiert. Er könne nicht mehr als in jeder Beziehung versuchen, auf die Klägerin entsprechend einzuwirken.
Der Beklagte machte darauf aufmerksam, dass wegen des Umzuges der Klägerin von N. nach A-Stadt die dortigen Behörden zuständig geworden seien. Mit Beschluss vom 20.10.2008 sprach das BayLSG aus, auf Grund des Wohnsitzwechsels der Klägerin trete an die Stelle des beklagten Freistaat Bayern nunmehr der Rhein-Sieg-Kreis. Der nunmehrige Bevollmächtigte der Klägerin gab die Bestellung der Berufsbetreuerin C. vom 20.11.2007 bekannt.
In der nichtöffentlichen Sitzung des BayLSG vom 31.03.2009 erschien für die Klägerin niemand. Rechtsanwalt B. hatte kurzfristig seine Erkrankung angezeigt. Im Hinblick auf die aktenkundig nicht bestehende Untersuchungsbereitschaft der Klägerin beantragte die Bevollmächtigte des Beklagten, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Der Rechtsstreit wurde vertagt.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2009 erschien für die Klägerin wiederum niemand. Der Bevollmächtigte der Klägerin, der mit Telefax vom 28.07.2009 seine erneute kurzfristige Verhinderung angezeigt hatte, erklärte sich auf telefonische Rückfrage damit einverstanden, dass entsprechend § 110 Abs.1 SGG aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung bzw. Aktenlage entschieden werde.
Die Klägerin begehrt sinngemäß
die Feststellung eines GdB von 100 sowie vor allem die Zuerkennung der Merkzeichen "B" und "RF".
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Nürnberg hat die Klage gegen den Bescheid vom 28.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2006 mit Urteil vom 03.08.2006 zutreffend abgewiesen.
Auf Antrag eines behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Die im Rahmen des § 30 Abs.1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs.1 Satz 1 und 5 SGB IX). Bis einschließlich 31.12.2008 sind die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (Teil II SGB IX) als "antizipierte Gutachten" zugrunde zu legen gewesen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. zuletzt Urteil des BSG vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SGb 2004 S.378 ff.). Nunmehr sind die nahezu inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung) gemäß § 30 Abs.17 BVG maßgeblich.
Nach den Vorschriften des Schwerbehindertenrechts kommt es nicht auf die von der Klägerin hervorgehobenen Diagnosen "CFS" und "MCS" an, sondern auf das Ausmaß der hieraus resultierenden Funktionsstörungen (§ 2 Abs.1 und 2 SGB IX). Sowohl der Beklagte als auch das Sozialgericht Nürnberg haben daher zutreffend eine persönliche Untersuchung durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie erforderlich erachtet, nicht jedoch eine Begutachtung durch einen Umweltmediziner. Dies korrespondiert mit den Feststellungen des vormals zuständigen Beklagten mit Änderungs-Bescheid vom 19.01.1999. Als Behinderungen sind dort im Wesentlichen eine "seelische Störung mit psychosomatischen Beschwerden", eine "organische Hirnleistungsstörung" sowie die bei der Klägerin bestehende "Polyneuropathie" mit Einzel-GdB-Werten von 50, 30 und 20 berücksichtigt worden. Die weiteren Funktionsstörungen auf urologischem und orthopädischem Fachgebiet haben sich bei der Bildung des Gesamt-GdB von 70 nicht ausgewirkt.
Die letzten validen Befunde sind vorliegend rund sieben Jahre alt mit Ausnahme der Arztbriefe von Dr. P. B. vom 18.11.2006 und 15.01.2007. Dazu führt Frau B. in der nervenärztlich-versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.02.2007 aus, dass nach Aktenlage ein höherer GdB als 70 sowie die begehrten Merkzeichen nicht feststellbar seien.
Für den erkennenden Senat sind diese Ausführungen in Hinblick auf den Bewertungsrahmen, den die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" bzw. die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" vorgeben, in sich schlüssig und überzeugend. Denn sowohl nach Rz.26.3 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" als nunmehr nach Teil B Rz.3.7 der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" werden Persönlichkeitsstörungen mit einem GdB von 50 bis 70 bewertet, sofern eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegt. In Auswertung des psychiatrischen Fachgutachtens des L. vom 15.12.2002, das dieser für das Amtsgericht N. - Vormundschaftsgericht gefertigt hat, hat auch Dr. G. in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 03.08.2006 festgestellt, dass bei der Klägerin eine solch schwere Störung als nachgewiesen anzusehen ist. Die seelische Störung habe offenkundig durchaus zumindest mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten zur Folge und sei für sich mit einem GdB von 50 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der sonstigen anerkannten Behinderungsleiden könne der GdB weiterhin mit 70 angenommen werden.
Es geht zu Lasten der Klägerin, dass sie unverändert nicht bereit gewesen ist, sich einer gerichtsärztlichen Begutachtung nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zu unterziehen. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des ehemaligen Betreuers der Klägerin vom 22.12.2004, der auf die Notwendigkeit einer "fachärztlichen Untersuchung" ausdrücklich hingewiesen hat. Erstinstanzlich ist die Klägerin belehrt worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden könne. Dr. G. hat daher sein Gutachten vom 03.08.2006 nach Aktenlage und nicht wie ursprünglich vorgesehen nach persönlicher Untersuchung der Klägerin gefertigt. Auch im Berufungsverfahren teilte der weitere Betreuer der Klägerin mit, auch er habe die Klägerin über die Notwendigkeit einer solchen persönlichen Untersuchung bereits seit längerem aufgeklärt. Das Sozialgericht Nürnberg hat daher mit Urteil vom 03.08.2006 zutreffend ausgeführt, dass das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen nach persönlicher Untersuchung hier ein unerreichbares Beweismittel verkörpere. Ein höherer GdB als 70 ist aber nach Aktenlage nicht feststellbar.
Wenn die Klägerin das Merkzeichen "B" im Sinne von § 146 Abs.2 SGB IX festgestellt wissen will, steht dem bereits entgegen, dass nicht einmal das Merkzeichen "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX anerkannt ist. Denn das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mit Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 6/86 - entschieden, dass eine Begleitperson im Nah- und Fernverkehr nur dann unentgeltlich befördert wird, wenn dem Behinderten die Merkzeichen "B" und "G" zuerkannt sind. Entfällt aus Rechtsgründen das Merkzeichen "G", so berechtigt dies auch zur Entziehung des Merkzeichens "B". Die bei der Klägerin aktenkundig bestehenden Funktionsbehinderungen im Bereich der Wirbelsäule und der Kniegelenke sind unverändert mit Einzel-GdB-Werten von 10 berücksichtigt. Dementsprechend ist die bei der Klägerin bestehende Gehbeeinträchtigung als gering und somit nicht als "erheblich" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX anzusehen. Folge ist, dass auch das Merkzeichen "B" ausgeschlossen ist.
Soweit bei der Klägerin eine seelische Störung mit psychosomatischen Beschwerden sowie eine organische Hirnleistungsstörung anerkannt ist, resultiert hieraus aktenkundig bislang keine gravierende Störung der Orientierungsfähigkeit. Vielmehr ist die Klägerin in der Vergangenheit wiederholt von ihrem ehemaligen Wohnsitz in N. zu ihrer Frauenärztin in A-Stadt gefahren. Bereits dies dokumentiert, dass bei der Klägerin keine nennenswerte Störung der örtlichen Orientierungsfähigkeit vorgelegen hat und vorliegt. Weiterhin ist sie in der Lage gewesen, am 02.11.2006 ihren behandelnden Nervenarzt Dr. B. in T. aufzusuchen. Somit kann auch unter diesem Gesichtspunkt das Merkzeichen "B" nicht zuerkannt werden (§ 146 Abs.2 SGB IX).
Auch das begehrte Merkzeichen "RF" steht der Klägerin nicht zu. Das Schwerbehindertenrecht unterscheidet nicht zwischen regelwidrigen Zuständen körperlicher, geistiger und seelischer Art. Jede dieser Regelwidrigkeiten kann grundsätzlich zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führen, soweit die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind (BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 SB 2/00 R). Die aktenkundige Fixierung der Klägerin auf ein CFS bzw. MCS hinderte sie nicht, in der Vergangenheit wiederholt von N. nach A-Stadt bzw. T. zu fahren. Dies beinhaltet, dass auch Orte mit erhöhtem Publikumsverkehr wie zum Beispiel Bahnhöfe aufgesucht werden müssen. Es ist daher schlüssig nachvollziehbar, wenn alle am Verfahren beteiligten Ärzte sich dahingehend ausgesprochen haben, dass die Klägerin am Besuch von öffentlichen Veranstaltungen nicht ständig gehindert ist (vgl. Art.5 § 6 des zum 01.04.2005 in Kraft getretenen 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrags).
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.08.2006 zurückzuweisen. Die Anwesenheit der Klägerin oder eines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2009 ist hierbei nicht erforderlich gewesen (§ 110 Abs.1 SGG). Im Übrigen bleibt es der Klägerin unbenommen für den Fall einer etwaigen Leidensverschlimmerung einen Neufeststellungsantrag mit Wirkung für die Zukunft einzureichen (§ 48 Abs.1 SGB X).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).