Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SF 281/15 - Kostenbeschluss vom 15.10.2015
Die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden, nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die dort getroffenen Verfügungen. Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz nach § 19 GKG kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind. Ebenfalls zum Gegenstand des Erinnerungsverfahrens kann die Frage gemacht werden, ob wegen unrichtiger Sachbehandlung im Sinn des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG oder wegen unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG Kosten nicht erhoben werden.
Gründe:
Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung der Urkundsbeamtin in einem unfallversicherungsrechtlichen Rechtsstreit.
In dem unter dem Aktenzeichen S 5 U 5029/15 geführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Regensburg (in der Folge: Hauptsacheverfahren) des jetzigen Beschwerdeführers verfügte der Richter der Hauptsache am 01.09.2015, dass die Klage als Verfahren gemäß § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu führen sei und der (vorläufige) Streitwert 1.200,54 EUR betrage.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 02.09.2015 erhob die Kostenbeamtin, ausgehend vom vorgenannten Streitwert, beim Beschwerdeführer Gerichtskosten in Höhe von 213,- EUR.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 08.09.2015 "Antrag auf Niederschlagung der Gerichtskostenfeststellung" gestellt. Seinen Antrag hat er damit begründet, dass er in der gleichen Sache, nur zu einem anderen Zeitraum, bereits ein Berufungsverfahren beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) anhängig habe.
Mit Beschluss vom 25.09.2015 hat das SG die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 02.09.2015 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.10.2015 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass es im bereits laufenden Berufungsverfahren um dieselbe Sache gehe, nur in einem anderen Zeitraum. Die Frage des anhängigen (Hauptsache-)Verfahrens, ob er ein landwirtschaftliches Unternehmen führe oder nicht, liege zurzeit vor dem LSG. Die Klageeinreichung vor dem SG sei nur zur Fristwahrung erfolgt.
II.
Die Beschwerde gegen die Erinnerung ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zulässig. Sie ist aber unbegründet.
Das SG hat die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 02.09.2015 zu Recht zurückgewiesen.
1. Auslegung des Schreibens des Beschwerdeführers vom 08.09.2015 als Erinnerung.
Auch wenn der Beschwerdeführer im Schreiben vom 08.09.2015 explizit nur einen "Antrag auf Niederschlagung der Gerichtskostenfeststellung" gestellt hat, hat das SG diesen Antrag gleichwohl zutreffend (auch) als Erinnerung ausgelegt.
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).
Bei Beachtung dieser Vorgaben war das SG gehalten, das Schreiben des Beschwerdeführers vom 08.09.2015 auch als Erinnerung auszulegen, um dem Beschwerdeführer nicht das Rechtsmittel der Erinnerung zu verweigern.
2. Prüfungsumfang bei der Erinnerung
Die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; BFH, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 14. Aufl. 2014, § 66 GKG, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 158 Verwaltungsgerichtsordnung bzw. § 68 Abs. 1 GKG) einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 18.12.2014, Az.: L 15 SF 322/14 E - m.w.N.). Gleiches gilt grundsätzlich auch für die dort getroffenen Verfügungen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 07.10.2014, Az.: L 15 SF 61/14 E, und vom 05.12.2014, Az.: L 15 SF 202/14 E).
Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz nach § 19 GKG kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind.
Ebenfalls zum Gegenstand des Erinnerungsverfahrens kann die Frage gemacht werden, ob wegen unrichtiger Sachbehandlung im Sinn des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG oder wegen unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG Kosten nicht erhoben werden (vgl. Beschluss des Senats vom 10.04.2015, Az.: L 15 SF 83/15 E; Meyer, a.a.O., § 66 GKG, Rdnr. 13).
3. Einwände des Beschwerdeführers
Die Einwände des Beschwerdeführers greifen nicht durch.
3.1. Einwand: kein gerichtskostenpflichtiges Verfahren
Der Einwand, es liege kein gerichtskostenpflichtiges Verfahren vor, ist unbeachtlich. Denn das Gericht der Hauptsache hat beim Klageverfahren des Beschwerdeführers die Anwendung des § 197 a SGG verfügt.
Sofern der Beschwerdeführer zur Begründung von Erinnerung und Beschwerde vorgetragen hat, dass das Hauptsacheverfahren, das zu Grunde liegende Klageverfahren, nicht kostenpflichtig gemäß § 197 a SGG sei, da er kein landwirtschaftlicher Unternehmer sei, ist dies ein kostenrechtlich unbeachtlicher Einwand. Denn entscheidend ist allein, was der Hauptsacherichter - den Kostenbeamten und das Gericht der Kostensache bindend - zur Frage der Gerichtskostenpflichtigkeit verfügt hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 10.05.2013, Az.: L 15 SF 136/12 B, vom 22.07.2013, Az.: L 15 SF 165/13 E, vom 27.11.2013, Az.: L 15 SF 154/12 B, vom 27.01.2015, Az.: L 15 SF 162/12 B, vom 19.02.2015, Az.: L 15 SF 4/15 E, vom 10.04.2015, Az.: L 15 SF 83/15 E, vom 21.08.2015, Az.: L 15 SF 181/15 E, vom 25.09.2015, Az.: L 15 SF 195/15, und - zur vergleichbaren Problematik in einem Verfahren nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - vom 16.02.2012, Az.: L 15 SF 204/11). Dieser hat im vorliegenden Fall am 01.09.2015 ausdrücklich festgelegt, dass das Hauptsacheverfahren als Verfahren gemäß § 197 a SGG zu führen sei.
3.2. "Gleiches" Verfahren vor dem LSG und Klageerhebung lediglich zur Fristwahrung
Dieser Einwand ist kostenrechtlich ohne Bedeutung.
Für die Frage der Kostenpflichtigkeit kommt es einzig und allein auf das anhängig gemachte Verfahren an, nicht darauf, ob ähnliche Verfahren des Beschwerdeführers bereits in der gleichen oder einer anderen Instanz anhängig sind. Eine Kostenfreiheit oder einen Kostenrabatt wegen anhängiger ähnlicher Verfahren hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Ebenso kostenrechtlich ohne Bedeutung ist die Motivlage des Beschwerdeführers bei der Klageerhebung. Der Gesetzgeber hat nicht danach differenziert, aus welchen Gründen ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dass der Beschwerdeführer die Klage "nur wegen Fristwahrung" erhoben hat, hat daher kostenrechtlich keine Auswirkungen.
4. Zur Überprüfung des Kostenansatzes über die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwände hinaus
Der Kostenansatz vom 02.09.2015 ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
Nach § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Streitwert. Der vorläufige Streitwert ist mit Verfügung des Hauptsacherichters vom 01.09.2015 für das Kostenansatzverfahren bindend (vgl. oben Ziff. 2.) mit 1.200,54 EUR festgesetzt worden. Die Kosten werden gemäß § 3 Abs. 2 GKG nach dem Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum GKG erhoben, wobei der maßgebliche Zeitpunkt für die Wertberechnung gemäß § 40 GKG durch die den Streitgegenstand betreffende Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, bestimmt wird. Im Verfahren vor dem Sozialgericht beträgt die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß Nr. 7110 KV das 3,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG.
Bei einem Streitwert in Höhe von 1.200,54 EUR beträgt zu dem gemäß § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs des Klageschriftsatzes die einfache Gebühr 71,- EUR (§ 34 Abs. 1 GKG i.V.m. Anlage 2 zum GKG). Das gemäß Nr. 7110 KV anzusetzende 3,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG beträgt daher 213,- EUR, wie dies zutreffend im Kostenansatz vom 02.09.2015 festgestellt worden ist.
Die Verfahrensgebühr ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG mit der Einreichung der Klageschrift fällig geworden.
Ein Fall des § 21 GKG liegt, wie das SG zutreffend festgestellt hat, ohne jeden Zweifel nicht vor.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Das LSG hat über die Beschwerde gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Satz 1 GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Er ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).