Gründe:

I. 

Das Beschwerdeverfahren betrifft die Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt, die dem Beschwerdeführer gegen die Staatskasse zusteht.

Beim Sozialgericht München war ein Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 4 KN 20/08 anhängig. Der Beschwerdeführer war der seinerzeitigen Klägerin im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Jedoch endete das Mandatsverhältnis vorzeitig; die Klägerin wurde danach von einer anderen, nicht über die Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwältin vertreten. Der Beschwerdeführer setzte mit Schriftsatz vom 28.07.2008 321,30 EUR als von der Staatskasse zu leistende Vergütung an. Das Sozialgericht erließ keine Kostenfestsetzungsentscheidung, überwies dem Beschwerdeführer jedoch Anfang August 2008 genau diesen Betrag. Eine Deklaration als Vorschuss erfolgte nicht.

Unter dem Datum 12.10.2010 setzte die Kostenbeamtin beim Sozialgericht München die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf minus 207,06 EUR fest. Diesen Betrag wies sie als "zurückzufordernde Prozesskostenhilfe" aus. Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers hat der Kostenrichter beim Sozialgericht München mit Beschluss vom 08.12.2010 die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 114,24 EUR festgesetzt und angeordnet, der Beschwerdeführer habe der Staatskasse 207,06 EUR zu erstatten. Dagegen richtet sich die Beschwerde; der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, er sei zur Erstattung nicht verpflichtet.

 

II. 

Die Beschwerde hat in vollem Umfang Erfolg.

Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).

Die Beschwerde ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben. Denn die spezifischen Rechtsbehelfe des § 56 RVG gelten auch für den Fall, dass eine ergangene Kostenfestsetzung nachträglich zu Lasten des Rechtsanwalts aufgehoben wird. Das bedeutet letztlich, dass innerhalb der betroffenen Gerichtsbarkeit über den Rechtsbehelf zu entscheiden ist; die Auffangzuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten greift nicht. Die Erinnerung zum Kostenrichter und die Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht sind damit die einschlägigen Rechtsbehelfe. Die Beschwerde ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Auch ist sie fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).

Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht nur 114,24 EUR als aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung festgesetzt und auch zu Unrecht die Erstattung von 207,06 EUR angeordnet. Vielmehr müssen die ausgezahlten 321,30 EUR dem Beschwerdeführer verbleiben. Dabei kann der Senat unerörtert lassen, ob die Entscheidung des Sozialgerichts vom 08.12.2010 mit dem materiellen Vergütungsrecht übereinstimmt. Jedenfalls hat keine rechtliche Möglichkeit bestanden, den Bestandsschutz, der durch die Auszahlung im August 2008 erwachsen war, zu überwinden und die Auszahlung rückgängig zu machen.

Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes gebietet, dass begünstigende Entscheidungen von Behörden und Gerichten, die bestandskräftig bzw. rechtskräftig geworden sind, grundsätzlich nicht mehr abgeändert werden, wobei letztlich eine Abwägung gegen das Prinzip der materiellen Richtigkeit zu erfolgen hat. Er greift in vollem Umfang auch im vorliegenden Fall. Der Beschwerdeführer als beigeordneter Rechtsanwalt befindet sich nicht in einer Rechtsstellung im Verhältnis zum Freistaat Bayern, für die verfassungsrechtliche Gewährleistungen von vornherein zum Teil außer Kraft gesetzt oder gelockert wären. Es liegt kein "Innenverhältnis" vor, das in die Nähe eines so genannten besonderen Gewaltverhältnisses rücken könnte. Unabhängig davon ist für besondere Gewaltverhältnisse inzwischen nahezu einhellig anerkannt, dass die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nicht suspendiert sind, sondern allenfalls Grundrechtseinschränkungen eher gerechtfertigt sein können. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Vertrauensschutz wird häufig durch einfaches Gesetzesrecht konkretisiert; er kann aber auch unabhängig davon unmittelbare Rechtswirkungen zu Gunsten des betroffenen Bürgers entfalten.

Der Vertrauensschutz erhält seine Gestalt maßgeblich durch den konkreten Akt, der den Vertrauenstatbestand begründet hat. Der Senat vertritt dazu die Ansicht, dass die Auszahlung der 321,30 EUR im August 2008, welche der vertrauensbegründende Akt war, eine konkludente Regelung zu Grund und Höhe der Vergütung beinhaltet hat. Die antragsgemäße Auszahlung des vom Beschwerdeführer angesetzten Betrags verkörpert nicht nur einen Realakt, sondern die schlüssige Billigung und Rezeption der anwaltlichen Berechnung; das gilt umso mehr, als die Sozialgerichte allgemein, wenn der Ansatz des Anwalts für richtig befunden wird, auf eine gesonderte Kostenfestsetzung verzichten. All diesen vorbehaltslosen und im Konsens mit dem Anwalt getätigten Auszahlungen einen Regelungscharakter abzusprechen, erschiene lebensfremd. Die vorbehaltslose Auszahlung stellt vielmehr das eindeutige Signal dar, die Berechnung des Anwalts werde akzeptiert. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass die mit der Auszahlung getroffene Regelung keinen Verwaltungsakt im Sinn der Verwaltungsverfahrensgesetze verkörpert. An dieser Stelle braucht nicht problematisiert zu werden, ob es sich bei der Regelung der Anwaltsvergütung um eine Maßnahme einer Behörde oder aber um einen Akt der Rechtsprechung handelt; denn die Verwaltungsverfahrensgesetze sind von vornherein nicht anwendbar: Das SGB X gilt nicht, weil die Gerichtsverwaltung bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit keine Verwaltungstätigkeit nach dem Sozialgesetzbuch darstellt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Das BayVwVfG ist aufgrund von Art. 2 Abs. 3 Nr. 1 BayVwVfG für Fälle der vorliegenden Art nicht einschlägig.

Doch auch ohne dass sich ein Verwaltungsakt feststellen lässt, ist mit der vorbehaltslosen Auszahlung vom August 2008 eine konkludente Kostenregelung getroffen worden, die Rechtsgrund für das Behaltendürfen der ausgezahlten Vergütung gewesen ist. Deshalb hat die konkludente Kostenregelung teilweise zurückgenommen werden müssen, bevor die Erstattung hat verlangt werden dürfen. Ungeachtet irgendwelcher materiellen Vertrauensschutzerwägungen bedarf es für die erfolgte teilweise Rücknahme einer gesetzlichen Grundlage. Dies verlangt der verfassungsrechtliche Vorbehalt des Gesetzes.

Der Senat kann im Ergebnis offen lassen, ob eine solche gesetzliche Grundlage existiert (vgl. zu dem Problemfeld allgemein Sozialgericht München, Beschluss vom 10.01.2012 - S 22 SF 853/11 E, wo das Meinungsspektrum zu der Frage dargestellt wird, ob Urkundsbeamte Festsetzungen von Amts wegen aufheben dürfen). Er hegt daran aber große Zweifel. Viel spricht dafür, dass der vom Beschwerdeführer angefochtene Beschluss des Sozialgerichts samt der Kostenfestsetzung vom 12.10.2010 schon mangels hinreichender Rechtsgrundlage rechtswidrig ist (in diese Richtung Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, § 45 Rn. 96, der von einem Rechtsprechungsakt ausgeht und eine Änderung von Amts wegen nur unter den Voraussetzungen des § 319 ZPO zulassen will): - Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sieht keine einschlägige Rechtsgrundlage vor. - Eine hinreichende gesetzliche Grundlage bestünde möglicherweise dann, wenn die Voraussetzungen für eine Restitutionsklage im Sinn von § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 580 ZPO oder § 179 Abs. 2 SGG vorlägen. Das ist aber nicht der Fall. - § 45 SGB X und Art. 48 BayVwVfG scheiden aus den oben genannten Gründen aus. Die beiden Vorschriften können zwar analog herangezogen werden, um den Vertrauensschutz konkret und im Detail zu konturieren, nicht aber, um als Eingriffsnorm in den Bestandsschutz zu dienen. - Dass das Gerichtskostengesetz mit § 19 Abs. 5 GKG eine spezielle Rechtsgrundlage für die Berichtigung des Kostenansatzes enthält, verdeutlicht, dass entsprechende Berichtigungen überhaupt einer solchen bedürfen; diesem Umstand kommt auch für die Frage, unter welchen Voraussetzungen Vergütungsfestsetzungen nach §§ 45 ff. RVG zurückgenommen werden dürfen, große Aussagekraft zu. Eine analoge Anwendung von § 19 Abs. 5 GKG scheidet aus, weil damit kein allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Ausdruck kommt; die Regelung ist zu speziell. - Gleiches gilt für das Reglement des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes. Dieses Gesetz enthält ebenso wie das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz keine explizite Befugnisnorm für die Rücknahme einer Entschädigungs- oder Vergütungsfestsetzung. Gleichwohl wird offenbar die Ansicht vertreten, Erstattungen könnten ohne weiteres angeordnet werden (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, Kommentierung zu § 2 JVEG, Rn. 2.10). Der einzige gesetzliche Anhaltspunkt dafür ist § 2 Abs. 4 JVEG, der die Verjährung des Erstattungsanspruchs des Staats regelt. Dabei darf man nicht übersehen, dass diese Norm nicht die Aufhebung des Rechtsgrunds für die erfolgte Zahlung des Staats betrifft, sondern nur die Rückerstattung als solche. Schon von daher erscheint die zitierte Auffassung angreifbar. Jedenfalls sind die Regelungen und Rechtsinstitute des Justiz-vergütungs- und -entschädigungsgesetzes nicht auf den Bereich der §§ 45 ff. RVG analog übertragbar; auch sie beinhalten keine allgemeinen Rechtsgrundsätze. - Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch kommt als Rechtsgrundlage deswegen nicht in Betracht, weil er lediglich die Rückabwicklung einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung zulässt; hier aber besteht das Problem darin, den Rechtsgrund erst einmal zu beseitigen.

Selbst wenn man eine hinreichende Rechtsgrundlage für eine Rücknahme der im August 2008 konkludent getroffenen Kostenregelung bejahen würde, lägen die Rücknahmevoraussetzungen nicht vor. Mit Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG, der mit § 48 Abs. 2 VwVfG wortgleich ist, hat der Gesetzgeber dokumentiert, unter welchen Voraussetzungen ein begünstigender rechtswidriger Verwaltungsakt ausnahmsweise aufgehoben werden darf, also das Prinzip der materiellen Richtigkeit Vorrang gegenüber der Beständigkeit von Einzelfallregelungen genießt. Nach Ansicht des Senats bilden diese gesetzlichen Rücknahmevoraussetzungen auch die Gewährleistungen des von Verfassungs wegen gewährleisteten Vertrauensschutzes authentisch ab. Daher sind sie analogiefähig und auch in Bezug auf die hier streitige Regelung vom August 2008 entsprechend anwendbar. Die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG sind jedoch nicht erfüllt.

Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auf die Bestandsfestigkeit der Vergütungszahlung bzw. Vergütungsfestsetzung, wie es Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG erfordert, vertraut hat. Aus seiner Sicht handelte es sich im August 2008 um eine endgültige Zahlung; wie das Sozialgericht selbst eingeräumt hat, war diese nicht als Vorschuss deklariert worden. Dieses Vertrauen ist auch schutzwürdig, weil der Beschwerdeführer die Vergütung über zwei Jahre später sicherlich verbraucht hat. Das Vertrauen des Beschwerdeführers verliert nicht dadurch die Schutzwürdigkeit, dass das Erinnerungsrecht der Staatskasse gegen eine Kostenfestsetzung formal unbefristet ist und deshalb - so mag man argumentieren - der Beschwerdeführer immer mit einem Rechtsbehelf der Staatskasse und im Zuge dessen mit der Aufhebung der Vergütungsgewährung vom August 2008 hätte rechnen müssen. Dahin stehen kann, ob entsprechend dem Wortlaut von Art. 50 BayVwVfG eine Beschränkung des Vertrauensschutzes erst dann stattfindet, wenn tatsächlich ein Rechtsbehelf eingelegt ist, nicht aber bereits dann, wenn er nur theoretisch möglich ist. Jedenfalls konnte der Beschwerdeführer - ungeachtet des Problems einer Verwirkung des Erinnerungsrechts - zwei Jahre nach Auszahlung der Vergütung auf jeden Fall davon ausgehen, es würde dabei bleiben. Ein Tatbestand des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG, der dem Vertrauen die Schutzwürdigkeit nehmen würde, liegt nicht vor. Der Umstand, dass der seinerzeitigen Klägerin wegen § 73a Abs. 2 SGG Prozesskostenhilfe gar nicht zugestanden hätte (wegen der VdK-Mitgliedschaft), dürfte dem Beschwerdeführer weder bekannt noch aus grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sein.

Nach alldem sind der Beschluss vom 08.12.2010 sowie die Kostenfestsetzung vom 12.10.2010 rechtswidrig. Da der Beschluss vom 08.12.2010 sowie die Kostenfestsetzung vom 12.10.2010 den Beschwerdeführer zudem in subjektiven Rechten verletzen, sind sie aufzuheben.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).