Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 15 SO 275/12 B - Beschluss vom 19.11.2012
Die Ziff. 645 gehört nicht zum Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ. Die dort verzeichnete Untersuchung der Strömungsverhältnisse in den hirnversorgenden Arterien und den Periorbitalarterien mit direktionaler Ultraschall-Doppler-Technik einschließlich graphischer Registrierung (auch als Dopplersonographie der hirnversorgenden Gefäße bezeichnet) ist auch in der Anlage 2 zum JVEG unter den dort genannten Leistungen nicht aufgeführt. Diese Untersuchung wird nicht als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen von der Nr. 305 der Anlage 2 erfasst. Allein der Umstand, dass bei bestimmten Formen der elektrophysiologischen Untersuchung auch Schallwellen (Töne) eingesetzt werden, um elektrische Spannungen auszulösen um diese sodann zu messen, reicht nicht aus, die Dopplersonographie begrifflich als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen aufzufassen. Dem steht ferner entgegen, dass kostenrechtliche Regelungen ihrem Begriffsinhalt nach klar umrissen sein müssen und auch deshalb einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind.
Gründe:
Der Senat entscheidet gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die vom Sozialgericht zugelassene Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
Für die vom Beschwerdegegner im Rahmen der Begutachtung durchgeführte Dopplersonographie der hirnversorgenden Gefäße kann keine zusätzliche Vergütung nach Ziffer 645 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenordnung für Ärzte (Ziff. 645 GOÄ) in Ansatz gebracht werden. Der Zeitbedarf für diese Untersuchung einschließlich der Auswertung ist jedoch bei den Arbeitsschritten Untersuchung und Anamnese zu berücksichtigen.
Sachverständige erhalten gemäß § 8 Abs. 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 - 11), Fahrtkostenersatz (§ %), Entschädigung für Aufwand (§ 6) sowie Ersatz für sonstige und besondere Auswendungen (§§ 7 und 12). Das Honorar für die Leistung des Sachverständigen wird nach Maßgabe von § 9 JVEG als Vergütung für die erforderliche Zeit festgesetzt. Der teilweise vorgetragenen Anregung, die Sachverständigenvergütung auf der Grundlage der für die jeweiligen Berufsgruppen geltenden Vergütungsordnungen zuzulassen, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt (Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage, § 9 Rn. 9.3). Soweit der Sachverständige besondere Leistungen erbringt, sieht § 10 Abs. 1 JVEG eine zusätzliche Vergütung nach der Anlage 2 zum JVEG vor. Für Leistungen der in Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen bezeichneten Art (Ziff. 5000 - 5380) erhält der Sachverständige gemäß § 10 Abs. 2 JVEG in entsprechender Anwendung des Gebührenverzeichnisses ein Honorar nach dem 1,3-fachen Gebührensatz.
Die Ziff. 645 gehört nicht zum Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ. Die dort verzeichnete Untersuchung der Strömungsverhältnisse in den hirnversorgenden Arterien und den Periorbitalarterien mit direktionaler Ultraschall-Doppler-Technik einschließlich graphischer Registrierung (auch als Dopplersonographie der hirnversorgenden Gefäße bezeichnet) ist auch in der Anlage 2 zum JVEG unter den dort genannten Leistungen nicht aufgeführt. Diese Untersuchung wird nicht als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen von der Nr. 305 der Anlage 2 erfasst. Die Sonographie, auch Echographie oder umgangssprachlich Ultraschalluntersuchung genannt, verwendet Ultraschall als bildgebendes Verfahren zur Untersuchung von organischen Geweben. Die Doppler-Sonographie nutzt den Doppler-Effekt und wird unter anderem zur Bestimmung von Blutfluss-Geschwindigkeiten eingesetzt. Bei der elektrophysiologischen Untersuchung werden durch Messung elektrischer Körperströme Funktionssysteme des Nervensystems beurteilt. Die am Schädel, an den Nerven oder in der Muskulatur gemessenen elektrischen Spannungen werden entweder spontan oder durch willkürliche Bewegungen vom Körper erzeugt oder durch spezifische Reize, z. B. Töne oder kurze Stromreize im Körper ausgelöst. Während bei der Sonographie Körpergewebe und Blutfluss untersucht werden, erlaubt die elektrophysiologische Untersuchung die Messung von Körperströmen. Mithin unterscheiden sich sonographische Untersuchung und elektrophysiologische Untersuchung sowohl durch die Methodik bei der Untersuchung als auch hinsichtlich der untersuchten Körperfunktionen derart deutlich, dass auch eine erweiternde Auslegung es nicht erlaubt, die Dopplersonographie der hirnversorgenden Blutgefäße als elektrophysiologische Untersuchung zu interpretieren. Allein der Umstand, dass bei bestimmten Formen der elektrophysiologischen Untersuchung auch Schallwellen (Töne) eingesetzt werden, um elektrische Spannungen auszulösen um diese sodann zu messen, reicht nicht aus, die Dopplersonographie begrifflich als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen aufzufassen. Dem steht ferner entgegen, dass kostenrechtliche Regelungen ihrem Begriffsinhalt nach klar umrissen sein müssen und auch deshalb einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind.
Im vorliegenden Fall wird allerdings deutlich, dass der Beschwerdegegner irrtümlich davon ausging, die Durchführung der Dopplersonographie und deren Auswertung sei nicht im Rahmen der Zeitvergütung nach § 9 JVEG sondern als zusätzlicher Aufwand zu honorieren. Dies hat zur Folge, dass der zusätzliche Zeitaufwand durch diese Untersuchung und deren Auswertung nunmehr gesondert zu berücksichtigen ist. Dass ein Zeitaufwand über die vom Beschwerdegegner ursprünglich angegebenen zwei Stunden für Untersuchung und Anamnese angefallen ist, darauf deutet der Umstand hin, dass der Klägerin für ihre Kostenerstattung vom Beschwerdeführer ein Zeitaufwand von zweieinhalb Stunden bescheinigt wurde (Bl. 8 Kostenheft). Daher erscheint es angemessen, für den Arbeitsschritt Untersuchung und Anamnese insgesamt 2 ½ Stunden in Ansatz zu bringen.
Daraus folgt eine um 30 Euro zuzüglich der Mehrwertsteuer höher festzusetzende Vergütung von 672,97 Euro (560,10 Euro zuzüglich der Mehrwertsteuer von 106,42 Euro und der Porti von 5,90 Euro und 0,55 Euro).
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG, § 4 Abs. 4 S. 2 JVEG).