Bayerisches Landessozialgericht - L 15 VS 10/07 - Urteil vom 12.05.2009
Schwellungen und Rötungen eines Unterschenkels infolge eines chronisch-rezidivierenden lymphangitischen Syndrom mit geringer Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk sind mit einem GdS/GdB von 30 zu bewerten, wenn entzündliche Zustände durchschnittlich einmal pro Jahr akut auftreten.
Tatbestand
Der 1946 geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i. V. m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Streitig ist zwischen den Beteiligten die Bewilligung einer Versorgungsrente ab 01.06.2000 nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 40.
Das Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) hat bereits mit Urteil vom 18.09.1987 - L 7 V 71/86.SVG entschieden, auf die Berufung des Klägers seien das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 04.12.1985 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25.03.1983 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 02.09.1981 bis 30.04.1982 Ausgleich nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. zu gewähren. Im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe vom 02.01.1969 bis 01.01.1984 als "Soldat auf Zeit" Dienst bei der Bundeswehr geleistet. Am 02.09.1981 habe er beim Dienstsport eine Achillessehnenruptur erlitten, die am 03.09.1981 im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder durch Sehnennaht operativ versorgt worden sei. Die stationäre Behandlung habe vom 02.09.1981 bis 18.09.1981 und 19.10.1981 bis 30.10.1981 gedauert. 14 Tage lang sei eine absolute Ruhigstellung durch Liegegipsverband erfolgt. Der Gehgipsverband sei am 15.10.1981 abgenommen worden. Nach dem Schlussbericht der Klinik vom 04.11.1981 sei der Kläger bei subjektivem Wohlbefinden, befriedigendem Gangbild sowie ausreichender Kraftentwicklung am 30.10.1981 in die truppenärztliche Betreuung übergeben worden. Am 12.11.1981 sei es im häuslichen Bereich bei einem Fehltritt zu einer Reruptur gekommen, so dass am 04.12.1981 im Bundeswehrkrankenhaus M. eine abermalige Achillessehnen-Operation mit Sehnenplastik habe durchgeführt werden müssen. Im Operationsbericht heiße es, dass eine Achillessehnenruptur und ein Zustand nach Fistelung und Nikrose im (alten) Nahtbereich vorliege. Bis 26.01.1982 sei ein Liegegipsverband angelegt worden, danach ein Gehgipsverband, den der Kläger bis 23.02.1982 getragen habe. Im Nachschaubericht des Bundeswehrkrankenhauses M. vom 16.03.1982 werde erwähnt, dass nunmehr eine vorsichtige Belastung des linken Fußes möglich sei und die aktive Übungsbehandlung weiterhin durchgeführt werden könne. Im Nachschaubericht des gleichen Krankenhauses vom 06.04.1982 werde eine zunehmende Belastung für möglich gehalten und empfohlen, den Kläger von den Gehstützen, die er damals noch benutzt habe, zu entwöhnen. Das Rechtsmittel habe nur teilweise Erfolg. Streit bestehe lediglich hinsichtlich der Einschätzung der MdE für die im Sinne der Entstehung anerkannten Folgen einer Wehrdienstbeschädigung: "Geringe Behinderung nach operativ versorgtem Achillessehnenabriss links mit Reruptur". Ab 01.05.1982 bestehe keine MdE von wenigstens 25 v. H., so dass kein Ausgleich zu gewähren sei (§ 85 Abs. 1 SVG i. V. m. § 31 Abs. 1, Abs. 2 2. Halbsatz BVG). Der Senat schließe sich insoweit dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. T. vom 13.08.1985 an. Abweichend von dem erstinstanzlichen Urteil halte es der Senat jedoch für gerechtfertigt, dem Kläger für die Zeit vom 02.09.1981 bis 30.04.1982 Ausgleich nach einer MdE um 40 v. H. zu gewähren. Soweit Prof. Dr. R. für den Zeitraum vom 02.09.1981 bis 01.03.1982 eine MdE von 100 v. H. vorgeschlagen habe, sei dies rechtlich nicht haltbar. Zu beurteilen sei nämlich allein der Zustand, der sechs Monate nach dem Unfall weiterhin bestanden habe, so dass die Zeiten der Bettlägerigkeit mit Liegegips und sämtliche Beschwernisse durch den Gehgips hätten unberücksichtigt bleiben müssen.
Der Kläger hat mit Neufeststellungsantrag vom 23.06.1995 vorgetragen, seine Schädigungsfolgen im Bereich des linken Beines hätten sich verschlimmert (zunehmende Schmerzen, zweimalige Blutvergiftung mit hohem Fieber und Schüttelfrost, zunehmende Wadenkrämpfe des Nachts). Der Beklagte hat den Kläger durch die Sozialmedizinerin Dr. G. am 18.09.1995 untersucht. Mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt vom 26.09.1995 sind die Folgen der Wehrdienstbeschädigung wie folgt neu anerkannt worden: "Operativ versorgter Achillessehnenabriss links mit Ruptur. Postthrombotisches Syndrom mit rezidivierenden Erysipeloiden." Mit Wirkung ab 01.07.1995 sind Versorgungsleistungen nach einer MdE um 30 v. H. eingewiesen worden (§ 81 Abs. 1 SVG, § 30 Abs. 1 BVG).
Der Kläger hat mit Schreiben vom 26.06.2000 einen weiteren Neufeststellungsantrag eingereicht. Seit ca. einem Jahr hätten sich die Schädigungsfolgen verschlimmert. Er habe sehr oft plötzliche starke Schmerzen im linken Bein, so dass ihm ein Weitergehen nicht möglich sei. Seit ebenfalls ca. einem Jahr bestünden Oberflächen- und Hautdurchblutungsstörungen erheblicher Art mit der Folge, dass er jetzt an beiden Beinen Stützstrümpfe tragen müsse.
Der Beklagte hat die Unterlagen des behandelnden Phlebologen Dr. A. beigezogen und den Kläger am 04.10.2000 durch Dr. H. versorgungsärztlich untersuchen lassen. Gegenüber dem Vergleichsgutachten von 1995 sei festzustellen, dass der Kläger weitere 18 Kilo zugenommen habe, so dass er jetzt bei einer Körpergröße von 1,68 Meter ein Gewicht von 128 Kilogramm habe. Seitens der Schädigungsfolgen am linken Bein hätten die Umfangmaße beider Beine gewichtsbedingt zugenommen. Die Narbe an der dorsalen Seite des linken Unterschenkels sei unverändert. Auch die Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk sei nahezu identisch. Der Kläger müsse jetzt Kompressionsstrümpfe beidseits tragen, da die Blutumlaufstörungen in beiden Beinen durch das Übergewicht gestört seien. Keinesfalls könne von einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen ausgegangen werden. Die anerkannte MdE von 30 v. H. wäre nach den neuen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" nicht mehr vertretbar. Dementsprechend ist der Neufeststellungsantrag vom 26.06.2000 mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt vom 08.11.2000 abgelehnt worden.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ist der Kläger dahingehend angehört worden, dass die Versorgungsleistungen gemäß § 48 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) "einzufrieren" seien. Von Amts wegen ist am 04.10.2001 ein entsprechender Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt ergangen, der gemäß § 86 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden ist.
Im Übrigen ist der Widerspruch vom 11.12.2000 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung B-Stadt vom 08.11.2000 mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2002 zurückgewiesen worden.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Regensburg nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Beweisanordnung vom 27.01.2004 Dr. S. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat mit gefäßchirurgischem Gutachten vom 23.07.2004 vor allem auf die bei dem Kläger schädigungsbedingt bestehenden Weichteilveränderungen im Sinne eines chronischen lymphangitischen Syndromes nach rezidivierenden Erysipelen hingewiesen. Dr. H. habe weiterhin ein sekundäres Lymphödem diagnostiziert. Bei einem Zustand nach Achillessehnenplastik wegen eitrigem partiellem Achillessehnenverlust sowie nach operativ mit Dura plastisch versorgtem Achillessehnenriss links bestehe ab 06/1995 eine MdE von 30 v. H.
Gestützt auf die versorgungsärztlich-chirurgische Stellungnahme des Dr. T. vom 07.10.2004 hat der Beklagte an seiner Auffassung festgehalten, dass die erfolgte "Einfrierung" gemäß § 48 Abs. 3 SGB X rechtens gewesen sei.
Der nach § 109 SGG benannte und beauftragte Sachverständige PD Dr. S. ist mit Gutachten vom 12.07.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass für die bestehenden WDBF eine Gesamt-MdE von 35 v. H. angemessen sei.
Das Sozialgericht Regensburg hat mit Urteil vom 16.10.2006 - S 3 VS 2/02 - für Recht erkannt:
Der Bescheid des Versorgungsamtes B-Stadt vom 04.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002 wird aufgehoben.
Der Bescheid des Versorgungsamtes B-Stadt vom 08.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002 wird dahin abgeändert, dass die Wehrdienstbeschädigungsfolgen in Abänderung des Bescheides vom 26.09.1995 wie folgt bezeichnet werden: "Schwellungen und Rötungen des linken Unterschenkels durch chronisch-rezidivierendes lymphangitisches Syndrom und geringe Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk nach operativ versorgter Ruptur und Reruptur der linken Achillessehne".
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Hierbei hat sich das Sozialgericht Regensburg vor allem auf die Ausführungen von Dr. S. mit Gutachten vom 23.07.2004 samt Ergänzung vom 22.12.2004 gestützt. Die "Einfrierung" gemäß § 48 Abs. 3 SGB X sei aufzuheben gewesen. Der Vorschlag einer MdE von 35 v. H. durch Dr. S. sei rechtlich irrelevant, da nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Erhöhung der MdE um lediglich 5 v. H. nicht als wesentliche Änderung i. S. v. § 48 Abs. 1 SGB X zu werten sei.
In Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 16.10.2006 hat der Beklagte mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz vom 26.04.2007 als Folge einer WDB i. S. d. SVG nunmehr anerkannt: " Schwellung und Rötungen des linken Unterschenkels durch chronisch-rezidivierendes lymphangitisches Syndrom und geringe Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk nach operativ versorgter Ruptur und Reruptur der linken Achillessehne" im Sinne der Entstehung. Diese Wehrdienstbeschädigungsfolge bedinge eine MdE um 30 v. H. ab 01.07.2002.
Die Berufung des Klägers vom 27.04.2007 ging am 30.04.2007 beim BayLSG ein. Zur Begründung verwies der Bevollmächtigte des Klägers vor allem auf das Gutachten des Dr. S. vom 12.07.2006 sowie dessen nachträgliche Stellungnahme vom 13.11.2006. Demnach sei vorliegend eindeutig eine MdE von 37,5 v. H. bzw. mindestens 40 v. H. gerechtfertigt.
Von Seiten des BayLSG wurden die WDB-, Versorgungs- und Schwerbehinderten-Akten des Beklagten sowie die erstinstanzlichen Unterlagen beigezogen. In Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers vom 22.10.2007 bestellte das BayLSG mit Beweisanordnung vom 29.10.2007 Prof. Dr. S. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Für ihn wurde mit Nachricht vom 09.11.2007 Chefarzt Dr. Th. S. zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser kam mit unfallchirurgischem Gutachten vom 31.01.2008 zu dem Ergebnis, dass bei wenig akutem Zustand eine MdE von 30 v. H. angemessen sei, bei akutem Zustand 35 v. H. Unter Würdigung der chronisch-rezidivierenden Entzündungszustände würde er daher vorschlagen, dass die MdE, welche bereits allein aufgrund der funktionellen beschriebenen Defizite 30 v. H. betrage, für die dauerhafte Situation unter Berücksichtigung der immer wiederkehrenden entzündlichen Veränderungen mit 35 v. H. eingeschätzt werden sollte.
Dr. N. erwiderte mit versorgungsärztlich-chirurgischer Stellungnahme vom 19.03.2008, dass die vorgeschlagene Anhebung auf einen GdS von 35 rechtlich nicht möglich sei. Die Beurteilung sei auch mit festen "Eckwerten" abzugleichen. Klägerseitig werde ein GdS von mindestens 40 geltend gemacht. Aus Sicht des Beklagten sei die Gleichstellung mit der Versteifung eines Sprunggelenkes oder eines Kniegelenkes in ungünstiger Stellung auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich auftretenden Entzündungszustände nicht angezeigt. Es werde deshalb vorgeschlagen, an der bisherigen Bewertung mit einem GdS von 30 festzuhalten.
Der Bevollmächtigte des Klägers entgegnete mit Schriftsatz vom 27.06.2008, entsprechend den Ausführungen des Dr. S. vom 12.07.2006 samt Stellungnahme vom 13.11.2006 und auch entsprechend dem Gutachten des Dr. S. vom 31.01.2008 sei eine MdE (nunmehr GdS) von 30 als eindeutig zu niedrig zu erachten.
Das BayLSG machte den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. S. mit Schreiben vom 07.07.2008 darauf aufmerksam, dass aus rechtlichen Gründen ein GdS von 30 oder 40 festzustellen sei. Mit kurzer gutachterlicher Begründung werde gebeten mitzuteilen, welcher Zehnergrad angemessen sei, ggf. zeitlich gestaffelt.
Dr. S. führte mit ergänzender Stellungnahme vom 14.10.2008 aus, dass vorliegend ein GdS von 30 vorzuschlagen wäre. Aufgrund fehlender Daten über die Art und Form der immer wieder auftretenden Entzündungen bzw. deren Einwirkungen auf den Funktionszustand könne eine zeitliche Staffelung nicht empfohlen werden.
Der Bevollmächtigte des Klägers legte mit Schriftsatz vom 21.11.2008 weitere ärztliche Unterlagen von Dr. L., Dr. G., der AOK B-Stadt sowie der Klinik für Schlafstörungen Bad R. vor. Unter Berücksichtigung der gutachterlichen Ausführungen des Dr. S. vom 13.11.2006, der einen GdS von 37,5 für vertretbar halte, seien dem Kläger Versorgungsleistungen nach einem GdS von 40 zuzusprechen.
Das BayLSG hat mit Beschluss vom 15.04.2009 die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Verteidigung gemäß §§ 153, 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG beigeladen. Die Wehrbereichsverwaltung Süd teilte mit Nachricht vom 20.04.2009 u. a. mit, die Entsendung eines Vertreters zur Sitzung des BayLSG vom 12.05.2009 sei nicht beabsichtigt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16.10.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 08.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002 insoweit abzuändern, als dem Kläger ab Juni 2000 eine Versorgungsrente nach einem GdS (früher MdE) von mindestens 40 zu gewähren ist.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i. V. m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs. 2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet.
Die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - nunmehr Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - erfolgt nach Maßgabe der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgaben 1996, 2004, 2005 und 2008. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (vgl. NJW 1995, S. 3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigen-Gutachten" bestätigt. Der in Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleiste nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen (hier: WDBF) regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kämen. Entsprechendes gilt auch für die neugefassten "Anhaltspunkte 1996, 2004, 2005 und 2008", die die zwischenzeitlich gewonnenen Kenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die zwischenzeitlichen Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (vgl. BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - in SGb 2004, S. 378, 382).
In Ergänzung zu § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG n. F. - danach ist der GdS nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu 5 Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst - hat der Gesetzgeber in § 30 Abs. 17 BVG n. F. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des GdS i. S. d. Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
Dementsprechend sind die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2008" mit Wirkung ab 01.01.2009 durch die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" abgelöst worden (vgl. Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung). Diese sind im Wesentlichen zu den vormals maßgeblichen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2008" inhaltsgleich und bestimmen wie bisher nunmehr in Teil B Ziffer 18.14, dass die Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk geringen Grades einen GdS von 0 bedingt. Eine Bewegungseinschränkung mittleren Grades (Heben/Senken 0-0-30) ist mit einem GdS von 10 zu berücksichtigen. Liegt eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk stärkeren Grades vor, ist ein GdS von 20 vorgesehen.
Auch ausweislich des zuletzt eingeholten Gutachtens des Dr. S. liegt im Bereich des linken oberen Sprunggelenks schädigungsbedingt eine geringe Bewegungseinschränkung nach operativ versorgter Ruptur und Reruptur der linken Achillessehne vor. Das Messblatt für untere Gliedmaßen nach der Neutral-Null-Methode vom 04.12.2007 weist bei dem Kläger rechts folgende Werte aus: 20-0-25. Schädigungsbedingt bestehen im Bereich des linken oberen Sprunggelenks folgende Werte: 10-0-25. Die Nachkontrolle von Dr. S. hat nach Untersuchung vom 29.07.2008 folgende Werte im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes ergeben: 10-0-30 (aktiv: 5-0-10).
Isoliert betrachtet wäre somit die schädigungsbedingte Funktionsstörung im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes mit einem Einzel-GdS von 0 bis 10 zu berücksichtigen.
Die Höhe des Gesamt-GdS hängt somit von der Bewertung der "Schwellungen und Rötungen des linken Unterschenkels durch das chronisch-rezidivierende lymphangitische Syndrom" ab. Hierzu sehen die versorgungsmedizinischen Grundsätze ebenfalls inhaltsgleich zu den vormals geltenden "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2008" nunmehr in Teil B Ziffer 17.10 vor, dass ein chronisch-rezidivierendes Erysipel ohne bleibendes Lymphödem einen GdS von 10 bedingt, sonst je nach Ausprägung des Lymphödems 20 bis 40.
Hiervon ausgehend steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass entsprechend dem erstinstanzlich eingeholten gefäßchirurgischen Gutachten des Dr. S. vom 23.07.2004 sowie dem zweitinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. S. (vgl. Gutachten vom 31.01.2008 samt ergänzender Stellungnahme vom 14.10.2008) hier ein GdS von 30 angemessen ist. Dr. S. hat die Einschätzung als ausgesprochen problematisch erachtet, denn er hat als Gutachter zu den Untersuchungszeitpunkten 04.12.2007 und 29.07.2008 keine entzündlichen Veränderungen akuten Ausmaßes feststellen können, lediglich die Funktionseinschränkungen des chronischen Zustandsbildes. Schlüssig und überzeugend hat Dr. S., hierzu nochmals ausdrücklich befragt, in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.10.2008 erläutert, vergleiche man nun beschriebene Funktionszustände wie z. B. die Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk stärkeren Grades mit 20 oder Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenkes in ungünstiger Stellung mit 40 oder Funktionsausfall des Nervus peronaeus communis oder profundus mit 30, der eine erhebliche aktive Bewegungseinschränkung verursache bei Schädigung der unteren Gliedmaßen, in Zusammenschau mit entzündlichen Veränderungen, wie sie z. B. bei der chronischen Osteomyelitis bei geschlossenen Weichteilen beschrieben würden, so könne eine Einschätzung mit 40 für den vorliegenden Befund kaum in Erwägung gezogen werden. Ohne Zweifel sei der Fuß in seiner Funktion deutlich behindert und die wiederkehrende Entzündungssymptomatik könne die Funktionsbeeinträchtigung verstärken, nicht jedoch in dieser Form, dass sie mit den genannten Funktionseinschränkungen gleichgesetzt werden könnten.
Der von Dr. S. im Hinblick auf § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG zuletzt nochmals befürwortete GdS von 30 erscheint dem erkennenden Senat auch unter dem Gesichtspunkt angemessen, als der Kläger aktenkundig nunmehr durchschnittlich etwa einmal pro Jahr an einem "Entzündungsschub" leidet, der dann akut einer Behandlung bedarf, ggf. sogar stationär, wie dies dem Gutachten Dr. S. vom 31.01.2008 auf Seite 3 zu entnehmen ist: In der Anamnese werden ca. fünf Erysipele (entzündliche flächige Rötungen) mit nachgewiesenem Streptokokken-Infekt und einem 3-wöchigem Krankenhausaufenthalt berichtet. Der Kläger berichtet darüber hinaus, dass hier jeweils antibiotische Behandlungen durchgeführt worden seien. Im Rahmen dieser Vorstellung erfolgte dann eine kernspintomographische Untersuchung der linken Achillessehne, die im muskulotendinösen Übergang längs oval einen knapp 2,5 x 0,5 Millimeter messenden Bezirk mit vermehrter Signalbildung beschreibt, die nach Kontrastmittelgabe eine leichte Signaleinhebung zeigt und in der Beurteilung als umschriebener entzündlicher Prozess wahrscheinlich um das Kunststoffsehnentransplantat herum benannt wird. Eine umschriebene Abszessbildung sowie Fistelbildung ebenso wie knöcherne Beteiligung wird ausgeschlossen.
Im Rahmen des Bewertungsrahmens, den nunmehr die versorgungsmedizinischen Grundsätze in Teil B Ziffer 17.10 vorgeben, ist vergleichbar einem chronisch-rezidivierenden Erysipel aufgrund der Ausprägung des schädigungsbestehenden "chronisch-rezidivierenden lymphangitischen Syndroms samt geringer Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk nach operativ versorgter Ruptur und Reruptur der linken Achillessehne" hier ein GdS von 30 (früher: MdE von 30 v. H.) angemessen. Die weitergehenden Voten des Dr. S. vom 12.07.2006 samt ergänzender Stellungnahme vom 13.11.2006 haben den Senat angesichts der Rezidivhäufigkeit (durchschnittlich ca. einmal pro Jahr) nicht zu überzeugen vermocht.
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16.10.2006 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).