Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1924 geborene Kläger beantragte erstmals am 20.09.1985 Versorgung nach dem BVG. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 26.05.1987 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 20.05.1988 als Schädigungsfolgen fest: Narben nach Splitterverletzung am Gesäß, rechten Ober- und Unterschenkel, kleine Metallsplitter im Bauchraum rechts. Durch diese Gesundheitsstörungen werde die Erwerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Der Beklagte wies den Widerspruch im Übrigen - der Kläger hatte auch die Anerkennung einer Schwerhörigkeit als Schädigungsfolge beantragt - zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.06.1988).

Im nachfolgenden Klageverfahren holte das Sozialgericht (SG) Nürnberg ärztliche Sachverständigengutachten ein und verurteilte den Beklagten, beim Kläger als Schädigungen nach dem BVG im Sinne der Entstehung anzuerkennen: Narben nach Splitterverletzung am Gesäß, rechten Ober- und Unterschenkel, im Bereich des linken Schultergelenkes, des Schädels und kleine Metallsplitter im Bauchraum rechts (Urteil vom 18.10.1990). Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Mit Bescheid vom 04.01.1991 führte der Beklagte das Urteil vom 18.10.1990 aus. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung blieb erfolglos (Urteil des Bayer. Landessozialgerichts - BayLSG - vom 18.08.1993; Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 17.02.1994).

Am 27.02.2002 beantragte der Kläger die Neufeststellung der Schädigungsfolgen. Er machte Herzrhythmusstörungen und Veränderungen des Pulses sowie der Herzleistung als mittelbare Schädigungsfolgen geltend. Diese Leiden seien auf Ausstrahlungen von Splittern zurückzuführen. Den Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 04.07.2002). Ein Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen bestehe nicht. Bei den geltend gemachten Gesundheitsstörungen handele es sich nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme vielmehr um altersbedingte Abnützungserscheinungen sowie um Folgen einer schädigungsunabhängigen koronaren Herzerkrankung und eines Hinterwandinfarktes. Im Widerspruchsverfahren zog der Beklagte einen Befundbericht der behandelnden Internisten und Kardiologen Dres. S. und T. vom 17.10.2002 bei und holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. H. ein. Dr. H. führte unter dem 14.11.2002 aus, dass aus dem Befundbericht vom 17.10.2002 eindeutig zu erkennen sei, dass die Herzleistungsschwäche im Zusammenhang mit einer koronaren Herzerkrankung stehe, die durch einen schädigungsunabhängigen arteriellen Bluthochdruck verursacht würden. Außerdem bestehe beim Kläger eine Herzrhythmusstörung im Sinne einer arterioventriculären Überleitungsstörung AV Block I. Hierbei handele es sich um eine Störung der Erregungsleitung, die in keinerlei Zusammenhang mit den anerkannten Metallsplittern stehe. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2003 zurück. Zur Begründung bezog er sich auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 14.11.2002.

Mit der zum SG erhobenen Klage hat der Kläger daran festgehalten, dass die Splitteransammlungen in seinem Körper ursächlich für die internistischen Leiden im Bereich des Herzens und des Kreislaufes seien. Insbesondere verweise er auf die Ausführungen des Dr. N. vom 28.12.1987 und des Naturheilpraktikers G. vom 29.06.1995.

Das SG hat die Akten des Beklagten beigezogen und die Klage mit Urteil vom 04.12.2003 abgewiesen. Nach dem Bericht der Dres. S. und T. vom 17.10.2002 sei die Herzerkrankung des Klägers auf eine arterielle Hypertonie mit LV-Hypertrophie, eine Hypercholesterinämie sowie eine Adipositas zurückzuführen. Das Gericht stütze sich weiter auf die Ausführungen des Dr. H. , der in Übereinstimmung mit der medizinischen Wissenschaft die koronare Herzkrankheit auf die arteriosklerotischen Veränderungen beziehe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er beanstandet, dass das SG seine Entscheidung auf die von Dr. H. erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme gestützt habe. Anlässlich der im September 1941 erfolgen Musterung seien bei ihm keine Gesundheitsstörungen festgestellt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.12.2003 und den Bescheid des Beklagten vom 04.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Herzrhythmusstörungen, die Herzleistungsminderung sowie das Blutdruckleiden als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise die Ergebnisse der im September 1941 stattgefundenen Musterung beizuziehen und von Amts wegen ein ärztliches Sachverständigengutachten nach Aktenlage einzuholen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Vorbringen des Klägers habe keine neuen Gesichtspunkte ergeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des SG (S 10 V 111/88, S 2 V 9/03) und des BayLSG (L 10 V 152/90, L 18 V 4/04) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 04.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufeststellung seiner Schädigungsfolgen. Eine Beschädigtenrente nach dem BVG steht ihm auch weiterhin nicht zu.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse im gesundheitlichen Bereich kann sich durch Verbesserung oder Verschlechterung der anerkannten Schädigungsfolgen oder durch das Hinzutreten einer neuen, bisher nicht als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörung ergeben. Stets ist jedoch dann erforderlich, dass die weitere Gesundheitsstörung mit Wahrscheinlichkeit auf ein schädigendes Ereignis im Sinne des BVG oder die bereits anerkannte Schädigungsfolge ursächlich zurückzuführen ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Wahrscheinlich im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhangs spricht. Die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs genügt nicht.

Voraussetzung für die Feststellung, ob eine Änderung vorliegt, ist ein Vergleich zwischen den Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses der bindend gewordenen letzten bescheidmäßigen Feststellung der Leistung und dem Zustand im Zeitpunkt der Neufeststellung. Vorliegend hat das SG durch Urteil vom 18.10.1990 den Beklagten zur Abänderung des Bescheides vom 26.05.1987 in der Fassung des Bescheides vom 20.05.1988 und des Widerspruchsbescheides vom 06.06.1988 verurteilt. Daher ist nicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides sondern auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, die das Gericht bei der abschließenden Entscheidung zugrunde zu legen hatte, also vorliegend die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (18.08.1993). Der Ausführungsbescheid vom 04.01.1991 ist entgegen der Auffassung des Beklagten und des SG nicht als Vergleichsbescheid heranzuziehen. Dieser enthält keine verbindliche Regelung, sondern ergeht in Vollziehung des entsprechenden Urteils. Auch verliert der vorhergehende Ausführungsbescheid mit dem das Verfahren abschließenden Urteil seine Wirkung und zwar unabhängig von Ausgang und vom Inhalt des das Verfahren abschließenden Urteils (Urteil des BSG vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 76/04 R).

Ausgehend von diesen Voraussetzungen kann der Senat nicht bejahen, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten ist. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen sind nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen. Nach den ärztlichen Befundunterlagen (Bericht Dr. N. vom 30.04.2002, Dres. S. und T. vom 17.10.2002 bzw. 21.05.2002, Bericht Stadtkrankenhaus T. vom 09.11.2000 und 18.02.2002) ist es nicht wahrscheinlich, dass die geltend gemachten Herzrhythmusstörungen und Veränderungen des Pulses sowie der Herzleistung auf die Splitter zurückzuführen sind. Der Senat schließt sich auf Grund eigener Überzeugung den versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. H. an, nach denen es sich bei diesen Gesundheitsstörungen um Folgen einer schädigungsunabhängigen koronaren Herzerkrankung und einer Störung der Erregungsleitung handelt, die in keinem Zusammenhang mit den Splittern steht.

Auf die von Dr. H. getroffenen Feststellungen konnte sich das SG und kann sich der Senat stützen. Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen werden dadurch, dass sie von dem Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholt worden sind, nicht zu einem bloßen Privatgutachten. Solche Gutachten sind bei der Beweiswürdigung als Urkundsbeweis zu berücksichtigen und können nach der Rechtsprechung des BSG auch alleinige Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein (BSG SozR Nrn. 3 und 66 zu § 128 SGG, BSG SozR 1500 § 103 Nr. 24, BSG HVB-Info 1999, 258). Ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus anderen medizinischen Äußerungen Zweifel an der Schlüssigkeit derartiger Gutachten, so kann sich das Gericht auf das in den Verwaltungsakten enthaltene Gutachten stützen (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4.Aufl 2005, Kap III RdNr. 50 f). So ist es hier. Die vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Berichte des Dr. N. vom 28.12.1987 und des Naturheilpraktikers G. vom 29.06.1995 lassen keinen Zusammenhang der geltend gemachten Gesundheitsbeschwerden mit den Splittern erkennen. Allein die Behauptung des Klägers, die Feststellungen des Dr. H. seien falsch, reicht nicht aus, Zweifel an der Schlüssigkeit zu begründen. Sie reicht auch nicht aus, den Senat zu veranlassen, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Eine Verpflichtung der Gerichte, Beweise "ins Blaue hinein" oder Ausforschungsbeweise zu erheben, besteht nicht (BSGE 78, 207, 213). Auch die Beiziehung der Musterungsunterlagen aus dem Jahr 1941 konnte unterbleiben, da der Gesundheitszustand des Klägers vor dem schädigenden Ereignis nicht entscheidungserheblich ist.

Mithin ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden und daher die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).