Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - Az.: L 19 B 81/05 AS ER - Beschluss vom 21.12.2005
Soweit sich der Antragsteller selbst als in eheähnlicher Gemeinschaft lebend ansieht, hat dies isoliert betrachtet, kaum Bedeutung, da zu dieser Feststellung eine juristische Wertung unter Beachtung der Rechtsprechung erforderlich ist, die juristischen Laien regelmäßig nicht abverlangt werden kann.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 10.10.2005), ist unbegründet.
Der Antragsteller hat für den hier zu behandelnden Zeitraum ab Stellung des Antrages auf gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz im Juni 2005 bis zum Ende des von der Beklagten beschiedenen Zeitraumes mit Jahresablauf 2005 keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung seines Zusammenlebens mit I T als Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3b (Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Dies führt zur gemeinschaftlichen Berücksichtigung von Unterkunftskosten und Unterkunftsnebenkosten sowie zur Anrechnung der von Frau T bezogenen Witwenrente.
Die Antragsgegnerin ist nicht nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 – Sozialgerichtsgesetz – (SGG) zur Erbringung der dem Antragsteller als Alleinstehendem zustehenden Leistungen nach dem SGB II zu verpflichten, weil am Bestehen des vom Sozialgericht verneinten Anordnungsgrundes (= Eilbedürftigkeit der Sache) weiterhin ernsthafte Zweifel bestehen und ein Anordnungsanspruch (materiellrechtlicher Anspruch auf Berücksichtigung der ungeminderten Leistung) nicht glaubhaft gemacht ist.
Gegen eine Eilbedürftigkeit der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung ungekürzter Leistungen spricht, dass keinerlei Hinweise dafür vorliegen, der Antragsteller werde in absehbarer Zeit wohnungslos sein und ohne verfügbare Mittel dastehen. Die Angabe des Antragstellers, Frau T werde ihn Anfang 2006 wohnungslos darstehen lassen, ist wenig glaubhaft, da Mietrückstände im Hauptmietverhältnis zu Herrn M bislang nicht bekannt sind und natürlich auch Frau T bei Beendigung des Untermietverhältnisses zum Antragsteller Kündigungsfristen einzuhalten hätte, die - je nachdem welchem Sachvortrag des Antragstellers man folgt, ausgehend von der Begründung eines Untermietverhältnisses im Jahr 1999 oder aber im Jahr 2005 – zu berechnen wären. Jedenfalls besteht bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren alleine möglichen Prüfungsdichte kein Anspruch auf Bewilligung von Leistungen ohne Berücksichtigung der Verhältnisse von Frau T als Partnerin des Antragstellers in einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II. Unter einer eheähnlichen Gemeinschaft versteht die gefestigte langjährige Rechtsprechung die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (Bundesverfassungsgerichtsentscheidung BVerfGE 87, 234, 264; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 02.09.2004, 1 BvR 1962/04 m.w.N.).
Als wichtige Indizien für die Feststellung einer solchen eheähnlichen Gemeinschaft hat das Bundesverfassungsgericht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen, genannt (insbesondere Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17.11.1992, SozR 3 - 4100 § 137 Nr. 3).
Hinsichtlich der Dauer des Zusammenlebens sind wichtige Hinweistatsachen die Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor Begründung der Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation während der streitgegenständlichen Zeit und die nach außen erkennbare Intensität der gelebten Gemeinschaft.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind insoweit zu gewichten – die weitere Aufklärung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben -, dass der Antragsteller und Frau T nach den vom Senat eingeholten Auskünften der Stadt S seit Mai 1995 und damit seit mehr als 10 Jahren an drei Wohnanschriften jeweils parallel gemeldet waren und somit auch bereits zweimal gemeinsam umgezogen sind, aktuell ein gemeinsames Girokonto unterhalten und nach den Feststellungen des Außendienstes der Antragsgegnerin aktuell unter Verhältnissen wohnen, in denen weder der Zuschnitt der Wohnung eine separate Nutzung durch Mieter und Untermieter zuließe noch durchgeführt wird. Dementsprechend wurde bereits die vom Antragsteller vor Einsetzen der Leistungen nach dem SGB II bezogene Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung von Partnereinkommen berechnet.
Soweit sich der Antragsteller nun – der Vortrag wechselt – selbst als in eheähnlicher Gemeinschaft lebend ansieht, hat dies isoliert betrachtet, kaum Bedeutung, da zu dieser Feststellung eine juristische Wertung unter Beachtung der vorstehend zitierten Rechtsprechung erforderlich ist, die juristischen Laien regelmäßig nicht abverlangt werden kann. Die Äußerung kann jedoch im Zusammenhang mit den weiteren, teilweise bereits genannten Indizien gewertet werden. Zu diesen Indizien fügt sich weiter, dass Frau T seit 11.08.1998 eine Rechtsschutzversicherung unterhält, in der der Antragsteller ab Versicherungsbeginn als mitversicherte Person geführt wird. Weiter unterhält sie seit Jahresmitte 2001 eine Hausratsversicherung zur Absicherung des Hausrats auf einer ständig bewohnten Wohnfläche von 79 m². Der Versicherungsschutz ist daher keinesfalls auf die Absicherung des Verlustes von Hausrat von Frau T nach Abzug der angeblich an den Antragsteller untervermieteten Wohnfläche zugeschnitten, sondern auf die gemeinsame Absicherung.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes sprechen daher deutliche Indizien für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft, die durch den Vortrag des Antragstellers, der sich im Wesentlichen zur angeblichen Untervermietung seit 1999/seit 2005 geäußert hat, nicht entkräftet worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.
Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss an das Bundessozialgericht ist nach § 177 SGG nicht zulässig.