Landessozialgericht Sachsen-Anhalt - L 1 R 137/11 - Urteil vom 12.02.2014
Ist nach § 44 Abs. 4 SGB X ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Fristbeginn ist dabei das Datum der Antragstellung, und zwar auch dann, wenn der Antrag zunächst abgelehnt wurde. Bei Aufhebung von Amts wegen läuft die Frist vom Ende des Jahres an, in dem der Bescheid erteilt wird. Die Frist des § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginnt mit dem letzten Tag des Vorjahres und endet nach vier Jahren mit dem ersten Tag des Jahres. Verzögert die Verwaltung bei einem von Amts wegen durchzuführenden Verwaltungsverfahren ohne triftigen Grund den Erlass des Bescheides und entsteht dem Betroffenen hinsichtlich der Vierjahresfrist ein Nachteil, ist dieser im Wege eines Herstellungsanspruchs auszugleichen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Nachzahlung ihrer neuberechneten Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 01. Juni 1999 bis zum 31. Dezember 2001.
Die am ... 1956 geborene Klägerin ist gelernte Krankenschwester. In diesem Beruf arbeitete sie mit Unterbrechungen von 1976 bis 1997. Am 11. Juni 1997 beantragte sie erstmalig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 22. Januar 1998 wurde ihr eine befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31. Mai 1999 gewährt. Nach einem Weiterzahlungsantrag vom 30. September 1998 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 1999 die Weiterzahlung bis zum Ablauf des Monats November 1999. Nach einem weiteren Antrag wurde die Zahlung der Rente mit Bescheid vom 11. Oktober 1999 bis zum Ablauf des Monats Dezember 2000 bewilligt. Nach den Anträgen der Klägerin vom 21. August 2000, vom 01. August 2003 und vom 25. Juli 2006 bewilligte die Beklagte die Weiterzahlung der Rente mit Bescheid vom 16. November 2000 bis Dezember 2003, mit Bescheid vom 12. September 2003 bis Dezember 2006 und mit Bescheid vom 25. September 2006 bis Dezember 2009. Der Bescheid vom 25. September 2006 enthält den Hinweis, dass die Höhe der Rente aus technischen Gründen noch nicht abschließend bestimmt werden könne. Die Rente werde daher vorläufig in Höhe der bisherigen Rente geleistet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handele es sich bei der Weiterzahlung einer befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht um eine bloße zeitliche Verlängerung des bisherigen Rentenanspruchs, sondern um die eigenständige und vollinhaltlich erneute Zuerkennung eines Rentenanspruchs. Dies habe zur Folge, dass, abgestellt auf den Zeitpunkt des Beginns des neuen Rentenanspruchs, die Rentenhöhe neu zu bestimmen sei. Eine Umsetzung dieser Rechtsprechung sei aus technischen Gründen noch nicht möglich. Die Rente werde daher zunächst in Höhe der bisherigen Rente geleistet. Der vorliegende Bescheid habe hinsichtlich der Bestimmung der Rentenhöhe also nur vorläufigen Charakter. Sobald die technischen Möglichkeiten für die Umsetzung der Rechtsprechung geschaffen seien, werde die Rentenhöhe abschließend bestimmt und hierüber ein endgültiger Bescheid ergehen. Der vorliegende Bescheid gelte somit hinsichtlich der Rentenhöhe nur bis Erteilung des endgültigen Bescheides.
Die Beklagte leitete von Amts wegen ein Überprüfungsverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ein. Hierzu wurde zunächst der Bescheid vom 26. Mai 2008 erlassen, mit dem die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01. Juni 1999 bis zum 30. November 1999 neu festgestellt wurde. Die Neufeststellung der Rente erfolge aufgrund der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 31/96 -. Die Nachzahlung betrage 1.936,06 DM (989,89 EUR) und werde vorläufig nicht ausgezahlt. Zunächst seien Ansprüche anderer Stellen zu klären (z.B. Krankenkasse, Agentur für Arbeit, Träger der Sozialhilfe, Arbeitgeber, vergleichbare Stellen im Ausland, Versicherungsträger im Ausland). Sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei, werde die Nachzahlung abgerechnet. Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 stellte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01. Dezember 1999 bis zum 31. Dezember 2000 neu fest. Die Nachzahlung in Höhe von 4.223,70 DM (2.159,54 EUR) behielt die Beklagte mit derselben Begründung wie im Bescheid vom 26. Mai 2008 ein. Der Teil der Begründung zur Nachzahlung ist auf den Durchschriften der Bescheide in den Verwaltungsakten durchgestrichen. Auf den an die Klägerin übersandten Originalbescheiden fehlt diese Streichung. Mit Bescheid vom 04. Juni 2008 wurde die Rente der Klägerin vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2003 neu festgestellt, wobei sich die Berechnung der Rente und der Nachzahlung in der Begründung des Bescheides nur auf die Zeit ab dem 01. Januar 2002 bezieht. Die Beklagte zahlte der Klägerin für die Zeit vom 01. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 den sich ergebenden Nachzahlungsbetrag aus. Mit den Bescheiden vom 09. Juni 2008 und vom 24. Juni 2008 wurde die Rente für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2006 bzw. vom 01. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2009 neu festgestellt bzw. endgültig berechnet. Die sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbeträge wurden der Klägerin ausgezahlt. Mit Schreiben vom 16. Juli 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nunmehr die Neuberechnung der Rente entsprechend des Hinweises im Bescheid vom 25. September 2006 durchgeführt worden sei. Die Entgeltpunkte seien gemäß der Entscheidung des BSG im Urteil vom 24. Oktober 1996 neu bestimmt worden. Dieses Urteil wirke sich allerdings nur auf die Weiterzahlung bis zum 30. April 2007 aus, da der Gesetzgeber die Regelung über die Weiterzahlung von befristeter Rente wegen Erwerbsminderung mit Wirkung vom 01. Mai 2007 neu gefasst habe. Aufgrund der Verjährungsvorschriften könnten allerdings Zahlungen für die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 nicht erfolgen. Für die Zeit bis zum Dezember 2001 sei eine Nachzahlung durch die Zahlungsbeschränkung des § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift seien Nachzahlungsbeträge für länger als vier Kalenderjahre zurückliegende Zeiten nicht zu leisten.
Am 18. September 2008 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Bescheide vom 26. Mai 2008, vom 29. Mai 2008, vom 04. Juni 2008, vom 09. Juni 2008 und vom 24. Juni 2008 im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Nachzahlungen für die Zeiträume vom 01. Juni 1999 bis zum 31. Dezember 2000 (gemeint wohl 2001) fehlen würden. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass davon auszugehen sei, dass der Widerspruch verfristet sei. Mit Schreiben vom 10. November 2008, welcher mit "Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X zur Rentenangelegenheit" überschrieben war, übersandte die Klägerin eine Stellungnahme, wonach es ihr Anliegen sei, die noch fehlenden Beträge einzufordern. Die Beklagte erließ daraufhin den Bescheid vom 15. Dezember 2008, mit dem sie das Überprüfungsbegehren der Klägerin zurückwies. Eine Nachzahlung für den Zeitraum vom 01. Juni 1999 bis zum 31. Dezember 2000 (gemeint wohl 2001) könne nicht erfolgen, da dies durch die Zahlungsbeschränkungen im § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen sei. Hiergegen legte die Klägerin am 22. Dezember 2008 Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. November 2009 als unbegründet zurückwies. Eine Nachzahlung könne erst ab dem 01. Januar 2002 erfolgen.
Dagegen hat die Klägerin am 26. November 2009 Klage beim Sozialgericht Stendal erhoben. Nach der Eingliederung des Sozialgerichts Stendal in das Sozialgericht Magdeburg (SG) ist das Verfahren dort fortgeführt worden. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. März 2011 abgewiesen. Die ursprünglichen unanfechtbaren Rentenbewilligungsbescheide der Beklagten seien insoweit rechtswidrig gewesen, als darin die Höhe des monatlichen Wertes des Rechtes der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit auf Grund falscher Anwendung von Rechtsvorschriften festgesetzt worden sei. Entsprechend der Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X bestehe für die Beklagte lediglich für die Zeit ab dem 01. Januar 2002 eine Verpflichtung, die neu berechnete höhere Rente für die Vergangenheit nachzuzahlen. Hinsichtlich der Neuberechnung der Rente sei erstmalig mit Bescheid vom 25. September 2006 ein Verwaltungsverfahren eröffnet worden. Die Klägerin selbst habe keinen eigenen Antrag auf Neuberechnung gestellt.
Gegen das am 26. April 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. April 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie meint, dass bei der Ermittlung des Verjährungszeitraumes auf die Rechtsprechung des BSG abzustellen sei. Sie sei davon ausgegangen, dass bei der jeweiligen Bescheiderteilung die BSG-Rechtsprechung berücksichtigt werde. Die Beklagte habe zudem ihre Beratungspflicht verletzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 04. Juni 2008 die neu berechnete Rente für den Zeitraum vom 01. Juni 1999 bis zum 31. Dezember 2001 an sie auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. März 2011 zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung hätten sich aus der Berufungsbegründung keine neuen Gesichtspunkte ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgesetzgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin hat zunächst keinen Leistungsanspruch aus den Bescheiden vom 26. und vom 29. Mai 2008 auf Auszahlung einer dort bewilligten Nachzahlung für den Zeitraum vom 01. Januar 2001 bis 31. Dezember 2001. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2009 ist rechtmäßig. Eine Bewilligungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der Nachzahlung ergibt sich nicht nach Auslegung der Bescheide vom 26. und vom 29. Mai 2008. Allgemein anerkannt ist, dass die Auslegung von öffentlich-rechtlichen Erklärungen wie bei zivilrechtlichen Willenserklärungen nach §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch und den danach geltenden Auslegungsregeln und -grundsätzen erfolgt. Dies gilt auch, wenn die Erklärungen in Form eines Verwaltungsaktes gemäß § 31 SGB X oder als Zusicherung nach § 34 SGB X erfolgen. Entscheidend ist hierbei, wie der Empfänger einer derartigen Erklärung diese bei objektiver Würdigung ihres Inhalts unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände verstehen muss (BSG, Urteil vom 08. Februar 1996 - 11 RAr 61/95 -; juris). In den Bescheiden vom 26. Mai 2008 und vom 29. Mai 2008 führt die Beklagte aus, dass die Nachzahlung vom 01. Juni 1999 bis zum 30. November 1999 umgerechnet 989,89 EUR und vom 01. Dezember 1999 bis zum 31. Dezember 2000 umgerechnet 2.159,54 EUR betrage. Die Nachzahlung werde vorläufig nicht ausgezahlt. Zunächst seien Ansprüche anderer Stellen zu klären. Sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei, werde die Nachzahlung abgerechnet. Bei objektiver Betrachtung kann diese Aussage nur so verstanden werden, dass die Beklagte grundsätzlich einen Nachzahlungsanspruch anerkannt hat und dass lediglich vorrangige Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger zu prüfen sind. Soweit diese nicht festgestellt werden können, werde der Nachzahlungsbetrag an die Klägerin ausgezahlt. Anders als auf den Durchschriften in der Verwaltungsakte der Beklagten sind die betreffenden Passagen auf den Originalbescheiden, welche der Klägerin bekanntgegeben worden sind, nicht durchgestrichen.
Die Klägerin kann sich allerdings hinsichtlich der Klausel zur Nachzahlung nicht auf eine mögliche Bindungswirkung der Bescheide berufen und hieraus einen Nachzahlungsanspruch ableiten. Die Bindungswirkung des Rentenbescheides nach § 77 SGG erstreckt sich nicht auch auf die darin enthaltene Mitteilung über eine Rentennachzahlung, wenn der an den Berechtigten zur Auszahlung kommende Nachzahlungsbetrag wegen noch nicht geklärter Ersatzansprüche noch nicht endgültig festgesetzt ist (BSG, Urteile vom 07. September 2010 - B 5 KN 4/08 R - und vom 21. Juni 1983 - 4 RJ 29/82 -, m.w.N., juris). In diesem Fall kann der Versicherte nicht davon ausgehen, dass der angefallene Nachzahlungsbetrag in vollem Umfang an ihn ausgezahlt wird. Er muss vielmehr damit rechnen, dass der Versicherungsträger eine Abrechnung insoweit vornimmt, als er eine früher gewährte Sozialleistung ganz oder teilweise durch eine andere ersetzt (BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 - 4 RJ 29/82 -, juris). Der Senat sieht sich an diese Rechtsprechung des BSG gebunden, welche eine Bindungswirkung bei Nachzahlungen generell verneint, sobald diese unter dem Vorbehalt der Prüfung von Erstattungsansprüchen stehen. In dem vorliegenden Fall ist allerdings zu konstatieren, dass die Klägerin seit 1999 keine anderen Leistungen bezogen hat und dass die Ankündigung der Prüfung von Erstattungsansprüchen offensichtlich unter Verwendung von Textbausteinen im Nachzahlungsbescheid stattfand, ohne dass mögliche Erstattungsansprüche im Raum standen. Die Beklagte durfte demnach rechtmäßig spätestens mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2009 die Nachzahlung für den Zeitraum vom 01. Januar 2001 bis 31. Dezember 2001 endgültig verweigern. Eine ablehnende Entscheidung kann allerdings nicht bereits in dem Schreiben vom 16. Juli 2008 gesehen werden. Bei diesem Schreiben handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, da die Beklagte ersichtlich keine eigenständige Regelung treffen wollte, zumal sie davon ausging, mit den Bescheiden vom 26. und 29. Mai 2008 bereits eine Regelung in ihrem Sinne getroffen zu haben. Hierfür spricht auch die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung. Soweit man diesem Schreiben Verwaltungsaktqualität zukommen lässt, so ist dieser jedenfalls nicht bestandskräftig geworden, da unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips spätestens der Überprüfungsantrag vom 10. November 2008 als Widerspruch zu werten wäre. Nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 66 SGG galt eine Widerspruchsfrist von einem Jahr, da das Schreiben vom 16. Juli 2008 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Bei der endgültigen ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 15. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2009 waren wegen der fehlenden Bindungswirkung der Nachzahlungsklausel auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X oder nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X durch die Beklagte zu beachten.
2. Etwas anderes gilt hinsichtlich des Bescheides vom 04. Juni 2008 für den Zeitraum vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Januar 2001. In diesem Bescheid wird zunächst angeführt, dass die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2003 neu festgesetzt werde, aber eine Neuberechnung wird tatsächlich erst ab dem 01. Januar 2002 vorgenommen. Insoweit hat die Beklagte den Zeitraum vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2001 in diesem Bescheid nicht geregelt. Erst mit dem Bescheid vom 15. Dezember 2008 hat die Beklagte zunächst widersprüchlich, und dann im Widerspruchsbescheid vom 04. November 2009 eindeutig, die Rentennachzahlung für den Zeitraum vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2001 abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung dieser Entscheidung und eine Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2001.
Ist nach § 44 Abs. 4 SGB X ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Fristbeginn ist dabei das Datum der Antragstellung, und zwar auch dann, wenn der Antrag zunächst abgelehnt wurde. Bei Aufhebung von Amts wegen läuft die Frist vom Ende des Jahres an, in dem der Bescheid erteilt wird. Die Frist des § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginnt mit dem letzten Tag des Vorjahres und endet nach vier Jahren mit dem ersten Tag des Jahres. Verzögert die Verwaltung bei einem von Amts wegen durchzuführenden Verwaltungsverfahren ohne triftigen Grund den Erlass des Bescheides und entsteht dem Betroffenen hinsichtlich der Vierjahresfrist ein Nachteil, ist dieser im Wege eines Herstellungsanspruchs auszugleichen (Schütze in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Auflage, § 44 Rdnr. 29). Die Beklagte hat mit den Bescheiden vom 26. Mai 2008, vom 29. Mai 2008 und vom 04. Juni 2008 eine Neuberechnung für den Zeitraum vom 01. Juli 1999 bis zum 31. Dezember 2000 durchgeführt. Mithin würde in Anwendung von § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X die Frist grundsätzlich am 01. Januar 2004 beginnen und am 31. Dezember 2007 enden. Aus dem Rentenbescheid der Beklagten vom 25. September 2006 wird allerdings deutlich, dass die Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt eine Überprüfung von Amts wegen eingeleitet hatte und lediglich technische Gründe einer Neuberechnung entgegenstanden. Eine Eröffnung des Überprüfungsverfahrens zu einem früheren Zeitpunkt ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat daher zutreffend diesen Zeitpunkt als maßgeblich für die Fristberechnung angesehen, so dass der Nachzahlungszeitraum vom 01. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 läuft. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass bei der Ermittlung des Vierjahreszeitraumes auf den Zeitpunkt des Urteil des BSG vom 24. Oktober 1996 abzustellen sei, so ist dem nicht zu folgen, da dies im Ergebnis bedeuten würde, dass für den Beginn der Frist in § 44 Abs. 4 SGB X der Zeitpunkt der Rechtswidrigkeit einer Entscheidung maßgeblich wäre. Dies würde letztendlich dazu führen, dass für § 44 Abs. 4 SGB X nur ein geringer Anwendungsbereich verbliebe, da § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X verlangt, dass der zu überprüfende Verwaltungsakt bereits bei Erlass rechtswidrig gewesen ist. § 44 Abs. 4 SGB X könnte dann allenfalls bei der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung Berücksichtigung finden. Ein solch enger Anwendungsbereich ergibt sich allerdings aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 4 SGB X und dessen Sinn und Zweck nicht. Sinn und Zweck der Regelung ist es, dass laufende Sozialleistungen wegen ihres Unterhaltscharakters nicht für einen längeren Zeitraum nachzuzahlen sein sollen (Schütze a.a.O. § 44 Rdnr. 28).
Soweit die Klägerin noch darauf hinweist, dass sie durch die Beklagte falsch beraten worden sei, insbesondere nicht auf die Rechtsprechung des BSG zu der Berechnung einer befristeten Erwerbsminderungsrente hingewiesen worden sei, führt dies ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Eine Berücksichtigung dieses Vorbringens wäre allenfalls im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs möglich. Die Anwendbarkeit des § 44 SGB X schließt allerdings die Herleitung weitergehender Rechtsfolgen auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus. In einem Fall rechtswidrigen Verwaltungshandelns im Rahmen eines mit der Erteilung eines (positiven oder negativen) Leistungsbescheides abgeschlossenen Leistungsfeststellungsverfahrens kommt eine Korrektur des rechtswidrigen Verwaltungsaktes und eine Erbringung der zu Unrecht vorenthaltenen (höheren) Leistung auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 44 SGB X und folgt zum anderen aus dem Wesen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (BSG, Urteil vom 23. Juni 1986 - 1 Ra 31/85 -, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat. Es stellt sich die Frage, ob sich die Bindungswirkung des Rentenbescheides nach § 77 SGG auch dann nicht auf die darin enthaltene Mitteilung über eine Rentennachzahlung erstreckt, wenn die Beklagte dort zwar die Prüfung möglicher Erstattungsansprüche unter Verwendung von Textbausteinen ankündigt, solche Ansprüche aber offensichtlich wegen des fehlenden Bezuges anderer Leistungen über einen längeren Zeitraum ausscheiden.