Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 14. Dezember 2011 als Arbeitsunfall.

Die 1997 geborene Klägerin besucht das Sportgymnasium O. Zum Unfallzeitpunkt belegte sie den Spezialsportunterricht im Fach Rennrodeln. Am Unfalltag nahm sie an einem Trainingslehrgang in A. teil. Dabei stürzte sie mit dem Rennrodel und zog sich laut Durchgangsarztbericht vom 14. Dezember 2011 unter anderem ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma zu. Deshalb befand sie sich kurzzeitig in stationärer Behandlung. Der Schulleiter der Klägerin erstattete am 15. Dezember 2011 gegenüber der Beklagten eine Unfallanzeige. Diese forderte vom Sportgymnasium O. weitergehende Informationen an. Der Schulleiter teilte daraufhin in einer Stellungnahme vom 23. April 2012 mit, dass die Schüler in bestimmten Fächern auch auf auswärtigen Bahnen fahren müssten. Der Unfall habe sich in der Unterrichtszeit ereignet. Der Lehrplan für das Fach Rennrodeln wurde beigezogen. In einer weiteren Stellungnahme vom 6. Juni 2012 teilte der Schulleiter mit, dass die Organisation der Trainingslehrgänge bei den Trainern liege, die vom Land oder den jeweiligen Sportverbänden angestellt seien. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Juni 2012 die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 b des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) bestehe nicht. Der Trainingslehrgang in A. sei außerhalb des Einflussbereichs der Schule organisiert worden. Die Organisation habe allein den Trainern oblegen. Ein hiergegen durch die Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2012 zurückgewiesen.

Die Verwaltungsberufsgenossenschaft lehnte mit Bescheid vom 4. April 2012 die Anerkennung des Ereignisses vom 14. Dezember 2011 als Arbeitsunfall ab. Die Teilnahme am Training könne nicht als besondere Arbeitsleistung eingeordnet werden, die über die Mitgliedspflichten hinausgehe. Den dagegen eingelegten Widerspruch nahm die Klägerin zurück, nachdem festgestellt worden war, dass sie nicht Mitglied eines Sportvereins ist.

Gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten hat die Klägerin am 21. November 2012 Klage erhoben. Das Sozialgericht Meiningen hat die mit Beschluss vom 17. Juli 2014 ausgesprochene Beiladung der Verwaltungsberufsgenossenschaft mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 wieder aufgehoben, nachdem festgestellt worden war, dass der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Verwaltungsberufsgenossenschaft zurückgenommen worden war. Des Weiteren hat das Sozialgericht Unterlagen des Sportgymnasiums O. und des Th. Schlitten- und Bobsportverbandes beigezogen. Ausweislich der Stellungnahme des Schulleiters des Sportgymnasiums vom 25. März 2013 sind die Hauptwettkämpfe Bestandteil der Notengebung für den Spezialsportunterricht. Hinsichtlich der Trainingswoche vom 11. bis 16. Dezember 2011 auf der Rodelbahn in A. wurde die entsprechende Einladung des Th. Schlitten- und Bobsportverbandes vom 22. November 2011 beigezogen.

Mit Urteil vom 3. November 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zum Unfallzeitpunkt habe die Klägerin keine versicherte Tätigkeit als Schülerin des Sportgymnasiums O. ausgeübt. Die vom Th. Schlitten- und Bobsportverband organisierte Trainingswoche könne nicht dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zugeordnet werden. Dass die im Rahmen des Trainingslehrgangs gezeigten Leistungen Eingang in die Notengebung des Sportgymnasiums fänden bzw. die Teilnahme an solchen Trainingswochen von der Schule erwartet werde, rechtfertige eine Einbeziehung in den Unfallversicherungsschutz nicht. Allein die Nützlichkeit einer Tätigkeit auch für schulische Zwecke reiche nicht aus.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Trainingslehrgang in A. sei im Zusammenwirken mit dem Sportgymnasium O. organisiert und durchgeführt worden. Aus dem Lehrplan des Faches Rennrodeln folge für die Schüler zwingend die Teilnahme an Wettkämpfen im Jugendbereich. Dies wiederum erfordere den Besuch der entsprechenden Trainingslehrgänge. Die Entscheidung des Sozialgerichts berücksichtige nicht hinreichend die Besonderheiten eines Sportgymnasiums. Die Wettkämpfe seien als integraler Bestandteil des Schulunterrichts und damit als versichert anzusehen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 3. November 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2012 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 14. Dezember 2011 ein Arbeitsunfall war. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Ausführungen der Klägerin könnten nichts daran ändern, dass der Unfall sich nicht im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule ereignet habe. Für die Trainingswoche sei der Th. Schlitten- und Bobsportverband verantwortlich gewesen. Dass die Teilnahme an einem solchen Lehrgang Bestandteil der Notengebung sei, reiche für die Gewährung von Unfallversicherungsschutz nicht aus. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII bestehe nur während des Besuchs und nicht beim Besuch der Schule Unfallversicherungsschutz.

Der Senat hat im Berufungsverfahren weitere Stellungnahmen des Sportgymnasiums und des Sportverbandes eingeholt. Der Schulleiter des Sportgymnasiums O. hat mit Schreiben vom 15. April 2015 mitgeteilt, dass an dem Lehrgang vom 11. bis 16. Dezember 2011 kein Sportlehrer des Sportgymnasiums O. teilgenommen habe. Dies hat der Th. Schlitten- und Bobsportverband in einer Stellungnahme vom 7. Mai 2015 bestätigt. Ein Sportlehrer sei bei dem Lehrgang persönlich nicht anwesend gewesen. Die Entscheidung, welche Person welche Trainingseinheit auf der Bahn absolvieren durfte, sei vom damaligen Landestrainer getroffen worden. Die Lehrgangsplanung sei in enger Zusammenarbeit mit dem Schulleiter und dem Sportkoordinator des Sportgymnasiums O. erfolgt. Diese hätten die verantwortlichen Trainer auch mit der Benotung im Spezialsportfach beauftragt.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die nach §§ 143, 151 SGG zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht Meiningen hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 SGG). Der Sturz während des Trainingslehrgangs in A. am 14. Dezember 2011 stellt keinen Arbeitsunfall dar, denn die Klägerin stand zum Zeitpunkt des Sturzes nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Schülerunfallversicherung.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Die Klägerin stand bei der Tätigkeit, die zu dem streitigen Ereignis führte, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Schülerunfallversicherung.

Versicherungsschutz kann sich im vorliegenden Rechtsstreit nur aus der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII ergeben. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII sind Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen gesetzlich unfallversichert. Versicherte Tätigkeit in diesem Sinne ist nur der Schulbesuch. Dieser erstreckt sich auf Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischenliegenden Pausen und solche im Rahmen so genannter Schulveranstaltungen. Die unfallbringende Verrichtung muss im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule geschehen und zur Zeit des Unfallereignisses im sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Schüler stehen. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs besteht auch bei solchen Verrichtungen kein Versicherungsschutz, die durch den Schulbesuch bedingt sind (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, Az.: B 2 U 19/08 R, SGb 2010 S. 483-487; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, Az.: B 2 U 41/03 R zitiert nach Juris). Eine wesentliche Einflussmöglichkeit im Sinne einer Mitverantwortung ist für die Bejahung des Versicherungsschutzes als ausreichend anzusehen (Schlaeger/Lindner, Unfallversicherung für Kinder in Tagesbetreuung, Schüler und Studierende, 1. Auflage 2011, § 4 Rn. 50 m.w.N.). Daher können grundsätzlich auch Angebote in Kooperation mit anderen Trägern unter den Schutz der gesetzlichen Schülerunfallversicherung fallen. Wesentliches Kriterium für eine derartige organisatorische Mitverantwortlichkeit der Schule ist die Möglichkeit des Ergreifens wirksamer schulischer Aufsichtsmaßnahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. April 2000, Az.: B 2 U 5/99 R, zitiert nach Juris). Entscheidend ist der Gesamteindruck der Veranstaltung unter Berücksichtigung von Planung, Ankündigung und Durchführung.

Gemessen an diesen Kriterien steht die Teilnahme an der Trainingswoche in A. in der Zeit vom 11. bis 16. Dezember 2011 nicht im inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch. Die am Unfalltag absolvierte Trainingseinheit fällt nicht in den organisatorischen (Mit-)Verantwortungsbereich des Sportgymnasiums O. Ein Sportlehrer des Sportgymnasiums O. war bei der Trainingseinheit nicht anwesend. Damit bestand für die Schule keine konkrete Einwirkungsmöglichkeit auf den Ablauf der Trainingseinheit bzw. der Trainingswoche. Dies wird unterstrichen durch die Auskunft des Sportgymnasiums O. vom 15. April 2015, wonach der verantwortliche Landestrainer über den Ablauf der Trainingseinheiten entschied. Dies hat auch der Th. Schlitten- und Bobsportverband in seiner Stellungnahme vom 7. Mai 2015 bestätigt. Danach wurde die Entscheidung, welche Person welche Trainingseinheit auf der Bahn im Rahmen der Trainingswoche zu absolvieren hatte, vom damaligen Landestrainer in Zusammenarbeit mit zwei weiteren anwesenden Trainerkollegen getroffen. Konkrete Einwirkungsmöglichkeiten dahingehend, wer in welchem Umfang das Training absolviert, hatten die Sportlehrer des Sportgymnasiums daher mangels Anwesenheit nicht. Die im Vorfeld erfolgte Abstimmung der Lehrgangsplanung in enger Zusammenarbeit mit dem Schulleiter und dem Sportkoordinator des Sportgymnasiums O. und die Beauftragung der Trainer des Verbandes mit der Benotung ändern daran nichts. Die konkreten Entscheidungen vor Ort haben ausschließlich der Landestrainer bzw. weitere beim Th. Schlitten- und Bobsportverband beschäftigte Trainer getroffen. Mangels Anwesenheit der Sportlehrer vor Ort waren wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen von vornherein ausgeschlossen.

Die sich aus dem Lehrplan Rennrodeln ergebende Notwendigkeit für die Schüler, an Wettkämpfen teilzunehmen, da die Wettkampfleistung wesentlicher Bestandteil der Notengebung im Spezialsportfach ist, ermöglicht keine andere Einschätzung. Nimmt ein Schüler an einer in den Lehrplan aufgenommen Veranstaltung teil, so spricht zunächst einiges dafür, dass eine solche Veranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Schülerunfallversicherung stehen kann, da der erforderliche sachliche Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Schüler gegeben ist. Der erforderliche sachliche Zusammenhang reicht aber für die Annahme von Unfallversicherungsschutz allein nicht aus, da darüber hinaus noch die Einbeziehung der unfallbringenden Verrichtung in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zu fordern ist. Allein die Vergabe von Schulnoten rechtfertigt die Einbeziehung einer Veranstaltung in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule nicht. So unterfallen auch Unfälle bei der Erstellung von Hausaufgaben im privaten Bereich nicht dem Schutz der gesetzlichen Schülerunfallversicherung. Denn außerhalb des Verantwortungsbereichs der Schule besteht auch bei solchen Verrichtungen kein Versicherungsschutz, die wesentlich durch den Schulbesuch bedingt sind.

Die für die Annahme von Versicherungsschutz erforderliche Mitverantwortlichkeit des Sportgymnasiums O. im Hinblick auf die Durchführung der Trainingswoche kann auch nicht mit einem Entgegenkommen des Sportgymnasiums im Rahmen der Organisation des normalen Schulunterrichts begründet werden. Eine Mitverantwortlichkeit des Sportgymnasiums O. für die Durchführung der Trainingswoche kann allein mit einer Umstellung des Stundenplanes vor oder nach der Trainingswoche bzw. der Erteilung schriftlicher Aufgaben zum Ausgleich des Unterrichtsausfalles nicht begründet werden. Denn mangels Anwesenheit von Lehrern im Rahmen der Durchführung der Trainingswoche konnten wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht im Ansatz getroffen werden.

Der weitere Einwand der Klägerin, das Sozialgericht Meiningen habe in seiner Entscheidungsfindung die Besonderheiten von Sportgymnasien nicht hinreichend berücksichtigt, verhilft der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Nach der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII sind Schüler während des Schulunterrichts versichert. Dies bedingt - wie bereits ausgeführt - für die Annahme von Versicherungsschutz eine organisatorische Mitverantwortlichkeit der jeweiligen Schule für die jeweilige Veranstaltung. Eine Sonderregelung für Sportgymnasien existiert demgegenüber nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG sind nicht ersichtlich.