Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 2 (18) KN 137/04 - Urteil vom 06.03.2008
Der Beruf des Zigarettenautomatenauffüllers ist nicht mehr arbeitsmarktgängig ("zugänglich"). Arbeitsmarktgängigkeit ("Zugänglichkeit") kann (ausnahmsweise) verneint werden, wenn die Arbeitsplätze, an denen dieser Beruf verrichtet wird, generell nur an Betriebsangehörige vergeben werden, somit als Eingangsstelle für Betriebsfremde nicht zur Verfügung stehen, oder wenn sie nur in ganz geringer Zahl vorkommen und der Versicherte praktisch keine - nicht einmal "eine wenn auch schlechte - Chance" hätte, in dem (an sich) zumutbaren Verweisungsberuf unterzukommen. Seit dem Jahre 2002 ist die Zahl der Arbeitsplätze für Zigarettenautomatenauffüller rückläufig und potentielle Arbeitgeber nehmen keine externen Stellenbesetzungen mehr vor. Diese hält der Senat angesichts des verschärften Jugendschutzes und des damit verbundenen rückläufigen Zigarettenkonsums für plausibel und nachvollziehbar.
Tatbestand:
Streitig ist Gewährung von Rente wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit.
Der 1967 geborene Kläger wurde zum 14.08.1989 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Als Beschäftigter der Bergbauspezialfirma E war er bis März 1991 als Neubergmann unter Tage eingesetzt. Sodann war er von April 1991 bis März 1999 mit einer kurzen Unterbrechung als Hauer im Streckenausbau tätig und wurde nach der Lohngruppe 9 (der Anlage 4 zum Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus) entlohnt. Ab April 1999 war er bis 25.09.2000 als Hauer für Erweiterungsarbeiten unter Tage eingesetzt und nach der Lohngruppe 10 entlohnt worden. Nach Auskunft des Arbeitgebers verfügte er als Hauer im Streckenausbau und Transport sowie für Erweiterungsarbeiten über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, die vorkommenden bergmännischen Arbeiten zu verrichten. Als Hauer im Streckenvortrieb sowie der Aus- und Vorrichtung sei er wie ein Hauer nach der Lohngruppe 11 entlohnt worden. Die Arbeitnehmer ab der Lohngruppe 10 seien für alle in Streckenvortrieben anfallenden bergmännischen Arbeiten geschult bzw.. unterwiesen worden (Auskünfte der Firma E vom 20.09.2006, 18.09. und 26.09.2007). Zum 31.08.2001 kehrte der Kläger ab.
Der Kläger erlitt am 22.09.2000 einen Autounfall in der Türkei aufgrund dessen er nachweislich ab dem 26.09.2000 arbeitsunfähig erkrankte. Er beantragte am 06.12.2000 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls am 22.09.2000 könne er keine Arbeiten mehr verrichten. Dr. N - Sozialmedizinische Dienst (SMD) P - erstattete unter dem ein 19.02.2001 Gutachten. Es wurde u.a. ein Zustand nach Polytraumata mit Oberschenkelfraktur rechts, Sprunggelenksfraktur rechts, Sprunggelenksfraktur rechts, offener Unterschenkelfraktur links und entsprechender osteosynthetischer Versorgung festgestellt. Der Kläger könne nur mit Unterarmgehstützen gehen und dürfe die unteren Extremitäten noch nicht voll belasten. Es liege zurzeit ein völlig erloschenes Leistungsvermögen vor. Der Kläger sei aufgrund der Schmerzen nicht in der Lage, regelmäßig eine Arbeit zu verrichten. Es liege zudem keine Wegefähigkeit vor. Da die Behandlung noch nicht abgeschlossen war, wurde eine Nachuntersuchung nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Unfallereignis empfohlen. Die Beklagte gewährte daraufhin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.04.2001 bis 31.12.2002 (Bescheid vom 03.08.2001). Im Rentenbescheid heißt es: "Die Anspruchsvoraussetzungen sind seit dem 26.09.2000 erfüllt." Dagegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Rente unbefristet gewährt werden müsse. Jedenfalls käme auf Dauer eine Rückkehr zu seiner Tätigkeit als Hauer nicht in Frage, so dass zumindest der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit auf Dauer vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2002 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Dauerrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei medizinisch nicht zu begründen. Unter Fortführung der Behandlung sei im Laufe der nächsten beiden Jahre noch eine deutliche Besserung möglich. Rente wegen Berufsunfähigkeit aufgrund eines am 23.09.2000 eingetretenen Leistungsfalls auf Dauer sei nicht zu gewähren, da er wahrscheinlich wieder einer sozial zumutbaren Tätigkeit nachgehen können werde.
Unter dem 04.10.2002 erstatteten Dr. D und Dr. C - SMD - ein weiteres Gutachten. Nunmehr wurde festgestellt, dass der Kläger beide Beine voll belasten kann. Es liege ein sicheres Standverhalten vor und neurologische Ausfälle seien nicht nachgewiesen worden. Lediglich im Bereich des linken Oberschenkels bestehe noch eine Umfangsverschmälerung um 2 cm. Im Vergleich zum Vorgutachten aus Februar 2001 bestehe ein zufriedenstellender Residualzustand nach Polytrauma mit multiplen Frakturen. Als wesentliches Funktionsdefizit bestehe die Beinverkürzung rechts um 3 cm. Der Kläger wurde als grubenuntauglich auf Dauer angesehen. Über Tage könne er regelmäßig und vollschichtig leichte und einfache Arbeiten, ohne schweres Heben, Tragen oder Verschieben von Lasten, ohne längere Zwangshaltungen verrichten. Die Beklagte lehnte für die Zeit ab 01.01.2003 die Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab, stellte jedoch das Vorliegen von verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau über den 31.12.2002 hinaus fest (Bescheid vom 11.11.2002).
Mit Bescheid vom 04.12.2003 gewährte die Beklagte ab dem 01.01.2003 - anstelle der bis zum 31.12.2002 geleisteten Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit - Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund des Antrags vom 06.12.2000 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 21.09.2004).
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 02.09.2002 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhoben. Zur Begründung hat der Kläger die Auffassung vertreten, Anspruch auf "Gewährung von unbefristeter Rente" zu haben. Er habe zudem einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer. Als Hauer nach der Lohngruppe 10 unter Tage habe er die Stellung eines Facharbeiters erreicht.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 03.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2002 sowie die Bescheide vom 11.11.2002 und 21.09.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm Erwerbs- hilfsweise Berufsunfähigkeit, weiter hilfsweise volle Erwerbsminderung ab dem 23.09.2000 anzunehmen und Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater U T1, E Str. 00, C, nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt. Über den 31.12.2002 hinaus liege weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Der Kläger könne wieder körperlich leichte Tätigkeiten regelmäßig und vollschichtig verrichten. Über den 31.12.2002 hinaus sei er lediglich noch vermindert berufsfähig im Bergbau. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestünde daher nicht. Der Kläger gehöre nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Das SG hat von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. I aus C einen Befundbericht eingeholt und sodann Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten. Mit pneumologischem Gutachten vom 23.09.2003 hat Dr. T festgestellt, dass lungenfachärztlich keine das Leistungsvermögen maßgeblich einschränkende Erkrankung vorliege. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten, wechselweise im Gehen, Stehen und/oder Sitzen, nicht in andauernder oder längerer Zwangshaltung, ohne besondere Einwirkung von Nässe, Hitze, Kälte und/oder Zugluft, im Freien unter Witterungsschutz, ohne besonderen Zeitdruck, vollschichtig unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten. Die Gehfähigkeit sei uneingeschränkt. Auf Antrag gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. L aus N ein orthopädisches Gutachten. Dieser hat eine erhebliche Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule, einen Zustand nach Unterarmfraktur links, einen Zustand nach Oberschenkelfraktur rechts, einen Zustand nach offener Unterschenkelfraktur links, einen Zustand nach Sprunggelenksfraktur rechts, eine fortgeschrittene Osteochondrose beider Kniegelenke, eine generalisierte Einschränkung der Geh- und Stehfähigkeit sowie eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Es sei noch keine so wesentliche Besserung eingetreten, dass regelmäßig eine berufliche Tätigkeit ausgeübt werden könne (Gutachten vom 12.12.2003).
Dr. N1 erstattete ein orthopädisches Gutachten. Er hat eine relevante Funktionsstörungen nach Verkehrsunfall, eine Beinverkürzung rechts von 3 cm und eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks sowie diskrete X-Bein-Fehlstellung im rechten Oberschenkelbereich sowie eine Normalisierung der Beinmuskulatur gegenüber Oktober 2002 festgestellt. Im Wirbelsäulenbereich bestehe keine nicht korrigierbare Fehlhaltung. Neurologische, motorische oder sensible Ausfälle seien nicht zu beobachten, ebenso wenig eine depressive Verstimmungslage. Der Kläger sei in der Lage leichte, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten, wechselweise im Gehen, Stehen und/oder Sitzen, mit kurzfristigem Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg vollschichtig, mindestens 6 Stunden täglich, unter den betriebsüblichen Bedingungen zu verrichten. Er solle nicht auf Gerüsten oder Leitern, im Freien arbeiten, die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt (Gutachten vom 02.07.2004).
Priv. Doz. Dr. C1 erstattete unter dem 12.07.2004 ein nervenärztliches Gutachten. Er hat festgestellt, dass auf nervenärztlichem Fachgebiet keine krankhaften Befunde oder Gebrechen mit Beeinträchtigung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben vorliegen.
Mit Urteil vom 21.09.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger stünde kein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw.. Erwerbsunfähigkeit und auch nicht wegen voller bzw.. teilweiser Erwerbsminderung über den 31.12.2002 hinaus zu. Er habe nach der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung des § 43 SGB VI keinen Berufsschutz als Facharbeiter gehabt, sondern sei als angelernter Arbeiter einzustufen gewesen. Für die Facharbeitereigenschaft der Hauertätigkeit fehle es nach dem eigenen Vorbringen des Klägers bereits an den erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Für die Zeit ab 01.01.2003 könne er auf die Tätigkeiten eines Pförtners an der Nebenpforte verwiesen werden, die er auch vollschichtig verrichten könne. Er könne auch als Bürohilfskraft tätig sein. Da er aufgrund des Versicherungsfalls mit dem Verkehrsunfall im September 2000 in der Türkei aus medizinischer Sicht allenfalls auf Zeit habe berufsunfähig sein können, wäre Rentenbeginn frühestens der 01.04.2001 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe jedoch die Vorschrift des § 43 SGB VI alte Fassung (a.F.) nicht mehr gegolten. Aus den gleichen Gründen komme die Gewährung von befristeter Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht in Betracht. Zu Recht sei dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 31.12.2002 gewährt worden. Ab dem 01.01.2003 erfülle er weder die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen voller noch teilweiser Erwerbsminderung. Der Kläger sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Zudem sei er uneingeschränkt gehfähig und könne unter den betriebsüblichen Bedingungen tätig sein.
Gegen das am 02.11.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.11.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.09.2004 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 03.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2002 sowie der Bescheide vom 11.11.2002, vom 04.12.2003 und 21.09.2004 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 06.12.2000 hin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31.12.2002 und ab dem 01.01.2003 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint, maßgeblich für die Anwendung der Regelung des § 302 b SGB VI sei der Zahlungsbeginn von Rente.
Aufgrund angenommenen Anerkenntnisses gewährt die Beklagte ab 01.10.2000 Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten. Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat Dr. G aus E ein psychiatrisches Gutachten erstattet. Die Sachverständige hat festgestellt, dass auf psychiatrischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen von Krankheitswert vorliegen. Es bestehe keine Einschränkung der im Erwerbsleben erforderlichen körperlichen und geistigen Funktionen sowie keine Einschränkung der Gehfähigkeit. Der Kläger könne täglich noch 6 Stunden und mehr erwerbstätig sein; er könne unter betriebsüblichen Pausen arbeiten. Die fachpsychiatrischen Einschätzungen und die bisherigen Behandlungsansätze zeigten übereinstimmend keinen Hinweis auf eine psychische Störung (Gutachten vom 09.02.2006).
Des Weiteren hat der Senat die berufskundlichen Unterlagen des 18. LSG-Senats (L 18 KN 58/04) aus der Öffentlichen Sitzung des 18. Senats vom 12.12.2006 sowie die Sachverständigenausführungen des Dr. von N1 aus dem Verfahren des 18. LSG-Senats (L 18 KN 74/01) zum Verfahren beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet, da die Klage im jetzt noch streitigen Umfang entgegen der Auffassung des SG begründet ist.
Streitig ist ausweislich des zuletzt gestellten Sachantrags nur die Gewährung von Rente - auf den Antrag vom 06.12.2000 hin - wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis zum 31.12.2002 und ab dem 01.01.2003 wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer. Die mit dem Klageantrag geltend gemachte Gewährung von Rente ab 01.01.2003 wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer hat der Kläger nicht weiter verfolgt. Insoweit hat seine Klage - konkludent - zurückgenommen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 8. Auflage, § 102 Rdnr. 4 und 7 m.w.N.).
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 03.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2002 sowie der Bescheid vom 21.09.20004 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger daher, § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis zum 31.12.2002 und ab 01.01.2003 einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit richtet sich noch nach §§ 44, 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der Fassung bis zum 31.12.2000 (a.F.) und der Anspruch auf Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI in der Fassung bis zum 31.12.2000 (a.F.).
Nach § 302 b Abs..1 SGB VI (in der Fassung bis zum 31.12.2007) besteht der Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, soweit er am 31.12.2000 bestand, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgebend waren. Gem. § 300 Abs..2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. §§ 43, 44 SGB VI a.F. wurden durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (BGBl I 2000, 1827) mit Wirkung vom 01.01.2001 geändert bzw. aufgehoben.
Der Kläger hat den Rentenantrag am 06.12.2000 und somit vor der Rechtsänderung gestellt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt auch einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit.
Nach § 44 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie erwerbsunfähig sind und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sowie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. sind erwerbunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Am Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Senat keine Zweifel. Dr. N hat mit Gutachten vom 19.02.2001 festgestellt, dass das berufliche Leistungsvermögen des Klägers aufgrund des am 22.09.2000 erlittenen Verkehrsunfalls im Zeitpunkt der Antragstellung am 06.12.2000 völlig erloschen war. Davon ist auch die Beklagte ausgegangen und hat dem Kläger - unter Zugrundelegung eines spätestens am 26.09.2000 eingetretenen Leistungsfalls - die ihm nach ihrer Rechtsauffassung zustehende Rente wegen voller Erwerbsminderung (auf Zeit) gewährt (Bescheid vom 03.08.2001).
Die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war dem Kläger lediglich auf Zeit zu gewähren. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der bis 31.12. 2000 - also auch im Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung beim Kläger - geltenden Fassung wurden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wenn begründete Aussicht bestand, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein konnte. Dr. N hatte die Behandlung noch nicht abgeschlossen angesehen. Es war daher nach Auffassung des Senats durchaus gerechtfertigt, von einer (tatsächlich auch eingetretenen) Verbesserung des Leistungsvermögens auszugehen. Der Kläger hat diesem Umstand ebenfalls Rechnung getragen und lediglich noch beantragt, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31.12.2002 zu gewähren.
Gem. § 101 SGB VI (in der Fassung bis zum 31.12.2001) werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Unter Berücksichtigung des von der Beklagten angenommenen Leistungsfalls vom 26.09.2000 war die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit demnach ab dem 01.04.2001 zu leisten. Dem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit steht nicht entgegen, dass diese Rente erst ab einem Zeitpunkt zu zahlen ist, zu dem das Recht über die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 44 SGB VI a.F.) bereits außer Kraft getreten war. Denn der Anspruch des Klägers auf Gewährung der befristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war noch unter Geltung alten Rechts entstanden. Entgegen der Auffassung der Beklagten - für die Bestimmung des geltenden Rechts sei der Zahlungsbeginn der Rente maßgeblich - kommt es auf den Beginn der tatsächlichen Zahlung der Rente nicht an. Für die Anwendung der Bestandschutzregelung nach § 302 b Abs. 1 SGB VI ist eine tatsächliche Zahlung der Rente am 31.12.2000 nicht erforderlich. Vielmehr zeigt u.a. die Übergangsregelung des § 302b SGB VI, dass der Fortbestand des einmal zugebilligten "Anspruchs" auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres garantiert werden soll, solange die Voraussetzungen für diese Renten vorliegen (BSG Urteil vom 08.09.2005, B 13 RJ 10/04 R, SozR 4-2600 § 101 Nr. 2). Der Rentenbeginn selbst gehört insoweit nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Bei der befristeten Rente wird der Fälligkeitszeitpunkt der Leistung lediglich durch die gesetzliche Bestimmung hinausgeschoben (BSG a.a.O.).
Der Kläger hat für die Zeit ab dem 01.01.2003 – unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 23.09.2000 - einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer nach § 43 SGB VI a F.
Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Ausgangspunkt der Prüfung ist der bisherige Beruf des Versicherten. Darunter ist diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer ausgeübt worden ist. In der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung. Dementsprechend ist als bisheriger Beruf des Kläger, die Tätigkeit eines Hauers im Streckenausbau und Transport sowie für Erweiterungsarbeiten anzusehen. Die allgemeinkundig schwere Tätigkeit eines Hauer unter Tage kann der Kläger - was zwischen den Beteiligten zudem unstreitig ist - nicht mehr ausüben. Davon gehen auch Dr. D und Dr. C (Gutachten vom 04.10.2002) aus, die den Kläger als "grubenuntauglich auf Dauer" ansehen. Damit ist der Kläger allerdings noch nicht berufsunfähig. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn es keine andere Tätigkeit gibt, die ihm sozial zuzumuten ist und die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich zu bewältigen vermag. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Die Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. Urteile vom 20.07.2005, B 13 RJ 29/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 4; vom 09.10.2007, B 5b/8 KN 3/07 R) zur Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 SGB VI a.F. hat die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit in Gruppen eingeteilt und, ausgehend von der Bedeutung, welche die Ausbildung für die Qualität eines Berufes hat, Leitberufen zugeordnet. Diese sind gekennzeichnet durch den Beruf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw.. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters. Ausschlaggebend für die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema ist nicht allein die Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Zu berücksichtigen ist die Qualität der verrichteten Arbeit insgesamt, das ist das aus einer Mehrzahl von Fakturen ermittelte Gesamtbild der Arbeit und ihres Wertes für den Betrieb auf der Grundlage von Dauer und des Umfangs der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit (BSG Urteil vom 09.10.2007, B 5 b / 8 Kn 3/07 R m.w.N.). Eine Tätigkeit kann ferner einer gelernten oder angelernten gleichstehen, weil die Tarifvertragsparteien ihr einen besonderen qualitativen Wert beimessen, obwohl sich eine entsprechende Einstufung nicht bereits aus der durchlaufenen Ausbildung ergibt und auch nicht festgestellt werden kann, dass die Tätigkeit theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten in einem entsprechenden Umfang voraussetzt (vgl. BSG Urteil vom 20.07.2005, B 13 RJ 29/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 4 ). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der bisherige Beruf des Klägers als Hauer innerhalb des Mehrstufenschemas in die Gruppe der Facharbeiter einzuordnen. Zwar hat der Kläger keine Berufsausbildung durchlaufen und auch keinen Hauerschein oder eine ihm entsprechende Fähigkeiten bescheinigende Erklärung des Arbeitgebers vorgelegt, jedoch machen sein beruflicher Werdegang sowie die langjährige Entlohnung nach einer Facharbeiterlohngruppe (Lohngruppe 9 bzw.. 10 der Anlage 4 zum Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus) hinreichend deutlich, dass er das breite Spektrum einer Hauertätigkeit im Bergbau beherrscht hat. Dafür, dass die tarifliche Einordnung der Tätigkeit oder die konkrete Einstufung durch den Arbeitgeber etwa aus qualitätsfremden Gründen erfolgten, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Allein aus dem Hinweis des Klägers, keine anderen Hauertätigkeiten verrichtet zu haben, lässt sich - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht ableiten, dass der Kläger aus qualitätsfremden Gründen Lohn nach der Lohngruppe 9 bzw.. 10 der Anlage 4 zum Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus erhalten hat. Vielmehr hat der Arbeitgeber mitgeteilt, dass der Kläger als Hauer im Streckenausbau und Transport sowie für Erweiterungsarbeiten über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt hat, um die vorkommenden bergmännischen Arbeiten zu verrichten. Die Arbeitnehmer ab der Lohngruppe 10 - also auch der Kläger - seien für alle in Streckenvortrieben anfallenden bergmännischen Arbeiten geschult bzw.. unterwiesen worden (Auskünfte der Firma E vom 20.09.2006, 18.09. und 26.09.2007). Dementsprechend ist auch die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren davon ausgegangen, dass der Kläger als Facharbeiter anzusehen ist.
Mit dem Berufsschutz als Facharbeiter muss sich der Kläger grundsätzlich anspruchshindernd auf Tätigkeiten der nächstniedrigen Gruppe des Mehrstufenschemas, hier derjenigen der sonstigen Ausbildungsberufe, verweisen lassen. Derartige Tätigkeiten, die der Kläger mit dem seit dem 23.09.2000 noch verbliebenen Leistungsvermögen verrichten kann, sind dem Senat nicht ersichtlich. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das berufliche Leistungsvermögen des Klägers bis zum 31.12.2002 vollständig erloschen war, so dass er bis zu diesem Zeitpunkt keinesfalls die von der Beklagten benannte Tätigkeit eines "Automatenauffüllers" - gemeint ist der Zigarettenautomatenauffüller ausüben konnte. Der Kläger ist jedoch auch nach dem 31.12.2002 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage diese Tätigkeit auszuüben. Denn Dr. N1 hat festgestellt, dass der Kläger wechselweise im Gehen, Stehen und/oder Sitzen. Dabei sollten nach Auffassung von Dr.D/Dr. C (Gutachten vom 04.10.2002) längere Zwangshaltungen vermieden werden. Längere Haltungskonstanz ist jedoch aufgrund der Fahrtätigkeit bei der Tätigkeit eines Zigarettenautomatenauffüllers nicht ausgeschlossen.
Darüber hinaus ist der Beruf des Zigarettenautomatenauffüllers seit 2002 nicht mehr arbeitsmarktgängig ("zugänglich"). Arbeitsmarktgängigkeit ("Zugänglichkeit") kann (ausnahmsweise) verneint werden, wenn die Arbeitsplätze, an denen dieser Beruf verrichtet wird, generell nur an Betriebsangehörige vergeben werden, somit als Eingangsstelle für Betriebsfremde nicht zur Verfügung stehen, oder wenn sie nur in ganz geringer Zahl vorkommen und der Versicherte praktisch keine - nicht einmal "eine wenn auch schlechte - Chance" hätte, in dem (an sich) zumutbaren Verweisungsberuf unterzukommen (vgl. BSG Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94, SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Die Zeugen Mommertz und Zenner haben im Verfahren vor dem 18. LSG-Senat (L 18 KN 58/04) bekundet, dass seit dem Jahre 2002 die Zahl der Arbeitsplätze für Zigarettenautomatenauffüller rückläufig ist und potentielle Arbeitgeber keine externen Stellenbesetzungen mehr vornehmen. Diese hält der Senat angesichts des verschärften Jugendschutzes und des damit verbundenen rückläufigen Zigarettenkonsums für plausibel und nachvollziehbar.
Der Kläger hat ab dem 01.01.2003 Anspruch auf die Zahlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit. Bis zum 31.12.2002 "ruhte" der Anspruch auf Zahlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit gem. § 89 Abs. 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift "ruht" das Recht auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit im Sinne der Rechtsfolgenkonsumtion, solange ein Anspruch auf die in der Regel höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit besteht. Folglich gelangen die aus dem Stammrecht auf Rente wegen Berufsunfähigkeit resultierenden Einzelansprüche während der Dauer des Bezugs der EU-Rente nicht zur Entstehung (BSG Urteil vom 31.10.2002, B 4 RA 9/01 R, SozR 3-2600 § 101 Nr. 2). Durch die (vorübergehende) Zahlung der höheren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erlischt der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit jedoch nicht (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht § 89, Rdn. 5). Da der Anspruch auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit unter der Geltung des § 43 SGB VI a.F. entstanden und nicht erloschen ist, steht der Gewährung dieser Rente ab dem 01.01.2003 nicht entgegen, das § 43 VI a.F. durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (BGBl I 2000, 1827) mit Wirkung vom 01.01.2001 geändert wurde (§§ 302 b Abs. 1, SGB VI 300 Abs. 2 ; sowie die obigen Ausführungen zur Rente wegen Erwerbsunfähigkeit).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.