Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 20 B 132/07 AS - Beschluss vom 05.08.2007
Das Beschwerdeverfahren ist eine gesonderte Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Für das Betreiben des Beschwerdeverfahrens fällt nach § 3 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG eine Betragsrahmengebühr an (15 - 160 EUR). Zwar trifft es zu, dass sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen vom Prozessgegner die Erstattung von nach dem RVG angefallenen außergerichtlichen Kosten gefordert werden kann, nicht nach dem RVG selbst, sondern nach § 193 SGG bestimmt. Hieraus zu schließen, eine Kostengrundentscheidung für das Kostenbeschwerdeverfahren sei nicht notwendig, zumal der Anfall einer Gebühr nach Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG bei der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG berücksichtigt werden könne, greift jedoch zu kurz.
Gründe:
Zu Recht hat es das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt, der Antragsgegnerin außergerichtliche Kosten des Antragstellers aufzugeben.
Wenn der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 21.06.2007 nicht abgeholfen hat, hiergegen vorträgt, die Zuziehung eines Bevollmächtigten sei erforderlich gewesen, so lässt der Senat dies dahinstehen.
Auch das Sozialgericht hat nicht entscheidend darauf abgestellt, ob die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich gewesen sei. Die Tragung außergerichtlicher Kosten des Antragstellers durch die Antragsgegnerin kommt vielmehr schon deshalb nicht in Betracht, weil die Antragsgegnerin i.S.d. auch im Rahmen von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu beachtenden Veranlassungsprinzips (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 193 Rn. 12c) jedenfalls keine Veranlassung für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben hat. So hat die Antragsgegnerin, nachdem der Antragsteller im Laufe des Verfahrens nach Aufforderung durch das Sozialgericht Kontoauszüge vorgelegt hat, die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers prüfen können und sodann die von ihm begehrten Leistungen gewährt.
Zuvor war sie jedoch dazu nicht in der Lage, weil der Antragsteller entgegen einer Aufforderung der Antragsgegnerin im Schreiben vom 10.10.2006 Kontoauszüge über die vergangenen drei Monate nicht vorgelegt hat. Vielmehr hat der Antragsteller die Vorlage lückenloser Kontoauszüge ausdrücklich verweigert mit der Begründung, ein Rechtsanspruch der Antragsgegnerin hierauf bestehe nicht; ihm stehe es wegen der verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit frei, wie er die ihm zur Verfügung stehenden Mittel verwende. Angesichts des Umstandes, dass die Beteiligten in einem weiteren Verfahren über mögliche Einnahmen des Antragstellers aus ebay-Geschäften streiten, und dass der Antragsteller mit seiner Familie eine Wohnung bewohnt, die den von der Antragsgegenerin angewandten Angemessenheitskriterien im Sinne von § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht entspricht, bestand insoweit durchaus Anlass für die Frage der Antragstellerin, ob der Antragsteller über verschwiegene Einnahmen verfüge. Da der Antragsteller von der Allgemeinheit aufzubringende Sozialleistungen in Anspruch nimmt, war es ihm insoweit durchaus zuzumuten, durch schlichte Vorlage seiner Kontoauszüge plausibel zu machen, dass er über nennenswerte anderweitige Einnahmen außerhalb der Leistungen nach dem SGB II gerade nicht verfüge (siehe auch Beschluss des Senats vom 16.02.2007 - L 20 B 12/07 AS ER). Zwar steht es dem Antragsteller und den Mitgliedern seiner Bedarfsgemeinschaft frei, im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen die ihm zugeflossenen Mittel frei einzuteilen. Verfassungsrechtlich unzumutbar eingeschränkt wird er aber nicht durch das Verlangen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Bezug solcher Leistungen durch Vorlage seiner Kontoauszüge für die letzten drei Monate nachzuweisen.
Ob es vor diesem Hintergrund gerechtfertigt war, dass das Sozialgericht dem Antragsteller mit Beschluss vom 21.12.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt hat, hat der Senat nicht zu überprüfen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht (s. statt vieler LSG NRW, Beschluss vom 01.08.2007 - L 4 B 6/07 R, m.w.N.) hält der Senat eine solche Kostenentscheidung für notwendig. Keineswegs ist über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen des sog. Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung im Rahmen der (hier gerade angefochtenen) Kostengrundentscheidung zum Verfahren nach § 193 SGG bereits mitentschieden.
Das Beschwerdeverfahren ist eine gesonderte Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG; so auch LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 27.03.2007 - L 5 B 3/06 VG m.w.N.); für das Betreiben des Beschwerdeverfahrens fällt nach § 3 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG eine Betragsrahmengebühr an (15 - 160 EUR). Zwar trifft es zu, dass sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen vom Prozessgegner die Erstattung von nach dem RVG angefallenen außergerichtlichen Kosten gefordert werden kann, nicht nach dem RVG selbst, sondern nach § 193 SGG bestimmt. Hieraus zu schließen, eine Kostengrundentscheidung für das Kostenbeschwerdeverfahren sei nicht notwendig, zumal der Anfall einer Gebühr nach Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG bei der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG berücksichtigt werden könne (so LSG NRW, a.a.O.), greift jedoch zu kurz.
Die Berücksichtigung des Mehraufwandes für das Beschwerdeverfahren im Rahmen des § 197 SGG (auf die LSG NRW, a.a.O., abstellt) kann allerdings von vornherein Gesichtspunkte wie das Veranlassungsprinzip oder den Grad des Obsiegens im Beschwerdeverfahren nicht abdecken. Es erscheint ohnehin selbstverständlich, dass der Urkundsbeamte bei der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG keinerlei Kriterien heranziehen kann, die für eine Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG anzuwenden sind. Denn der Urkundsbeamte füllt lediglich die Entscheidung des Gerichts nach den §§ 192 bis 194 oder 197a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aus (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 197 Rn. 3).
Einzig eine gesonderte Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren ist deshalb geeignet, den im Rahmen des § 193 SGG anzuwendenen Kriterien auch mit Blick auf die Beschwerde hinreichende Geltung zu verschaffen. Zwar wird eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung des § 193 SGG in vielen Fällen derjenigen für das eigentliche Verfahren nach § 193 SGG (wie auch im vorliegenden Fall) entsprechen. Gleichwohl ist dies nicht notwendig so. Führt etwa ein Beschwerdeführer gegen eine anteilige Kostenauferlegung nach § 193 SGG erfolglos Beschwerde, müsste der Beschwerdegegner bei einheitlicher Kostenentscheidung trotz vollen Unterliegens des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren Kosten des Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren im Umfang der anteiligen Kostenauferlegung übernehmen; gleichzeitig könnte der Beschwerdeführer die Beschwerde ohne jegliches Kostenrisiko einlegen. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Ergebnis dem das gesamte Kostenrecht beherrschenden Veranlassungsprinzip widerspräche (so - unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührendordnung - LSG NRW, Beschluss vom 30.01.2004 - L 2 B 5/04 KR ER, m.w.N.)
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).