Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 15. August 2014 hat der Senat auf Antrag der Beklagten die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Dezember 2012 bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz insgesamt ausgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 30. August 2014 hat die Klägerin die Aufhebung dieses Beschlusses und die Fortsetzung der Umsetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Ergebnis zweier Revisionsverfahren, auf die in dem Beschluss Bezug genommen worden ist, nur in Form von Terminsberichten vorläge. Im Übrigen seien diese Fälle nicht mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbar. Zudem hat die Klägerin Bezug genommen auf einen Beschluss des Vorsitzenden des 16. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (L 16 R 123/13), in dem der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung mit der Begründung abgelehnt worden ist, bei der Vollstreckung im sozialgerichtlichen Verfahren seien die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) und damit auch die Vorschrift des § 719 Abs. 1 i.V.m. § 707 Abs. 1 ZPO zwingend zu beachten, wonach die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung nur zulässig sei, wenn glaubhaft gemacht werde, dass die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

 

II.

Der Antrag der Klägerin ist unzulässig. Zwar kann der Vorsitzende die durch ihn erfolgte Aussetzung der Vollstreckung entsprechend § 199 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), trotz ihrer Unanfechtbarkeit, jederzeit aufheben, dies setzt jedoch voraus, dass jedenfalls eine Änderung der Sach- und Rechtslage durch den Antragsteller geltend gemacht wird. Dies ist hier nicht der Fall.

§ 199 Abs. 2 Satz 3 SGG dient dazu, eine gerichtliche Entscheidung einer seit ihrem Erlass veränderten Situation anzupassen. Nur in diesen Fällen sprechen Belange der materiellen Einzelfallgerechtigkeit und inhaltlichen Richtigkeit dafür, den Vorrang der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes in die ergangene Entscheidung zu durchbrechen (vgl. zum Änderungsantrag nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG: Meßling in Hennig, SGG, § 86b, Rn 105; Lowe in Hintz/Lowe, SGG, § 86b Rn. 81; vgl. zu § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO: OVG Hamburg, Beschluss vom 3.2.1995 – Bs VII 2/95; offen gelassen zu § 80 Abs. 6 VwGO a.F.: BVerwG Beschluss vom 25.4.1985 – 4 C 13/85; anderer Ansicht Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 199 Rn. 8c). Die Klägerin hat mit ihrem Antrag jedoch ausschließlich eine andere rechtliche Wertung geltend gemacht.

Selbst wenn man den Antrag der Klägerin als zulässig betrachten würde, hätte er jedoch keinen Erfolg. Mängel der Ermessensentscheidung im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG (vgl. dazu Leitherer a.a.O., § 199 Rn. 8) sind nicht ersichtlich, insbesondere setzt eine entsprechende Ermessensentscheidung nicht voraus, dass ausschließlich Entscheidungen berücksichtigt werden, die in vollständiger Form veröffentlicht worden sind. Auch die Tatsache, dass die Klägerin der Auffassung ist, dass die Entscheidungen, auf die in dem Beschluss Bezug genommen worden ist, mit ihrem Fall nicht vergleichbar seien, führt zu keiner anderen Betrachtung. Die in Bezug gesetzten Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) beantworten die hier im Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsfragen im Wesentlichen. Die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 16. Juli 2014 genannten tatsächlichen Abweichungen ändern daran nichts.

Eine Änderung des Beschlusses wäre auch in Bezug auf die von der Klägern zu den Akten gereichte Entscheidung des Vorsitzenden des 16. Senats (L 16 R 123/13) vom 4. August 2014 nicht geboten. Dieser Beschluss beruht auf der Rechtsauffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts in seinem Beschluss vom 6. August 1999 (B 4 RA 25/98 B, SozR 3-1500 § 199 Nr. 1), nach der es sich bei der Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG um eine Entscheidung handelt, die nicht im Ermessen des Vorsitzenden steht. Dieser in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt gebliebenen Auffassung (etwa Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 199 Rn 13; vgl. auch die Nachweise bei Leitherer a.a.O. § 199 Rn. 8) wird nicht gefolgt. Bei der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (BSG, Beschluss vom 5.9.2001 – B 3 KR 47/01 R, BeckRS 2001,30421396; Ruppelt in Hennig, SGG, § 199 Rn. 20; Leitherer a.a.O. § 199 Rn. 8; Erkelenz in Jansen, SGG, 4. Aufl., Rn. 20). Dies ergibt sich aus der Formulierung "so kann der Vorsitzende", wie insbesondere eine Betrachtung der Berücksichtigung des systematischen Zusammenhanges zeigt (vgl. Lowe, a.a.O. § 199 Rn. 20 m.w.N.). Im Hinblick auf das danach bestehende Ermessen ergibt sich auch keine zwingende entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Rechtsmitteln (§ 719 ZPO), weshalb die Aussetzung der Vollstreckung nicht etwa nur dann in Betracht kommt, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen, da das Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG ein unselbständiges Zwischen- oder Nebenverfahren im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens darstellt und einer gesonderten Kostenentscheidung nicht zugänglich ist (vgl.: LSG Berlin-Brandenburg vom 18. Mai 2005, L 20 AS 1664/08 ER; Rohwer-Kahlmann, SGG, § 199 Rn. 19; Zeihe, SGG, § 199 Rn. 11 c). Die gegenteilige Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (Beschluss vom 6. Januar 2014 - L 5 AR 53/13 R ER), dass das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung eine selbständige Streitsache mit der Folge sei, dass eine gesonderte Kostenentscheidung notwendig ist, überzeugt nicht, da diese sich auf eine Ähnlichkeit des § 199 Satz 2 SGG mit § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG stützt, hinsichtlich dessen in der Sozialgerichtsbarkeit und der Literatur uneingeschränkt von einem selbstständigen Verfahren mit der Notwendigkeit einer Kostenentscheidung ausgegangen werde. Die dieser Auffassung zu Grunde gelegte Parallelität der Vorschriften des § 199 Satz 2 SGG und § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, liegt allerdings nicht vor. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG betrifft zunächst eine Anfechtungssituation und nicht die hier zugrundeliegende Verpflichtungssituation, für die § 86b Abs. 2 SGG einstweiligen Rechtsschutz gewährt. Das Verfahren nach § 199 Satz 2 SGG hat daneben lediglich zum Ziel, die Vollstreckung aus der mit der Berufung oder Beschwerde angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung vorläufig auszusetzen. Es dient insbesondere nicht, wie § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, der vorläufigen Gestaltung der Rechtslage durch Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (vgl. dazu Hintz/Lowe SGG § 86b Rn. 38) und auch nicht der vorläufigen Reglung eines Zustandes durch Erlass einer einstweiligen Anordnung (Rohwer-Kahlmann, SGG, § 199 Rz. 19). Vielmehr beschränkt sich die Anordnung darauf, eine von Gesetzes wegen angeordnete Wirkung des Urteils bzw. des Beschlusses - die Vollstreckbarkeit - zunächst auszusetzen. Das Verfahren nach § 199 Satz 2 SGG entspricht damit strukturell dem § 570 Abs. 3 ZPO (und nicht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG), der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbar ist (Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 149 Rz. 11f.). Auch im Geltungsbereich der ZPO wird ausdrücklich zwischen den einstweiligen Verfügungen und den vorläufigen Maßnahmen nach § 570 Abs. 3 ZPO unterschieden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 570 Rz. 5). Nach der std. Rspr. der Verwaltungsgerichte kann das Beschwerdegericht auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO die Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung aussetzen (OVG Berlin, NVwZ 2001, 1424, 1425; VGH Mannheim, NVwZ 2000, 691, 692).

Kosten dieses Verfahrens werden jedoch als solche des Rechtsstreits in der Hauptsache angesehen, weshalb diesbezügliche Beschlüsse keine Kostenentscheidung enthalten (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., Rz. 1155).