Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Feststellung des Sozialgerichts, dass seine Klage als zurückgenommen gilt.

In der Sache streiten die Beteiligten darüber, dass die Beklagte die dem Kläger mit Bescheid vom 2. Juli 2008 gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit mit Bescheid vom 13. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2013 wegen eines Hinzuverdienstes teilweise aufgehoben und die sich für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Mai 2012 ergebende Überzahlung von ihm zurückgefordert hat. Am 22. April 2013 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Potsdam erhoben.

Nach mehreren Erinnerungen hat das Sozialgericht den Kläger mit Schreiben vom 8. Januar 2014, das dessen Prozessbevollmächtigten am 10. Januar 2014 zugestellt worden ist, nach § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgefordert, die Klagebegründung zu übersenden und detailliert zu schildern, aus welchen Gründen er die überzahlten Beträge nicht erstatten wolle. Es hat ihn darüber belehrt, dass die Klage als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren trotz dieser Aufforderung länger als drei Monate nach Zustellung nicht betrieben werde.

Auf die gerichtliche Verfügung vom 30. Juni 2014 ist in das Prozessregister eingetragen worden, dass der Rechtsstreit am 11. April 2014 durch Rücknahme erledigt worden sei. Hiergegen hat der Kläger Einwände erhoben.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 10. Februar 2016 festgestellt, dass die Klage als zurückgenommen gilt.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Februar 2016 aufzuheben sowie die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Potsdam zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Februar 2016 aufzuheben sowie die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet.

Die Zurückverweisung beruht auf § 105 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zu Unrecht festgestellt, dass die Klage als zurückgenommen gilt.

Die Klagerücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG ist nicht eingetreten, da die Aufforderung des Sozialgerichts an den Kläger, die Klage zu begründen, die Drei-Monats-Frist nicht in Gang gesetzt hat. Denn bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung müssen sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers bestehen, die den späteren Eintritt der Fiktion vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG als gerechtfertigt erscheinen lassen (so BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Mai 1993 - 2 BvR 1972/92 -, juris Rn. 14, in Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23. April 1985 - 9 C 48/84 -, BVerwGE 71, 213, juris Rn. 22). Ein derartiger Anlass bestand vorliegend nicht. Insbesondere hat der Kläger nicht gegen seine prozessualen Mitwirkungspflichten verstoßen. Er ist nicht verpflichtet, die Klage zu begründen: Nach § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG "sollen" die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben werden. Für den Fall, dass der Kläger dieser Obliegenheit nicht nachkommt, sieht das Gesetz vor, dass das Gericht nach § 106a SGG vorgehen kann. Eine Betreibensaufforderung kann hierauf nicht gestützt werden.

Im Rahmen seines nach § 159 Abs. 1 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse des Klägers an einer Erledigung des Rechtsstreits im vorliegenden Berufungsverfahren gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abgewogen und sich für eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat es berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif ist und tatsächliche Ermittlungen im derzeit nicht erkennbaren Umfang erfordert, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz besonders ins Gewicht fällt. Deshalb erscheint es dem Senat im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG geboten, dem Sozialgericht zunächst Gelegenheit zur Aufklärung des Sachverhalts zu geben.

Das Sozialgericht wird in seiner Kostenentscheidung auch über die Kosten der Berufung zu befinden haben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben.