Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 2 SF 105/12 E - Beschluss vom 06.12.2012
Nach § 1 Abs. 1 regelt das JVEG die Vergütung von Sachverständigen, die vom Gericht herangezogen worden sind. Daraus ergibt sich, dass nur der herangezogene Sachverständige einen Vergütungsanspruch geltend machen kann. Weiter ist es jedenfalls in der Sozialgerichtsrechtsprechung geklärt, dass das Gericht selbst den Sachverständigen heranziehen muss und die Auswahl des Sachverständigen nicht auf Dritte, sei dies der Dienstherr des Sachverständigen, der Fachvorgesetzte oder der Sachverständige selbst im Hinblick auf ein von ihm für erforderlich gehaltenes Zusatzgutachten, delegieren kann. Ein solches Gutachten wäre nämlich prozessual unverwertbar und würde keinen Vergütungsanspruch auslösen.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt die richterliche Festsetzung der Sachverständigenvergütung, insbesondere die Erstattung der Umsatzsteuer, obwohl der Sachverständige selbst keine Umsatzsteuer zu entrichten hat.
Die Antragstellerin ist ein Universitätskrankenhaus. Der vom Gericht ernannte Sachverständige steht zu ihr in einem Dienstverhältnis, aus dem heraus er verpflichtet ist, Gutachten im Auftrag von Gerichten als Dienstpflicht für seinen Dienstherrn zu erledigen. Dementsprechend wird eine Nebentätigkeitsgenehmigung nicht erteilt und der Fachvorgesetzte entscheidet, ob der vom Gericht ernannte Sachverständige unter Berücksichtigung vordringlicher Aufgaben für seinen Arbeitgeber und unter Beachtung der Gesamtbelastung den Auftrag ausführen darf. Erhält er die Genehmigung, hat er seinen Honoraranspruch gegen das Gericht an seinen Arbeitgeber abzutreten, der nach eigenem Vortrag insoweit umsatzsteuerpflichtig wird. Der Sachverständige erhält vom Arbeitgeber für das Gutachten eine Vergütung, die diesem angemessen erscheint. Dem liegt zugrunde, dass die Sachverständigen aus Sicht der Antragstellerin u.a. deshalb ernannt werden, weil sie bei der Gutachtenerstattung auf die Möglichkeiten und den Sachverstand einer Universitätsklinik zurückgreifen können. Die Gutachtenerstattung werde inhaltlich nicht beeinflusst. Aus den dargestellten Umständen ergebe sich, dass im Grunde die Antragstellerin zum Sachverständigen ernannt worden sei und ihr deshalb der geltend gemachte Honoraranspruch aus eigenem Recht zustehe. Da sie umsatzsteuerpflichtig sei, sei ihr auch die Umsatzsteuer zu erstatten. Die Abtretungserklärung sei ihrer Auffassung nach nur erforderlich, weil das Gericht die Rechtslage verkenne und ohne eine Abtretungserklärung keine Vergütung für die Antragstellerin festsetze.
Rechtsgrundlage der Festsetzung sind §§ 1 Abs. 1, 8, 9, 12 Abs. 1 Nr. 4 JVEG.
Vorliegend kann die Antragstellerin den Vergütungsanspruch nur aus abgetretenem Recht geltend machen. Ein eigener Anspruch steht ihr nicht zu. Nach § 1 Abs. 1 regelt das JVEG die Vergütung von Sachverständigen, die vom Gericht herangezogen worden sind. Daraus ergibt sich, dass nur der herangezogene Sachverständige einen Vergütungsanspruch geltend machen kann. Weiter ist es jedenfalls in der Sozialgerichtsrechtsprechung geklärt, dass das Gericht selbst den Sachverständigen heranziehen muss und die Auswahl des Sachverständigen nicht auf Dritte, sei dies der Dienstherr des Sachverständigen, der Fachvorgesetzte oder der Sachverständige selbst im Hinblick auf ein von ihm für erforderlich gehaltenes Zusatzgutachten, delegieren kann. Ein solches Gutachten wäre nämlich prozessual unverwertbar und würde keinen Vergütungsanspruch auslösen (vgl. Bundessozialgericht ?BSG- vom 18. September 2003, Az.: B 9 VU 2/03 B und Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 2. Februar 2006, Az.: L 6 SF 895/05 beide zitiert nach juris). Vorliegend besteht deshalb kein Zweifel, dass Dr. B. und nicht etwa die Antragstellerin zum Sachverständigen ernannt worden ist, denn es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass das Landessozialgericht mit der Beweisanordnung vom 30. Mai 2011 kein unverwertbares Gutachten in Auftrag geben wollte. Dementsprechend ist die Beweisanordnung auch an Dr. B. adressiert, wenn auch an seine Dienstadresse. Allein die Nennung der Dienstadresse begründet aber keinen Zweifel an der Ernennung des Dr. B. zum Sachverständigen. Bei verständiger Auslegung der Beweisanordnung nach dem Empfängerhorizont kann auch nicht angenommen werden, dass die Antragstellerin als Sachverständige ernannt und berechtigt gewesen sein sollte, das Gutachten an einen Arzt ihrer Wahl zu delegieren.
Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass § 1 Abs. 2 JVEG die Geltung des Gesetzes auch auf Behörden und sonstige öffentliche Stellen erstreckt und bei deren Ernennung auch diesen und nicht den tatsächlich tätig gewordenen Angehörigen der Behörde den Vergütungsanspruch zuerkennt. Soweit Behörden und sonstige Stellen von den heranziehenden Stellen i.S. des § 1 Abs. 1 JVEG wirksam beauftragt werden können, bestehen auch keine Bedenken, wenn der Behörde und nicht ihren Angehörigen, die den Auftrag im Rahmen ihrer Dienstaufgaben erledigen, der Vergütungsanspruch zusteht (vgl. Meyer/Höver/Bach, Kommentar zum JVEG, 24. Auflage, Erläuterungen zu § 1, Rn. 1. 17, 1.50).
Diese Konstellation ist in der Sozialgerichtsbarkeit aber nicht gegeben. Weder wird eine (Universitäts-) Klinik im Beweisbeschluss zum Sachverständigen ernannt noch wäre eine solche Ernennung nach der oben zitierten Rechtsprechung sinnvoll, weil die Gutachterauswahl dem Richter vorbehaltene Aufgabe ist. Deshalb erfolgt regelmäßig die Ernennung eines konkreten Arztes als Sachverständiger, wie dies auch vorliegend der Fall war.
Besteht deshalb kein eigener Anspruch der Antragstellerin, kann sie einen solchen nur aus abgetretenem Recht geltend machen. Für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer ist deshalb auf den Sachverständigen abzustellen, der allein in einem Rechtsverhältnis zum Gericht steht. Allein dieses Verhältnis bestimmt die Ansprüche des Sachverständigen nach dem JVEG gegen das heranziehende Gericht. Daraus folgt auch zwingend, dass er nur solche Ansprüche abtreten kann, die ihm gegen das Gericht auch zustehen. Ansprüche, die dem Sachverständigen selbst gar nicht zustehen können - hier der Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer, die nicht anfällt, weil der Sachverständige dem Kleinunternehmerprivileg des § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz unterfällt- können auch nicht Gegenstand einer Abtretung sein. Damit steht der Antragstellerin ein Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer nicht zu (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Erläuterungen zu § 12, Rn 12.28 zum Dolmetscherbüro und zu Ansprüchen aus abgetretenem Recht dort tätiger freier Mitarbeiter und Beschluss des Senats vom 6. Februar 2012, L 2 SF 503/11 E zitiert nach juris).
Der Antragstellerin ist auch nicht darin zu folgen, dass das Kleinunternehmerprivileg in Fällen wie dem vorliegenden nicht gelten würde, weil der ernannte Sachverständige eben Beamter oder Angestellter, nicht aber Unternehmer sei. Die Tätigkeit aufgrund eines Beweisbeschlusses erfolgt allein im Rahmen der prozessualen Regelungen des Sachverständigenbeweises in den verschiedenen Prozessordnungen. Für das Gericht, das in keinem Rechtsverhältnis zur Anstellungskörperschaft des zum Sachverständigen bestellten Arztes steht, sind die rechtlichen Regelungen im Verhältnis Arzt-Dienstherr/Arbeitgeber rechtlich ohne Belang. Unabhängig davon ist die Frage zu beurteilen, ob der Dienstherr/Arbeitgeber nach seinen vertraglichen Beziehungen zum Arzt berechtigt ist, diesem die Gutachtenerstattung zu untersagen. Erfolgte dies, müsste der Sachverständige dem Gericht mitteilen, dass er das Gutachten aus Rechtsgründen nicht erstatten könne, der Beweisbeschluss würde aufgehoben, die oben behandelten Rechtsfragen stellten sich erst gar nicht.
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Antragstellerin wirtschaftlich misslich ist, wenn sie die abgetretenen Ansprüche versteuern muss und nicht in vollem Umfang (soweit nicht der Arzt bedient wird) der Krankenhausfinanzierung zuführen kann. Dem ist entgegen zu halten, dass das JVEG die angemessenen Vergütungsansprüche der zu Sachverständigen bestellten Ärzte regelt und nicht die Krankenhausfinanzierung. Insoweit könnte sich die Antragstellerin die Frage stellen, ob es wirtschaftlich nicht günstiger wäre, den betroffenen Ärzten die Vergütung nach dem JVEG zu belassen und statt dessen Entgelte für die Nutzung von Einrichtungen des Krankenhauses zu erheben, die die Ärzte jedenfalls grundsätzlich wieder bei Gericht liquidieren könnten (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Erläuterungen zu § 12, Rn 12.4 ff).
Zur Festsetzung der Höhe des Anspruchs gilt das Folgende:
Von den 16,5 Seiten waren Blatt 1 und 2 nicht zu berücksichtigen. Das Vorblatt und die Wiederholung der Beweisfragen werden nicht vergütet. Von 14, 5 vergütungsfähigen Seiten waren 4, 2 mit dem Zeitfaktor 3 (also 3 Seiten je Stunde) zu berücksichtigen (= 1, 4 Std), 10,3 mit dem Zeitfaktor 2 (also 2 Seiten je Stunde = 5,15 Std). Diktat und Durchsicht (5 Seiten pro Stunde) ergeben 2,9 Stunden. Das Aktenstudium schlägt mit 4 Stunden antragsgemäß zu Buche, die Untersuchung mit einer Stunde, das Literaturstudium mit einer halben Stunde. Damit ergeben sich aufgerundet 15 Stunden je 85,- Euro, also 1275,- Euro. Die GOÄ-Leistungen wurden antragsgemäß (492,80 Euro) übernommen, ebenso wie das Porto von 6,90 Euro. Die Schreibauslagen gekürzt um die nicht berücksichtigungsfähigen Seiten betragen 19,50 Euro (26.000 x 0,75).
Dies ergibt insgesamt 1794, 20 Euro.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet. Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4, 8 JVEG).