Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 37 SF 37/14 EK AL - Urteil vom 03.07.2014
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge
unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen
Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann
Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des
Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG
ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein
Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht
die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
Diese - positiven wie negativen - Anspruchsvoraussetzungen müssen auch dann
erfüllt sein, wenn die Entschädigungsklage gemäß § 198 Absatz 5 Satz 1 GVG
während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben wird. Auch in diesem
Fall müssen insbesondere die Unangemessenheit der Verfahrensdauer und das
Vorliegen eines Nachteils feststehen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu wie folgt
grundlegend ausgeführt: "Dass die Anspruchsvoraussetzungen vollständig
vorliegen müssen, ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 198
Abs. 5 Satz 1 GVG. Danach kann eine Klage auf Entschädigung vor Abschluss des
Ausgangsverfahrens nur "zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz
1" erhoben werden. Eine Leistungsklage muss grundsätzlich bereits möglich
sein.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des bei dem Sozialgericht Cottbus unter dem Aktenzeichen S 19 AL 33/12 weiterhin anhängigen Verfahrens.
Dem Ausgangsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit seiner am 14. Februar 2012 beim Sozialgericht Cottbus eingegangenen, unter dem Aktenzeichen S 19 AL 33/12 registrierten Klage wandte der 1953 geborene Kläger sich gegen einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 04. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2012 und begehrte die Zahlung einer Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer gemäß § 421j Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) für die Zeit ab dem 01. Januar 2012. Hintergrund hierfür war, dass sein Arbeitsverhältnis Ende September/Anfang Oktober 2011 zum Jahresende gekündigt worden war, der Kläger letztlich ein neues, allerdings deutlich schlechter bezahltes Arbeitsverhältnis eingegangen ist und er daher die Zahlung einer Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer beantragt hatte. Zwischen den Beteiligten ist im Ausgangsverfahren im Wesentlichen streitig, ob es noch im Jahre 2011 oder erst Anfang 2012 zur Aufnahme der neuen Beschäftigung gekommen ist und ob die Bundesagentur für Arbeit den Kläger möglicherweise fehlerhaft beraten hat.
Auf richterliche Verfügung vom 16. Februar 2012 wurde der Eingang der Klage bestätigt und die dortige Beklagte zur Stellungnahme innerhalb von sechs Wochen aufgefordert. Am 27. März 2012 ging die Stellungnahme ein; die Beklagte hielt an ihrer Rechtsauffassung fest und überreichte zum Beleg ihres Vortrages einen Verbis-Ausdruck sowie eine Kopie des dem Kläger übergebenen Merkblattes "Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer - Fragen, Antworten, Tipps -" (Stand Januar 2011). Auf richterliche Verfügung vom 29. März 2012 wurde der Bevollmächtigten des Klägers der Schriftsatz am 25. April 2012 zur Stellungnahme übersandt. Diese bat daraufhin mit fünf Tage später eingegangenem Schriftsatz um Einsicht in die Verwaltungsakten. Am 21. Mai 2012 wurden die Akten antragsgemäß übersandt verbunden mit der Bitte um ergänzende Klagebegründung innerhalb von vier Wochen. Am 25. Mai 2012 gingen die Akten sowie die ergänzende Klagebegründung samt Belegen zum Vortrag beim Sozialgericht ein. Unter dem 08. Juni 2012 wurde die dortige Beklagte zur Stellungnahme innerhalb eines Monats aufgefordert. Mit am 10. August 2012 eingegangenem Schriftsatz hielt diese an ihrer Rechtsauffassung fest, dass die neue Tätigkeit nicht schon im Dezember 2011 aufgenommen worden sei.
Dieses Schreiben wurde der Bevollmächtigten des Klägers unter dem 28. August 2012 zur Stellungnahme zugeleitet. Am 04. September 2012 wurden der dortigen Beklagten auf deren entsprechenden Antrag hin die Leistungsakten übersandt, die am 19. September 2012 wieder bei Gericht eintrafen. Zwischenzeitlich war am 31. August 2012 eine Stellungnahme der Bevollmächtigten des Klägers eingegangen, die der dortigen Beklagten unter dem 26. September 2012 geschickt wurde. Deren Stellungnahme ging am 05. November 2012 bei Gericht ein und wurde der Bevollmächtigten des Klägers gut zwei Wochen später zur Stellungnahme "auch zum Verfahrensfortgang" übersandt. Diese äußerte sich daraufhin mit am 28. November 2012 eingegangenem Schriftsatz zur Sache und bat um Anberaumung eines zeitnahen Termins bzw. um Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Unter dem 21. Dezember 2012 wurde die dortige Beklagte um Stellungnahme gebeten, die Anfang Februar 2013 auf ihre bisherigen Ausführungen verwies.
Auf richterliche Verfügung vom 07. Februar 2013 wurden die Akten daraufhin in das so genannte VT-Fach (Verhandlungstermin) gelegt und die Beteiligten unter dem 25. März 2013 informiert, dass im Laufe des Jahres 2013 kein Termin mehr anberaumt werden könne.
Mit am 09. April 2013 eingegangenem Schriftsatz erhob die Bevollmächtigte des Klägers daraufhin Verzögerungsrüge.
Nachdem das Gericht die Beteiligten im Sommer 2013 informiert hatte, dass bei Hauptsachen, die in den Jahren ab 2009 eingegangenen seien, eine "Überbeschleunigung" nicht angezeigt sei, regte die Bevollmächtigte des Klägers mit am 20. November 2013 eingegangenem Schriftsatz nochmals eine Beendigung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid an. Auf erneute Anfrage vom Mai 2014 teilte der Kammervorsitzende der Bevollmächtigten des Klägers schließlich Anfang Juni 2014 mit, dass angesichts der Überlastung eine Terminierung vor dem 2. Quartal 2015 völlig ausgeschlossen sei.
Bereits am 07. Februar 2014 hatte der Kläger eine Entschädigungsklage erhoben und eine angemessene Entschädigung für den ihm entstandenen immateriellen Schaden begehrt.
Er meint, er habe einen Anspruch darauf, dass ein entscheidungsreifer Rechtsstreit in einem angemessenen Zeitraum entschieden werde. Er müsse sich nicht darauf verweisen lassen, dass ältere, noch nicht entscheidungsreife Verfahren zu bearbeiten seien. Er begehre in erster Linie eine Beschleunigung des Ausgangsverfahrens. Das Entschädigungsverfahren stelle die einzige rechtliche Möglichkeit dar, eine Verfahrensbeschleunigung zu erreichen. Die erhobene Verzögerungsrüge und die mehrfache Mitteilung, dass Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und durch einen Einzelrichter bestehe, habe sich nicht als taugliches Mittel für eine Beschleunigung des Verfahrens erwiesen, sodass die Entschädigungsklage notwendig sei. Die äußerste Grenze des Angemessenen sei inzwischen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung, die die Sache für ihn habe, deutlich überschritten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Cottbus unter dem Aktenzeichen S 19 AL 33/12 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 100,00 EUR pro Monat ab dem 01. November 2013 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Dauer des Klageverfahrens sei nicht unangemessen. Der Kläger selbst habe nicht ausgeführt, wann das Sozialgericht zögerlich gearbeitet habe. Allein die Dauer des Gerichtsverfahrens von zwei Jahren (im Zeitpunkt der Erhebung der Entschädigungsklage) rechtfertige nicht die Feststellung einer unangemessenen langen Verfahrensdauer. Der Kläger könne nicht annehmen, dass ein entscheidungsreifer Rechtsstreit umgehend zu entscheiden sei. Die äußerste Grenze des Angemessenen sei noch nicht deutlich überschritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zwar zulässig, nicht jedoch begründet.
A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 des Grundgesetzes (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.
II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft, wobei sich diese angesichts des noch anhängigen streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens lediglich als Teilklage, mit der der Ausgleich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat bereits eingetretener immaterieller Nachteile verfolgt wird, darstellt (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 23.01.2014 - III ZR 37/13 -, juris, Rn. 64). Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.
III. Auch ist die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform eingehalten. Zweifel an der Wahrung der in § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG vorgeschriebenen Sechsmonatsfrist für eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer können schon im Hinblick darauf, dass das streitgegenständliche Ausgangsverfahren noch anhängig ist, nicht bestehen.
B. Allerdings erweist sich die Klage zur Überzeugung des Senats jedenfalls zurzeit als nicht begründet. Der Kläger hat zumindest zum jetzigen Zeitpunkt (noch) keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.
Zwar ist der Beklagte passivlegitimiert. Denn nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land, wobei das Land Brandenburg nach Nr. 5 der Anordnung über die Vertretung des Landes Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz (Vertretungsordnung JM Brdbg, Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz) vom 09.06.1992 (JMBl. S. 78) in der Fassung der Änderung vom 21.11.2012 (JMBl. S. 116) durch die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vertreten wird (vgl. zur Zulässigkeit einer entsprechenden Übertragung durch eine Verwaltungsanordnung BFH, Urteil vom 17.04.2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 30 ff. für die Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).
Nicht hingegen kann im derzeitigen Stadium des Ausgangsverfahrens mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vorliegen.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
Diese - positiven wie negativen - Anspruchsvoraussetzungen müssen auch dann erfüllt sein, wenn die Entschädigungsklage - wie hier - gemäß § 198 Absatz 5 Satz 1 GVG während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben wird. Auch in diesem Fall müssen insbesondere die Unangemessenheit der Verfahrensdauer und das Vorliegen eines Nachteils feststehen (BGH, Urteil vom 23.01.2014 - III ZR 37/13 - zitiert nach juris, Rn. 28). Der Bundesgerichtshof hat in seiner vorgenannten Entscheidung (Rn. 29-34) hierzu wie folgt grundlegend ausgeführt: "aa) Dass die Anspruchsvoraussetzungen vollständig vorliegen müssen, ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG. Danach kann eine Klage auf Entschädigung vor Abschluss des Ausgangsverfahrens nur "zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1" erhoben werden. Eine Leistungsklage muss grundsätzlich bereits möglich sein (zu Ausnahmen siehe unter cc). bb) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG bestätigt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers. Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, der Anspruch auf ein zügiges Verfahren könne schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens verletzt werden und es könne deshalb auch ein Entschädigungsanspruch schon vor diesem Abschluss entstehen (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Dabei hatte der Gesetzgeber Konstellationen vor Augen, in denen vor Verfahrensabschluss eine unangemessene und irreparable Verzögerung feststellbar ist und in denen daher über eine Kompensation für eingetretene Nachteile entschieden werden kann, obwohl das Ausgangsverfahren noch nicht beendet ist (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 22 und 41). Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Möglichkeit, eine Entschädigungsklage noch vor dem Abschluss des Ausgangsverfahrens zu erheben, somit solchen Fällen Rechnung tragen, in denen unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dies setzt voraus, dass sowohl eine unangemessene unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens als auch bereits endgültig eingetretene Nachteile feststellbar sind (vgl. auch Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 254). cc) Konventionsrechtliche Bedenken bestehen nicht. Denn dem Gebot effektiver Rechtsschutzgestaltung (Art. 13 EMRK) wird jedenfalls durch die Klagemöglichkeit während des noch laufenden Verfahrens hinreichend Rechnung getragen. Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht, dass die auf der Grundlage des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG vorgezogene Entschädigungsklage bei fortbestehender Untätigkeit des Gerichts nach Erhebung einer Verzögerungsrüge keinen Nachteil im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erfordert. Dadurch wird verkannt, dass die Entschädigungsklage trotz ihrer generell-präventiven Wirkung, die Gerichte zur Nutzung von Beschleunigungsmöglichkeiten anzuhalten, in erster Linie auf die Kompensation bereits eingetretener Nachteile und nicht wie die Verzögerungsrüge auf eine konkret-präventive Beschleunigungswirkung abzielt (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 15 f; Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 173 f; Steinbeiß-Winkelmann a.a.O. Einführung Rn. 218 f, 230). dd) Soweit das Oberlandesgericht die Möglichkeit einer Entschädigungsklage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens auf Fälle beschränken will, in denen ein Zuwarten auf eine nur nachträgliche Entschädigung nicht zumutbar sei, und insbesondere für den Bereich immaterieller Nachteile eine vorzeitige Entschädigung nur in Extremfällen von "herausragendem Gewicht" gewähren will, findet diese Auffassung im Wortlaut des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG keine Stütze. Danach kann die Klage "zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1" sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden, ohne dass zwischen materiellen und immateriellen Nachteilen differenziert wird. Entscheidend ist allein, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 198 Abs. 1 bis 4 GVG (unangemessene Verfahrensdauer, Nachteil, Kausalität, Verzögerungsrüge, ggf. keine Wiedergutmachung auf andere Weise) gegeben sind. Die Gesetzesmaterialien enthalten ebenfalls keine Hinweise auf eine einschränkende Interpretation der Regelung. Soweit in der Gesetzesbegründung darauf abgestellt wird, dass es namentlich in Extremfällen von jahrzehntelangen Verfahren unzumutbar wäre, den Betroffenen auf den - irgendwann - erfolgenden Abschluss des Ausgangsverfahrens und eine erst anschließende Entschädigungsklage zu verweisen (BT-Drucks. 17/3802 S. 41), sollte durch dieses Beispiel nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass in den übrigen Fällen der Abschluss des Ausgangsverfahrens abgewartet werden müsse."
Gründe, die dafür sprechen könnten, für eine die Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens zum Gegenstand habende Entschädigungsklage andere Maßstäbe anzusetzen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Gegenteil schließt er sich den überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs an.
Die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung sind im vorliegenden Fall (noch) nicht erfüllt. Denn unabhängig davon, ob hier überhaupt eine wirksame Verzögerungsrüge vorliegt oder diese möglicherweise wegen zu voreiliger Einlegung bedeutungslos ist, ist jedenfalls - entgegen der Ansicht des Klägers - eine unangemessene und irreparable Verzögerung des Ausgangsverfahrens bisher nicht festzustellen. Erst recht vermag der Senat nicht darüber zu befinden, ob der Beklagte für eine (etwaige) Verzögerung entschädigungspflichtig ist.
Beurteilungsmaßstab für die Verfahrensdauer ist zur Überzeugung des Senats mit Blick auf die - auf den Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abstellende - Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss. Denn Gegenstand des jeweiligen Ausgangsverfahrens ist ein vom Kläger bzw. der Klägerin geltend gemachter prozessualer Anspruch, über den - so von der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, Gebrauch gemacht wird - nicht in nur einer Instanz geurteilt wird. Weiter ist es gerade in der Sozialgerichtsbarkeit mit zwei vollständigen Tatsacheninstanzen typisch, dass der Umfang der erstinstanzlich getätigten Ermittlungen das Ausmaß der in der zweiten Instanz noch anzustrengenden bedingt, sodass eine isolierte Betrachtung jedenfalls dieser beiden Instanzenzüge zu zufälligen Ergebnissen führen würde. Ist entschädigungsrelevantes Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG jedoch das Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss insgesamt, kann eine Entscheidung darüber, ob gegen Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen worden ist, typischerweise erst dann getroffen werden, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Insofern ist es durchaus denkbar, dass die etwas verzögerte Bearbeitung in der einen Instanz durch eine besonders zügige Bearbeitung in einer anderen (teilweise) kompensiert wird. Allerdings wird eine noch so schnelle Bearbeitung in einer Instanz kaum geeignet sein, eine eklatant überlange Dauer in einer anderen noch auszugleichen (so schon ausführlich und unter Wiedergabe diverser Nachweise: Urteil des Senats vom 04.09.2013 - L 37 SF 66/12 EK VG -, juris, Rn. 49 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 23.01.2014 - III ZR 37/13 - zitiert nach juris, Rn. 37, der auf die Gesamtverfahrensdauer abstellt).
Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber bewusst (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/3802, S. 18 zu § 198 Abs. 1) von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 Rn. 68 m.w.N.). Dementsprechend regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt. Lediglich beispielhaft und ohne abschließenden Charakter werden hier - in Anknüpfung an die vom Bundesverfassungsgericht sowie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Zusammenhang mit der Frage überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelten Maßstäbe - Umstände benannt, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach - so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/3802, S. 18 f. zu § 198 Abs. 1) - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits. Hier ist nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Relevant ist ferner das Verhalten sonstiger Verfahrensbeteiligter sowie das Verhalten Dritter. Hingegen kann sich der Staat zur Rechtfertigung der überlangen Dauer eines Verfahrens nicht auf Umstände innerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs berufen; vielmehr muss er alle notwendigen Maßnahmen treffen, damit Gerichtsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist beendet werden können. Deshalb kann bei der Frage der angemessenen Verfahrensdauer nicht auf die chronische Überlastung eines Gerichts, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation abgestellt werden.
Allerdings reichen die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Umstände nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL -, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m.w.N.), der der Senat sich anschließt, zur Ausfüllung des Begriffs der unangemessenen Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen. So verdeutlicht bereits die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit, dass es auf eine Beeinträchtigung eines Grund- und Menschenrechts durch die Länge des Gerichtsverfahrens ankommt. Es wird damit von vornherein eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt, sodass nicht jede Abweichung vom Optimum ausreicht, vielmehr eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen muss. Weiter verbietet sich das Ziehen einer engen zeitlichen Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer zum einen im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG), zum anderen unter Berücksichtigung des Ziels einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist.
Es kann hier dahinstehen, ob das bei Erhebung der Entschädigungsklage keine zwei Jahre und inzwischen knapp zwei Jahre und fünf Monate anhängige Ausgangsverfahren gemessen an vorstehenden Grundsätzen und unter Berücksichtigung insbesondere des Streitgegenstandes, der Schwierigkeit, Komplexität und Bedeutung der Sache auch für die Allgemeinheit sowie des bisherigen Verfahrensverlaufs überhaupt schon als verzögert anzusehen ist. Denn auch wenn es sicher wünschenswert wäre, dass das vom Sozialgericht seit Februar 2013 als entscheidungsreif angesehene Verfahren bereits einem Abschluss zugeführt worden wäre oder jedenfalls nunmehr zügig erledigt würde, so ist auch zu beachten, dass selbst bei Verfahren, die keine weiteren Ermittlungen erfordern, ein Anspruch auf eine sofortige gerichtliche Entscheidung nicht bestehen kann. Denn andernfalls wäre es den Gerichten faktisch verwehrt, sich jemals komplexeren und älteren Verfahren zu widmen (so der Senat schon im Urteil vom 02.08.2013 - L 37 SF 252/12 EK AL -, juris, Rn. 46). Im Übrigen könnte durchaus davon auszugehen sein, dass (überhaupt erst) bei einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren je Instanz die Vermutung gerechtfertigt ist, die Grenze des Tolerablen werde überschritten, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, die ein solches Überschreiten rechtfertigen (vgl. BSG, Beschluss vom 13.12.2005 - B 4 RA 220/04 B - juris, Rn. 51 ff.; ähnlich: Söhngen, NZS 2012, 493, 494; kritisch: Scholz SGb 2012, 19 ff., 21, vgl. auch Roller, DRiZ 2012, Beilage Juni 2012, 1 ff., 7, der die Grenze des Angemessenen etwa in der Nähe des Zeitpunktes suchen möchte, zu dem etwa 90-95 % aller Gerichtsverfahren beendet sind). Selbst wenn hier jedoch von einer Verfahrensverzögerung auszugehen sein sollte, so wäre diese unter Beachtung der angesichts der bisherigen Verfahrensdauer allenfalls geringen Verzögerung auf der einen Seite und unter Berücksichtigung der - insbesondere auch im Rahmen eines sich unter Umständen anschließenden Berufungsverfahrens - bestehenden Kompensationsmöglichkeiten auf der anderen Seite keinesfalls als unumkehrbar zu bewerten.
Dass das Sozialgericht inzwischen eine Entscheidung frühestens für die Zeit ab dem zweiten Quartal 2015 in Aussicht gestellt hat, kann keine andere Bewertung rechtfertigen. Der Senat kann im Rahmen der sich hier als Teilklage darstellenden Leistungsklage allein die bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingetretenen Tatsachen anspruchsbegründend berücksichtigen, nicht aber die Annahme einer überlangen Verfahrensdauer auf den potentiellen weiteren Verfahrensverlauf stützen.
So wenig wie der Senat damit (bisher) von einer überlangen Verfahrensdauer ausgehen kann, so wenig ist er in der Lage zu entscheiden, ob ein durch eine etwaige Überlänge verursachter immaterieller Nachteil "auf andere Weise" (als durch eine Entschädigung) wiedergutzumachen wäre. Letzteres aber wäre nötig, denn die Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile kommt nach § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 GVG nur dann in Betracht, wenn nicht nach den Umständen des Einzelfalles eine Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist. So sieht § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG als Möglichkeit der Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere vor, dass das mit der Entschädigungsentscheidung befasste Gericht die ausdrückliche Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer treffen kann (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 21). Damit wird deutlich, dass die Geldentschädigung für Nichtvermögensnachteile bei überlangen Gerichtsverfahren durchaus kein Automatismus ist (Steinbeiß-Winkelmann, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Einführung Rn. 257). Die für die Entschädigung maßgebliche Frage, ob eine Wiedergutmachung auf andere Weise im konkreten Fall ausreichend ist, kann jedoch nicht pauschal beantwortet, sondern nur unter Abwägung aller Belange im Einzelfall entschieden werden. So kann eine schlichte Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer beispielsweise in Verfahren, in denen der Anspruchsteller durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat oder die Überlänge des Verfahrens den einzigen Nachteil darstellt, ausreichen (BT-Drucks. 17/3802 S. 20). Ob ggf. eine reine Feststellung als ausreichend anzusehen ist, kann derzeit nicht beurteilt werden.
Die Entschädigungsklage ist nach alledem als verfrüht anzusehen. Das Verfahren nach § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG auszusetzen und den weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens darauf im Auge zu behalten, ob die aktuell nicht gegebenen Anspruchsvoraussetzungen irgendwann doch noch vorliegen, erschien dem Senat nicht sachgerecht. Dem Kläger steht es frei, zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Entschädigungsklage zu erheben. Die Aussetzungsmöglichkeit in § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG hat nicht den Zweck, ihn vor den prozessualen Konsequenzen seiner verfrüht erhobenen Entschädigungsklage zu schützen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Anlass, die Revision nach §§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.