Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 37 SF 66/12 EK VG - Urteil vom 04.09.2013
Ob eine Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist. Vielmehr regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt. Lediglich beispielhaft und ohne abschließenden Charakter werden hier - in Anknüpfung an die vom Bundesverfassungsgericht sowie vom EGMR im Zusammenhang mit der Frage überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelten Maßstäbe - Umstände benannt, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach - so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Neuruppin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 11 VG 324/07 sowie dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen L 11 VG 77/09 geführten Verfahrens.
Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ende Mai 2000 versah der seinerzeit als Polizeibeamter tätige Kläger gemeinsam mit einem Kollegen Dienst in einem Regionalzug. Es kam dort zu einem Vorfall, in dessen Verlauf der Kläger sich von dem Kollegen vorsätzlich mit einer Schusswaffe bedroht fühlte. Zeugen waren bei dem konkreten Geschehen nicht zugegen. Ein seinerzeit eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kollegen des Klägers stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) im Sommer 2000 mangels hinreichenden Tatverdachts mit der Begründung ein, dass bezüglich des konkreten Geschehens Aussage gegen Aussage stehe. Der beschuldigte Kollege hatte zwar bestätigt, die Schusswaffe gezogen zu haben, sich hingegen dahin eingelassen, dies lediglich getan zu haben, um das nicht richtig eingeführte Magazin zu richten, und die Waffe dabei nicht direkt auf den Kläger gerichtet zu haben. Auch ein weiteres Ermittlungsverfahren führte nicht zur Anklageerhebung. Im September 2005 stellte die Staatsanwaltschaft dieses mit Blick auf eine etwaige Bedrohung oder fahrlässige Körperverletzung wegen Verfolgungsverjährung und bzgl. des Vorwurfs der schweren Körperverletzung mangels zureichender Anhaltspunkte ein. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers wies der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg zurück. Den Antrag des Klägers auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14. Februar 2006 als unzulässig.
Bereits im August 2004 hatte der Kläger beim Landesamt für Soziales und Versorgung eine Entschädigung für Opfer von Gewalttaten beantragt. Nachdem die Gewährung mit Bescheid vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. März 2006 mit der Begründung abgelehnt worden war, dass weder die Tathandlung an sich noch der erforderliche Vorsatz des Täters nachgewiesen sei, erhob der anwaltlich vertretene Kläger, der zum 31. März 2006 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, am 06. April 2006 beim Sozialgericht Neuruppin Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 3 VG 66/06 registriert wurde. Er begehrte mit Blick auf den Vorfall im Zug die Gewährung einer Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) und machte geltend, infolge dieses Geschehens unter einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden. Mit der Eingangsverfügung übersandte das Sozialgericht seinem damaligen Bevollmächtigten im April 2006 einen Fragebogen zur Person, der am 12. Mai 2006 ausgefüllt zurückgereicht wurde. Am 08. Juni 2006 ging bei Gericht die Klageerwiderung des damaligen Beklagten ein. Mit am 04. Juli 2006 eingegangenem Schriftsatz nahm der Bevollmächtigte des Klägers hierzu Stellung und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Am 01. August 2006 ging bei Gericht die beim Landesamt angeforderte Schwerbehindertenakte des Klägers ein. Diese wurde im Folgenden zu dem parallel vom Kläger geführten Verfahren auf Anerkennung einer Schwerbehinderung genommen, in dem er sich durch andere Bevollmächtigte als im hier streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vertreten ließ.
Mit am 02. März 2007 bei Gericht eingegangenem Schreiben trug der damalige Bevollmächtigte des Klägers ergänzend zur Sache vor. Im Juni 2007 bat er um Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung und legte ein Schreiben des "dbb Beamtenbund und Tarifunion" vor, in dem dargelegt wird, dass der Kläger sich nicht mehr in der Lage sehe, die sich monatlich auf rund 300,00 EUR belaufenden Kosten für eine weitergehende medizinische Versorgung durch Medikamente und die Inanspruchnahme von Ärzten zu tragen, die durch die Beihilfe und seine private Krankenkasse nicht gedeckt seien.
Zum 01. Juli 2007 wurde die 11. Kammer des Sozialgerichts Neuruppin für die Bearbeitung der Sache zuständig; das Verfahren wurde nunmehr unter dem Aktenzeichen S 11 VG 324/07 geführt. Nachdem die Beteiligten hiervon Ende August 2007 informiert worden waren, regte der damalige Bevollmächtigte des Klägers Mitte Dezember 2007 bei Gericht an, nunmehr ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Schriftsatz wurde dem damaligen Beklagten am 01. Februar 2008 übersandt. Im Folgenden wurde der Eingang eines im Parallelverfahren angeforderten Befundberichtes abgewartet.
Nachdem die Akten Mitte Juni 2008 wieder vorgelegt worden waren, verfügte der Vorsitzende der 11. Kammer die Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und forderte nach deren Eingang am 01. Juli 2008 beim Bundesgrenzschutzpräsidium Unterlagen zu eingeleiteten Disziplinarvorermittlungen an. Mit am 21. Juli 2008 beim Sozialgericht Neuruppin eingegangenem Schreiben teilte die Bundespolizeidirektion Berlin mit, dass die gewünschten Unterlagen inzwischen getilgt und vernichtet seien.
Bereits mit am 14. Juli 2008 eingegangenem Schreiben hatte sich der Kläger persönlich an das Gericht gewandt und angekündigt, den Rechtsstreit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seinem Schreiben hatte er zahlreiche von ihm u.a. an das Bundeskanzleramt, das Bundesinnenministerium und das Bundespräsidialamt gerichtete Schriftsätze beigefügt. Sein damaliger Bevollmächtigter bat mit am 28. Juli 2008 eingegangenem Schreiben unter Hinweis auf die finanziellen Schwierigkeiten des Klägers um Terminierung. Zwei Tage später informierte die Kammervorsitzende ihn, dass die Sache alsbald zur Sitzung vorgesehen sei, und schrieb die Sache als entscheidungsreif aus.
Anfang September 2008 bat der damalige Bevollmächtigte nochmals um baldige Entscheidung. Diesem Wunsch schloss sich der damalige Beklagte Mitte Oktober 2008 an. Mit am 18. Dezember 2008 eingegangenem Schriftsatz fragte der Bevollmächtigte an, ob es tatsächlich - wie der Kläger meine - zu einer Verbindung mit dem Schwerbehindertenverfahren gekommen sei. Weiter machte er eine Zunahme des Umfangs der Folgeschäden - nunmehr auf orthopädischem und internistischem Gebiet - geltend. Diesen der neuen Kammervorsitzenden Mitte Januar 2009 vorgelegten Schriftsatz beantwortete das Gericht unter dem 10. Februar 2009 und teilte dem Bevollmächtigten mit, dass im Parallelverfahren Beweis erhoben werde, für das hiesige Verfahren hingegen eine Entscheidung beabsichtigt sei.
Nachdem Anfang April 2009 die Staatsanwaltschaft um Rücksendung der Akten gebeten hatte, wurden diese auszugsweise kopiert. Am 23. April 2009 reichte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers ein im parallel geführten Schwerbehindertenverfahren eingeholtes chirurgisches und sozialmedizinisches Gutachten zu den Akten, das dem damaligen Beklagten zur Kenntnisnahme übersandt wurde. Mitte Juni 2009 wurde der Rechtsstreit auf den 16. Juli 2009 terminiert. Wegen Verhinderung des Prozessbevollmächtigten wurde der Termin aufgehoben. Die Sache wurde sodann im Juli auf den 27. August 2009 angesetzt. An diesem Tage wurde der Rechtsstreit vor dem Sozialgericht mündlich verhandelt und die Klage mit Urteil abgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht in seinem Urteil aus, dass der Tathergang im Mai 2000 keinen Ansatz biete, einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff festzustellen. Bereits die Staatsanwaltschaft habe festgestellt, dass wohl eher ein Missverständnis als eine Straftat vorgelegen hätte. Hiervon gehe das Gericht auch nach eigener Würdigung der Beweise aus.
Die am 27. Oktober 2009 abgesandten schriftlichen Urteilsgründe wurden dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 09. November 2009 zugestellt.
Bereits am 07. Oktober 2009 hatte dieser Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, die dort unter dem Aktenzeichen L 11 VG 77/09 registriert worden war. Am 02. Dezember 2009 ging bei Gericht die Berufungsbegründung ein, auf die der damalige Beklagte mit am 06. Januar 2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erwiderte. Im Folgenden wurde die Sache mehrfach verfristet.
Ende Mai 2010 wandte der Kläger sich persönlich an das Gericht und bat um beschleunigte Bearbeitung. Seinem Schreiben, in dem er sich breit mit seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und den ihm insbesondere für medizinische Behandlungen entstandenen Kosten auseinandersetzte, fügte er zahlreiche medizinische Unterlagen (55 Seiten) bei. Sein Schreiben wurde seinem Bevollmächtigten sowie dem Beklagten umgehend verbunden mit dem Hinweis, dass ein Termin zur mündlichen Verhandlung bzw. ein Entscheidungszeitpunkt in der Sache gegenwärtig nicht absehbar seien, übersandt. Nachdem dies dem Kläger auf eine telefonische Nachfrage seinerseits am 07. Juni 2010 noch einmal erklärt worden war, informierte ihn das Gericht schließlich unter dem 23. Juni 2010, dass im Laufe des Jahres nicht mehr mit einer Entscheidung des Rechtsstreits zu rechnen sein dürfte und möglicherweise noch weitere Sachermittlungen erforderlich seien. Mit am 06. Juli 2010 eingegangenem Schreiben bat nunmehr wieder der Bevollmächtigte des Klägers, dem Verfahren wegen besonderer Dringlichkeit Fortgang zu gewähren. Weiter behauptete er, dass der Sache ganz offensichtlich eine Vorsatztat zugrunde liege. Eine fahrlässige Schusswaffenbedrohung lasse sich nur schwerlich konstruieren. Angesichts auf ihn zukommender Operationskosten sei der Kläger dringend auf die OEG-Förderung angewiesen.
Anfang Januar 2011 wurde für den 17. Februar 2011 ein Erörterungstermin angesetzt. Mit Schriftsätzen vom 07. Januar 2011 bat der Bevollmächtigte zum einen um Terminsverlegung wegen eigener Verhinderung sowie um Anhörung des Zeugen J. Der Kläger bat daraufhin darum, sich im Termin "selbst vertreten zu können", woraufhin sein damaliger Bevollmächtigter das Mandat niederlegte. Wenige Tage später zeigte nunmehr der VdK die Vertretung des Klägers an und legte eine Stellungnahme des Zeugen J vor. Dieser schilderte dort breit das Vorgeschehen, das zu dem konkreten Vorfall Ende Mai 2000 geführt haben könnte, sowie den späteren Umgang mit der Angelegenheit, machte hingegen zu dem eigentlichen, die bei dem Kläger angeblich bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auslösenden Ereignis keinerlei Angaben.
Am 17. Februar 2011 wurde der Sachverhalt mit den Beteiligten vor Gericht erörtert. Eine Woche später teilte der Berichterstatter den damaligen Bevollmächtigten des Klägers unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Erörterungstermin mit, dass die Berufung keine Erfolgsaussichten haben dürfte. Weiter bat er zum einen um Substantiierung der Behauptung des Klägers, sein früherer Kollege habe inzwischen den vom ihm - dem Kläger - selbst geschilderten Geschehensablauf eingeräumt, zum anderen um Mitteilung des Aktenzeichens eines angeblich beim Oberverwaltungsgericht geführten Rechtsstreits. Ferner forderte er erneut die Akten der Staatsanwaltschaft an, die am 09. März 2011 bei Gericht eintrafen.
Mit am 28. März 2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz wiederholten die Bevollmächtigten des Klägers dessen Schilderung des Geschehens vom Mai 2000, baten um Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft und beantragten nunmehr, den Zeugen Wzu hören. Weiter erklärten sie, dass der Kläger einen Sachverständigen für Schusswaffen hören werde. Weder hingegen konkretisierten sie die Behauptung des Klägers, dass der von ihm beschuldigte Kollege inzwischen seine Schilderung des Geschehens bestätige, noch teilten sie das Aktenzeichen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit. Abschließend vertraten sie die Auffassung, dass nach Durchsicht der Unterlagen der Staatsanwaltschaft der Sachverhalt voraussichtlich als glaubwürdig zu unterstellen sei.
Das Gericht übersandte ihnen daraufhin postwendend die Akten der Staatsanwaltschaft und erinnerte die Bevollmächtigten unter dem 27. April 2011 an eine vollständige Beantwortung der gerichtlichen Anfrage vom Februar 2011. Zur gleichen Zeit wurden nunmehr dem Beklagten die Akten der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt.
Mitte Mai 2011 trugen die Bevollmächtigten nochmals ausführlich zu dem Geschehensablauf vor und hoben dabei die aus klägerischer Sicht bestehenden Parallelen seiner Angaben und der seines früheren Kollegen hervor. Dass letzterer von seiner früheren Aussage bzgl. des Geschehens abgewichen wäre, ist diesen Ausführungen indes nicht ansatzweise zu entnehmen. Das erbetene Aktenzeichen des beim Oberverwaltungsgericht geführten Verfahrens wurde wieder nicht mitgeteilt.
Nachdem das Gericht dieses offenbar selbst ermittelt hatte, forderte es beim Verwaltungsgericht Potsdam die Akten an, die am 31. Mai 2011 eingingen. Diesen war zu entnehmen, dass die Klage auf Anerkennung eines Dienstunfalls mit Blick auf das Ereignis vom Mai 2000 vom Verwaltungsgericht Potsdam nach umfangreicher Beweisaufnahme u.a. durch Vernehmung des vom Kläger beschuldigen Kollegen mit Urteil vom 10. November 2010 abgewiesen und der auf Zulassung der Berufung gerichtete Antrag durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Februar 2011 abgelehnt worden war. Das Verwaltungsgericht hatte im Ergebnis der Beweisaufnahme neben der Bedrohung durch den Kollegen auch die Möglichkeit verneint, dass der Kläger - sollte er irrtümlich eine Bedrohung angenommen haben - aufgrund dessen eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten haben könnte.
Mit Schreiben vom 03. Juni 2011 regte der Berichterstatter daraufhin dringend an, die Berufung zurückzunehmen, und setzte sich zur Begründung ausführlich mit dem für den Kläger negativen Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auseinander. Weiter wies er nochmals darauf hin, dass § 1 Abs. 1 OEG einen vorsätzlichen Angriff verlange, das Vorliegen einer Vorsatztat aber bereits mehrfach verneint worden sei. Abschließend wies er darauf hin, dass ernsthaft erwogen werde, dem Kläger bei einem Festhalten an seiner Berufung die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Am 01. Juli 2011 beantragte daraufhin der Kläger persönlich, das Verfahren auszusetzen, da er nunmehr Strafanzeige gegen den ehemaligen Kollegen bei der Generalbundesanwaltschaft sowie beim Bundesministerium für Justiz erhoben habe und deren Ermittlungen abgewartet werden sollten. Mit Beschluss vom 04. Juli 2011 lehnte der Berichterstatter die Verfahrensaussetzung ab und setzte sich zur Begründung ausführlich mit dem gegen den früheren Kollegen geführten Ermittlungsverfahren sowie dem auf Anerkennung eines Dienstunfalls gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahren auseinander. Mit am 28. Juli 2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 25. Juli 2011 nahm der Kläger daraufhin seine Berufung zurück.
Unter dem 09. Januar 2012 forderte der jetzige Bevollmächtigte des Klägers den Beklagten auf, dem Kläger wegen überlanger Dauer der Verfahren beim Landesamt für Soziales und Versorgung, dem Sozialgericht Neuruppin und dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eine Entschädigung in Höhe von 3.600,00 EUR zu zahlen. Dies lehnte der Beklagte, vertreten durch das Ministerium der Justiz, mit Schreiben vom 10. Mai 2012 ab.
Am 18. Mai 2012 hat der Kläger daraufhin Entschädigungsklage erhoben. Er meint, § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sei auf seinen Fall anwendbar. Bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) hätte er seine Sache noch zum Gegenstand einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) machen können. Am 03. Dezember 2011 sei die Beschwerdefrist von sechs Monaten gemäß Art. 35 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) noch nicht abgelaufen gewesen.
Zur Begründung seiner Forderung macht er geltend, dass das für ihn wegen seiner finanziellen und gesundheitlichen Schwierigkeiten bedeutsame, auf Gewährung von Leistungen nach dem OEG gerichtete Verfahren nicht schwierig gewesen sei. Beweis sei nicht erhoben worden, es seien lediglich Akten angefordert worden. Ihm seien keine Verfahrensverzögerungen anzulasten; im Gegenteil habe er mehrfach auf eine zügige Bearbeitung gedrängt.
Bereits das Widerspruchsverfahren habe nicht nur die angemessenen drei Monate, sondern mehr als sieben und damit vier Monate zu lange gedauert. Auch dies sei zu berücksichtigen. Der Begriff des Gerichtsverfahrens in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG sei so auszulegen, dass er auch das Widerspruchsverfahren umfasse.
Beim Sozialgericht habe das Verfahren länger als drei Jahre und vier Monate gedauert. Das Gericht sei in der Zwischenzeit weitgehend untätig gewesen. Bei angemessener Förderung hätte das Verfahren in einem Jahr erledigt sein müssen, sodass es hier zu einer Verzögerung von zwei Jahren und vier Monaten gekommen sei. Auch das Landessozialgericht habe nicht in angemessener Zeit entschieden. Es hätte das Verfahren besonders fördern müssen, nachdem dieses bereits beim Sozialgericht über drei Jahre anhängig gewesen sei. Es sei um etwa vier Monate verzögert. Die Verzögerung von insgesamt drei Jahren rechtfertige eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 3.600,00 EUR.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Entschädigung in Höhe von 3.600,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, der Kläger habe bereits deshalb den geltend gemachten Anspruch nicht, weil das Ausgangsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des maßgebenden Gesetzes am 03. Dezember 2011 abgeschlossen und an diesem Tage ein Beschwerdeverfahren beim EGMR nicht anhängig gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Klageeingangs hätte ein solches auch nicht mehr anhängig gemacht werden können. Denn nach Art. 35 Abs. 1 EMRK könne der Gerichtshof nur solche Angelegenheiten in der Sache bescheiden, die innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung eingekommen seien. Müsse sich der EGMR mit einer Beschwerde nicht (mehr) befassen, weil diese verfristet sei bzw. - wie vorliegend - verfristet wäre, gelte das Gesetz für diese abgeschlossenen Verfahren nicht. Für diese Auffassung spreche die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zu Art. 22 - Übergangsvorschrift - (BT-Drucks. 17/3802, Seite 31). Aus dieser folge, dass das Gesetz nicht für abgeschlossene Verfahren gelte, gegen die nicht innerhalb von sechs Monaten Beschwerde beim EGMR eingelegt worden sei.
Jedenfalls aber sei die Entschädigungsklage unbegründet. Entgegen der Ansicht des Klägers könne die Dauer des Widerspruchsverfahrens nach dem eindeutigen Wortlaut des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG nicht entschädigungsrelevant sein. Das gerichtliche Verfahren sei hingegen nicht unangemessen lang gewesen. Der Kläger selbst habe nicht vorgetragen, wann das Sozial- bzw. Landessozialgericht zögerlich gearbeitet haben sollten. Allein die tatsächliche Dauer rechtfertige nicht die Feststellung einer unangemessenen Dauer. Zu berücksichtigen sei, dass eine allgemein gültige Zeitvorgabe nicht getroffen werden könne. Das Verfahren sei als rechtlich schwierig anzusehen. Dies beruhe auf dem langen Zeitablauf nach Eintritt des schädigenden Ereignisses bis zur Klageerhebung nach erstmaliger Antragstellung beim damaligen Beklagten im August 2004. Eine nicht zu rechtfertigende Bearbeitungslücke sei weder beim Sozialgericht noch beim Landessozialgericht zu erkennen. Anfang Juni 2011 habe der Berichterstatter beim Landessozialgericht den Kläger auf die fehlende Erfolgsaussicht seiner Berufung hingewiesen. Dass es dem Kläger nicht um eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits gegangen sei, belege schon sein folgender Antrag auf Aussetzung des Verfahrens. Erst nachdem dieser durch Beschluss vom 04. Juli 2011 abgelehnt worden sei, habe der Kläger die Berufung zurückgenommen. Letztlich zeige der Verfahrensverlauf, dass der Kläger zwar teilweise auf eine schnelle Erledigung des Rechtsstreits gedrungen haben, selbst das Verfahren aber nicht zielgerichtet geführt habe. So habe er z.B. auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht hingewiesen und durch sein prozessuales Verhalten nicht unerheblich zu der Länge des Verfahrens beigetragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zwar zulässig, nicht jedoch begründet.
A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des GRüGV vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 des Grundgesetzes (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.
II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung, die der Kläger hier sogar zunächst angestrebt hatte, ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.
III. Auch ist die Klage form- und fristgerecht erhoben. Die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Gleiches gilt für die Einlegungsfrist.
§ 198 Abs. 5 Satz 2 GVG, der vorsieht, dass eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden darf, gilt für Verfahren, die bei Inkrafttreten des GRüGV bereits abgeschlossen waren, nicht (Art. 23 Satz 5 GRüGV). Vielmehr kann nach Art. 23 Satz 6 GRüGV die Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG bei abgeschlossenen Verfahren sofort und muss spätestens am 03. Juni 2012 erhoben werden. Diese Frist wurde vorliegend mit Erhebung der Klage am 18. Mai 2012 gewahrt.
Soweit der Beklagte die Klage letztlich wohl in der Annahme als verspätet ansieht, dass mit dem 03. Juni 2012 lediglich der letzte denkbare Termin benannt worden sei, zu dem die - auch bei Erhebung einer Entschädigungsklage bzgl. eines bei Inkrafttreten des GRüGV bereits abgeschlossenen Verfahrens einzuhaltende - Sechsmonatsfrist ablaufe, folgt der Senat ihm nicht. Gegen diese Auslegung der Norm spricht neben ihrem Wortlaut insbesondere die Gesetzeshistorie.
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 17. November 2010 (BT-Drucks. 17/3802, S. 14) sah eine Übergangsvorschrift noch in Artikel 22 vor. Diese enthielt in ihren Sätzen 1 bis 4 Regelungen, die letztlich wortgleich Eingang in Artikel 23 Satz 1 bis 4 GRüGV gefunden haben. Hingegen hieß es in Artikel 22 Satz 5 des Gesetzesentwurfes lediglich, dass § 198 Absatz 3 GVG auf abgeschlossene Verfahren gemäß Satz 1 nicht anzuwenden sei. Auf der Grundlage dieser Regelung wäre in der Tat die in § 198 Abs. 5 GVG normierte Frist für die Klageerhebung auch für bereits abgeschlossene (Ausgangs)Verfahren anwendbar geblieben.
Eben diese Regelung ist jedoch gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr findet sich der Wortlaut, der letztlich Eingang in Art. 23 Satz 5 und 6 GRüGV gefunden hat, erstmals in der Beschlussempfehlung und im Bericht des Rechtsausschusses vom 28. September 2011 zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/7217, S. 21). In der Begründung hierzu (BT-Drucks. 17/7217, S. 30 f.) heißt es: "Die Änderungen in den Sätzen 5 und 6 enthalten eine Ergänzung der Übergangsregelung für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei Inkrafttreten des Gesetzes Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Der Regierungsentwurf sieht vor, dass auch in diesen Fällen die Klage zur Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Absatz 5 Satz 2 GVG spätestens sechs Monate nach Rechtskraft der Ausgangsentscheidung erhoben werden muss. Durch die Ergänzung wird sichergestellt, dass bei abgeschlossenen Verfahren, die nach Artikel 23 Satz 1 dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen, für Betroffene eine einheitliche Überlegungsfrist von sechs Monaten gilt, in der sie über die Erhebung einer Entschädigungsklage entscheiden können." Diese Begründung und der letztlich Gesetz gewordene Wortlaut der maßgebenden Vorschriften zeigen, dass es für abgeschlossene Verfahren nicht auf die Einhaltung der - für diese ja gerade als nicht anwendbar erklärten - Sechsmonatsfrist ankommt (so auch: Heine, MDR 2012, 327 ff., 327, Söhngen, NZS 2012, 493 ff., 497).
B. Allerdings ist die Klage zur Überzeugung des Senats nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.
Zwar ist der Beklagte passivlegitimiert. Denn nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land, wobei das Land Brandenburg nach Nr. 5 der Anordnung über die Vertretung des Landes Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz (Vertretungsordnung JM Brdbg, Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz) vom 09.06.1992 (JMBl. S. 78) in der Fassung der Änderung vom 21.11.2012 (JMBl. S. 116) durch die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vertreten wird (vgl. zur Zulässigkeit einer entsprechenden Übertragung durch eine Verwaltungsanordnung BFH, Urteil vom 17.04.2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 30 ff. für die Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).
Auch steht dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen, dass das von dem Kläger als unangemessen lang angesehene Verfahren bei Inkrafttreten des GRüGV am 03. Dezember 2011 (vgl. Art. 24 GRüGV) bereits abgeschlossen war. Denn nach Art. 23 S. 1 GRüGV gilt das Gesetz auch für bei seinem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann. Letzteres aber war hier der Fall. Das Berufungsverfahren beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg endete durch am 28. Juli 2011 bei Gericht eingegangene Rücknahme des Rechtsmittels. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRüGV am 03. Dezember 2011 hätte der Kläger daher die Dauer des hier streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens noch unter Berücksichtigung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 35 EMRK und zwar insbesondere innerhalb der einzuhaltenden Sechsmonatsfrist zum Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR machen können.
Einer vorherigen Verzögerungsrüge i.S.d. § 198 Abs. 3 GVG bedurfte es nicht; gemäß Art. 23 S. 5 GRüGV sind die Absätze 3 und 5 des § 198 GVG auf bei seinem Inkrafttreten abgeschlossene Verfahren nicht anzuwenden.
Allerdings liegen die Voraussetzungen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch nicht vor.
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer zum einen des von Juli 2005 bis April 2006 und damit neun Monate dauernden Widerspruchsverfahrens, zum anderen des am 06. April 2006 beim Sozialgericht Neuruppin eingeleiteten und letztlich durch Rücknahme der Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 28. Juli 2011 beendeten und damit insgesamt fünf Jahre und drei Monate bei Gericht anhängigen Verfahrens. Er rügt diesbezüglich eine Verzögerung im Umfang von insgesamt drei Jahren (vier Monate Widerspruchsverfahren, zwei Jahre und vier Monate erstinstanzliches Verfahren und vier Monate Berufungsverfahren) und macht ausschließlich einen Nachteil geltend, der kein Vermögensnachteil ist.
Soweit der Kläger eine Entschädigung wegen der Dauer des Widerspruchsverfahrens begehrt, scheidet ein dahingehender Anspruch von vornherein aus. Nach der in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthaltenen Legaldefinition ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe. Unter rechtskräftigem Abschluss ist die formelle Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen, sodass in die Verfahrensdauer auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einbezogen ist (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG, Rn. 54 m.w.N.).
Entgegen der Ansicht des Klägers gehört das Widerspruchsverfahren jedoch schon nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht zum entschädigungsrelevanten sozialgerichtlichen Verfahren (so auch: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.09.2012 - L 38 SF 73/12 EK AS - Rn. 18, OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 26.02.2013 - OVG 3 A 6.12 - Rn. 22, - OVG 3 A 11.12 - Rn. 24 sowie - OVG 3 A 15.12 - Rn. 21, vom 20.03.2013 - OVG 3 A 13.12 - Rn. 23, Hessisches LSG, Urteil vom 06.02.2013 - L 6 SF 6/12 EK U - Rn. 63, Thüringer LSG, Beschluss vom 21.01.2013 - L 12 SF 1317/12 EK PKH - Rn. 10, alle zitiert nach juris). Soweit der EGMR das Vorverfahren auf der Grundlage der Regelung des Art. 6 Abs. 1 EMRK bei der Berechnung der angemessenen Verfahrensdauer mit einbezogen hat, rechtfertigt dies zur Überzeugung des Senats keine andere Entscheidung. Die Entschädigungsregelung muss sich schon deshalb nicht auf das Vorverfahren erstrecken, weil die Anforderungen der Art. 6 Abs. 1 und 13 EMRK auf anderem Wege erfüllt werden. Der EGMR hat der Bundesrepublik Deutschland zu keinem Zeitpunkt aufgegeben, Regelungen zu schaffen, die Betroffenen überlanger Verfahrensdauer möglichst weitgehende Entschädigungsansprüche sichern. Vielmehr hat er stets beklagt, dass diesen kein Rechtsbehelf zur Verfügung stehe, um auf die Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken. Auf dieser Grundlage wurden nunmehr mit dem GRüGV entsprechende Regelungen geschaffen. Für das Widerspruchsverfahren bestand diesbezüglich jedoch keine Notwendigkeit. Denn das SGG hält mit der Untätigkeitsklage in § 88 SGG bereits ein Mittel bereit, um auf einen zügigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens hinzuwirken (vgl. hierzu Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/3802, S. 17 zu 10. sowie S. 22 zu § 198 Abs. 6 Nr. 1, 1.). Das Versäumnis, von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, auf eine Verfahrensbeschleunigung hinzuwirken, keinen Gebrauch gemacht zu haben, kann nicht dadurch gleichsam honoriert werden, dass hierfür eine Entschädigung gewährt wird. Andernfalls würde nicht nur dem nicht erwünschten "Dulde und liquidiere", sondern weitergehend einem "Schöpfe die gesetzlich vorgesehenen Mittel, eine schnelle Klärung zu erreichen, selbst nicht aus, aber liquidiere dann" Vorschub geleistet. Entschädigungsrelevant kann das streitgegenständliche Ausgangsverfahren damit allein von der Klageerhebung am 06. April 2006 bis zum 28. Juli 2011, dem Tag, an dem der Kläger seine Berufung zurückgenommen hat, sein.
Bezüglich dieses Zeitraumes setzt der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch voraus, dass überhaupt eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens vorliegt, er als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten hat, nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG nicht ausreichend ist und der geforderte Betrag als Entschädigung angemessen ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es ist bereits die Verfahrensdauer nicht als unangemessen anzusehen.
Zur Überzeugung des Senats hat insoweit eine beide Rechtszüge würdigende einheitliche Betrachtung zu erfolgen (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.2013 - L 2 SF 1495/12 - Rn. 38 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 02.20.2008 - B 9 VH 1/07 R -, Rn. 66 ff. sowie EGMR, Beschluss vom 10.02.2009 - 30209/05, Rn. 31-33, LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.11.2012 - L 10 SF 5/12 ÜG - Rn. 203 ff.; Thüringer LSG, Urteil vom 18.06.2013 - L 3 SF 1759/12 EK - Rn. 45, vgl. auch: Hessisches LSG, Urteil vom 06.02.2013 - L 6 SF 6/12 EK U - Rn. 64 ff., 73 ff., 78, OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.09.2012 - OVG 3 A 2.12 - Rn. 23 sowie Roller, DRiZ, Beilage Juni 2012, 1 ff., 7, der davon ausgeht, dass eine besonders zügige Bearbeitung in der Rechtsmittelinstanz eine Verzögerung der vor-herigen Instanz(en) kompensieren könne und umgekehrt; anders: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.02.2013 - L 12 SF 3/12 EK AL - Rn. 44 und wohl auch KG Berlin, Urteil vom 11.12.2012 - 7 SchH 5/12 EntV - Rn. 13 f., 21 ff., OLG Braunschweig, Urteil vom 08.02.2013 - 4 SchH 1/12 - Rn. 123 ff.; die Frage ausdrücklich offen lassend: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.09.2012 - L 38 SF 73/12 EK AS - Rn. 20, OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.02.2013 - OVG 3 A 11.12 - Rn. 25 sowie - mit ausführlicher Darstellung zum damaligen Meinungsstand - Urteil vom 27. März 2012 - OVG 3 A 1.12 - Rn. 28 ff., alle zitiert nach juris). Für diese Auslegung spricht neben dem - auf den Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abstellenden - Gesetzeswortlaut insbesondere, dass Gegenstand des streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens ein vom Kläger bzw. der Klägerin geltend gemachter prozessualer Anspruch ist. Geurteilt wird über diesen jedoch - zumindest wenn von der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, Gebrauch gemacht wird - nicht in nur einer Instanz. Letztlich ist über diesen Anspruch im Falle der Ausschöpfung des gesamten Rechtsweges in der Sozialgerichtsbarkeit erst mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts rechtskräftig entschieden. Zwar kann eine etwaige unangemessene Dauer des dortigen Revisions(zulassungs)verfahrens schon im Hinblick auf die in § 200 GVG vorgesehene Haftungsverteilung nicht Gegenstand des vor dem Landessozialgericht gegen das Land geführten Entschädigungsverfahrens sein. Dies steht jedoch der Annahme, dass bei der Würdigung, ob eine unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, eine einheitliche Betrachtung zu erfolgen hat, nicht entgegen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 08.05.2013 - 4 EntV 18/12 - zitiert nach juris, 2. Leitsatz sowie Rn. 51). Für eine einheitliche Betrachtung jedenfalls des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens spricht gerade in der Sozialgerichtsbarkeit mit zwei vollständigen Tatsacheninstanzen auch, dass - insbesondere bei ermittlungsintensiven Verfahren - typischerweise der Umfang der erstinstanzlich getätigten Ermittlungen das Ausmaß der in der zweiten Instanz noch anzustrengenden bedingt und eine isolierte Betrachtung beider Instanzenzüge zu zufälligen und damit nicht unbedingt gerechten Ergebnissen führen würde.
Soweit gegen eine Gesamtbetrachtung teilweise eingewandt wird, dass eine bereits in der ersten Instanz eingetretene Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4 GG nicht mehr durch das beschleunigte Vorgehen in einer weiteren Instanz "geheilt" werden könne, überzeugt dies den Senat nicht. Ist entschädigungsrelevantes Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nach der Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG das Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss insgesamt, kann eine Entscheidung darüber, ob gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen worden ist, typischerweise erst dann getroffen werden, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Im Übrigen wird auch eine Gesamtbetrachtung regelmäßig lediglich dazu führen, dass eine in einer Instanz etwas verzögerte Bearbeitung durch eine besonders zügige in einer anderen noch "geheilt" werden kann, wohingegen die noch so schnelle Bearbeitung in der einen Instanz niemals geeignet sein wird, eine eklatant überlange Dauer in einer anderen noch auszugleichen.
Eine andere Betrachtung ist schließlich auch nicht vor dem Hintergrund geboten, dass für jede Instanz gesondert Verzögerungsrüge zu erheben ist und - wie sich letztlich aus § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG ergibt - ein Entschädigungsanspruch schon vor Abschluss des Ausgangsverfahrens erhoben werden kann. Der Verzögerungsrüge kommt eine Warnfunktion zu. Insofern ist es nur konsequent, dass in der zweiten Instanz eine erneute Verzögerungsrüge gefordert wird, um ggf. auch das Berufungs-/Beschwerdegericht darauf hinzuweisen, dass das bei ihm geführte Verfahren (ebenfalls) als verzögert angesehen wird. Schließlich belegt die - gerade nicht auf die fortdauernde Anhängigkeit des Ausgangsverfahrens in der Instanz, für deren Dauer die Entschädigung begehrt wird, beschränkte - Aussetzungsmöglichkeit zur Überzeugung des Senats, dass im Grundsatz über eine Entschädigung erst nach Abschluss des Gesamtverfahrens entschieden werden soll, was wiederum dafür spricht, dass eine Würdigung der gesamten Verfahrensdauer erfolgen soll. Dies steht der Möglichkeit, in Ausnahmefällen eine Kompensation von Nachteilen während eines noch laufenden Verfahrens zuzusprechen (vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 18 f., 22), wenn nämlich bereits vor endgültigem Verfahrensabschluss eine unangemessene und irreparable Verzögerung feststellbar ist, nicht entgegen.
Nach alledem kommt es hier nicht darauf an, ob bei isolierter Betrachtung das letztlich ab Klageeingang bis Zustellung des Urteils drei Jahre und sieben Monate dauernde Verfahren vor dem Sozialgericht Neuruppin und/oder das beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg weitere 21 Monate lang anhängige Verfahren überlang war. Vielmehr ist Bezugspunkt die gesamte Verfahrensdauer von fünf Jahren und vier Monaten. Mit dieser Dauer ist zur Überzeugung des Senats das Äußerste des Zumutbaren jedoch noch nicht überschritten.
Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber bewusst (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/3802, S. 18 zu § 198 Abs. 1) von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 Rn. 68 m.w.N.).
Vielmehr regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt. Lediglich beispielhaft und ohne abschließenden Charakter werden hier - in Anknüpfung an die vom Bundesverfassungsgericht sowie vom EGMR im Zusammenhang mit der Frage überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelten Maßstäbe - Umstände benannt, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach - so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/3802, S. 18 f. zu § 198 Abs. 1) - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits. Hier ist nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Relevant ist ferner das Verhalten sonstiger Verfahrensbeteiligter sowie das Verhalten Dritter. Hingegen kann sich der Staat zur Rechtfertigung der überlangen Dauer eines Verfahrens nicht auf Umstände innerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs berufen; vielmehr muss er alle notwendigen Maßnahmen treffen, damit Gerichtsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist beendet werden können. Deshalb kann bei der Frage der angemessenen Verfahrensdauer nicht auf die chronische Überlastung eines Gerichts, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation abgestellt werden.
Allerdings reichen die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Umstände nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL -, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m.w.N.), der der Senat sich anschließt, zur Ausfüllung des Begriffs der unangemessenen Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht aus. Viel-mehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen. So verdeutlicht bereits die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit, dass es auf eine Beeinträchtigung eines Grund- und Menschenrechts durch die Länge des Gerichtsverfahrens ankommt. Es wird damit von vornherein eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt, sodass nicht jede Abweichung vom Optimum ausreicht, vielmehr eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen muss. Weiter verbietet sich das Ziehen einer engen zeitlichen Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer zum einen im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG), zum anderen unter Berücksichtigung des Ziels einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist.
Gemessen daran liegt hier keine überlange Verfahrensdauer vor. Es erscheint schon zweifelhaft, ob das Verfahren überhaupt als ungewöhnlich lang andauernd einzustufen ist. Jedenfalls aber vermag der Senat nicht festzustellen, dass die äußerste Grenze des Angemessenen mit dem Verfahren deutlich überschritten worden wäre.
Das Ausgangsverfahren war von durchschnittlicher Schwierigkeit. Zwar lagen dem Rechtsstreit keine schwierigen Rechtsfragen zugrunde. Indes war in tatsächlicher Hinsicht zu klären, ob es Ende Mai 2000 zu einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff auf den Kläger gekommen war, durch den er eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Dies erforderte - da sich die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit insoweit nicht ohne weiteres auf das Ergebnis des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens berufen können - zum einen bzgl. des konkreten Geschehens gerichtliche Ermittlungen, die im Hinblick auf die seit dem fraglichen Vorfall im Mai 2000 vergangene Zeit nicht leichter wurden, zum anderen kam es darauf an, ob der Vorfall kausal zu einer Gesundheitsschädigung geführt hat.
Auch die Bedeutung der Sache für den Kläger ist zur Überzeugung des Senats als lediglich durchschnittlich einzustufen. Zwar sind mit der Gewährung einer Versorgung nach dem OEG für den Betroffenen zweifelsohne Vorteile verbunden. Soweit der Kläger hingegen mehrfach mit Blick auf seine Kosten für die medizinische Behandlung die wesentliche Bedeutung der Sache für ihn betont hat, ist dem entgegen zu halten, dass er - ausweislich des zu den Akten gereichten Schreibens des "dbb Beamtenbund und Tarifunion" nicht nur privat krankenversichert ist, sondern darüber hinaus auch einen Beihilfeanspruch besitzt. Dass er im Falle einer Versorgung nach dem OEG i.V.m. den Regelungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Ansprüche auf Heilbehandlung erwerben würde, die (wesentlich) über das hinausgehen könnten, was ihm bereits über die Beihilfe und die private Krankenversicherung zukommt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Jedenfalls ging der Hinweis seines früheren Bevollmächtigten, ihm würde ohne Leistungen nach dem OEG medizinisch lediglich eine Grundversorgung gewährt, fehl.
Soweit der Kläger mit Blick auf den Verfahrensverlauf betont, er habe nicht zu Verfahrensverzögerungen beigetragen, sondern im Gegenteil wiederholt auf eine zügige Bearbeitung gedrängt, ist dem nicht uneingeschränkt zu folgen. Zwar ist es im vorliegenden Verfahren nicht zu Verzögerungen gekommen, weil der Kläger auf gerichtliche Anfragen überhaupt nicht reagiert hätte. Hingegen ist ihm durchaus anzulasten, dass er bzw. seine jeweiligen Bevollmächtigten auf gerichtliche Anfragen nicht in sachdienlicher Weise geantwortet, z.B. trotz ausdrücklicher Anfrage Aktenzeichen anderer Verfahren nicht benannt haben. Auch ist für das Gericht wiederholt dadurch Mehraufwand verursacht worden, dass der Kläger den Kontakt zum Gericht teilweise persönlich unter Umgehung seines jeweiligen Bevollmächtigten gesucht und sich im parallel geführten Verfahren auf Anerkennung einer Schwerbehinderung durch andere Bevollmächtigte vertreten lassen hat.
Ferner ist festzustellen, dass das Verfahren weder durch den Kläger selbst noch durch seine Bevollmächtigten stringent geführt worden ist. Lediglich beispielhaft sei insoweit erwähnt, dass mal um umgehende Terminierung, dann um Einholung eines Sachverständigengutachtens ersucht wurde, nach jahrelanger Anhängigkeit der Sache die Befragung eines Schusswaffensachverständigen angekündigt, im Folgenden aber offenbar nicht durchgeführt wurde, Zeugen nur nach und nach und dies auch erst nach erfolgter Terminierung benannt wurden, der Kläger Behauptungen aufstellte, die er auf gerichtliche Nachfrage nicht substantiieren konnte, er wiederholt umfangreiches Material an das Gericht sandte, dessen Bedeutung sich für die streitentscheidende Frage letztlich nicht aufdrängte, das gleichwohl aber vom Gericht zunächst gesichtet werden musste, um dies beurteilen zu können. Schließlich zeigt nicht zuletzt sein vor dem Landessozialgericht gestellter Aussetzungsantrag, dass die zügige Verfahrenserledigung für ihn keinesfalls im Vordergrund stand. Im fraglichen Zeitpunkt war offensichtlich, dass er mit seinem Begehren nicht durchdringen würde. Denn nicht nur war seine Klage vom Sozialgericht abgewiesen worden. Vielmehr hatten ihn die verschiedenen Berichterstatter auf die fehlende Erfolgsaussicht seiner Berufung hingewiesen, war sein vor den Verwaltungsgerichten geführtes, ebenfalls den Vorfall vom Mai 2000 zum Gegenstand habendes Verfahren durch alle Instanzen erfolglos geblieben und war wiederholt - ebenfalls unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel - die Erhebung einer Anklage gegen seinen ehemaligen Kollegen abgelehnt worden. Gleichwohl meinte der Kläger im hier streitgegenständlichen Ausgangsverfahren eine Aussetzung anstreben zu müssen, um das Ergebnis einer von ihm erneut angestrengten strafrechtlichen Verfolgung seines ehemaligen Kollegen abzuwarten. Mit diesem Verhalten bewies der Kläger Uneinsichtigkeit, die einer zügigen Verfahrenserledigung gerade zuwiderläuft.
Bezüglich des Verfahrensablaufs im Einzelnen ist festzustellen, dass das Verfahren bei optimaler Förderung, auf die nach obigen Ausführungen jedoch gerade kein Anspruch besteht, sicher um einiges schneller, nicht hingegen - wie inzwischen vom Kläger gefordert - binnen Jahresfrist beim Sozialgericht hätte erledigt sein können. Ab Eingang der Klage beim Sozialgericht Neuruppin im April 2006 bis Anfang August 2006 ist das Verfahren konsequent gefördert worden. Auch soweit es im Folgenden im hiesigen Ausgangsverfahren über fast zwei Jahre hinweg nicht zu erkennbaren wesentlichen Bearbeitungsschritten gekommen ist, rechtfertigt dies nicht die Annahme, das Gericht habe das Verfahren nicht betrieben. Im Gegenteil ist vorliegend offensichtlich der weitere Verfahrensgang im parallel anhängigen Schwerbehindertenverfahren abgewartet worden. Ob diese Vorgehensweise sinnvoll war, hat der Senat im hiesigen Entschädigungsverfahren schon im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit nicht zu überprüfen. Denn die richterliche Entscheidung, welche Ermittlungen in welcher Reihenfolge als sachgerecht angesehen werden, ist zumindest solange zu akzeptieren, wie sie sich noch als vertretbar darstellt. Dies mag im Einzelfall durchaus auch einmal damit einhergehen, dass ursprünglich für erforderlich erachtete Ermittlungen letztlich als nicht relevant angesehen werden. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Ausgangsverfahren die Grenze des Vertretbaren überschritten worden wäre, liegen bereits im Hinblick darauf nicht vor, dass der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch jedenfalls auch an medizinische Voraussetzungen geknüpft war. Im Übrigen zeigen sowohl die Forderung seines ursprünglichen Bevollmächtigten, ein Sachverständigengutachten einzuholen, sowie die spätere Einführung des im parallel geführten Schwerbehindertenverfahren eingeholten Gutachtens durch den Kläger, dass dieser diese Ermittlungen selbst als für dieses Verfahren wesentlich angesehen hat.
Ab Sommer 2008 konzentrierten sich die Ermittlungen dann auf das - für die Bejahung eines Anspruchs ebenfalls wesentliche - Vorliegen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs. Zu diesem Zwecke forderte das Gericht die Akten der Staatsanwaltschaft und schließlich - insoweit erfolglos - die Unterlagen des Bundesgrenzschutzpräsidiums zu eingeleiteten Disziplinarvorermittlungen an. Im Ergebnis dieser Ermittlungen schrieb der damalige Vorsitzende der zuständigen Kammer den Rechtsstreit schließlich Ende Juli 2008 als entscheidungsreif aus.
Im Folgenden wäre es sicher wünschenswert gewesen, dass es bei dem Ende Juli 2008 seit gut zwei Jahren und drei Monaten anhängigen Rechtsstreit nicht erst ein knappes Jahr später zur Anberaumung eines Termins auf den 16. Juli 2009 gekommen wäre. Die Entscheidung, den Rechtsstreit erst auf diesen Tag zu terminieren, hält sich jedoch - auch unter Berücksichtigung der mit zunehmender Dauer des Verfahrens steigenden, an die Angemessenheit zu stellenden Anforderungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.07.2000 - 1 BvR 352/00 - zitiert nach juris, Rn. 11 sowie vom 02.12.2011 - 1 BvR 314/11 -, zitiert nach juris, Rn. 7) - noch im Rahmen des richterlichen Gestaltungsspielraums, der es einem Kammervorsitzenden gerade erlaubt selbst darüber zu befinden, in welcher Reihenfolge er entscheidungsreife Verfahren ansetzt.
Soweit der für den 16. Juli 2009 anberaumte Termin wieder aufgehoben werden musste, ist dies nicht dem Gericht anzulasten. Im Gegenteil war dies der Verhinderung des Bevollmächtigten des Klägers geschuldet. Die Kammervorsitzende hat sich nach antragsgemäßer Aufhebung sachgerecht um eine zügige Neuansetzung der Sache gekümmert und diese letztlich auf den 27. August 2009 terminiert. An diesem Tage wurde der Rechtsstreit verhandelt und eine Entscheidung verkündet; die schriftlichen Urteilsgründe wurden zwei Monate später - und damit innerhalb einer angemessenen Frist - an die Beteiligten übersandt.
Mit Blick auf das Berufungsverfahren ist hervorzuheben, dass erst Anfang Januar 2010 die Berufungsbegründung und -erwiderung vorlagen. Im Folgenden ist das Verfahren zwar etwa ein Jahr lang nicht sichtbar gefördert worden, vielmehr hatte sich das Gericht mit wahlweise vom Kläger persönlich oder seinem damaligen Bevollmächtigten gestellten Sachstandsanfragen und ihrem Drängen auf Erledigung auseinanderzusetzen. Ab Anfang Januar 2011 wurde hingegen durch das Gericht intensiv auf eine zügige Verfahrenserledigung hingewirkt, die durch den Kläger und seinen Bevollmächtigten tendenziell unterlaufen wurde. So wurde auf die Anberaumung eines Erörterungstermins für Mitte Februar durch den Bevollmächtigten mit einem Terminsverlegungsantrag und der Benennung eines Zeugen reagiert. Kurz darauf wurde - nach zwischenzeitlicher Mandatsniederlegung - eine schriftliche Stellungnahme des benannten Zeugen vorgelegt, die offensichtlich nicht geeignet war, den erforderlichen Beweis für einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff zu erbringen. Im Ergebnis des Erörterungstermins wies das Gericht auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung hin, bat um weiteren Vortrag zu einer vom Kläger aufgestellten Behauptung, die das Beweisergebnis in anderem Licht hätte erscheinen lassen können, sowie um Benennung des Aktenzeichens eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Verfahrensdienlicher Vortrag erfolgte daraufhin seitens des Klägers nicht. Im Gegenteil vermochte er seine Behauptung zu einer angeblich nunmehr seiner Darstellung entsprechenden Schilderung des Vorfalls im Mai 2000 durch den beschuldigten Kollegen gerade nicht zu belegen. Das Aktenzeichen des für ihn - zwischenzeitlich rechtskräftig negativ ausgegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - benannte er überhaupt nicht. Dies musste erst durch das Gericht ermittelt werden. Nachdem dem Kläger schließlich vor dem Hintergrund eines entsprechenden Schreibens des Berichterstatters klar geworden sein musste, dass das Gericht nicht zu seinen Gunsten entscheiden würde, zog er sich auf einen Aussetzungsantrag zurück, weil er nun wieder die strafrechtliche Seite des Vorfalls vom Mai 2000 durch offensichtlich für die Klärung der Angelegenheit nicht zuständige Behörden prüfen lassen wollte. Erst nachdem das Gericht diesen Aussetzungsantrag postwendend abgelehnt hatte, hat der Kläger letztlich - vor dem Hintergrund der angedrohten Belastung mit den Verfahrenskosten - die Berufung zurückgenommen. Nach alledem rechtfertigt eine Gesamtbetrachtung auch unter Beachtung der aufgetretenen Verzögerungen daher nicht die Annahme, dass die Gesamtdauer des Verfahrens unangemessen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision war nach §§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.