Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 37 SF 69/12 EK KA - Urteil vom 06.12.2013
Dem Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer steht nicht entgegen, wenn ein Verfahren bei Inkrafttreten des GRüGV am 03. Dezember 2011 bereits abgeschlossen war. Denn nach Art. 23 S. 1 GRüGV gilt das Gesetz auch für bei seinem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer des beim Sozialgericht Berlin (SG) unter dem Aktenzeichen S 71 KA 1/03 bzw. S 71 KA 1/03 W 05 sowie anschließend bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) unter dem Aktenzeichen L 7 KA 74/07 bzw. L 7 KA 20/09 WA geführten und inzwischen abgeschlossenen Verfahrens.
Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger verordnete als Vertragsarzt der gesetzlichen Krankenkassen in den Quartalen I/2000 bis I/2001 das Fertigarzneimittel Wobe-Mugos E krebskranken Patientinnen, u. a. der Versicherten C O. Auf Antrag der Barmer Ersatzkasse (BEK) stellte der Prüfungsausschuss für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung mit Beschlüssen vom 29. Mai 2001 und 12. Dezember 2001 hinsichtlich der Quartale I bis IV/2000 fest, dass Wobe-Mugos E nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei und setzte Schadensersatzverpflichtungen gegen den Kläger i. H. v. 2.999,26 Euro und 2.625,60 Euro fest. Zwar sei das Arzneimittel verkehrsfähig, die Zulassung des Arzneimittels sei jedoch mit Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 09. Juni 1998 abgelehnt worden. Es sei unschädlich, dass diese Entscheidung aufgrund eines noch laufenden Rechtsstreits nicht unanfechtbar sei. Der Widerspruch des Klägers hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid des Beschwerdeausschusses bei der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KÄVB) vom 01. Oktober 2002 zurückgewiesen. Mit Bescheid des Prüfungsausschusses vom 20. März 2002 in der Fassung des Bescheides vom 13. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beschwerdeausschusses bei der KÄVB vom 01. Oktober 2002 wurde ferner hinsichtlich des Quartals I/2001 eine Schadensersatzverpflichtung des Klägers i. H. v. 1.105,52 Euro festgesetzt.
Gegen beide Widerspruchsbescheide sowie einen weiteren vom selben Tag betreffend eine andere Versicherte (Frau C S) erhob der Kläger am 02. Januar 2003 vor dem SG Klage. Mit Schriftsatz vom 14. März 2003 begründete der Kläger seine Klage unter Vorlage eines Widerspruchsbescheides des damaligen Beklagten vom 10. Dezember 2002, der im Gegensatz zu den vom Kläger angegriffenen Entscheidungen von der Fortdauer der fiktiven Zulassung nach § 105 Arzneimittelgesetz (AMG) für Wobe-Mugos E ausging, sowie eines Urteils des SG Dortmund vom 04. Februar 2003, das auf derselben Rechtsansicht fußte.
Mit Beschluss vom 30. Mai 2003 trennte das SG nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Bescheides des damaligen Beklagten vom 01. Oktober 2002 betreffend die Versicherte C S ab (Az. S 71 KA 1/03-1).
Am 20. Juni 2003 ging die umfangreiche Klageerwiderung des damaligen Beklagten unter Vorlage von Urteilen des LSG Rheinland-Pfalz vom 22. Oktober 1998 sowie des VG Berlin vom 18. Dezember 2001 bei dem SG ein.
Der Kläger wies mit Schriftsatz vom 13. August 2003 unter Vorlage einer weiteren Entscheidung des damaligen Beklagten vom 13. März 2003 auf die aus seiner Sicht widersprüchliche Verhaltensweise des Beklagten hin.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 18. August 2003 (gefertigt am 22. September 2003) fragte die Kammervorsitzende bei dem Kläger an, ab wann er der Versicherten das Medikament verordnet habe und ob bereits für vorherige Quartale die Feststellung eines sonstigen Schadens seitens der BEK beantragt worden sei.
Unter dem 08. Oktober 2003 teilte der Kläger mit, dass er der Versicherten erstmals am 02. August 1999 Wobe-Mugos E verordnet habe, eine Feststellung eines sonstigen Schadens seitens der BEK jedoch erstmals für das Quartal I/2000 beantragt worden sei. Der damalige Beklagte wies mit Schriftsatz vom 10. November 2003 darauf hin, dass der Beschwerdeausschuss in unterschiedlicher personeller Besetzung entscheide, was zu voneinander abweichenden Meinungen führen könne.
Nachdem die Kammervorsitzende im Rahmen des abgetrennten Rechtsstreits S 71 KA 1/03-1 mit Verfügung vom 27. Oktober 2003 das Ruhen des Verfahrens angeregt hatte, beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 26. November 2003 auch im Ausgangsverfahren das Ruhen des Verfahrens. Der damalige Beklagte beantragte mit Schreiben vom 30. Dezember 2003 ebenfalls das Ruhen des Verfahrens, woraufhin das SG durch Beschluss vom 06. Januar 2004 (den Beteiligten zugestellt am 12. und 13. Februar 2004) das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das beim Oberverwaltungsgericht Berlin (OVG) anhängige Verfahren mit dem Aktenzeichen OVG 5 B 8.03 anordnete. Am 31. August 2004 wurde der Rechtsstreit gestützt auf die Aktenordnung des SG weggelegt.
Mit richterlicher Verfügung vom 13. Oktober 2005 wurde der Rechtsstreit von Amts wegen wieder aufgenommen, nachdem das OVG die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (VG) vom 18. Dezember 2001 durch Urteil vom 07. April 2005 bestätigt hatte und auch das Bundessozialgericht (BSG) die Erstattung von aufgewandten Kosten für das Mittel Wobe-Mugos E durch Entscheidung vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R - abgelehnt hatte. Mit gerichtlichem Schreiben vom 26. Oktober 2005 erging eine entsprechende Mitteilung an die Beteiligten verbunden mit der Anfrage, ob und mit welcher Begründung das Verfahren fortgeführt werde.
Mit Schriftsatz vom 16. November 2005 nahm der Kläger hierzu Stellung und vertrat die Auffassung, ein schuldhaftes Verhalten seinerseits, das gemäß § 14 Abs. 1 der maßgeblichen Prüfvereinbarung erforderlich sei, liege hier nicht vor. Darüber hinaus sei die Regressfestsetzung des Beklagten unverhältnismäßig. Ferner wurde vorsorglich die Rechtzeitigkeit der Regressanträge gerügt (§ 14 Abs. 2 der maßgeblichen Prüfvereinbarung).
Der damalige Beklagte nahm hierzu mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2005 Stellung. Auf ärztliches Verschulden komme es nicht an, seine Entscheidungen seien auch nicht unverhältnismäßig. Am 10. Januar 2006 verfügte die Kammervorsitzende den Rechtsstreit in das so genannte "E- (Entscheidungs-) Fach".
Mit Beschluss vom 31. Januar 2006 lud das SG die KÄVB sowie die BEK bei.
Mit Schriftsatz vom 27. März 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Akteneinsicht in die Akten des damaligen Beklagten. Am 11. April 2006 gingen die daraufhin vom SG übersandten Beklagtenakten beim SG München ein, wo der Kläger am 28. April 2006 Einsicht nahm. Am 03. Mai 2006 gelangte die Akte zurück an das SG.
Am 08. Mai 2006 verfristete die Kammervorsitzende den Rechtsstreit für zwei Monate, am 09. August 2006 verfügte sie den Rechtsstreit erneut in das so genannte "E-Fach".
Aufgrund richterlicher Verfügung vom 15. Januar 2007 wurde der Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung am 21. März 2007 geladen. Wegen Verhinderung der Kammervorsitzenden wurde der Rechtsstreit mit Verfügung vom 07. März 2007 verlegt auf den 04. April 2007.
Das SG wies die Klagen durch Urteil vom 04. April 2007 ab. Das Prüfverfahren sei fristgerecht eingeleitet und ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Festsetzung der Schadensersatzverpflichtungen sei in der Sache nicht zu beanstanden, denn das Fertigarzneimittel sei nicht verordnungsfähig gewesen. Eine Verordnungsfähigkeit ergebe sich auch nicht unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Ein Verschulden des verordnenden Arztes sei nicht erforderlich. Im Übrigen erweise sich die Regressfestsetzung weder als ermessensfehlerhaft noch als unverhältnismäßig. Schließlich könne der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Gegen das am 30. Mai 2007 abgesandte und ihm am 08. Juni 2007 zugestellte Urteil legte der Kläger am 15. Juni 2007 Berufung bei dem LSG ein, die unter dem Aktenzeichen L 7 KA 74/07 registriert wurde. Am 20. Juni 2007 wurde der Kläger aufgefordert, die Berufung zu begründen. Mit Schriftsatz vom 05. August 2007 bat der Kläger darum, mit der Berufungsbegründung warten zu können, bis die schriftlichen Urteilsgründe zu den Entscheidungen des SG Potsdam zu den Aktenzeichen S 1 KA 101/06, S 1 KA 55/06 und S 1 KA 54/06 vom 18. Juli 2007 vorlägen. Unter dem 25. September 2007 wurde der Kläger an die Berufungsbegründung erinnert. Mit Schriftsatz vom selben Tag (bei Gericht eingegangen am 26. September 2007) übersandte der Kläger ohne weitere, das Ausgangsverfahren betreffende, Begründung ein Urteil des SG Potsdam vom 18. Juli 2007 (S 1 KA 101/06), mit welchem dieses Gericht eine Regressforderung wegen der Verordnung von Wobe-Mugos E aufgehoben hatte.
Der damalige Beklagte nahm zu dem übersandten Urteil mit Schriftsatz vom 04. Oktober 2007 Stellung.
Mit richterlichen Verfügungen vom 20. November 2007 und 23. Januar 2008 wurde an die Berufungsbegründung erinnert.
Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 07. März 2008 das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die beim BSG anhängigen Revisionen B 6 KA 63/07 R, B 6 KA 64/07 R und B 6 KA 3/08 R. Der damalige Beklagte äußerte keine Bedenken hiergegen (Schriftsatz vom 26. März 2008), so dass das LSG mit Beschluss vom 04. April 2008 das Ruhen des Verfahrens anordnete. Der Rechtsstreit wurde am 20. Oktober 2008 aufgrund § 16 Abs. 3 Nr. 1 der Aktenordnung für die Sozialgerichtsbarkeit des Landes Berlin-Brandenburg (AktO-SG) weggelegt.
Der damalige Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009 die Wiederaufnahme des Verfahrens, nachdem das BSG mit den Urteilen vom 27. September 2005 (B 1 KR 56/02 R) und 05. November 2008 (B 6 KA 63/07 R) Entscheidungen zur Nichtverordnungsfähigkeit von Wobe-Mugos E getroffen hatte. Der Rechtsstreit wurde nunmehr unter dem Aktenzeichen L 7 KA 20/09 WA fortgeführt.
Auf die gerichtliche Anforderung vom 04. März 2009 übersandte der damalige Beklagte am 09. März 2009 seine Akten.
Auf Anforderung des SG vom 25. Mai 2009 übersandte das LSG am 02. Juli 2009 die Gerichtsakte zu einem dortigen Parallelverfahren.
Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2009 trug der Kläger zur Sache vor und wies darauf hin, dass zahlreiche Sozialgerichte davon ausgingen, dass in der streitgegenständlichen Zeit Wobe-Mugos E habe verordnet werden können, sofern die Voraussetzungen der sog. Nikolaus-Entscheidung des BVerfG vom 06. Dezember 2005 vorgelegen hätten. Dies sei hier ebenfalls der Fall. Die beigeladene BEK habe keinen Regressantrag stellen dürfen, ohne vorherige Prüfung der Voraussetzungen der Nikolaus-Entscheidung. Die BEK hätte ferner Übergangsbestimmungen für Versicherte wie Frau O treffen müssen, die bereits vor Änderung der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen zur Verordnung von Wobe-Mugos E als naturheilkundliches Mittel auf Kassenrezept mit Wobe-Mugos E behandelt worden seien. Außerdem habe der Beklagte kein Ermessen angewandt. Die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil zur Anwendung der Nikolaus-Entscheidung seien abwegig.
Unter dem 14. Juli 2009 wurde der damalige Beklagte zur Stellungnahme aufgefordert. Am 24. Juli 2009 ging die Gerichtsakte wieder beim LSG ein. Unter dem 27. Juli 2009 nahm der Beklagte Stellung zum Schriftsatz des Klägers und regte eine Äußerung der beigeladenen BEK an.
Mit Schriftsatz vom 04. August 2009 vertrat die beigeladene BEK die Auffassung, die streitige Problematik sei höchstrichterlich geklärt. Bei sämtlichen vom BSG entschiedenen Streitverfahren sei der Klägerbevollmächtigte für die dort unterlegenen Ärzte als Bevollmächtigter aufgetreten. Unter dem 06. August 2009 forderte das LSG den Kläger und den damaligen Beklagten zur Stellungnahme auf. Mit Schriftsatz vom 13. August 2009 nahm der Kläger Stellung und verwies darauf, dass andere Gerichte nunmehr in die Beweisaufnahme einträten oder Vergleiche anregten. Die beigeladene BEK habe schon aus verfassungsrechtlichen Gründen Übergangsregelungen treffen müssen.
Nachdem der damalige Beklagte und die Beigeladenen unter dem 01. September 2009 hierzu zur Stellungnahme aufgefordert worden waren, wurde der Rechtsstreit mit richterlicher Verfügung vom 21. Oktober 2009 zur Erörterung am 03. Februar 2010 anberaumt. Am 08. Dezember 2009 teilte der damalige Beklagte telefonisch mit, dass zum Erörterungstermin kein Vertreter werde kommen können, und bat um Aufhebung, woraufhin der Termin am 09. Dezember 2009 aufgehoben und eine Wiedervorlagefrist von zwei Monaten eingetragen wurde. Unter dem 11. Februar 2010 wurde erneut eine Wiedervorlagefrist von zwei Monaten verfügt.
Mit richterlichem Schreiben vom 30. April 2010 wurde der Kläger gebeten, eine Reihe von Fragen zur Erkrankung und Behandlung der Versicherten O zu beantworten und einen Auszug aus der elektronischen Patientenakte zu übersenden. Der Kläger beantwortete diese Fragen mit Schriftsatz vom 23. Mai 2010. Unter dem 02. Juni 2010 erinnerte der Berichterstatter an die Übersendung eines Auszugs aus der elektronischen Patientenakte. Am 23. Juni 2010 ging eine Stellungnahme des Klägers - trotz anderslautendem Anschreiben ohne Auszug aus der Patientenakte - ein. Unter dem 28. Juni 2010 wurden die übrigen Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert. Der damalige Beklagte vertrat in seiner Stellungnahme vom 22. Juli 2010 die Auffassung, die Frage des Off-Label-Use stelle sich hier nicht, da das Medikament zur Zeit der Verordnung kein zugelassenes Arzneimittel gewesen sei. Nach Erinnerung vom 18. August 2010 führte die beigeladene BEK in ihrer Stellungnahme vom 20. Oktober 2010 aus, weder die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Off-Label-Use noch die so genannte Nikolaus-Entscheidung seien hier anwendbar. Von einer fachlichen Prüfung unter Einschaltung des Medizinischen Dienstes werde daher abgesehen.
Mit richterlicher Verfügung vom 17. Dezember 2010 (ausgeführt am 28. Dezember 2010) wurde der Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2011 geladen. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2011 kündigte der Kläger die Stellung eines Beweisantrags an.
Das LSG wies die Berufung durch Urteil vom 23. Februar 2011 zurück und ließ die Revision nicht zu. Die Bescheide des Beklagten genügten den Anforderungen des § 14 der Prüfvereinbarung vom 10. Januar 1994, denn das Fertigarzneimittel Wobe-Mugos E habe im maßgeblichen Zeitpunkt weder in Deutschland noch in der EU die erforderliche Zulassung gehabt. Die Versicherte habe ferner weder nach den Grundsätzen des Off-Label-Use noch unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts eine Behandlung mit Wobe-Mugos E beanspruchen können. Nach den vorliegenden Unterlagen habe der Kläger Wobe-Mugos E gerade nicht i. S. e. ultima-ratio-Therapie verordnet, sondern schon bevor festgestanden habe, dass die verordneten Behandlungsalternativen erfolglos blieben. Selbst wenn keine andere Behandlungsmöglichkeit bestanden haben sollte, wäre ein Anspruch der Versicherten gegen die beigeladene BEK auf Versorgung ausgeschlossen, denn die Arzneimitteltherapie sei nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst dokumentiert. Den vom Kläger hilfsweise beantragten Beweis habe der Senat nicht erheben müssen, da dieser ungeeignet sei. Die schriftlichen Urteilsgründe wurden am 02. Mai 2011 an die Bevollmächtigten des Klägers versandt.
Gegen das am 06. Mai 2011 zugestellte Urteil erhob der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG. Das BSG verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 06. September 2011 (B 6 KA 44/11 B), abgesandt am 23. September 2011 und dem Kläger zugestellt am 11. Oktober 2011.
Nachdem der Kläger sich zunächst mit Schriftsatz vom 15. Mai 2012 an die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin gewandt und Schadenersatz für eine aus seiner Sicht überlange Dauer des Verfahrens vor dem SG gefordert hatte, hat er am 30. Mai 2012 Entschädigungsklage gegen das Land Berlin erhoben. Das Verfahren sowohl vor dem SG als auch vor dem LSG sei überlang.
Hinsichtlich des Gerichtverfahrens vor dem SG habe jedenfalls für den Zeitraum vom 02. Januar 2004 bis zum 04. April 2007 ein entschädigungspflichtiger Verzögerungszeitraum vorgelegen. Für diesen Zeitraum werde eine Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) geltend gemacht i. H. v. 3.900,00 Euro. Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem SG sei völlig unangemessen gewesen. Insbesondere bei Regressverfahren wegen des Arzneimittels Wobe-Mugos E handele es sich nicht um Angelegenheiten, die rechtlich oder tatsächlich in irgendeiner Weise überdurchschnittlich schwierig gewesen seien. Der Beschwerdeausschuss in Bayern habe in zahlreichen Schriftsätzen erklärt, diese Regressverfahren seien nur durchschnittliche Angelegenheiten. Manche Landessozialgerichte hielten die Regressprozesse sogar für so einfach, dass sie durch Gerichtsbescheid entschieden. Für das gerichtliche Verfahren vor dem SG hätte daher ein Jahr völlig ausgereicht. Der Ausgangsrechtsstreit sei in keiner Weise als "zumindest sehr komplex" einzustufen gewesen, denn der Sachverhalt habe von Beginn an klar auf dem Tisch gelegen, so dass Ermittlungen nicht vonnöten gewesen seien. Es sei auch zu berücksichtigen, dass seit Anfang 1999 bereits Hunderte ähnlicher Regressfälle an Gerichten anhängig gewesen seien, so dass im Dezember 2000 bereits mehrjährige Erfahrung vorgelegen habe. Es hätten zahlreiche Entscheidungen anderer SGs vorgelegen, von denen er zwei zu den Akten gereicht habe. Schon im Jahr 1999 sei die Rechtsprechung des BSG zu den anstehenden Fragen offenkundig gewesen. Da das SG nicht von der Rechtsprechung des BSG habe abweichen wollen, hätte bereits ein halbes Jahr ausgereicht, um eine Entscheidung zu treffen.
Aber auch das Berufungsverfahren vor dem LSG sei insgesamt überlang gewesen, jedenfalls für den Zeitraum vom 01. September 2009 bis zum 30. April 2010. Für diesen Zeitraum werde eine Entschädigung i. H. v. 800,00 Euro geltend gemacht. Obwohl seit Anfang 1999 massenhaft Regresse wegen der Verordnung von Wobe-Mugos E ergangen seien und hunderte von Verfahren hierzu anhängig gewesen seien, habe das BSG Anfang 2008 - also neun Jahre später - immer noch nicht die maßgeblichen Fragen entschieden, so dass das LSG das Ruhen des Verfahrens angeordnet habe. Dabei sei offensichtlich, dass rechtliche Fragen der Behandlung von lebensgefährlich Erkrankten nach unserem Grundgesetz besonders rasch entschieden werden müssten. Es sei skandalös, dass der Gesetzgeber diese Fragen nebulös regle und dann die zwangsversicherten Schwerkranken bzw. die Vertragsärzte jahrelang prozessieren müssten. Ungeachtet dessen hätte das LSG nach Wiederaufnahme des Verfahrens dieses jedenfalls alsbald nach dem 01. September 2009 einer Entscheidung zuführen können und angesichts der vorangegangenen Verzögerungen auch müssen.
Es könne auch nicht darauf ankommen, dass sich aus den Entscheidungen des BVerfG vom 06. Dezember 2005 und des BSG vom 05. November 2008 bestimmte weitere zu prüfende Aspekte ergeben hätten, denn dies sei zur Beurteilung der Frage, ob für den Zeitraum vom 01. Februar 2004 bis zum 04. April 2007 ein entschädigungspflichtiger Verzögerungszeitraum vorgelegen habe, nicht von Bedeutung, da sich derartige Fragen ohne die rechtswidrige Verzögerung gar nicht gestellt hätten, vielmehr der Rechtsstreit auf der Basis der bis dato vorliegenden Rechtsprechung Ende 2003 hätte entschieden werden können.
Ein Entschädigungsanspruch könne ferner nicht mit dem Argument, der Rechtsstreit sei für ihn - den Kläger - nicht von besonders großer Bedeutung gewesen, verneint werden. In keiner Weise bestehe schließlich Anlass zu der Annahme, er habe durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Erledigung des Rechtsstreits in erheblicher Weise verzögert. Die Initiative zum erstinstanzlichen Ruhen des Verfahrens sei vom SG ausgegangen, das ein solches mit Verfügung vom 27. Oktober 2003 angeregt habe. Hinsichtlich des zweitinstanzlichen Verfahrens rüge er eine Verzögerung nur hinsichtlich des Zeitraums nach Wiederaufnahme des Verfahrens.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Entschädigung in Höhe von 4.700,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei zwar zulässig, es liege aber keine unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens i. S. v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vor. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richte sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sei insbesondere auf die Schwierigkeit und die Bedeutung des Verfahrens sowie auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter abzustellen. Gerichtsverfahren sei allein das sozialgerichtliche Verfahren, nicht jedoch das Widerspruchsverfahren.
Der Ausgangsrechtsstreit sei unter Zugrundelegung der vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) formulierten Maßstäbe als zumindest sehr komplex einzustufen gewesen. Streitgegenstand sei zum einen die Verordnungsfähigkeit von Wobe-Mugos E zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung und zum anderen die Frage gewesen, ob der verordnende Vertragsarzt - die Unzulässigkeit der Verordnung unterstellt - im Hinblick auf ein mögliches Verschuldenserfordernis, bestehende Fristen, das Erfordernis einer Ermessensausübung bzw. Vertrauensschutz für eine unzulässige Verordnung in Regress genommen werden könne. Dafür seien rechtliche und tatsächliche Fragestellungen maßgeblich gewesen. Auf der Grundlage der Entscheidungen des 6. Senats des BSG vom 05. November 2008 (B 6 KA 63/07 R) und 06. Mai 2009 (B 6 KA 3/08 R) seien im Ausgangsverfahren weitere Feststellungen dahingehend zu treffen gewesen, ob die vom BSG im Urteil vom 27. März 2007 (B 1 KR 17/06 R) aufgestellten Grundsätze zur verfassungsrechtlich gebotenen Ausdehnung des Leistungsanspruchs im Falle der Verordnung von Wobe-Mugos E gegeben sein konnten. Genau dies sei im Verfahren vor dem LSG von dem Kläger in der Berufungsbegründung vom 10. Juli 2009 geltend gemacht worden. Dadurch seien die weiteren Ermittlungsauflagen in der gerichtlichen Verfügung des LSG vom 28. April 2010 bedingt gewesen, nachdem die vom Kläger mit Schreiben vom 13. August 2009 angeregte vergleichsweise Verfahrensbeendigung in dem am 21. Oktober 2009 anberaumten Erörterungstermin nicht zustande gekommen sei. Soweit der Kläger nunmehr vortrage, die Regressfestsetzung wegen des Arzneimittels Wobe-Mugos E sei keine Angelegenheit, die rechtlich oder tatsächlich in irgendeiner Weise überdurchschnittlich schwierig sei, setze er sich in Widerspruch zu seinem eigenen prozessualen Vorbringen im Ausgangsverfahren.
Hinsichtlich des Kriteriums der Bedeutung des Verfahrens sei vor allem darauf abzustellen, welche Bedeutung der Rechtsstreit für den Kläger habe, mithin darauf, ob aus seiner Sicht ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens bestanden habe. Vorliegend seien zwei Bescheide des Beschwerdeausschusses streitgegenständlich gewesen, mit denen eine Regressforderung i. H. v. insgesamt 6.370,38 Euro festgesetzt worden sei. Ausführungen zur Bedeutung für den Kläger fänden sich in der Klageschrift nicht, wirtschaftlich dürfte das Interesse als eher gering einzustufen sein. Soweit die Klagebegründung darauf abstelle, es sei offensichtlich, dass rechtliche Fragen der Behandlung von lebensgefährlich Erkrankten besonders rasch entschieden werden müssten, sei dies bereits unschlüssig. Klagegegenstand sei nicht der Behandlungsanspruch der Versicherten, sondern allein die Möglichkeit des Rückgriffs auf den behandelnden Vertragsarzt wegen unzulässiger (unwirtschaftlicher) Verordnungen gewesen. Wobe-Mugos E sei im Übrigen zum 01. September 2005 vom Hersteller als Arzneimittel aus dem Verkehr genommen worden und werde nur noch als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. Eine Relevanz des Klageverfahrens für die Behandlung lebensgefährlich Erkrankter sei daher auch in tatsächlicher Hinsicht bereits seit dem Jahr 2005 nicht mehr zu begründen. Darüber hinaus trage die Klagebegründung vor, dass das Nichtbestehen eines Behandlungsanspruchs bereits 1999 offenkundig gewesen sei, so dass unklar sei, welche Bedeutung dem anhängigen Verfahren im Hinblick auf die Versicherteninteressen noch beigemessen werden solle.
Schließlich bestehe Anlass zu der Annahme, dass der Kläger durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Erledigung des Rechtsstreits in erheblicher Weise verzögert habe. Der Antrag, das erstinstanzliche Verfahren zum Ruhen zu bringen, sei vom Kläger gestellt worden. Das auf Antrag des Klägers herbeigeführte Ruhen (Beschluss vom 06. Januar 2004) sei am 21. Oktober 2005 von Amts wegen beendet worden, ohne dass der Kläger zwischenzeitlich auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens gedrängt habe. Mit Schriftsatz vom 27. März 2006 sei dann erstmals Akteneinsicht beantragt worden, die infolge der Notwendigkeit der Versendung der Akten an das SG München zu einer Unterbrechung des erstinstanzlichen Verfahrens bis zum Rücklauf der Akten am 03. Mai 2006 geführt habe. Gegen das Urteil vom 04. April 2007 sei am 15. Juni 2007 Berufung eingelegt worden, eine Begründung sei jedoch trotz ausdrücklicher Aufforderung und Erinnerung seitens des LSG nicht erfolgt. Vielmehr sei mit Schriftsatz vom 07. März 2007 erneut das Ruhen des Verfahrens beantragt worden. Das daraufhin nach Anhörung des Beklagten mit Beschluss vom 04. April 2008 angeordnete Ruhen des Verfahrens habe erneut zu einem aktenordnungsgemäßen Weglegen geführt, über das der Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 informiert worden sei. Eine Reaktion sei daraufhin nicht erfolgt. Die Wiederaufnahme sei erneut nicht auf Initiative des Klägers, sondern auf Anregung des Beklagten mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009 erfolgt. Dies sei zu bemerken, weil die Bevollmächtigten des Klägers auch in den Revisionen vor dem BSG, über die am 05. November 2008 bzw. 06. Mai 2009 entschieden worden sei, aufgetreten seien. Erstmals mit Schreiben vom 10. Juli 2009 sei die Berufung begründet worden. Mit weiterem Schriftsatz vom 13. August 2009 sei bemängelt worden, dass die beigeladene Krankenkasse sich einer vergleichsweisen Erledigung verschließe. Offenkundig als Reaktion darauf sei es am 21. Oktober 2009 zur Anberaumung eines Erörterungstermins auf den 03. Februar 2010 gekommen, der jedoch auf die Verhinderungsanzeige des Beklagten am 08. Dezember 2009 habe aufgehoben werden müssen. Im weiteren Verlauf sei es im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG vom 06. Mai 2009 (B 6 KA 3/08 R) am 28. April 2010 zu einer Ermittlungsauflage des Gerichts gekommen. Nach der Stellungnahme der beigeladenen Krankenkasse zum (fehlenden) Erfordernis weiterer medizinischer Ermittlungen mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2010 sei es dann am 17. Dezember 2010 zur Ladung zur mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2011 gekommen. Diese Ausführungen erhellten, dass wesentliche Verzögerungen im Verfahren beider Rechtszüge durch das Verhalten des Klägers begründet seien, was bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer zu berücksichtigen sei.
Zusammenfassend ergebe sich damit, dass insgesamt keine unangemessene Verfahrensdauer i. S. v. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG in dem Ausgangsverfahren vorliege. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer folge bereits aus dem Umstand, dass keine Phase im erstinstanzlichen Verfahren vor dem SG oder im Berufungsverfahren vor dem LSG bezeichnet werden könne, in der tatsächlich eine verzögerliche Bearbeitung vorgelegen hätte. Das erstinstanzliche Verfahren sei nach kontinuierlicher und nur durch das Ruhen unterbrochener Bearbeitung am 06. August 2007 in das so genannte Entscheidungsfach verfügt und damit zum Ausdruck gebracht worden, dass eine weitere Klärung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht mehr als erforderlich angesehen werde. Tatsächlich sei es dann auch zur Ladung am 15. Januar 2007 gekommen. Gleiches gelte für das zweitinstanzliche Verfahren, das nach Abschluss der medizinischen Ermittlungen und Stellungahme der Beigeladenen mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 am 28. Oktober 2010 geladen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zwar zulässig, nicht jedoch begründet.
A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.
I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des GRüGV vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 des Grundgesetzes (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.
II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i. S. d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung, die der Kläger hier sogar zunächst angestrebt hatte, ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.
III. Auch ist die Klage form- und fristgerecht erhoben. Die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Gleiches gilt für die Einlegungsfrist.
§ 198 Abs. 5 Satz 2 GVG, der vorsieht, dass eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden darf, gilt für Verfahren, die bei Inkrafttreten des GRüGV bereits abgeschlossen waren, nicht (Art. 23 Satz 5 GRüGV). Vielmehr kann nach Art. 23 Satz 6 GRüGV die Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG bei abgeschlossenen Verfahren sofort und muss spätestens am 03. Juni 2012 erhoben werden. Diese Frist wurde vorliegend mit Erhebung der Klage am 30. Mai 2012 gewahrt.
B. Allerdings ist die Klage zur Überzeugung des Senats nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.
I. Richtiger Beklagter ist das Land Berlin, obwohl der Kläger auch die Dauer des in der Berufungsinstanz seit dem 15. Juni 2007 vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geführten Verfahrens rügt und dieses Gericht seinen Sitz im Land Brandenburg hat.
Nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land. Da das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Staatsvertrags über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 (GVBl. für Berlin 2004, 380 bzw. GVBl. Brandenburg I S. 283 ff.) - Staatsvertrag - ein gemeinsames Fachobergericht der Bundesländer Berlin und Brandenburg ist, seinen Sitz aber im Land Brandenburg hat, lässt sich dem Wortlaut des § 200 Satz 1 GVG unmittelbar keine Bestimmung des richtigen Beklagten entnehmen. Der Senat folgt insoweit jedoch dem Bundesfinanzhof, der für das Finanzgericht Berlin-Brandenburg unter Berufung auf die im Wesentlichen auf die Gesetzesmaterialien zum Staatsvertrag sowie die einfachere staatsrechtliche Handhabbarkeit abstellenden Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin im Beschluss vom 19. Dezember 2006 (- 45/06 -, juris, Rn. 23 ff.) sowie auf die Beschlüsse des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 10. Mai 2007 (- 8/07 -, juris, Rn. 14 ff.) und des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 2006 (- 2 BvR 1058/05 -, juris, Rn. 22 ff.) davon ausgegangen ist, dass maßgeblich nicht das Sitzprinzip sei, sondern die gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg jeweils Rechtsprechungsgewalt desjenigen Bundeslandes ausübten, aus dem das Ausgangsverfahren stamme (BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 25 ff.). Vorliegend stammt das Ausgangsverfahren aus dem Land Berlin. Mit Blick auf die primär an den Wohnsitz des Klägers anknüpfende örtliche Zuständigkeit der Sozialgerichte (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG) wurde der Rechtsstreit zutreffend vor dem Sozialgericht Berlin anhängig gemacht. Auch soweit ab dem 01. Juli 2005 das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg an die Stelle des Landessozialgerichts Berlin getreten ist, übte es im Ausgangsverfahren Rechtsprechungsgewalt des Landes Berlin aus, das damit Anspruchsgegner im Entschädigungsklageverfahren ist.
Die Übertragung der Vertretung des beklagten Bundeslandes Berlin auf die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (§ 29 Abs. 1 Satz 1 der Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz vom 22. Oktober 2012, Amtsblatt Berlin 2012, 1979) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte diese Übertragung durch eine Verwaltungsanweisung vorgenommen werden; ein Gesetz war nicht erforderlich (so BFH, Urteil vom 17.04.2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 30 ff. für die vorher geltende Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).
II. Dem geltend gemachten Anspruch steht nicht entgegen, dass das von dem Kläger als unangemessen lang angesehene Verfahren bei Inkrafttreten des GRüGV am 03. Dezember 2011 (vgl. Art. 24 GRüGV) bereits abgeschlossen war. Denn nach Art. 23 S. 1 GRüGV gilt das Gesetz auch für bei seinem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist oder noch werden kann. Letzteres aber war hier der Fall. Das Berufungsverfahren beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg endete durch Urteil vom 23. Februar 2011, dem Kläger zugestellt am 06. Mai 2011. Allerdings wurde gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG erhoben, die mit Beschluss vom 06. September 2011 - abgesandt am 23. September 2001 und zugestellt am 11. Oktober 2011 - verworfen wurde. Es kann hier dahin stehen, ob die Rechtskraft des Berufungsurteils (§ 160 Abs. 4 Satz 4 SGG) mit dem Zeitpunkt der Herausgabe des ablehnenden BSG-Beschlusses (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. A. 2012, Rn. 23 zu § 160a) oder mit dem Zeitpunkt der Zustellung des BSG-Beschlusses am 11. Oktober 2011 eingetreten ist, denn die Sechs-Monatsfrist für die Einlegung von Beschwerden beim EGMR (Art. 35 Abs. 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK)) war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRüGV in keinem Falle abgelaufen.
III. Einer vorherigen Verzögerungsrüge i. S. d. § 198 Abs. 3 GVG bedurfte es nicht; gemäß Art. 23 S. 5 GRüGV sind die Absätze 3 und 5 des § 198 GVG auf bei seinem Inkrafttreten abgeschlossene Verfahren nicht anzuwenden.
IV. Allerdings liegen die Voraussetzungen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch nicht vor.
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer des am 02. Januar 2003 beim Sozialgericht Berlin eingeleiteten und letztlich mit Eintritt der Rechtskraft des zurückweisenden Berufungsurteils des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Februar 2011 spätestens am 11. Oktober 2011 beendeten und damit insgesamt rund acht Jahre und neun Monate bei Gericht anhängigen Verfahrens (vgl. die Entscheidung des BSG vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - in juris Rn. 24). Er rügt diesbezüglich eine Verzögerung im Umfang von insgesamt 47 Monaten (39 Monate - vom 02. Januar 2004 bis zum 04. April 2007 - erstinstanzliches Verfahren und acht Monate - vom 01. September 2009 bis zum 30. April 2010 - Berufungsverfahren) und macht ausschließlich einen Nachteil geltend, der kein Vermögensnachteil ist. Ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer steht ihm jedoch weder im geltend gemachten Umfang von insgesamt 87 Monaten noch für einen geringeren Zeitraum zu.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG).
Beurteilungsmaßstab für die Verfahrensdauer ist zur Überzeugung des Senats mit Blick auf die - auf den Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abstellende - Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss. Denn Gegenstand des jeweiligen Ausgangsverfahrens ist ein vom Kläger bzw. der Klägerin geltend gemachter prozessualer Anspruch, über den - so von der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, Gebrauch gemacht wird - nicht in nur einer Instanz geurteilt wird. Weiter ist es gerade in der Sozialgerichtsbarkeit mit zwei vollständigen Tatsacheninstanzen typisch, dass der Umfang der erstinstanzlich getätigten Ermittlungen das Ausmaß der in der zweiten Instanz noch anzustrengenden bedingt, sodass eine isolierte Betrachtung jedenfalls dieser beiden Instanzenzüge zu zufälligen und damit nicht unbedingt gerechten Ergebnissen führen würde. Ist entschädigungsrelevantes Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG jedoch das Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss insgesamt, kann eine Entscheidung darüber, ob gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verstoßen worden ist, typischerweise erst dann getroffen werden, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Insofern ist es durchaus denkbar, dass die etwas verzögerte Bearbeitung in der einen Instanz durch eine besonders zügige Bearbeitung in einer anderen (teilweise) kompensiert wird. Allerdings wird eine noch so schnelle Bearbeitung in einer Instanz kaum geeignet sein, eine eklatant überlange Dauer in einer anderen noch auszugleichen (vgl. so schon ausführlich und unter Wiedergabe diverser Nachweise: Urteil des Senats vom 04.09.2013 - L 37 SF 66/12 EK VG -, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).
Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber bewusst (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/3802, S. 18 zu § 198 Abs. 1) von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 Rn. 68 m. w. N.).
Vielmehr regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt. Lediglich beispielhaft und ohne abschließenden Charakter werden hier - in Anknüpfung an die vom Bundesverfassungsgericht sowie vom EGMR im Zusammenhang mit der Frage überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelten Maßstäbe - Umstände benannt, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach - so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/3802, S. 18 f. zu § 198 Abs. 1) - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits. Hier ist nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Relevant ist ferner das Verhalten sonstiger Verfahrensbeteiligter sowie das Verhalten Dritter. Hingegen kann sich der Staat zur Rechtfertigung der überlangen Dauer eines Verfahrens nicht auf Umstände innerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs berufen; vielmehr muss er alle notwendigen Maßnahmen treffen, damit Gerichtsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist beendet werden können. Deshalb kann bei der Frage der angemessenen Verfahrensdauer nicht auf die chronische Überlastung eines Gerichts, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation abgestellt werden.
Allerdings reichen die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Umstände nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL -, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m. w. N.), der der Senat sich anschließt, zur Ausfüllung des Begriffs der unangemessenen Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen. So verdeutlicht bereits die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit, dass es auf eine Beeinträchtigung eines Grund- und Menschenrechts durch die Länge des Gerichtsverfahrens ankommt. Es wird damit von vornherein eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt, sodass nicht jede Abweichung vom Optimum ausreicht, vielmehr eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen muss. Weiter verbietet sich das Ziehen einer engen zeitlichen Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer zum einen im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG), zum anderen unter Berücksichtigung des Ziels einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist.
Gemessen daran liegt hier trotz der objektiv langen Verfahrensdauer keine entschädigungsrelevante Überlänge vor. Die Verfahrensdauer ist weder auf eine schlechte personelle Ausstattung der Gerichte noch auf Untätigkeit der mit der Bearbeitung betrauten Richterinnen und Richter zurückzuführen. Im Gegenteil weist das Verfahren Besonderheiten auf, die es diesen unmöglich gemacht haben, das Verfahren wesentlich zügiger zum Abschluss zu bringen.
Soweit der Kläger meint, dass Verfahren sei allenfalls von durchschnittlicher Schwierigkeit gewesen und es gebe keine plausiblen Gründe für die Verzögerungen, folgt der Senat ihm nicht. Das Ausgangsverfahren ist zur Überzeugung des Senats und entgegen der Ansicht des Klägers als eher überdurchschnittlich komplex anzusehen. Denn das Gericht hatte über schwierige, zu Anfang des Verfahrens noch ungeklärte und vor allem umstrittene Rechtsfragen zu urteilen. Hier war in einem ersten Schritt zu klären, ob das - inzwischen vom Markt genommene - Fertigmedikament Wobe-Mugos E im streitigen Zeitraum (Quartale I bis IV/2000 sowie I/2001) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig war. Im Fall der Verneinung der Verordnungsfähigkeit war in einem zweiten Schritt zu klären, ob der Kläger als verordnender Vertragsarzt im Hinblick auf ein mögliches Verschuldenserfordernis, etwaige Fristen, das Erfordernis einer Ermessensausübung, ggf. Vertrauensschutz sowie unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Maßgaben in Regress genommen werden konnte.
Zum ersten Fragenkomplex war die Rechtslage - entgegen der Auffassung des Klägers - zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht höchstrichterlich geklärt und umstritten. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der im Ausgangsverfahren beklagte Beschwerdeausschuss verschiedene Entscheidungen zur selben Frage getroffen hatte, wie der Kläger selbst vor dem SG Berlin vorgetragen hat. Auch war bis zur Entscheidung des OVG Berlin vom 07. April 2005 - 5 B 8.03 - noch nicht endgültig über die weitere Zulassung von Wobe-Mugos E entschieden. Außerdem urteilten auch die Sozialgerichte zur Frage der Verordnungsfähigkeit von Wobe-Mugos E keineswegs einheitlich, wie der Kläger ebenfalls selbst vorgetragen hat. Erst mit Urteil des BSG vom 27. September 2005 zu dem Aktenzeichen B 1 KR 6/04 R ist höchstrichterlich geklärt worden, dass gesetzlich Versicherte die Versorgung mit Wobe-Mugos E bereits nach Ablehnung des Zulassungsantrags im Juni 1998 nicht mehr beanspruchen konnten.
Zum zweiten Fragenkomplex erfolgte ebenfalls erst durch die Urteile des BSG vom 05. November 2008 - B 6 KA 63/07 R - sowie vom 06. Mai 2009 - B 6 KA 3/08 R - eine Klärung. Zudem stellten sich hierzu auch tatsächliche Fragen, so dass der Sachverhalt insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob ein Off-Label-Use vorlag, aufzuklären war.
Soweit der Kläger vorträgt, dass sich all diese Fragen nicht gestellt hätten, hätte das Sozialgericht bereits im Jahr 2003 entschieden, kann dies nicht durchgreifen. Das Ausgangsverfahren ist nicht erst dadurch überdurchschnittlich komplex geworden, dass das SG nicht schon 2003 entschieden hat. Die Komplexität beruht auf Schwierigkeit, Vielzahl und Reichweite der Rechtsfragen, die sich bei einer sorgfältigen Prüfung des Rechtfalles stellen. Maßstab für die Beurteilung der Schwierigkeit eines Ausgangsverfahrens kann nicht sein, ob ein Gericht - unter Ignorierung rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten - hätte sofort entscheiden können, denn Ziel eines gerichtlichen Verfahrens im Rahmen der Rechtsweggarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG ist nicht allein das schnelle Herbeiführen irgendeiner Entscheidung, sondern vorrangig das Herbeiführen einer fachgerechten Entscheidung. Zudem ist der Vortrag des Klägers zur Komplexität des Rechtsstreits widersprüchlich. Während er im Rahmen des Klage- und Berufungsverfahrens offensiv den Standpunkt vertrat, die Verordnungsfähigkeit von Wobe-Mugos E habe fortbestanden und im Übrigen sei der Regress rechtswidrig gewesen aufgrund von Unverhältnismäßigkeit bzw. des Verstoßes gegen die vom BVerfG aufgestellten Maßgaben in der so genannten Nikolaus-Entscheidung, behauptet er nunmehr, der Rechtsstreit sei von vornherein einfach und klar zu entscheiden gewesen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es in Anbetracht der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Regressbescheide (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG) im Interesse des Klägers lag, im Ausgangsverfahren im Gegensatz zum Entschädigungsverfahren eine Schwierigkeit der Angelegenheit eher zu betonen, während sich die Interessenlage nunmehr anders darstellen könnte.
Die Bedeutung der Sache, in der es letztlich um eine Gesamtregressforderung i. H. v. 6.730,38 Euro für den Kläger ging, ist zur Überzeugung des Senats allenfalls als durchschnittlich einzustufen. Eine höherrangige Bedeutung ergibt sich auch nicht aus einer Bedeutung für die Allgemeinheit, insbesondere die Versichertengemeinschaft, denn streitig war nicht der Versorgungsanspruch der Versicherten, sondern allein der Regressanspruch des damaligen Beklagten gegen den Kläger.
Soweit der Kläger mit Blick auf den Verfahrensverlauf behauptet, er habe nicht zu Verfahrensverzögerungen beigetragen, ist dem nicht zu folgen. Zweitinstanzlich hat der Kläger zu Verfahrensverzögerungen beigetragen, indem er trotz gerichtlicher Aufforderung vom 20. Juni 2007 die Berufung zunächst nicht begründete, sondern mit Schriftsatz vom 05. August 2007 um ein weiteres gerichtliches Zuwarten bat. Mit Schriftsatz vom 25. September 2007 übersandte er zwar ein Urteil des SG Potsdam vom 18. Juli 2007, begründete die Berufung jedoch nicht weiter. Auf die gerichtlichen Erinnerungen an die Berufungsbegründung vom 20. November 2007 und 23. Januar 2008 hin ging immer noch keine Begründung ein, vielmehr beantragte der Kläger mit Schreiben vom 07. März 2008 erneut das Ruhen des Verfahrens, welches nach Zustimmung seitens des Beklagten mit Beschluss vom 04. April 2008 angeordnet wurde. Erstmals mit Schriftsatz vom 10. Juli 2009, d. h. rund zwei Jahre nach Aufforderung durch das LSG, begründete der Kläger seine Berufung. Auch auf die aufklärende Auflage des Gerichts vom 30. April 2010 reagierte der Kläger nicht im Sinne einer umgehenden und vollständigen Mitarbeit. Denn entgegen der Auflage übersandte er den erbetenen Auszug aus der elektronischen Patientenakte am 23. Mai 2010 nicht, sondern musste am 02. Juni 2010 erinnert werden, woraufhin er unter dem 21. Juni 2010 - trotz anderslautender Ankündigung im Anschreiben - eben diesen Auszug nicht übersandte. Das Gericht hat dann jedoch eine weitere - dem Kläger anzulastende - Verzögerung vermieden, indem es dennoch am 28. Juni 2010 Stellungnahmen der übrigen Beteiligten erbat.
Bezüglich des Verfahrensablaufs im Einzelnen ist festzustellen, dass das Verfahren bei optimaler Förderung, auf die nach obigen Ausführungen jedoch gerade kein Anspruch besteht, eventuell etwas schneller, nicht hingegen - wie inzwischen vom Kläger gefordert - binnen Jahresfrist beim Sozialgericht bzw. binnen rund zwei Jahren beim LSG hätte erledigt sein können. Ab Eingang der Klage beim Sozialgericht Berlin im Januar 2003 ist das Verfahren konsequent gefördert worden.
Soweit der Kläger meint, die durch das erstinstanzliche Ruhen des Verfahrens vom 06. Januar 2004 bis zum 13. Oktober 2005 eingetretene Verlängerung der Verfahrensdauer sei dem Beklagten anzulasten, kann dem nicht gefolgt werden. So hat der Kläger - unter Inanspruchnahme seiner prozessualen Rechte - erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 26. November 2003 das Ruhen des Verfahrens beantragt, welches nach gleichlautendem Antrag des Beklagten mit gerichtlichem Beschluss vom 06. Januar 2004 angeordnet wurde. Die dadurch eingetretene Verzögerung des Rechtsstreits ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht dem Beklagten anzulasten und zwar unabhängig davon, ob das Ruhen aufgrund einer gerichtlichen Anregung beantragt wurde oder nicht. Gemäß § 202 SGG i. V. m. § 251 ZPO ist dieses nur auf Antrag der Beteiligten möglich. Durch die notwendigen Anträge der Beteiligten wird klargestellt, dass der Stillstand des Verfahrens - im Gegensatz zum Falle des bloßen "Liegenlassens der Akten" durch das Gericht - vom Willen der Beteiligten getragen wird und eine Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens nicht dem Gericht anzulasten ist (vgl. Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. A. 2012, Rn. 18 zu § 114). Offensichtlich war das Ruhen auch im Interesse des Klägers, der immerhin hoffen konnte, das OVG werde die Frage der Zulassung noch in seinem Sinne entscheiden und sich das Ausgangsverfahren dadurch letztlich erledigen. Das weitere Verhalten des Klägers lässt im Übrigen darauf schließen, dass ihm selbst nicht wesentlich an einem zügigen Fortgang des Rechtsstreits gelegen war, denn das Ruhen endete erst durch Wiederaufnahme von Amts wegen am 13. Oktober 2005, obwohl seine Bevollmächtigten auch in dem Verfahren B 1 KR 6/04 R vor dem BSG aufgetreten waren und deswegen über den Stand der obergerichtlichen Verfahren vor dem OVG bzw. BSG unterrichtet waren, so dass ein Antrag seinerseits auf Wiederaufnahme bereits unmittelbar nach der Entscheidung des OVG vom 07. April 2005 möglich gewesen wäre. Gleiches gilt für das Ruhen des Verfahrens im Berufungsverfahren vom 04. April 2008 bis zum 02. März 2009 und dessen Beendigung aufgrund eines Wiederaufnahmeantrags des damaligen Beklagten.
Zu einer weiteren, dem Beklagten nicht anzulastenden, Verzögerung führte die mit Schriftsatz vom 27. März 2006 erstmals vom Kläger beantragte Akteneinsicht in die Beklagtenakten, die gerichtlicherseits auch gewährt werden musste (§ 120 SGG). Aufgrund des Kanzleistandortes der Klägerbevollmächtigten erfolgte eine Versendung an das SG München, wo am 28. April 2006 Akteneinsicht genommen wurde. Die Akten standen dem SG zur Bearbeitung schließlich erst wieder am 03. Mai 2006 zur Verfügung.
Soweit die Kammervorsitzende des SG die Akten nach Rücklauf von der in München genommenen Akteneinsicht trotz der von ihr bereits am 10. Januar 2006 festgestellten Entscheidungsreife des Rechtsstreit am 08. Mai 2006 zunächst um zwei Monate verfristete, ist dies als typisches und sachgerechtes gerichtliches Vorgehen zu werten, um den Beteiligten im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs nach genommener Akteneinsicht Raum für weiteren Vortrag zu lassen. Nachdem kein weiterer Vortrag erfolgte, wurde der Rechtsstreit kurz darauf (am 09. August 2006) konsequenterweise erneut als entscheidungsreif eingestuft und in das "E-Fach" verfügt. Mit richterlicher Verfügung vom 15. Januar 2007 wurde der Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung am 21. März 2007 geladen, am 07. März 2007 (von der Geschäftsstelle ausgeführt am 09. März 2007) erfolgte die Umladung wegen Verhinderung der Kammervorsitzenden auf den 04. April 2007. An diesem Tag wurde der Rechtsstreit erstinstanzlich entschieden. Zwar wäre es sicher wünschenswert gewesen, dass es im erstinstanzlichen Verfahren bei dem Anfang August 2006 seit rund drei Jahren und sieben Monaten anhängigen Rechtsstreit nicht erst fünf Monate später (richterliche Verfügung vom 15. Januar 2007, ausgeführt am 24. Januar 2007) zur Anberaumung eines Termins auf den 21. März 2007 gekommen wäre. Die Entscheidung, den Rechtsstreit erst auf diesen Tag zu terminieren, hält sich jedoch - auch unter Berücksichtigung der mit zunehmender Dauer des Verfahrens steigenden, an die Angemessenheit zu stellenden Anforderungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.07.2000 - 1 BvR 352/00 - zitiert nach juris, Rn. 11 sowie vom 02.12.2011 - 1 BvR 314/11 -, zitiert nach juris, Rn. 7) - noch im Rahmen des richterlichen Gestaltungsspielraums, der es einem Kammervorsitzenden gerade erlaubt selbst darüber zu befinden, in welcher Reihenfolge er entscheidungsreife Verfahren ansetzt. Soweit der für den 21. März 2007 anberaumte Termin wieder aufgehoben und auf den 04. April 2007 verschoben werden musste, ist dies nicht dem Beklagten anzulasten. Dies war nicht auf eine unzureichende Ausstattung der Justiz im Allgemeinen, sondern auf die unvorhergesehene Verhinderung der Kammervorsitzenden zurückzuführen (vgl. in diesem Zusammenhang z. B. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.03.2005 - 3 StR 39/05 - zitiert nach juris, Rn. 17). Die Kammervorsitzende hat auch sofort mit der Terminsaufhebung eine Umladung auf den Termin am 04. April 2007 - einen Zeitpunkt lediglich 14 Tage nach dem ursprünglichen Termin - vorgenommen.
Soweit es im Berufungsverfahren im Dezember 2009 zur Aufhebung des auf den 03. Februar 2010 anberaumten Erörterungstermins kam, ist dies nicht dem jetzigen Beklagten anzulasten, sondern beruhte auf einer Verhinderung des damaligen Beklagten. Auch soweit es anschließend zu einer Verfristung um insgesamt rund vier Monate kam, bis weitere Ermittlungen zum Sachverhalt in Form einer Aufklärungsauflage an den Kläger durchgeführt wurden, rechtfertigt dies nicht die Annahme, das Gericht habe das Verfahren nicht betrieben. Nachdem zunächst mit der Anberaumung eines Erörterungstermins der Fokus der Bearbeitung offensichtlich zunächst auf einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreites gelegen hatte, bestand nach Aufhebung des Termins Anlass zur senatsinternen Abstimmung dahingehend, ob das Verfahren in erster Linie weiter in dieser Richtung - ohne weitere Ermittlungen z. B. durch Anberaumung eines neuen Erörterungstermins - betrieben werden sollte oder den - nach der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG gebotenen - Sachverhaltsaufklärung Vorrang eingeräumt werden sollte. Es liegt im Rahmen des richterlichen Gestaltungsspielraums bei der Bestimmung der Verfahrensführung die Entscheidung in die eine oder andere Richtung zu fällen und hierfür eine Bedenkzeit zu beanspruchen. Denn die richterliche Entscheidung, ob und welche Ermittlungen in welcher Reihenfolge als sachgerecht angesehen werden, ist zumindest solange zu akzeptieren, wie sie sich noch als vertretbar darstellt. Dies mag im Einzelfall durchaus auch einmal damit einhergehen, dass ursprünglich für erforderlich erachtete Ermittlungen letztlich als nicht relevant bzw. ursprünglich für nicht vorrangig relevant angesehene Ermittlungen später für bedeutsam gehalten werden. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Ausgangsverfahren die Grenze des Vertretbaren überschritten worden wäre, liegen bereits im Hinblick darauf nicht vor, dass die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen den vom damaligen Beklagten geltend gemachten Anspruch jedenfalls auch an medizinische Voraussetzungen (lebensbedrohliche Erkrankung des Versicherten, Verordnung als ultima-ratio) geknüpft waren.
Eine weitere kurzzeitige - dem Beklagten nicht anzulastende - Verzögerung ergab sich aus der verspäteten Stellungnahme der Beigeladenen zu 2) auf die vom Kläger am 23. Mai und 21. Juni 2010 übersandten Unterlagen (Eingang nach gerichtlicher Erinnerung vom 18. August 2010 am 21. Oktober 2010). Bereits am 17. Dezember 2010 (gefertigt am 28. Dezember 2010) verfügte der Senatsvorsitzende die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2011, in deren Verlauf das die Instanz abschließende Urteil erging. Soweit zwischen der Verkündung des Urteils am 23. Februar 2011 und der Versendung der schriftlichen Urteilsgründe an die Beteiligten ca. zwei Monate vergangen sind, handelt es sich um eine angemessene, nicht zu beanstandende Frist.
Nach alledem rechtfertigt eine Gesamtbetrachtung auch unter Beachtung der aufgetretenen Verzögerungen daher nicht die Annahme, dass die Gesamtdauer des Verfahrens unangemessen gewesen wäre. Damit scheidet nicht nur die Gewährung einer Entschädigung, sondern auch die nach § 198 Absatz 4 GVG mögliche Feststellung der überlangen Verfahrensdauer aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.