Gründe:

I.

In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Höhe des dem Antragsteller (Ast.) und Beschwerdegegner (Bg.) zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg) II, insbesondere über die Höhe des zu berücksichtigenden Mehrbedarfes und der Anrechnung von Kindergeld als Einkommen.

Der 1978 geborene alleinstehende Bg. ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100. Er hat eine Spenderniere und leidet an Morbus Crohn. Durch Bescheid vom 25.02.2005 bewilligte ihm die Beschwerdeführerin (Bf.) für die Zeit vom 01.02.2005 - 28.02.2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i. H. v. 493,01 EUR monatlich, vom 01.03.2005 - 31.07.2005 i. H. v. 629,50 EUR monatlich sowie durch Bescheid vom 01.08.2005 für die Zeit vom 01.08.2005 - 31.01.2006 i. H. v. 629,50 EUR. Seit dem 01.08.2005 wird das Kindergeld auf Antrag des Bg. an diesen ausgezahlt. Daraufhin setzte die Bf. mit Änderungsbescheid vom 15.08.2005 für die Zeit vom 01.08.2005 - 31.01.2006 die monatlichen Leistungen nach dem SGB II auf 505,50 EUR herab.

Hiergegen legte der Bg. am 22.08.2005 Widerspruch ein. Das Kindergeld i. H. v. 154,00 EUR monatlich erhalte er auf Grund seiner Schwerbehinderung mit einem GdB von 100. Daher begehre er insbesondere die Überprüfung der Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 07.10.2005 wies die Bf. diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Bei dem Kindergeld handele es sich um anrechenbares Einkommen. Auch Kindergeld, das Personen erhielten, die auf Grund ihrer Behinderung auch nach dem 27. Lebensjahr Anspruch darauf hätten, sei anrechenbares Einkommen, da es weder eine Leistung nach dem SGB II, noch eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz, Beihilfe, Entschädigung, Zuwendung oder zweckbestimmte Einnahme sei. Vielmehr werde das Kindergeld einem kindergeldberechtigten Elternteil bewilligt, der für die Bestreitung des Lebensunterhaltes des betreffenden Kindes, für welches Kindergeld bewilligt werde, zuständig sei. Das Kindergeld könne gem. § 74 EStG auf Antrag an das Kind abgezweigt werden, wenn der Kindergeldberechtigte seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind mangels Leistungsfähigkeit nicht nachkommen könne oder aus sonstigen Gründen nicht nachkäme. Hier sei das Kindergeld ab dem 01.08.2005 an den Bg. abgezweigt worden. Somit sei es nicht mehr Einkommen der kindergeldberechtigten Eltern, sondern nunmehr Einkommen des Bg.

Mit seiner hiergegen am 11.10.2005 erhobenen Klage hat sich der Bg. an das SG Dresden gewandt. Zugleich hat der Kläger die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz beantragt. Mit diesem begehrt er die Zahlung des Alg II ohne Anrechnung des Kindergeldes. Zudem trägt er vor, er könne sich nun nicht mehr die besondere Ernährung, die seine Erkrankung erfordere, leisten, so dass eine große Gefahr für seine Gesundheit und sein Leben bestünde.

Durch Beschluss vom 02.11.2005 hat das SG dem Antrag teilweise stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 15.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2005 insoweit angeordnet, als die durch diese Bescheide verfügte Herabsetzung der Leistung für die Zeit vom 01.08. - 17.08.2005 ganz und für die Zeit ab dem 18.08.2005 teilweise aufhoben wurde.

Es handele sich hier um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetzt (SGG). Nach summarischer Prüfung spreche teilweise mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Als Rechtsgrundlage der teilweisen Rücknahme der Bewilligung ab 01.08.2005 käme hier § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht. Für die Zeit vom 01.08.2005 - 17.08.2005 könne sich der Bg. jedoch auf Vertrauensschutz berufen. Ein Ausnahmetatbestand gem. § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X liege nicht vor. Daher sei die Rückwirkung insgesamt rechtswidrig.

Auf Grund des Änderungsbescheides vom 15.08.2005 sei ab dem 18.08.2005 jedoch nicht mehr von einem weiteren Vertrauensschutz auszugehen. Dennoch sei gem. § 21 Abs. 5 SGB II auf Grund der Erkrankung des Bg. ein höherer Mehrbedarf anzusetzen, als dies von der Bf. vorgenommen wurde. Ausgangspunkt seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe. Diese seien in ständiger Rechtsprechung als geeignete sachverständige Hilfe bei der Beurteilung betrachtet worden, für welche Krankheit und in welcher angemessenen Höhe ein Mehrbedarf für eine kostenaufwendigere Ernährung nach § 23 Abs. 4 Nr. 2 BSHG anzuerkennen sei. Auch bei der Anwendung des SGB II sei auf diese Empfehlungen zurückzugreifen. Der darin ermittelte Mehrbedarf sei allerdings auf Grund der gegenüber 1997 gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen. Auf der Basis des Jahres 1997 seien folgende Beträge angesetzt worden: für die bei Niereninsuffizienz erforderliche eiweißdefinierte Kost 30,86 EUR und für den Morbus Crohn Mehrausgaben von 25,56 EUR monatlich. Im Hinblick auf diese erheblich zurückliegende Empfehlung erscheine es sachgerecht, aufbauend darauf unter Berücksichtigung der seither eingetretenen Preisentwicklung die Beträge für kostenaufwändigere Ernährung fortzuschreiben. Entsprechend der Fortschreibung des Eckregelsatzes seien auch die Empfehlungen des Deutschen Vereins um 7 % zu steigern. Im Ergebnis führe die fortgeschriebene Empfehlung zu folgenden Beträgen: Mehrausgaben bei Niereninsuffizienz monatlich 32,82 EUR für eiweißdefinierte Kost und bei Morbus Crohn 27,35 EUR für Vollkost. Da bei dem Bg. mehrere Erkrankungen vorlägen, die einen unterschiedlichen Mehrbedarf verursachten, sei auf den Einzelfall abzustellen. Eine Gewährung allein des höheren Mehrbedarfs könne dann angemessen sein, wenn es sich um dieselbe Art der Krankenkost handele oder sich die Nahrungsmittel weitestgehend überschneiden. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall. Andererseits fehle es für die Notwendigkeit einer Addition der Mehrbedarfe an ausreichenden Anhaltspunkten. Demnach sei der Mehrbedarf für die eiweißdefinierte Kost i. H. v. 32,82 EUR überschlägig um die Hälfte Mehrbedarfs der Vollkost zu erhöhen. Hieraus resultiere ein nahrungsmittelbedingter Mehraufwand von monatlich 45,50 EUR.

Gegen den der Bf. am 09.11.2005 zugegangenen Beschluss hat diese am 05.12.2005 Beschwerde eingelegt. SG hat der Beschwerde nicht stattgegeben und die Akten dem Sächsischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat die Bf. ausgeführt, die 7 %ige Erhöhung der Mehrbedarfskosten in Fortschreibung des Eckregelsatzes sei nicht akzeptabel. Die Anpassung der Regelsätze sei gebunden an die Entwicklung der durchschnittlichen Bruttolöhne aller Beschäftigten, nicht jedoch an eine Preisentwicklung für Lebensmittel. Sie sei daher auch nicht übertragbar auf eine entsprechende Erhöhung der Mehrbedarfszuschläge unter Hinweis auf eine auch in diesem Bereich erfolgte Preissteigerung. Es könne nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass sich hierfür tatsächlich höhere Kosten ergäben. Daher sollten die Empfehlungen des Deutschen Vereins 1997 ohne Veränderung zugrunde gelegt werden. Weiter sei bei mehreren Erkrankungen von dem höheren Mehrbedarf auszugehen. Ein individueller darüber hinausgehender Mehrbedarf sei bislang nicht festgestellt.

Die Bf. beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Dresden vom 02. November 2005 insoweit aufzuheben, als damit dem Antrag des Bg. entsprochen wurde und auch insoweit den Antrag des Bg. zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Akten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht erhoben (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Denn das Sozialgericht Dresden (SG) hat dem Antrag zu Recht teilweise stattgegeben.

Bei dem vom Beschwerdegegner (Bg.) gestellten Antrag handelt es sich - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in dem beim SG Dresden anhängigen Verfahren zum Az: S 34 AS 1000/05 nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 15.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2005 nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG, 39, Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das Interesse des von einem Kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes Betroffenen an dem Aufschub der Maßnahme (Aufschubinteresse) das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchführung (Vollzugsinteresse) übersteigt. Dies ist in der Regel der Fall, wenn nach summarischer Prüfung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes spricht, weil an der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen Maßnahme kein öffentliches Interesse besteht.

Das SG ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass für die Zeit vom 01.08. - 17.08.2005 - jedenfalls nach Aktenlage - die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit nach § 45 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht vorliegen dürften. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin (Bf.) kommt hier nicht § 48 Abs. 1 SGB X zur Anwendung, sondern § 45 SGB X. Zwar handelt es sich bei der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II um einen Dauerverwaltungsakt. Die vorausgegangene Bewilligung endete jedoch mit dem 31.07.2005. Für die Folgezeit hat der Kläger einen neuen Antrag gestellt. Durch Bescheid vom 01.08.2005 erfolgte sodann die Bewilligung auch erst ab dem 01.08.2005. Folglich war die teilweise Rücknahme der Bewilligung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gem. § 45 Abs. 1 und 2 SGB X zu beurteilen. Auch wenn der Beschwerdegegner (Bg.) hier selbst die Auszahlung des Kindergeldes an sich beantragt hat, kann allein hieraus noch nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X geschlossen werden. Der Bg. ging vielmehr ersichtlich von der rechtlichen Auffassung aus, die weitere Kindergeldzahlung erfolge gleichsam als Ausgleich für seine Schwerbehinderung. Ob damit ein Sachverhalt im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X erfüllt ist, bedarf einer abschließenden Überprüfung im Hauptsacheverfahren. Auch im Übrigen hat das SG zu Recht entschieden, dass die Mehrbedarfskosten gem. § 21 Abs. 5 SGB II höher anzusetzen sind und somit - auch insoweit - erhebliche Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 15.08.2005 vorliegen.

Zur Beurteilung der "Angemessenheit des Mehrbedarfes" einer kostenaufwendigeren Ernährung ist das SG zutreffend von den durch den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen ausgegangen. (BT - Druckw. 15/1516, S. 57; kleinere Schriften des Deutschen Vereins, Heft 4, 2. Aufl., 1997). Mit diesem Begriff knüpfte der Gesetzgeber an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung der dem § 21 Abs. 5 SGB II vergleichbaren Vorschrift in § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an. Bei der Entscheidung darüber, ob ein Hilfeempfänger nach dieser Regelung einen, gegenüber dem mit den Regelsätzen gedeckten allgemeinen Bedarf, erhöhten Bedarf wegen der Notwendigkeit einer krankheitsbedingten aufwendigen Ernährung hat, werden danach diese Empfehlungen weiterhin als geeignete Entscheidungsgrundlage angesehen. Diese Beträge sind jedoch entsprechend der Veränderung der Regelsätze für Alleinstehende/Haushaltsvorstände jährlich fortzuschreiben (so bereits grundlegend Hessischer VGH vom 27.06.1991 - 9 TG 1258/91 - Info Also 1991, 200; sowie Kalhorn in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 3/2005, Rdnr. 29 zu § 21; Kruse in: Kruse/Reinhardt/Winkler, SGB II, Rdnr. 13 zu § 2; Lang in: Spellbrink/Eicher SGB II, Rdnr. 66 zu § 21; Hofmann in: LPK-SGB II, Rdnr. 27 zu § 21; Behrend in: jaris Praxiskomm.-SGB II Rdnr. 45 zu § 21; sowie bereits die Empfehlungen des Deutschen Vereins [DV 97, 31]).

Schließlich ist auch die vom SG angesetzte Erhöhung des Mehrbedarfs für eiweißdefinierte Kost von monatlich 32,82 EUR (unter Berücksichtigung der 7 %igen Erhöhung) um die Hälfte des Mehrbedarfes für Vollkost in diesem konkreten Fall schlüssig und nachvollziehbar. Hierzu wird zunächst in Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG auf die Darstellung der Krankheitsbilder im Beschluss des SG verwiesen. Diese Erkrankungen beeinflussen sowohl die Nahrungsaufnahme als auch die Nahrungsverwertung. Allein durch die eiweißdefinierte Kost können die Beeinträchtigungen, die sich aus der Krankheit Morbus Crohn für die Nahrungsverwertung ergeben, nicht aufgefangen werden. Wenn die überwiegende Literatur - ohne nähere Problematisierung - bei mehreren Erkrankungen, entsprechend den Durchführungshinweisen der BA, lediglich von dem höchsten Mehrbedarf ausgeht (Behrendt in: juris PK-SGB II Nr. 42 zu § 21; Kruse in: Kruse/Reinhardt/Winkler, SGB II, Rdnr. 11 zu § 21; Kalhorn in: Hauck/Noftz a.a.O.), so ist diese vereinfachende Auffassung nicht überzeugend. Vielmehr ist eine Beschränkung auf den höchsten Mehrbedarf nur dann geboten, wenn die in Rede stehenden Erkrankungen den gleichen oder zumindest einen ähnlichen Mehrbedarf verursachen. Soweit sich jedoch die unterschiedlichen Erkrankungen in unterschiedliche Mehrbedarfe auswirken, ist nicht ersichtlich, welche Gesetzesratio gegenüber einer Kumulation in Ansatz gebracht werden könnte. (Lang in: Spellbrink/Eicher, SGB II, Rdnr. 69 zu § 21; mindestens die höchste in Betracht kommende Krankenkostzulage ist anzuerkennen; Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles geboten: Hofmann in LPK - SGB II Rdnr. 26 zu § 21). Vor diesem Hintergrund erscheint die summarische Beurteilung des SG, eine Erhöhung um den hälftigen Betrag der Mehrkosten für Vollwertkost vorzunehmen, daher sachgerecht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG endgültig.