LSG NRW – Urteil vom 14.07.2003 – Az.: L 3 P 37/02 |
1. Die Zeitkorridore in den „Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit“ sind lediglich Orientierungswerte bei der Feststellung des zeitlichen Umfangs des Hilfebedarfs. Maßgebend ist die individuelle Pflegesituation. Die Zeitkorridore wirken im gerichtlichen Verfahren als antizipierte Beweiswürdigungsregel, die im Einzelfall widerlegbar ist.
2. Ein Schiedsgutachten in der privaten Pflegeversicherung ist nur dann nicht verbindlich, wenn sich nachweisen lässt, dass ein Gutachten „offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger ab "Mitte Juni 2000" Leistungen nach Pflegestufe II gewähren muss.
Der im ... 1930 geborene Kläger ist als Beihilfeberechtigter bei dem Beklagten, einem Krankenversicherungsverein auf Gegenseitigkeit, mit einem Leistungssatz von 30 % privat pflege- pflichtversichert. Vom Versorgungsamt Köln ist er als Schwerbehinderter mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen aG, B und H anerkannt. Seit Mitte Februar 2000 leidet er an den Folgen eines Herzinfarkts und Schlaganfalls mit Halbseitenlähmung links, eingeschränktem Sprachvermögen, Schluckstörungen und Harninkontinenz.
Deswegen beantragte er am 25. April 2000, ihm Pflegegeld zu zahlen. Der Beklagte ließ ihn durch die Ärztin Dr. B. von der M.P. GmbH in häuslicher Umgebung untersuchen. Diese beschrieb in ihrem Gutachten vom 02. Juni 2000 einen Hilfebedarf im Grundpflegebereich von 92 Minuten (Körperpflege 51 Minuten, Ernährung 21 Minuten und Mobilität 20 Minuten) und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2000 sagte der Beklagte dem Kläger zu, ihm (frühestens) ab dem 19. Mai 2000 die Aufwendungen für die häusliche Pflege nach Pflegestufe I i.H.v 225,00 DM (= 30% von 750,00 DM) monatlich zu erstatten und nicht verbrauchte Beträge als anteiliges Pflegegeld mit einem tariflichen Leistungssatz von 30 % auszuzahlen.
Dagegen wandte der Kläger ein, dass seine Verbände zweimal täglich gewechselt, morgens und abends Insulin gespritzt und Nahrungsmittel für Zwischenmahlzeiten besorgt werden müssten. Außerdem habe die Gutachterin übersehen, dass sich die Verbindung zwischen Urinschlauch und Urinbeutel häufig löse und die Intimhygiene nach dem Stuhlgang für einen linksseitig Gelähmten sehr zeitaufwendig sei. Überdies legte er die Pflegeberichte des Pflegedienstes B. für die Zeit von Mai bis Juli 2000 vor.
Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin erfolglos auf, ein Pflegeprotokoll zu fertigen. Später holte er ein weiteres Gutachten der M.P. GmbH in Köln ein, das der Arzt K. am 21. September 2000 erstattete. Dieser ermittelte einen Grundpflegebedarf von 57 Minuten im Tagesdurchschnitt zuzüglich eines Zeitaufwands von täglich 45 Minuten für Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2000 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass sich aus dem Zweitgutachten keine Änderung ergebe und die Einstufung in die Pflegestufe I deshalb bestehen bleibe. Außerdem machte er den Kläger darauf aufmerksam, dass Ansprüche auf Versicherungsleistungen nach dem Pflegeversicherungsvertrag (§ 17 Abs. 1 MB/PPV) innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden müssten.
Der Kläger legte in der Folgezeit dar, dass er mehr als 45 Minuten für die hauswirtschaftliche Versorgung benötige. Überdies sei er nicht in der Lage, seinen Blutzucker allein zu messen und sich Insulin selbst zu injizieren. Das Waschen von Rücken und Füßen, das Zähneputzen, Rasieren sowie das Anziehen von Hose, Strümpfen und Schuhen müsse der Pflegedienst übernehmen. Die Pflegebedarfsrichtlinien und die Begutachtungsanweisungen, an denen sich die Gutachter orientiert hätten, seien rechtswidrig.
Am 09. Januar 2001 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und vorgetragen, er leide unter Sehstörungen und erheblichen Schluckbeschwerden. Beim An- und Ausziehen der Strümpfe, Binden der Schuhe, dem Zuknöpfen von Kleidungsstücken, der Zahn- und Mundpflege, dem Treppensteigen, dem Transfer in und aus der Dusche, der mundgerechten Zubereitung von 5 kleinen Mahlzeiten sowie der Intimhygiene benötige er zumindest Teilhilfen. Aufgrund seiner Zuckerkrankheit müsse er häufig die Apotheke aufsuchen und könne nur bestimmte Lebensmittel einkaufen, was sich im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufwandserhöhend auswirke. Auf dem Weg zum Einkaufen, zur Apotheke und zur chemischen Reinigung sei er bereits mehrfach gestürzt, was bislang unberücksichtigt geblieben sei. Außerdem hat er eine versorgungsamtsärztliche Stellungnahme der ORMR`in Dr. J. aus K ... vom 13. November 2000 sowie ein Gutachten des niedergelassenen Internisten und Kardiologen Dr. C ..., ebenda, vom 10. Dezember 2001 vorgelegt, das in dem Schwerbehindertenverfahren S 21 SB 14/01 vor dem SG Köln von Amts wegen eingeholt worden ist. Darüber hinaus macht der Kläger geltend, dass das ganze System der privaten Pflegepflichtversicherung, die Pflegebedarfsrichtlinien und Begutachtungsanweisungen rechts- und verfassungswidrig seien. Die dort festgelegten Zeitkorridore beruhten auf einer "mafiösen Einflussnahme der privaten Versicherungswirtschaft" und reichten nicht aus, um den Pflegebedarf im Einzelfall objektiv zu beurteilen. Die "weisungsgebundenen" Ärzte der M.P. GmbH hätten ihn gar nicht untersucht und seien befangen. Deshalb müsse ein Gutachten eines "amtlich anerkannten medizinischen" Sachverständigen eingeholt werden, "der nicht der Richtlinien- und Begutachtungs-Anweisungsgewalt der Versicherungswirtschaft" unterläge. Überdies müsse das Gericht entscheiden, ob der Beklagte überhaupt passivlegitimiert sei.
Mit Urteil vom 27. Mai 2002 hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen der Pflegestufe II, weil er keinen Grundpflegebedarf von täglich mindestens 2 Stunden habe, wie die Ärzte der M.P. GmbH als Schiedsgut achter verbindlich festgestellt hätten. Der geltend gemachte Zeitaufwand für Verbandswechsel, Blutzuckermessung und Insulininjektionen sei als Behandlungspflege einzuordnen und deshalb nicht berücksichtigungsfähig. Außerdem könne der Kläger - wie er selbst vortrage - ohne fremde Hilfe aus dem Bett aufstehen, eigenständig einkaufen und essen, Blase und Darm selbständig entleeren und die Intimhygiene allein durchführen. Dass er für diese Verrichtungen mehr Zeit aufwenden müsse als ein Gesunder, sei unerheblich. Die Pflegebedarfs- und Begutachtungsrichtlinien seien rechtmäßig.
Nach Zustellung am 13. Juli 2002 hat der Kläger gegen diese Entscheidung am 05. August 2002 Berufung eingelegt und vorgetragen, er müsse seinen Darm manuell ausräumen, was sehr zeit aufwendig sei. Speisen könne er wegen der Schluckstörung nur mit sehr viel Flüssigkeit einnehmen; zwischenzeitlich sei er mit einer Magensonde versorgt worden. Aufgrund der spastischen Halbseitenlähmung sei er mehrfach gestürzt. Hierzu hat er einen Befundbericht des niedergelassenen Arztes Dr. K. aus K. vom 05. Dezember 2002 aus dem Verfahren S 8 (21,26) SB 14/01 sowie einen Entlassungsbericht der O ...klinik für Neurologie und Innere Medizin aus Bad B. vom 08. Januar 2003 überreicht, wo er vom 04. November bis 21. Dezember 2002 stationär behandelt wurde. Überdies rügt er, das SG habe seine Befangenheitsanträge gegen die Ärzte der M.P. GmbH übergangen und übersehen, dass der Beklagte offenbar über keine gesonderte Pflegekasse verfüge, wie es das Gesetz vorschreibe. Deswegen sei das Urteil des SG "gegen die verkehrte Beklagte ergangen".
Der Kläger, der im Termin weder erschienen ist noch vertreten war, beantragt schriftsätzlich sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. Mai 2002 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm die Aufwendungen für die häusliche Pflegehilfe nach Pflegestufe II ab dem 15. Juni 2000 nach einem Leistungssatz von 30% zu ersetzen und daneben ein anteiliges Pflegegeld zu zahlen.
Der Beklagte, der im Termin nicht vertreten war, beantragt schriftsätzlich, die über das Teilanerkenntnis im Schriftsatz vom 08.04.2003 hinausgehende Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines sozialmedizinischen Sachverständigengutachtens des niedergelassenen Allgemeinmediziners Dr. M. aus K ... Dieser ist in seinem Gutachten vom 11. März 2003 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Hilfebedarf des Klägers seit November 2002 im Grundpflegebereich auf 137 Minuten (Körperpflege 77 Minuten, Ernährung 20 Minuten, Mobilität 40 Minuten) und auf dem Gebiet der hauswirtschaftlichen Versorgung auf 60 Minuten gestiegen ist. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 380 bis 399 der Gerichtsakte verwiesen.
Daraufhin hat der Beklagte dem Kläger mit Schriftsatz vom 08. April 2003 zugesagt, ihm rückwirkend ab dem 01. November 2002 vertragsgemäße Leistungen nach Pflegestufe II zu erbringen. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger nicht angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Versicherungsunterlagen des Beklagten (Servicenummer: ...) verwiesen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Obwohl beide Beteiligten weder im Termin anwesend noch durch einen Bevollmächtigten vertreten waren, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, weil der Klägerbevollmächtigte und der Beklagte auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden sind (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2, 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die Berufung ist teilweise begründet. Denn aufgrund der Leistungszusage vom 08. April 2003 hat der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf vertragsgemäße Leistungen der Pflegestufe II ab dem 01. November 2002. Dagegen ist der Beklagte nicht verpflichtet, ihm von Mitte Juni 2000 bis zum 31. Oktober 2002 die Aufwendungen für die häusliche Pflegehilfe nach Pflegestufe II zu ersetzen und daneben ggf. ein anteiliges Pflegegeld zu zahlen, weil der Kläger in diesem Zeitraum keinen Grundpflegebedarf von täglich mindestens 2 Stunden hatte.
Indem sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 08. April 2003 bereit erklärte, dem Kläger ab dem 01. November 2002 vertragsgemäße Leistungen nach Pflegestufe II zu gewähren, hat er dem Klagebegehren teilweise stattgegeben. Da der Kläger dieses Teilanerkenntnis nicht angenommen hat, war der Beklagte nach § 202 SGG i.V.m. § 307 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. der Zivilprozessordnung (ZPO) seinem (Teil-)Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (vgl. BSG, Urteile vom 22. September 1977, Az.: 5 RKn 18/76, SozR 1750 § 307 Nr. 1, vom 12. Dezember 1979, Az.: 1 RA 91/78, SozR 1750 § 307 Nr. 2, vom 17. Oktober 1986, Az.: 12 RK 38/85, SozSich 1987, 157 und vom 12. Juli 1988, Az.: 4/11a RA 16/87, SozR 6580 Art. 5 Nr. 4). Ob der Klageanspruch berechtigt war, brauchte deshalb nicht mehr geprüft zu werden (BSG, a.a.O.).
Unerheblich ist dabei, dass der Kläger den Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht ausdrücklich beantragt hat. Denn sein Berufungsantrag ist so zu verstehen, dass durch (Teil-)Anerkenntnisurteil entschieden werden soll, wenn der Beklagte den geltend gemachten Anspruch (teilweise) anerkennt (vgl. BSG SozR 1750 § 307 Nr. 1). Dem Erlass eines Teilanerkenntnisurteils steht § 101 Abs. 2 SGG nicht entgegen. Diese Vorschrift enthält keine abschließende Spezialregelung für das Anerkenntnis im Sozialgerichtsprozess, sondern ermöglicht, das Gerichtsverfahren ohne Urteil zu beenden, wenn der geltend gemachte Anspruch ganz oder zum Teil ("insoweit") anerkannt und das Anerkenntnis angenommen wird. Kommt es - wie hier - nicht zur Annahme des (Teil-)Anerkenntnisses, ist eine Entscheidung über den geltend gemachten und einseitig anerkannten Anspruch durch Urteil unausweichlich. In diesem Fall ergeben sich aus dem SGG keine Gründe gegen eine entsprechende Anwendung des § 307 ZPO, wie das Bundessozialgericht (a.a.O.) bereits überzeugend dargelegt hat. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Im Übrigen hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Ihm stehen von Mitte Juni 2000 bis zum 31. Oktober 2002 keine Leistungen nach Pflegestufe II gegen den Beklagten zu, weil er in diesem Zeitabschnitt keinen Grundpflegebedarf von mindestens 2 Stunden hatte (§ 1 Abs. 8 lit. b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die privaten Pflegepflichtversicherung (MB/PVV 1995)). Dies haben die Ärzte der M. GmbH als Schiedsgutachter verbindlich festgestellt. Nach § 1 Abs. 9 Satz 1 MB/PVV 1995 beginnt der Versicherungsfall mit der ärztlichen Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Eintritt, Stufe und Fortdauer der Pflegebedürftigkeit sind gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 MB/PVV 1995 durch einen von dem Versicherer beauftragten Arzt festzustellen. Mit der Durchführung der Untersuchungen kann der medizinische Dienst der privaten Pflegepflichtversicherung beauftragt werden (§ 6 Abs. 2 Satz 3 MB/PVV 1995). An die Feststellungen des Sachverständigen sind Versicherer und Versicherungsnehmer nach § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG grundsätzlich gebunden, wenn dies - wie hier (§ 6 Abs. 2 MB/ PVV 1995) - vertraglich vereinbart ist (BSG, Urteil vom 22. August 2001, Az.: B 3 P 21/00, SozR 3-3300 § 23 Nr. 5). Unverbindlich ist ein Pflegegutachten in der privaten Pflegepflichtversicherung lediglich dann, wenn sich nachweisen lässt, dass es "offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht", wobei nur auf den Sachstand und die Erkenntnismittel zur Zeit der Begutachtung abgestellt werden darf (BSG, a.a.O.; Freud in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl. 1998, § 64 Rn. 6). Die Fehlerhaftigkeit des betreffenden Gutachtens muss sich dem sachkundigen Beobachter - wenn auch möglicherweise erst nach eingehender Prüfung - aufdrängen (Freud, a.a.O., § 64 Rn. 42; von Renesse, SGb 2002, 305, 306).
Die Gutachten der Ärztin Dr. B. vom 02. Juni 2000, die einen Grundpflegebedarf von insgesamt 92 Minuten angenommen hatte, und des Arztes K. vom 21. September 2000, wonach der Kläger im September 2000 einen Grundpflegebedarf von 57 Minuten hatte, waren nicht "offenbar unrichtig". Dies entnimmt der Senat dem überzeugenden Sachverständigengutachten des Allgemeinmediziners Dr. M. vom 11. März 2003, der sich den Schiedsgutachten von Dr. B. und K. ausdrücklich anschließt. Dr. M. führt überzeugend und nachvollziehbar aus, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers erst im November 2002 verschlechtert hat, was zu einer Erhöhung des Grundpflegebedarfs auf über 120 Minuten führte. Von einer "offenbaren Fehlerhaftigkeit" der M.P.-Gutachten kann daher keine Rede sein. Aber selbst wenn man die Gutachten von Dr. B. und K. nur als "Parteigutachten" (vgl. LSG NW, Urteil vom 11. Juli 2002, Az.: L 16 P 9/01) und nicht als Schiedsgutachten ansähe - etwa weil die MB/PVV 1995 nicht Vertragsbestandteil geworden sind, wie der Kläger vorträgt - , würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn der Sachverständige Dr. M. stellt in seinem Gutachten vom 11. März 2003 ausdrücklich fest, dass vor November 2002 lediglich die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorlagen.
Die Schiedsgutachten sind auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der Kläger die M.P.-Ärzte Dr. B. und K. für "weisungsgebunden" und deswegen für "befangen" hält. Denn beide Ärzte sind nicht als gerichtliche Sachverständige tätig geworden. Sie können deshalb keinesfalls nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
Die Gutachten der M.P. GmbH sind auch nicht offensichtlich unrichtig, weil sich die Gutachter Dr. B. und K. an den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien - BRi) vom 21. März 1997 orientiert haben. Die BRi sind Verwaltungsbinnenrecht, das die Spitzenverbände der gesetzlichen Pflegekassen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB XI geschaffen haben. Deshalb beruhen die BRi auch nicht auf einer - wie auch immer gearteten - "Einflussnahme der privaten Versicherungswirtschaft", wie der Kläger argwöhnt. Die BRi richten sich keinesfalls an ihn, sondern allein an Hoheitsträger, vornehmlich an die gesetzlichen Pflegekassen bzw. deren Landesverbände und an den rechtlich verselbständigten Medizinischen Dienst (Udsching, SGB XI, 2. Aufl. 2000, § 17 Rn. 4, ders. in: Festschrift für Krasney, 677, 683). Über § 23 Abs. 6 Nr. 1 SGB XI stellen sie für die privaten Pflegekassen lediglich Mindeststandards auf, an denen sich die Gutachter der M.P. GmbH orientieren (von Renesse, a.a.O., 308 in Fußnote 31). Die Zeitkorridore der BRi sind also lediglich "Orientierungswerte"; bei der Feststellung des zeitlichen Umfangs des Hilfebedarfs bleibt die individuelle Pflegesituation maßgebend (vgl. D 5. III. 3 der BRi). Deshalb hat sie das Bundessozialgericht (BSG) auch nicht beanstandet (Urteil vom 26. November 1998, Az.: B 3 P 20/97 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 9). Im gerichtlichen Verfahren sind die BRi nicht unmittelbar verbindlich, sondern wirken nur im Sinne einer antizipierten Beweiswürdigungsregel, die im Einzelfall widerlegbar ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 103 Rn. 7c; von Renesse, a.a.O., 308). Dies führt dazu, dass ein Gutachten der M.P. GmbH nur dann "falsch" ist, wenn es die Zeitkorridorwerte ohne einzelfallbezogene Begründung unter- oder überschreitet. Auch unter diesem Aspekt sind die Gutachten von Dr. B. und K. "fehlerfrei".
Die übrigen Einwände des Klägers erschüttern die medizinischen Gutachten der M.P. GmbH ebenfalls nicht. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das SG entschieden, dass der Zeitaufwand für Verbandswechsel, Blutzuckermessungen und Insulininjektionen als Maßnahmen der Behandlungspflege einzuordnen ist und deshalb im Rahmen der Grundpflege nicht berücksichtigt werden kann (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1999, Az.: B 3 P 5/98 R, SGb 2000, 121). Die (private) Pflegeversicherung soll schließlich auch nicht - wie der Kläger offenbar meint - den erhöhten Zeitaufwand ausgleichen, den der Betroffene selbst hat, wenn er die Verrichtungen des täglichen Lebens alleine ohne fremde Hilfe ausführt. Indem er vorträgt, dass er bei der Intimhygiene, beim Essen, beim An- und Ausziehen, beim Einkaufen usw. einen erhöhten Zeitaufwand habe, legt er damit gleichzeitig dar, dass er zu diesen Verrichtungen selbständig in der Lage ist und keine Hilfen benötigt. Dies wird im Gutachten des Dr. Ch. vom 10. Dezember 2001, auf das sich der Kläger beruft, besonders deutlich. Dort gab der Kläger an, er könne selbständig essen, Brote schmieren, kleinere Einkäufe erledigen und kleinere Körperwaschungen alleine durchführen. Außerdem erwähnte er lediglich "Schwierigkeiten" bei der Intimhygiene, beim Zähneputzen und Rasieren. Das An- und Ausziehen war ohne fremde Hilfe möglich, wobei lediglich das Ausziehen der Strümpfe und das Zuknöpfen der Hemdknöpfe als "äußerst mühsam" beschrieben werden. Zusammenfassend bejaht der Gutachter Ch. nur Hilfen beim Anziehen der Strümpfe und beim Verrichten der großen Körperpflege. Ein Hilfebedarf von 120 Minuten lässt sich daraus aber keinesfalls ableiten.
Die Passivlegitimation des Debeka Krankenversicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ist nicht zu beanstanden. Eine "gesonderte Pflegekasse" musste der Beklagte keinesfalls errichten, weil hierzu nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB XI nur die gesetzlichen Krankenkassen iSv. § 4 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) verpflichtet sind (Udsching, SGB XI, 2. Aufl. 2000, § 46 Rn. 5).
Soweit der Kläger den Trennungsbeschluss des Sozialgerichts für rechtswidrig hält, weist der Senat darauf hin, dass Trennungsbeschlüsse als prozessleitende Verfügungen nicht anfechtbar sind (§ 172 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers während des Berufungsverfahrens geändert haben und der Beklagte daraufhin den Klageanspruch sofort anerkannt hat.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).