Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 100 auf 60 nach Heilungsbewährung bei operiertem Rektumcarcinom im Streit.

Bei der am xxxxx 1942 geborenen Klägerin war mit Bescheid 14. März 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. November 1988 und des Ausführungsbescheides vom 4. August 1994 ein GdB von 40 wegen einer somatisierten Depression, wegen eines degenerativen Wirbelsäulen- und Gelenkleidens und wegen eines Reizcolons festgestellt worden. Den Antrag auf Feststellung eines höheren GdB und des Merkzeichens "G" vom Dezember 1996/Januar 1997 hatte die Beklagte nach Beiziehung und Auswertung von Unterlagen der behandelnden Ärzte mit Bescheid vom 13. November 1997 und Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1998 abgelehnt. Während des nachfolgenden Klageverfahrens (S 29 SB 547/98), mit welchem die Klägerin einen höheren GdB und die Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "RF" begehrt hatte, war bei ihr Ende 2002 ein Rektumcarcinom pT2 pNO in der Gestalt eines mittelgradig differenzierten Adenocarcinoms des Rektums festgestellt und reseziert worden. Daraufhin hatte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2003 einen GdB von 70 u.a. wegen Teilverlustes des Dickdarms nach Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung festgestellt. Das Sozialgericht hatte die Klägerin im Dezember 2003 zusätzlich auf dem orthopädischen und auf dem internistischen Fachgebiet untersuchen und begutachten lassen. Beide Gutachter waren zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen des Krebsleidens und der Somatisierungsstörung ein GdB von 100 festzustellen sei, die medizinischen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF" aber nicht vorlägen. Nachdem die Beklagte sich lediglich bereit erklärt hatte, einen GdB von 80 festzustellen, hatte das Sozialgericht sie durch Urteil vom 23. September 2004 unter Abänderung der Bescheide vom 13. November 1997, 20. Juli 1998 und 22. Mai 2003 verpflichtet, den GdB ab Dezember 1996 mit 50 und ab November 2002 mit 100 festzustellen. Im Übrigen hatte es die Klage abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin mit dem Ziel der Zuerkennung eines GdB von 100 bereits ab Dezember 1996 und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF" Berufung ein. Während des laufenden Berufungsverfahrens erließ die Beklagte am 5. Juli 2005 einen Ausführungsbescheid, mit welchem sie unter Abänderung der Bescheide vom 13. November 1997, 20. Juli 1998 und 22. Mai 2003 den GdB ab 1. Dezember 1996 auf 50 und ab 1. November 2002 auf 100 festsetzte. Ferner hörte sie die Klägerin mit Schreiben vom 29. Januar 2009 zur geplanten Herabsetzung des GdB wegen Ablaufs der Heilungsbewährungszeit an und setzte ihr eine Frist zur Stellungnahme bis zum 12. Februar 2009. Die Klägerin teilte hierzu mit Schreiben vom 31. Januar 2009 unter anderem mit, dass sie mit der Anhörung nicht alle Unterlagen vollständig erhalten habe, bat um deren Vervollständigung und im Übrigen um Fristverlängerung bis zum 31. März 2009. Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 2009 den GdB unter Hinweis auf § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse mit Wirkung ab 9. Februar 2009 auf 60 herab und führte aus, dieser Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens. Ihrer Entscheidung legte die Beklagte die gutachtliche Stellungnahme der Ärztin für Sozialmedizin Dr. G. vom 28. Januar 2009 zugrunde, in der es hinsichtlich des Funktionssystems Verdauungsorgane heißt, bei der Klägerin sei im November 2002 ein Rektumcarcinom festgestellt worden. Therapeutisch sei ein Colon-descendens-Pouch gelegt worden. Gemäß der Niederschrift des BMAS der Tagung vom April 2002 sei ein Pouch nach Kolektomie mit Erhalt des Sphinkters günstiger zu bewerten als ein Anus praeter; ein GdB von 30 werde vorgeschlagen. Dass noch ein Reizdarm vorliege, sei mangels ärztlicher Befunde nicht nachgewiesen. Der suprapubische Katheter sei wegen einer Blasenatonie nur vorübergehend angelegt worden und bedinge keinen GdB.

Auf den entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts im Termin am 12. Mai 2009 erklärten die Beteiligten, dass sie sich einig seien, dass der Bescheid vom 4. Februar 2009 (Herabsetzung des Grades der Behinderung von 100 auf 60) nicht Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens geworden ist, dass die Klägerin mit Schreiben vom 6. Februar 2009 zulässigerweise Widerspruch gegen diesen Bescheid eingelegt hat und dass die Beklagte über diesen Widerspruch durch rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid gesondert entscheiden wird. Durch Urteil vom 12. Mai 2009 wies das erkennende Gericht alsdann die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts zurück, weil der GdB bis einschließlich Oktober 2002 zutreffend jedenfalls nicht höher als mit 50 festgestellt wurde. Die im Rahmen der durchgeführten Ermittlungen gehörten medizinischen Sachverständigen hätten vollkommen übereinstimmend die von der Beklagten vorgenommene Bewertung der Behinderung der Klägerin mit einem GdB von 40 bestätigt. Sie hätten dabei zutreffend auf internistischem Fachgebiet einen bestehenden Reizcolon, auf orthopädisch/chirurgischem Fachgebiet eine leichte Funktions- und Belastungseinschränkung der Wirbelsäule sowie Funktionseinschränkungen im Bereich des linken Handgelenks und auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Somatisierungsstörung berücksichtigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Neufeststellungsbescheid vom 4. Februar 2009 zurück. Wenn mit dem Widerspruch vorgetragen werde, es sei die erbetene Verlängerung der Anhörungsfrist nicht gewährt und die Gesundheitsstörung Teilverlust des Dickdarms nicht entsprechend ihrer Tragweite gewürdigt worden, so könne dies nicht zur Begründetheit des Widerspruchs führen. Denn in den gesundheitlichen Verhältnissen sei im Vergleich zu den Verhältnissen, welche den Bescheiden vom 22. Mai 2003 und vom 5. Juli 2005 zu Grunde gelegen hätten, eine Besserung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten. Nach der Behandlung von Krankheiten, die zu erneutem Auftreten neigten oder bei denen die Belastbarkeit noch nicht feststehe, werde eine mehrjährige Heilungsbewährung abgewartet. In diesem Zeitraum werde der GdB aufgrund der Beeinträchtigung der gesamten Lebensführung höher angesetzt. Im Anschluss an die Zeit der Heilungsbewährung werde der GdB nur noch von dem verbliebenen Organ- oder Gliedmaßenschaden bestimmt. Auch bei gleichbleibenden Symptomen sei eine neue Bewertung zulässig, weil der Ablauf der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstelle. Hiervon ausgehend werde nach rezidivfreiem Ablauf der Heilungsbewährung die Erkrankung Teilverlust des Dickdarms nur noch mit einem Teil-GdB von 30 bewertet. Auf den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2009 wird ergänzend Bezug genommen.

Daraufhin hat die Klägerin mit dem Ziel der Beibehaltung eines GdB von 100 über den 9. Februar 2009 hinaus Klage erhoben und nach mehrfachem Begehren auf Verlängerung der Begründungsfrist Atteste und Befunde ihrer ärztlichen Behandler aus den vergangenen Jahren eingereicht. In dem Bericht des Universitätsklinikums Eppendorf vom 9. Dezember 2004 heißt es zur Nachkontrolle einer Rektumresektion: Kein Anhalt für Lokalrezidiv. Im Bereich der rechten Flexur finden sich zwei breitbasige Polypen mit einer Größe von 2-3 mm. Abtragung mit der Schlinge, ansonsten kein pathologischer Befund am gesamten Colon. In einem weiteren Bericht desselben Krankenhauses nach totaler Koloskopie am 11. September 2008 heißt es, Kontrolle nach Rektumresektion, kein Anhalt für Lokalrezidiv. Im Colon transversum zeigt sich ein 3 mm großer breitbasiger Polyp. Abtragung mit der Schlinge. Versorgung der Abtragungsstelle mit einem Clip. Ansonsten kein pathologischer Befund am gesamten Colon. Unauffälliger rektal-digitaler Tastbefund.

Die Beklagte ließ die eingereichten Unterlagen durch Ihren versorgungsärztlichen Dienst medizinisch auswerten und teilte unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. E. vom 19. Oktober 2010 mit, dass der GdB weiterhin mit 60 bewertet werde. In der Folgezeit bat die Klägerin mehrfach und unter Hinweis auf neuerlich hinzugetretene Erkrankungen um Einräumung einer weiteren Begründungsfrist, gab eine Begründung jedoch nicht ab.

Das Sozialgericht hat - nachdem die Klägerin weiterhin, zuletzt im Mai 2012 bis zum 30. September 2012 - um Einräumung weiterer Fristen wegen neuerlicher Erkrankungen gebeten hatte, nach entsprechender Anhörung die Klage durch Gerichtsbescheid vom 10. September 2012 unter Hinweis auf fehlende Mitwirkung der Klägerin abgewiesen. Auf die der Klägerin am 13. September 2013 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin hat am 12. Oktober 2012 Berufung eingelegt. Sie hat diese schließlich nach Betreibensaufforderung vom 3. Januar 2013 begründet. Sie trägt im Wesentlichen vor, nicht vor Erlass des Gerichtsbescheides gehört worden zu sein. Deshalb müsse die Sache zurückverwiesen werden. In der Sache sei der Bescheid auch fehlerhaft, weil er fälschlich von einem Teilverlust des Dickdarms und nicht von demjenigen des Enddarms ausgehe, was viel schwerwiegender sei. Der GdB von nur 10 für die Spondylarthrose sei zudem zu niedrig. Hinzugekommen sei ein fehlender Faustschluss und Kraftverlust der rechten Hand durch einen Bruch am 19. Januar 2011 sowie ein Zittern der seit 1996 geschädigten Hand beim Halten von Gegenständen. Bei korrekter Betrachtung wäre antragsgemäß zu entscheiden. Außerdem müsse ihr mit Blick auf die langdauernden Toilettengänge das Merkzeichen "aG" bewilligt werden.

Dem Vorbringen der Klägerin ist sinngemäß der Antrag zu entnehmen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin U. aus der Notfallpraxis A. teilte auf Anfrage des Berufungsgerichts am 9. Oktober 2013 mit, er habe die Klägerin am 19. Januar 2011 einmalig wegen einer Mittelhandfraktur rechts sowie mutliplen Schürfverletzungen im Gesicht und am rechten Knie und Handgelenk behandelt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. K. teilte mit Befundbericht vom 11. September 2013 die Diagnosen aus den Jahren 2010 - 2012 mit, so u.a. ein ausgeprägtes degeneratives HWS-Syndrom, einen Zustand nach metacarpaler Basisfraktur der rechten Hand, Knieprellungen und multiplen Schürfungen sowie Gesichtsschädel- und Nasenbeinprellung am 19. Januar 2011 und eine Spondylolisthesis L 4/5 mit begleitender Bandscheibenprotrusion L 4/5 und schwerster Spondylarthrose L 4/5. In einem weiteren Befundbericht vom 23. Oktober 2013 berichtet er über die am 23. Oktober 2013 erhobenen Befunde. So habe die Klägerin an diesem Tag über Schmerzen in den Schultern und den Händen geklagt. Er habe an diesem Tage ein schwerfälliges kleinschrittiges Gangbild gefunden, einen beidseits inkompletten Faustschluss, einen Druck- und Klopfschmerz über die gesamte Brust- und Halswirbelsäule, eine erhebliche Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks, eine Rotationseinschränkung beider Hüften, verstrichene Kniekonturen, Unterschenkelödeme beidseits sowie platte Füße.

Die Beklagte hat eine gutachtliche Äußerung des Orthopäden Dr. S. vom 27. Dezember 2013 vorgelegt. Dieser bewertet den GdB weiterhin mit 60. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" lägen nicht vor. Dabei seien die Beeinträchtigungen des Funktionssystems Verdauungsorgane weiterhin mit einem Teil-GdB von 30 einzustufen. Denn die 5-jährige Heilungsbewährung nach operativer Sanierung eines Rektumcarcinoms einschließlich Colon-descendens-Pouch im November 2002 sei ohne Anhalt für ein Rezidiv abgelaufen. Soweit Dr. K. in dem Befundbericht vom 23. Oktober 2013 nun schwerste Funktionseinschränkungen fast des gesamten Bewegungsapparates mit einer ausgeprägten Einschränkung der Gehfähigkeit beschreibe, ergäben sich Zweifel an der Aussagekraft des Berichts. Die Funktionseinschränkungen würden überwiegend dramatisch beschrieben, ohne dass konkrete Befunde genannt würden. Auch korreliere die eingeleitete Therapie nicht mit dem angeblichen Ausmaß der Beschwerden. Auffällig sei auch, dass von November 2012 bis Oktober 2013 kein Kontakt zu dem Orthopäden erforderlich gewesen sei. Wie sich aus dem nervenärztlichen Gerichtsgutachten aus Mai 2002 ergebe, sei eine psychische Beeinflussung der Körperbeschwerden auffällig, so dass die im Rahmen der kurativen Medizin, nicht jedoch unter gutachterlichen Bedingungen erhobenen Funktionsbefunde zurückhaltend zu bewerten seien.

Die Klägerin hat nach Übersendung dieser sozialmedizinischen Stellungnahme noch im Januar 2014 die Gelegenheit zur Äußerung hierzu nicht wahrgenommen. Sie hat lediglich Ende März 2014 erneut um Einräumung einer weiteren Frist zur Einlassung hierauf bis zum 30. Juni 2014 gebeten. Mit Telefax-Schreiben vom 17. Juni 2014 weist sie mit Blick auf die bevorstehende mündliche Verhandlung auf die Gesamtheit ihrer bereits in der Vergangenheit bestehenden Leiden hin, die jeweils zu gering bewertet seien. Außerdem seien weitere Leiden, so ein Tremor der linken Hand seit März 2013, ein fehlender Faustschluß der rechten Hand seit Bruch im Januar 2011 hinzugetreten und es seien ihr die Merkzeichen "aG" und "RF" zuzubilligen, weil sie ständig die Toilette aufsuchen müsse. Auf das Schreiben vom 17. Juni 2014 wird ergänzend Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2014 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 105 Abs. 2, 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), über die der Senat in Abwesenheit der Klägerin entscheiden konnte, weil diese von dem Termin rechtzeitig, d.h. mehr als zwei Wochen zuvor, vgl. § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG, in Kenntnis gesetzt wurde, ist nicht begründet. Dabei ist der Antrag der Klägerin bei sachdienlicher Auslegung nicht wie vom Sozialgericht angenommen als kombinierter Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag zu formulieren, sondern als reiner Anfechtungsantrag. Denn dies hat zum einem die Klägerin in ihrem Schreiben vom 15. November 2009 ausdrücklich begehrt. Zum anderen hat sie allein für diesen Antrag ein Rechtsschutzinteresse, weil bereits die Aufhebung des Neufeststellungsbescheides vom 4. Februar 2009 den vorhergehenden Zustand wieder herstellte und damit das Rechtsschutzersuchen vollständig erledigte. Denn dort wird unter Beibehaltung aller übrigen Feststellungen nunmehr lediglich der Teil-GdB für die Funktionsstörung des Verdauungssystems statt mit 80 nur noch mit 30 angenommen, weil eine rezidivfreie Zeit von fünf Jahren verstrichen ist. Hieraus ergibt sich die Herabsetzung des GdB. Dieser Bescheid kann nur mit der Anfechtungsklage angegriffen werden. Ein Verpflichtungsantrag wäre unzulässig.

Zu Recht hat die Beklagte mit Wirkung ab 9. Februar 2009 den GdB unter Abänderung der Bescheide vom 22. Mai 2003 und vom 5. Juli 2005 wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 Abs. 1 SGB X auf 60 herabgesetzt.

Nach § 69 Abs. 1 SGB IX stellen die zuständigen Behörden "auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung" fest. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil die so getroffene Entscheidung über den Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe hinaus Wirkungen zeigt und deshalb durch Änderung der Verhältnisse rechtswidrig werden kann. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Hiervon ausgehend lässt der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2009 Rechtsfehler zulasten der Klägerin nicht erkennen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im sozialen Entschädigungs- und Schwerbehindertenrecht ist bei der GdB/GdS-Bewertung von Gesundheitsbeeinträchtigungen, deren tatsächliche Funktionsstörungen nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erst nach Ablauf einer längeren Zeit festgestellt werden können, z.B. nach Operationen oder bei chronischen langwierigen Erkrankungen, die zu Rezidiven neigen oder bei denen die volle Belastbarkeit schrittweise erreicht wird, nicht ausschließlich auf das Ausmaß der feststellbaren Funktionsbeeinträchtigungen abzustellen. Vielmehr wird eine Höherbewertung des Gesundheitszustandes unter dem Gesichtspunkt der Ungewissheit des Krankheitsverlaufes und des Gebotes der Schonung als zulässig erachtet. Insbesondere bei Krebserkrankungen ist zum Zeitpunkt der Entfernung eines Tumors nicht absehbar, ob ein Rezidiv auftritt oder nicht, ob also die Erkrankung ausgeheilt ist. Dementsprechend sieht auch die nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX im Schwerbehindertenrecht entsprechend geltende, nach § 30 Abs. 16 Bundesversorgungsgesetz erlassene Rechtsverordnung "Anlage Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zur Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV)) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I, 2412) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 17. Oktober 2012 (BGBl. I 2122) für verschiedene Erkrankungen, insbesondere Krebserkrankungen, eine Heilungsbewährung vor. Die VG gilt - ebenso wie das zuvor bereits bei den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung bzw. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, hier: Ausgaben 2004, 2005 bzw. 2008 - AHP 2004/2005/2008) der Fall war - im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. Urt. vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R - für die AHP sowie Urt. vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B - für die VersMedV) in der jeweils aktuellen Fassung (vgl. BSG, Urt. vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R) als so genanntes antizipiertes Sachverständigengutachten.

Nach Teil B 1 c VG beträgt die Zeit der Heilungsbewährung in der Regel fünf Jahre nach Geschwulstbeseitigung. Dies gilt nach Teil B 2 10.2.2 VG auch nach Entfernung eines malignen Darmtumors, wie dies bei der Klägerin mit Blick auf die im Dezember 2002 durchgeführte Operation der Fall war. Damit war im Februar 2009 die sachkundig bestimmte Zeit der Heilungsbewährung lange abgelaufen. Denn alle Nachuntersuchungen haben ein Tumorrezidiv nicht ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa Urt. Vom 13. August 2003 - B 9 SB 6/02 R) ist mit Ablauf der Heilungsbewährung von einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X auszugehen und es ist der GdB nur noch nach den tatsächlich verblieben Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten. Danach muss der GdB herabgesetzt werden, wenn diese Beeinträchtigen den früheren GdB nicht mehr rechtfertigen. So liegt es hier.

Auch die Klägerin macht nicht geltend, dass ein Rezidiv aufgetreten sei. In Abwesenheit eines Rezidivs aber sind chronische Darmstörungen - wie sie von der Klägerin unter Hinweis auf häufige Toilettengänge behauptet werden - nach Teil B 2 10.2.2 VG bei stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen mit einem GdB von 20-30 zu bewerten. Dies hat der versorgungsmedizinische Dienst der Beklagten beanstandungsfrei unter Hinweis darauf getan, dass die spezielle Art der bei der Klägerin durchgeführten Operation mit Pouchbildung und Erhalt des Schließmuskels günstiger zu beurteilen ist, als ein künstlicher After mit guter Versorgungsmöglichkeit. Dies entspricht der Einschätzung des Sachverständigenbeirats in seiner Äußerung vom 24./25. April 2002. Soweit die Klägerin dies unter Hinweis auf häufige Toilettengänge in Abrede nimmt, folgt der Senat dem nicht. Denn zum einem ist diesem Umstand durch Ausschöpfung des Rahmens und Vergabe eines Teil-GdB von 30 Rechnung getragen worden. Zum anderen weisen die vorgelegten Befundberichte für den Zustand des gesamten Darms ohnehin keinen pathologischen Befund aus. Keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten hat schließlich die verwandte Terminologie in Gestalt des Wortes Dickdarmkrebs. Denn es ist unstreitig, dass bei der Klägerin ein Rektumcarcinom in Rede steht. Das Rektum aber ist in der medizinischen Nomenklatur der Mastdarm, d.h. der auf den Grimmdarm folgende Endabschnitt des Dickdarms.

Wenn die Klägerin vor Dezember 1996 eingetretene Gesundheitsstörungen im Rahmen der mit Bescheid vom 4. Februar 2009 durchgeführten Neufeststellung nunmehr höher bewertet wissen will, kann sie hiermit nicht erfolgreich gehört werden. Insoweit hat das Gericht bereits in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2009 nach sachverständiger Beurteilung durch Prof. Dr. H. ausgesprochen, dass diese mit einem GdB von 50 jedenfalls nicht zu niedrig bewertet worden sind, vielmehr ein GdB von 40 angemessen war. Eine Erhöhung des GdB hat sich letztendlich erst im Zusammenhang mit der Feststellung eines Rektumcarcinoms im Jahr 2002 ergeben. Soweit nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2009 zum Bescheid vom 4. Februar 2009 gesundheitliche Störungen an der Wirbelsäule und an der rechten sowie der linken Hand hinzugetreten sind, können diese nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein. Denn maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides 4. Februar 2009 ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. das Datum des Widerspruchsbescheides. Bei einem Entziehungsbescheid, der eine günstige Feststellung ändert, handelt es sich nämlich nicht um einen Dauerverwaltungsakt, für den nach allgemeiner Auffassung auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist. Danach hat die Beklagte für nach Erlass des Widerspruchsbescheides hinzugetretene Erkrankungen ein gesondertes Neufeststellungsverfahren durchzuführen. Dies gilt in gleicher Weise für die in dem vorliegenden Verfahren (erneut) begehrten Merkzeichen "aG" und "RF".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.