Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).

Der im Jahr 1958 geborene Kläger beantragte erstmals im April 2005 die Feststellung seiner Behinderung und eines GdB und legte zur Begründung Befundunterlagen der Universitätskliniken des S vor. Nach versorgungsärztlicher Beteiligung lehnte das Amt für soziale Angelegenheiten Landau mit Bescheid vom 07.07.2005 die Feststellung eines GdB ab, da die beim Kläger im Januar 2005 erfolgte oberflächliche Kopfverletzung keinen GdB von wenigstens 10 bedinge.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und teilte mit, es sei nicht nur eine oberflächliche Verletzung eingetreten, sondern auch eine Verletzung des ersten Astes des linken Trigemniusnerven, so dass sich eine schmerztypische Symptomatik mit ständigen Kopfschmerzen und einer Sehstörung auf dem linken Auge entwickelt habe. Der Arzt für Allgemein- und Sozialmedizin Dr. G wertete die Befundunterlagen aus und kam zu dem Ergebnis, die Folgen nach Fremdkörperverletzung der Kopfhaut (Trigeminusneuralgie) bedingten einen GdB von 10, während für eine Einschränkung des Sehvermögens ein GdB von weniger als 10 anzusetzen sei. Darauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2005 zurück.

Im vor dem Sozialgericht Speyer durchgeführten Klageverfahren hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K , des Facharztes für Chirurgie Dr. B , Beiziehung der Verwaltungsakten der Berufsgenossenschaft Metall Süd über den Unfall des Klägers vom 17.11.2005 sowie durch Einholung von Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie Dr. S und eines Gutachtens auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG des Arztes für Neurologie und Psychotherapie Dr. B.

Die Berufsgenossenschaft Metall Süd hat dem Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls vom 17.01.2005 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. gewährte und die Unfallfolgen wie folgt anerkannt: "Am Kopf: Sensibilitätsstörungen im Bereich der Schädelkalotte nach Fremdkörperverletzung des Schädeldaches mit Verletzung des 1. Astes des Trigeminus-Nerven. Kopfschmerzen und Missempfindungen im Ausbreitungsbereich des Trigeminus-Nerven, insbesondere im Bereich des Nervenaustritts des Supraorbitalis-Nerven linksseitig nach nicht vollständig erfolgter Anpassung an die Unfallfolgen."

Dr. S hat den Kläger im August 2007 untersucht und ist in seinem Gutachten im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe eine Trigeminusneuropathie im Bereich des 1. Trigeminusastes mit Kopfschmerzen. Es beständen häufigere, leichte bis mittelgradige Schmerzen, die nicht schon durch geringe Reize auslösbar seien. Eine Triggerung bestehe spontan nicht. Vorherrschend sei eher der Grundschmerz als der attackenförmige Schmerz. Eine klassische Gesichtsneuralgie bestehe nicht. Daher sei ein GdB von 40 als angemessen anzusehen. Ein GdB von 50, der für häufige, mehrmals im Monat auftretende starke Schmerzen bzw. Schmerzattacken angebracht sei, sei noch nicht gerechtfertigt. Patienten mit solchen Erkrankungen zeigten oft auch stärkste psychische Beeinträchtigungen mit ausgeprägten depressiven Symptomen bis hin zur Suizidalität, was beim Kläger aber nicht der Fall sei.

Dr. B ist nach einer Untersuchung des Klägers im April 2008 im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe eine Trigeminusneuropathie links bei Läsion des Nervus frontalis links. Bezüglich der Diagnose stimme er voll und ganz dem Gutachten des Dr. S zu. Hinsichtlich der GdB-Einschätzung halte er einen GdB von 50 für angemessen, da die vom Kläger angegebenen 2-3mal in der Woche über 30 Minuten andauernden, starken Kopfschmerzen eher mit schweren Gesichtsneuralgien zu vergleichen seien, auch wenn der Kläger äußerlich nicht schwer betroffen erscheine und ein GdB von 50 im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern doch durchaus hoch erscheine.

Mit Schriftsatz vom 18.04.2007 hat der Beklagte ein Teil-Anerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, die Behinderung mit einem GdB von 40 festzustellen. Der Kläger hat das Teil-Anerkenntnis angenommen, der Beklagte hat es mit Bescheid vom 22.10.2008 ausgeführt.

Durch Urteil vom 19.08.2008 hat das Sozialgericht die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 zu. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. S sei beim Kläger nach dem Unfall vom 17.01.2005 ein Trauma mit linksseitigen Kopfschmerzen von stechendem und attackenförmigem Charakter verblieben. Zwischen den Attacken liege nach den Angaben des Klägers gegenüber Dr. S ein Grundschmerz vor, wobei die Attacken von zwei bis drei Minuten bis zu einer halben Stunde dauern würden und 2-3mal täglich auftreten würden. Der psychopathologische Befund sei bei der Untersuchung des Sachverständigen Dr. S im Wesentlichen unauffällig gewesen. Eine psychische Erkrankung bestehe nicht. Hinweise auf eine Somatisierungstendenz hätten sich nicht ergeben. Die Trigeminusneuropathie stelle nach den Feststellungen des Dr. S eine Differentialdiagnose zur Trigeminusneuralgie dar und trete häufiger nach Gesichtsverletzungen auf. Typisch seien ein Dauerschmerz und Gefühlsstörungen. Demgegenüber sei eine Trigeminusneuralgie dadurch charakterisiert, dass der Schmerz meist nur für wenige Sekunden anhalte, selten bis zu zwei Minuten. Nach den Feststellungen des Sachverständigen leide der Kläger an einer Trigeminusneuropathie mit posttraumatischen Kopfschmerzen. Dieser diagnostischen Einstufung sei auch Dr. B in seinem nach § 109 SGG erstellten Gutachten gefolgt. Nach beiden Gutachten bestehe ein deutlicher Unterschied zwischen den Auswirkungen einer Trigeminusneuralgie und einer Trigeminusneuropathie. Die Schmerzen, die bei der Trigeminusneuralgie auftreten würden, seien mit die stärksten für den Menschen vorstellbaren Schmerzen, weshalb dieses Erkrankungsbild häufig von einer depressiven Verstimmung als Folge der massiven Schmerzen mit einer signifikant erhöhten Suizidrate begleitet sei. Aus diesem Grunde sei nach den Vorgaben der Anhaltspunkte die echte Gesichts- bzw. Trigeminusneuralgie bei schwerer Ausprägung mit einem GdB von 50 bis 60 zu bewerten. Dabei könne es sich jedoch nur um solche Schmerzen handeln, die für eine echte Trigeminusneuralgie typisch seien. Von derartigem Ausmaß seien die mit einer Trigeminusneuropathie einhergehenden Schmerzen indes nicht. Daher liege beim Kläger bezeichnenderweise auch keine psychische Beeinträchtigung von Behinderungsausmaß vor, so dass eine analoge Anwendung der Anhaltspunkte bezüglich der Vorgabe des GdB für die Gesichtsneuralgien nicht erfolgen könne. Der sicherlich bestehenden erheblichen Schmerzhaftigkeit werde mit einem GdB von 40 ausreichend Rechnung getragen. Ein solcher GdB erscheine sogar wohlwollend, da nach den für die Berufsgenossenschaft erstellten Gutachten ein GdB von 20 als ausreichend angesehen werde. Am 20.10.2008 hat der Kläger gegen das ihm am 13.10.2008 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens des Dr. P , Leitender Arzt der Abteilung für Schmerztherapie, W -Klinikum K.

Der Sachverständige hat den Kläger im Mai 2009 untersucht und ist in seinem Gutachten im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei Trigeminusneuropathie links im Bereich des 1. Trigeminusastes, posttraumatischem Kopfschmerz, Spannungskopfschmerzen, chronischem Schmerzsyndrom im Stadium II, Anpassungsstörung bei Existenzängsten bezüglich der beruflichen Zukunft. Nach Angaben des Klägers bestehe ein immer vorhandener Grundschmerz. Zusätzlich würden etwa drei bis vier Schmerzattacken pro Woche für eine bis mehrere Stunden auftreten. Eine Gleichsetzung der beim Kläger bestehenden Gesichtsneuropathie mit den in den Anhaltspunkten genannten Trigeminusneuralgien sei nicht angebracht. Die Kriterien für eine schwere Trigeminusneuralgie beständen in einschießenden, stromstoßartigen Schmerzattacken, häufig in Serie bereits durch leichteste äußere Anreize auslösbar, während der Attacke sei generell keine Therapie möglich. Demgegenüber seien die beim Kläger auftretenden Attacken durch Maßnahmen wie Abdunkeln des Zimmers, Ruhe, Musik hören zu bessern. Daher sei ein GdB von 40 als angemessen anzusehen.

Der Kläger trägt vor, nach den Vorgaben in den Anhaltspunkten sei wegen der häufigen, mehrmals im Monat auftretenden starken Schmerzen und Schmerzattacken ein GdB von 50 festzustellen. Insoweit sei dem Gutachten des Dr. B vom 30.05.2008 zu folgen.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19.08.2008 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 13.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2005 sowie des Ausführungsbescheids vom 22.10.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, seine Behinderung mit einem GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen,

und nimmt zur Begründung Bezug auf das angefochtene Urteil.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten (Az.: 61-96-059983/0) sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, da ihm kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 zusteht, wie das Sozialgericht zu Recht entschieden hat.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen- (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest. Im Interesse einer einheitlichen und gleichmäßigen Behandlung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgrund der Ermächtigung in §§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX; § 1 Abs. 1 VfG-KOV; 30 Abs. 17 BVG nach § 2 Satz 1 Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedV, BGBl. I 2412) in den "Versorgungsmedizinischen Grundsätze", Ausgabe 2008 (Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008) die Grundsätze für die medizinische Bewertung des GdB festgelegt , die fortlaufend auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft fortentwickelt werden (§ 2 Satz 2 VersMedV). Die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" ersetzen die bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (letzte Ausgabe 2008), die das Sozialgericht seiner Beurteilung noch zugrunde zu legen hatte.

Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind entsprechend § 30 Abs. 1 BVG nach dem Ausmaß des Abweichens von dem für das Lebensalter typischen Zustand der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit unabhängig von ihren Ursachen zu bemessen (§§ 69 Abs. 1 Satz 3; 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Der GdB hat die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt; er stellt somit ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens dar (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A 2 a, S. 8).

Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, und sich aus den vom Sozialgericht eingeholten Gutachten sowie dem vom Senat eingeholten schmerztherapeutischen Gutachten des Dr. P vom 24.06.2009 ergibt, liegt bei dem Kläger als Behinderung eine chronische Schmerzstörung im Sinne einer Trigeminusneuropathie links mit posttraumatischem Kopfschmerz, Spannungskopfschmerz und Anpassungsstörung vor. Entgegen der Ansicht des Klägers und derjenigen des Dr. B im Gutachten vom 30.05.2008 ist dieses Leiden aber nicht entsprechend den Anhaltspunkten 2008 und den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (dort Teil B Nr. 2.2) wie eine Trigeminusneuralgie zu bewerten. Insoweit ergeben sich aus allen Gutachten, zuletzt aus dem Gutachten des Dr. P , gravierende Unterschiede zwischen einer Trigeminusneuropathie, wie sie beim Kläger besteht, und einer Trigeminusneuralgie. Dr. P hat, wie schon Dr. S , überzeugend darauf hingewiesen, dass eine schwere oder besonders schwere Trigeminusneuralgie, wie sie nach den Anhaltspunkten bzw. den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (a.a.O.) mit einem GdB von 50 bis 80 zu bewerten ist, mit die stärksten für Menschen vorstellbaren Schmerzen beinhaltet, wie einschießende stromstoßartige Schmerzattacken, häufig in Serie bereits durch leichteste äußere Anreize auslösbar, während der Attacke durch nichts zu bessern, wobei grundsätzlich keine Attackentherapie möglich ist, sondern allenfalls eine Therapie und Prophylaxe hinsichtlich Häufigkeit und Intensität. Unter solchen Schmerzen hat der Kläger nach allen Gutachten nicht zu leiden. Vielmehr ist ihm eine Minderung der Attacken möglich. Auch sind zusätzliche psychische Beeinträchtigungen, wie sie bei einer Trigeminusneuralgie bestehen, nicht nachzuweisen. Selbst nach dem zuletzt für die Berufsgenossenschaft Metall N.S. erstellten Gutachten des Dr. B vom 14.04.2009 wird nochmals deutlich herausgestellt, dass die Kriterien einer schweren Trigeminusneuralgie beim Kläger nicht vorliegen und dass bei ihm sozialmedizinisch häufigere, mindestens mittelgradige Kopfschmerzen bestehen, also deutlich geringere Kopfschmerzen, als sie bei einer Trigeminusneuralgie vorliegen, weshalb Dr. B auch eine MdE von 20 v.H. vorgeschlagen hat.

Dass Dr. B im nach § 109 SGG erstellten Gutachten vom 30.05.2008 einen GdB von 50 vorgeschlagen hat, ergibt sich daraus, dass er die GdB-Vorgaben der Anhaltspunkte 2004 für die Trigeminusneuralgie angewandt hat, die allerdings für die Trigeminusneuropathie zur Überzeugung des Senats nicht anzuwenden sind. Deren GdB ist vielmehr entsprechend den Auswirkungen des Leiden wie der GdB einer Trigeninusneuralgie mittleren Grades (GdB 20 bis 40) einzuschätzen, so dass ein höherer GdB als 40 nicht festzustellen ist.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) nicht vorliegen.