Gründe:

I.

Der Antragsteller bezieht – soweit ersichtlich – jedenfalls seit September 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bewilligungsbescheide vom 22. September 2005, 7. Oktober und 17. Oktober 2005). Im Rahmen der Bewilligungsentscheidungen wurde er mit Frau F H (im Folgenden: H.) als Bedarfsgemeinschaft angesehen. Bei Berechnung der der Bedarfsgemeinschaft zustehenden Leistungen wurde jeweils das Einkommen der H. angerechnet. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller in seinem Antrag gegenüber der Antragsgegnerin am 25. August 2005 angegeben hatte, mit H. zusammen in einer gemeinsam zum 1. September 2005 angemieteten Wohnung im J zu leben; im Antragsformular wurde H. im entsprechend angekreuzten Feld als Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft bezeichnet; außerdem hatte der Antragsteller H. in einer Vollmacht vom 4. Oktober 2005 als seine Verlobte bezeichnet.

Am 24. Oktober 2005 hat der Antragsteller um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Er begehrt die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ohne die Anrechnung des Einkommens der H. Der Antrag ist nicht weiter begründet worden. Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 3. November 2005 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Einkommen der H. sei anzurechnen, da der Antragsteller mit ihr in eheähnlicher Gemeinschaft lebe und eine Bedarfsgemeinschaft bilde. Dies ergebe sich aus den Angaben im Antragsformular, aus dem gemeinsam abgeschlossenen Mietvertrag und dem offensichtlich bestehenden Vertrauensverhältnis.

Mit seiner hiergegen fristgemäß eingelegten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, H. erst fünf Monate gekannt zu haben, bevor er am 1. Oktober 2005 mit ihr zusammengezogen sei. Er sehe nicht ein, von einem Menschen finanziell abhängig gemacht zu werden, den er erst seit so kurzer Zeit kenne. Auch sei völlig ungewiss, wie lange die häusliche Gemeinschaft Bestand habe. Im Übrigen habe H. sich geweigert, ihn finanziell zu unterstützen. Gerade aufgrund der nun bestehenden finanziellen Belastung gehe auch die stabilste Beziehung zu Bruch.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. November 2005 ist zulässig (§§ 172 Abs. 1 und 173 SGG) und auch begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Die danach zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht in einer jüngst ergangenen Entscheidung in Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II bzw. XII betont hat (3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05), sowohl auf eine Folgenabwägung (Folgen einer Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch alternativ auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden.

Im Vordergrund steht dabei für den Senat nach wie vor die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache (Anordnungsanspruch), ergänzt um das Merkmal der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund), um differierende Entscheidungen im Eil- bzw. Hauptsacheverfahren möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist das Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, besonders wenn das einstweilige Verfahren – wie hier – vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und einem Beteiligten eine endgültige Grundrechtsbeeinträchtigung droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Unter Beachtung der auf dem Spiel stehenden Grundrechte dürfen dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Hieran gemessen hat der Antragsteller für die von ihm begehrte Leistungsanordnung sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund in einem die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch besteht, denn der Antragsteller wird im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen. Zur Überzeugung des Senats ist das Einkommen der H. derzeit nämlich nicht auf die ihm bewilligten Leistungen nach dem SGB II anzurechnen.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, die das 15., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bestimmt, dass bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen ist. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen auch die Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II).

Eine Berücksichtigung des Einkommens der H. bei Ermittlung der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist ausgeschlossen, weil zwischen den beiden Genannten noch keine eheähnliche Gemeinschaft und damit auch keine Bedarfsgemeinschaft besteht.

Eine eheähnliche Gemeinschaft ist allein die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art zulässt und sich – im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft – durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen des Paares füreinander begründen, also über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung im vorbezeichneten Sinne - wobei an die Ernsthaftigkeit strenge Anforderungen zu stellen sind - sind insbesondere deren Dauerhaftigkeit und Kontinuität und eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, daneben aber auch weitere Umstände, etwa die gemeinsame Versorgung von Angehörigen oder gemeinsame Kinder (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. November 1992, 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, 264; BSG, Urteile vom 17. Oktober 2002, B 7 AL 96/00 R, SozR 3-4100 § 119 Nr. 26 und B 7 AL 72/00 R, SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. April 2005, L 2 B 9/05 AS ER).

Das Vorliegen einer derartig charakterisierten Gemeinschaft, in der ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens von beiden Personen erwartet werden kann, vermag der Senat derzeit im Falle des Antragstellers nicht zu erkennen. Entscheidend hierfür ist die kurze Dauer des Zusammenlebens des Antragstellers mit H.

Der Senat kann ohne weiteres davon ausgehen, dass zwischen dem Antragsteller und H. eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft gegeben ist. Dies wird auch vom Antragsteller nicht in Abrede gestellt. Wie ausgeführt, genügt eine solche Gemeinschaft jedoch nicht, um eine eheähnliche Gemeinschaft zweifelsfrei annehmen zu können. Eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft ist lediglich notwendige Vorbedingung für eine eheähnliche Gemeinschaft, sie ersetzt jedoch nicht die Feststellung, dass sich die Paarbeziehung auch dadurch qualifiziert, dass sie auf Dauer angelegt ist und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die – in den Not- und Wechselfällen des Lebens – ein gegenseitiges Einstehen der Partner mit ihrem jeweiligen Einkommen und Vermögen füreinander begründen. Zwar sprechen vorliegend einige Umstände für das Vorliegen auch einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG. Ihnen ist jedoch nicht ein derartiges Gewicht zuzusprechen, dass sie im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes als ausschlaggebend anzusehen wären und deshalb von einer Erfolglosigkeit des Hauptsacheverfahrens ausgegangen werden müsste.

Gegen eine eheähnliche Gemeinschaft spricht vor allem, dass der Antragsteller und H. ihre Wohngemeinschaft erst mit dem Einzug in die gemeinsam gemietete Wohnung zum 1. Oktober 2005 begründet haben. Zwar hat das BSG die von ihm zunächst geforderte "Dreijahresgrenze" für das Zusammenleben (Urteil vom 29. April 1998, B 7 AL 56/97 R, SozR 3-4100 § 119 Nr. 15) später relativiert und dargelegt, sie sei nicht im Sinne einer absoluten zeitlichen Mindestvoraussetzung für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft zu verstehen (Urteil vom 17. Oktober 2002, B 7 AL 96/00 R, a.a.O.). Jedoch hat es betont, dass die bisherige Dauer des Zusammenlebens ein wesentliches Indiz für die Ernsthaftigkeit der Beziehung sei (siehe auch Urteil vom 17. Oktober 2002, B 7 AL 72/00 R, a.a.O.). Dieser Rechtsprechung, die der Dauer des Zusammenlebens besonderes Gewicht bei der Beurteilung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft beigemessen hat, schließt der Senat sich an. Im Regelfall besteht jedenfalls bei einer Dauer des Zusammenlebens von bis zu einem Jahr – von besonderen Umständen (etwa der gemeinsamen Sorge um Kinder) abgesehen – regelmäßig kein Grund für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft als Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.

Hieran gemessen bestand im Oktober 2005 zwischen dem Antragsteller und Frau H. noch keine eheähnliche Gemeinschaft, denn erst zu diesem Zeitpunkt waren sie erstmals zusammengezogen, nachdem sie sich zuvor erst etwa fünf Monate gekannt hatten. Es liegt auf der Hand, dass in einem solchen Fall noch von keiner Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft die Rede sein kann. Insoweit spielt auch keine Rolle, dass der Antragsteller im Antragsformular die Rubrik "Partner in eheähnlicher Gemeinschaft" angekreuzt hatte, denn dies erfolgte offenbar in laienhafter Verkennung des Begriffsgehalts. Dasselbe gilt für die Verwendung des Begriffs "Verlobte". Dass der Antragsteller und H. in einer Liebesbeziehung leben mögen, ist nicht erheblich. Doch ebenso wenig wie aus jeder Wohngemeinschaft folgt aus jeder Liebesbeziehung automatisch eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne der eheähnlichen Gemeinschaft. Der Senat verkennt nicht, dass der Antragsgegnerin damit grundsätzlich eine erhebliche Last der Sachverhaltsaufklärung obliegt. Gewisse zeitliche Grenzen und zusätzliche Indizien können die Bewertung von Sachverhalten aber erleichtern. Weil der Antragsteller und H. noch deutlich weniger als ein Jahr zusammen leben und keine zusätzlichen Indizien etwa in Gestalt gemeinsamer Kinder gegeben sind, verbietet sich in ihrem Fall die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft.

Der Senat sieht auch einen Anordnungsgrund als glaubhaft gemacht an. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, mithin der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05). Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung bliebe das Existenzminimum des Antragstellers noch für mehrere Monate nicht in vollem Umfange gedeckt. Dabei handelt es sich um eine erhebliche Beeinträchtigung, die auch nachträglich bei einem erfolgreichen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr bzw. nur mit längerer Verzögerung ausgeglichen werden kann, weil der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er entsteht. Die damit gegebene Vorwegnahme der Hauptsache ist in Kauf zu nehmen, weil der zu befürchtenden Beeinträchtigung der Menschenwürde durch die Vorenthaltung von Leistungen zur Existenzsicherung lediglich die Möglichkeit ungerechtfertigter Geldzahlungen seitens der Antragsgegnerin gegenüber steht.

Die Entscheidung des Senats bewegt sich mit dem Zeitraum von Oktober 2005 bis März 2006 im Rahmen des letzten Bewilligungsbescheides der Antragsgegnerin, der dem Antragsteller für diesen Zeitraum Leistungen zugesprochen hat und sich damit seinerseits an den Sechsmonatszeitraum aus § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II hält. Weil der Antragsteller danach (April bis September 2006) aber immer noch nicht mehr als ein Jahr mit Frau H. zusammengelebt haben wird, wird die Antragsgegnerin sich jedenfalls für den folgenden Sechsmonatszeitraum weiterhin am Inhalt des vorliegenden Beschlusses zu orientieren haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).