Gründe:

Die am 25. Oktober 2005 durch die Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 18. Oktober 2005 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG).

Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung des gepfändeten Anteils des Arbeitsentgelts ihres Verlobten für den Monat Oktober 2005 zu bewilligen. Der Auffassung des Sozialgerichts, dass Erwerbseinkommen keine Berücksichtigung finden kann, soweit es aufgrund einer Lohnpfändung nicht zur Verfügung steht, ist zwar im Ansatz zu folgen, nicht jedoch bezüglich der Höhe. Außer Betracht zu lassen ist allein der Teil des Einkommens, der die Pfändungsgrenzen überschreitet und somit zwingend der Pfändung unterliegt. Der dem Verlobten der Antragstellerin pfandfrei zu belassene Betrag liegt aber mit nunmehr 1.267,61 Euro zweifelsfrei über dem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.140,81 Euro.

Die Berücksichtigung gepfändeten Erwerbseinkommens im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung ist strittig.

Bezüglich des für die Arbeitslosenhilfe maßgeblichen Rechts hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass Einkommen ohne Anrechnung von Abzügen aufgrund von Lohnpfändungen zu berücksichtigen sei (Urteil v. 18.2.1982 – 7 RAr 91/81 – BSGE 53, S. 115 ff., 116 f.). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Gesetz keine anderen als die dort aufgeführten Abzüge berücksichtige. Zudem bewirkten Lohnpfändungen eine Veränderung des Vermögensbestandes, da sich insoweit die Schulden minderten. Für die Rechtsnatur der Einkünfte sei unbeachtlich, dass über sie nicht verfügt werden könne. Die Nichtanrechnung von Abzügen entspreche auch dem Zweck des Gesetzes, da andernfalls die Sozialleistung der Tilgung von Schulden dienen würde, also zweckwidrig gewährt würde, und sei auch nicht unbillig, da sich Schuldner gegen über die Pfändungsfreigrenzen hinausgehende Pfändungen zur Wehr setzen könnten.

Für das Sozialhilferecht hatte demgegenüber insbesondere das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eine gegenteilige Auffassung vertreten (vgl. Urteil v. 15.12.1977 – 5 C 35.77 – BVerwGE 55, S. 148 ff., 151 f.) und diese damit begründet, zwar seien gepfändete Beträge nicht gemäß § 76 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom Einkommen abzusetzen, doch sei mit der Feststellung des anrechenbaren Einkommens nicht zwangsläufig etwas darüber ausgesagt, ob ein sozialhilferechtlicher Bedarf bestehe. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG sei Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln beschaffen könne; eigene Mittel seien vor allem Einkommen und Vermögen. Stehe das errechnete anrechenbare Einkommen zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts nicht zur Verfügung, fehle es an ´bereiten Mitteln`.

Ob die Ansicht der Antragsgegnerin, die zitierte Entscheidung betreffe allein die Pfändung zur Erfüllung eines Unterhaltsanspruches, zutrifft, ist zweifelhaft. Zwar hatte das BVerwG mit Urteil vom 13.1.1983 (5 C 114.81 – BVerwGE 66, S. 342 ff., 346) die Anrechenbarkeit von Lohnteilen bejaht, die zur Erfüllung von Unterkunftskosten aus der Vergangenheit abgetreten worden waren, und dort ausgeführt, der Kläger könne sich gerade nicht auf das Urteil vom 15. Dezember 1977 berufen, da es sich dort um eine Pfändung zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen einer Person gehandelt habe, der gegenüber der Hilfesuchenden gesteigert unterhaltspflichtig gewesen sei. Jedoch hat es zugleich (abermals) betont, dass ein Betrag nicht Einkommen sei, der dem Hilfesuchenden von vornherein aus einem Grund nicht zufließe, der ihm ´aufgezwungen` sei; eine anderweitige freiwillige Disposition – wie etwa eine Abtretung – sei nicht zu berücksichtigen. Es spricht daher einiges dafür, dass das entscheidende Differenzierungsmerkmal nicht der Grund, sondern die Freiwilligkeit des Abzugs ist.

Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob gepfändetes Einkommen bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit generell unberücksichtigt bleiben darf. Denn in jedem Fall können nur diejenigen Pfändungsbeträge Berücksichtigung finden, die dem Schuldner ´aufgezwungen` worden sind bzw. die er hinnehmen muss. Somit könnte allein der Einkommensteil, der über den – kraft Gesetzes oder gerichtlicher Entscheidung – pfandfreien Betrag hinausgeht und daher pfändbar ist, in Abzug gebracht werden. Bereits das BverwG hat die Privilegierung gepfändeten Einkommens nur zugelassen, wenn eine Abwehr der Pfändung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder allenfalls im Wege eines langwierigen Rechtsmittelverfahrens möglich war (BverwGE 55 a.a.O., S. 152; daran anknüpfend: Hänlein-Gagel, SGB III mit SGB II, § 11 SGB II RdNr. 19; Brühl in LPK-SGB XII, § 82 RdNr. 36; Söhngen in jurisPK-SGB II, § 11 RdNr. 30; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 82 RdNr. 11; Karminski-Jahn, SGB XII, § 82 RdNr. 8; Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, § 82 RdNr. 13; Hasske in Estelmann, SGB II, § 11 RdNr. 13; differenzierend – beschränkt auf Pfändungen wegen titulierter Unterhaltsansprüche, wegen sonstiger Ansprüche nur in besonderen Fällen – Schmidt in Oestreicher SGB XII/SGBII, § 11 SGB II RdNr. 36 f.; obiter dictum – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 5.10.2005 – L 8 AS 48/05 ER). Dies gilt ebenso für den Geltungsbereich des SGB II. Aufgrund des Selbsthilfegebots des § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), wonach die in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten nutzen müssen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten, ist es notwendig, dass alle Erfolg versprechenden Rechtsmittel gegen die Pfändungsmaßnahme eingelegt und die Erhöhung des unpfändbaren Betrags beantragt werden ( vgl. Hänlein-Gagel a.a.O., § 9 RdNr. 19; Brühl a.a.O.; Luthe/Dittmar, Das neue Fürsorgerecht in der Praxis, RdNr. 637).

Wenn ein Schuldner – wie der Verlobte der Antragstellerin – damit einverstanden ist, dass sein Einkommen über die gesetzlichen Grenzen hinaus gepfändet wird, ist das seine freie Entscheidung und führt nicht zur Minderung des zu berücksichtigenden Einkommens. Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass z.B. bei dem Nettoeinkommen im Juli 2005 in Höhe von 1.694,21 Euro ein Betrag von 929,98 Euro gepfändet wurde, obwohl der gesetzliche Pfändungsfreibetrag bei 493,40 Euro lag. Des Weiteren ist ein Schuldner verpflichtet, alle gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen, um den pfandfreien Betrag zu erhöhen, wie dies im Falle des Verlobten der Antragstellerin – allerdings erst durch die mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 28. Dezember 2005 verfügte Erhöhung – geschehen ist.

Bei eheähnlichen Gemeinschaften kann es indes zu Fallkonstellationen kommen, bei denen auch Einkommensteile bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit außer Betracht bleiben müssen, obwohl sie die Pfändungsgrenzen übersteigen. Insoweit besteht nämlich eine Inkompatibilität von Zivilprozessordnung (ZPO) und Sozialgesetzen, da letztere die Berücksichtigung des Einkommens nichtehelicher Lebenspartner vorschreiben, während die Pfändungstabellen der ZPO nur gesetzliche Unterhaltspflichten berücksichtigen (vgl. § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO), also der faktischen Unterhaltspflicht nichtehelicher Lebenspartner nicht Rechnung tragen. Wäre der Lebensgefährte der Antragstellerin verheiratet, wäre ein höherer Anteil seines Einkommens vor Pfändungen geschützt. Wenn der Gesetzgeber einerseits nichtehelichen Lebenspartnern faktische Unterhaltspflichten auferlegt, andererseits aber derartige Pflichten bei Pfändungen nicht berücksichtigt, dann muss diesem Widerspruch innerhalb des Sozialrechts Rechnung getragen werden. Dies hat dadurch zu geschehen, dass ein Teil des gepfändeten Einkommens nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II angerechnet wird.

Im vorliegenden Fall vermag dieser Gesichtspunkt dem Begehren der Antragstellerin allerdings nicht zum Erfolg verhelfen. Maßgeblich ist das ´bereite` Einkommen. Wenn das nicht pfändbare Einkommen den festgestellten Bedarf übersteigt, ist keine Notwendigkeit gegeben, den vorstehend dargestellten Bedenken Rechnung zu tragen.

Vorliegend steht außer Zweifel, dass der mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 28. Dezember 2005 zuerkannte pfandfreie Betrag von 1.267,61 Euro den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft übersteigt. Dieser Betrag ist auch für die vorangegangene Zeit zugrunde zu legen, da der Verlobte der Antragstellerin bereits zuvor die Möglichkeit gehabt hätte, sich sowohl gegen die überhöhte Pfändung zu wehren als auch den pfandfreien Betrag heraufsetzen zu lassen, diese Möglichkeit aber nicht genutzt hat.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Betrag von 1.267,61 Euro nicht weiter – insbesondere nicht um den Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 30 SGB II – zu bereinigen. Denn es ist zu unterscheiden zwischen dem Betrag, der sich unter Berücksichtigung der Absetzungsposten des § 11 Abs. 2 SGB II als das der Prüfung der Hilfebedürftigkeit zugrunde zu legendes Einkommen ergibt, und dem Betrag, der als ´bereite Mittel` tatsächlich für die Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht. Es verbietet sich von vornherein, ´bereite Mittel` noch zu kürzen. Zu berücksichtigen war dabei auch der Gesichtspunkt, dass der Antragstellerin – wäre sie mit ihrem Verlobten verheiratet – kein Anspruch zustünde, weil diesem dann aufgrund der die gesetzliche Unterhaltspflicht beachtenden Pfändungsgrenzen selbst bei Absetzung der Beträge des § 11 Abs 2 SGB II ein pfandfreier Betrag in einer Höhe verbliebe, der Ansprüche nach dem SGB II ausschlösse.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.