Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 5 KR 180/12 - Urteil vom 17.01.2013
Zwar sind im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen von den Gesetzlichen Krankenkassen zu übernehmen; der Versicherte hat aber einen Eigenanteil (Zuzahlung i.H.v. 5,00 €) zu tragen. Das gilt auch bei mehrmals erforderlich werdenden ambulanten Behandlungsterminen innerhalb eines Leistungsfalls, z.B. bei einer ambulanten Serienbehandlung. Das Gesetz enthält keine Regelung, dass die Eigenbeteiligung der Versicherten auf die erste und letzte Fahrt beschränkt ist:
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung von Fahrkosten in Anspruch.
Der am 16.04.2009 verstorbene Versicherte litt unter einer Tumorerkrankung, war bei der Beklagten bis zum 30.04.2008 gegen das Risiko Krankheit versichert und lebte mit seiner Ehefrau, der Klägerin, in einem gemeinsamen Haushalt.
In der Zeit von März 2006 bis Juni 2006 befand sich der Versicherte in strahlentherapeutischer Behandlung der Praxis Dr. M. in Leverkusen. In diesem Zeitraum nahm er 47 Behandlungstermine in Anspruch (Entfernung vom Wohnort des Versicherten: 14,39 km - behandelnder Arzt: Dr. D.). Einen zu Beginn der strahlentherapeutischen Behandlung bei der Beklagten im Rahmen einer mündlichen Unterredung gestellten Antrag des Versicherten auf Übernahme der entstehenden Fahrkosten hatte die Beklagte zuvor mündlich abgelehnt. Darüber hinaus wurde der Kläger während seiner Mitgliedschaft in der Zeit vom 19.11.2007 bis 24.04.2008 durch die Ärzte für Hämatologie und Onkologie Dres. Q. (Entfernung vom Wohnort des Versicherten: 21,32 km - 16 Behandlungstermine) chemotherapeutisch behandelt. Sämtliche Fahrten führte der Versicherte mit einem Pkw durch, den die Klägerin steuerte.
Am 20.08.2008 beantragte der Versicherte unter Vorlage von ärztlichen Bescheinigungen die Erstattung der für die Wahrnehmung der ambulanten strahlen- und chemotherapeutischen Behandlungen entstandenen Fahrkosten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab und führte aus, dass der Versicherte die Fahrkostenübernahme nicht vorab bei ihr beantragt habe (Bescheid vom 26.08.2008).
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Versicherte im Wesentlichen geltend, dass er bereits zu Beginn der Strahlentherapie im Jahr 2006 mit einem Mitarbeiter das Verfahren der Fahrkostenerstattung besprochen habe. Während dieser wie auch anlässlich einer späteren Unterredung habe man ihm unzutreffenderweise mitgeteilt, dass ihm für ambulante Behandlungen in keinem Fall ein Anspruch auf Fahrkostenübernahme zustehe.
Den Widerspruch wies die Beklagte zurück. Sie vertrat die Auffassung, dass der Versicherte für jede einzelne Fahrt Zuzahlungen zu leisten habe, der Zuzahlungsbetrag jedoch den Erstattungsbetrag übersteige (Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008).
Im Klageverfahren hat die Klägerin den Rechtsstreit nach dem Ableben des Versicherten aufgenommen. Sie hat - ebenso wie zuvor der Versicherte - vorgetragen: Bei der hier gegebenen Serienbehandlung dürfe die Beklagte eine Zuzahlung lediglich für die erste und letzte Fahrt erheben. Dies ergebe sich aus einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung des § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Ginge man demgegenüber davon aus, dass auch bei Serienbehandlungen jede einzelne Fahrt zuzahlungspflichtig wäre, liefen die Regelungen zur Fahrkostenübernahme angesichts der in der Regel geringen Entfernungen der behandelnden Ärzte von den Wohnorten der Versicherten in der Praxis leer.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 zu verurteilen, an sie 315 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Verweis auf einen mit dem Bundesversicherungsamt (BVA) und dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (MAGS) geführten Schriftverkehr an ihrer in dem angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsauffassung festgehalten. Einzuräumen sei jedoch, dass die hier streitige Frage nicht einheitlich beantwortet werde.
Durch Urteil vom 18.11.2011 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die durchgeführten Serienbehandlungen u.a. angesichts der langen Behandlungsdauer, dem z.T. unterschiedlichen Behandlungscharakter und der verschiedenen Behandler nicht einer stationären Behandlung gleichzusetzen seien. Daher bleibe es dabei, dass für jede einzelne Fahrt des Versicherten eine Zuzahlung zu erheben gewesen sei. Die von der Beklagten zu erhebende Zuzahlung von 5,00 Euro habe jedoch den an sich gegebenen Erstattungsbetrag überschritten.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung (Beschluss v. 22.03.2012) hält die Klägerin an ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung fest.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.11.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 zu verurteilen, an sie für die Behandlung in der Praxis Dr. M. Fahrtkosten in Höhe von 260,72 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Befundberichte von dem Strahlentherapeuten Dr. D. und den Hämatologen/Onkologen Dres. Q. eingeholt.
Dr. D. hat in seinem Befundbericht vom 04.07.2012 mitgeteilt, dass die ambulante Durchführung der bei dem Versicherten erfolgten Strahlenbehandlung üblich sei. Bei Undurchführbarkeit einer ambulanten Therapie wäre eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich geworden. Eine stationäre Behandlung wäre bei dem Versicherten prinzipiell möglich, sei jedoch nicht erforderlich gewesen.
Die Praxis Dres. Q. hat in ihrem Bericht vom 11.09.2012 ausgeführt: Der Versicherte habe von November 2007 bis März 2008 sowie von November 2008 bis Februar 2009 ambulante Chemotherapie erhalten. Durch die ambulante Therapie seien voll- und teilstationäre Therapien vermieden worden.
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung einen Teilvergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte für die Behandlung in der Praxis Dres. Q. Fahrkosten i.H.v. 126,32 Euro zahlt. Die Klägerin hat klargestellt, dass lediglich noch die Erstattung von Fahrtkosten hinsichtlich der Behandlung in der Praxis Dr. M. in Leverkusen geltend gemacht wird.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung eines Betrages von 260,72 Euro. Insoweit erweist sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26.08.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 als rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegenstand des Rechtsstreits ist lediglich noch die von der Klägerin geltend gemachte Erstattung der für die Fahrten des Versicherten zu den Strahlentherapeuten/Radiologen Dr. M. während seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten entstandenen Kosten. Diese sind - abzüglich der Zuzahlung für die erste Hin- und die letzte Rückfahrt - mit 260,72 Euro zu beziffern. Soweit die Klägerin zunächst auch die Erstattung der Kosten für Fahrten zu den Dres. Q. beantragt hat, ist der Rechtsstreit durch den in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Teilvergleich erledigt.
Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Fahrkostenanspruchs ist. Das ergibt sich aus § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zustehen, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es bei der Klägerin. Bei dem geltend gemachten Anspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen.
Denn es hat sich bei den durchgeführten Fahrten mit dem Pkw um Fahrten gehandelt, die den Krankenkassen nicht im Rahmen des Naturalleistungsgrundsatzes als eigenorganisierte Leistungen zugerechnet werden und bei denen mithin der Anspruch aus § 60 SGB V von vornherein auf "die Kosten" als Ausgleich der entstandenen notwendigen finanziellen Aufwendungen selbst gerichtet ist (vgl. BSG, Urteil v. 28.07.2008 - B 1 KR 27/07 R, SozR 4-2500 § 60 Nr. 5 Rdn. 16). Der Anspruch ist im Rechtssinne auch auf "laufende" Geldleistungen gerichtet, weil er - wie hier - über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen, und zwar Fahrten zu ambulanten strahlentherapeutischen Behandlungen betrifft (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil v. 03.07.2012 - B 1 KR 6/11 R Rdn. 11 ff.).
Wie bereits oben dargelegt, ist der Erstattungsanspruch auf "die Kosten" gerichtet, so dass als Anspruchsgrundlage § 60 SGB V in Betracht kommt und ein Rückgriff auf § 13 Abs. 3 SGB V entbehrlich ist. Zwar mag dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten auf Erstattung der für die Fahrten zu den durchgeführten ambulanten Strahlentherapien aufgewandten Kosten aus § 60 Abs. 1 SGB V bestanden haben. Nach dieser Regelung übernimmt die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind (Satz 1). Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall (Satz 2). Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat (Satz 3).
Der Versicherte gehörte zu dem Personenkreis, der als Teilnehmer an onkologischen Strahlen- und Chemotherapien grundsätzlich Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen hatte. Das ergibt sich aus § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anlage 2 der "Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V" (Krankentransport-Richtlinien) in der Fassung vom 22.01.2004 (BAnz. Nr. 18, S. 1342), zuletzt geändert am 21.12.2004 (BAnz. Nr. 41, S. 2937). Einer ärztlichen Verordnung bedurfte es hier nicht, weil eine solche gemäß § 2 Abs. 3 der Krankentransport-Richtlinien bei Fahrten mit dem privaten Kraftfahrzeug oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht erforderlich ist.
Der Versicherte hatte die Kostenübernahme für die Fahrten zur ambulanten Strahlentherapie im Jahr 2006 im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der Therapie anlässlich einer mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführten Unterredung beantragt; dieser hat - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - die Kostenübernahme mündlich abgelehnt.
Dem Versicherten sind für die Einzelfahrt zur und von der ambulanten Strahlentherapie Kosten in Höhe von 2,88 Euro entstanden (0,20 Euro [vgl. § 60 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 BRKG] x 14,39 km). Die gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 61 Satz 1 SGB V pro Fahrt zu leistende Zuzahlung von 5 Euro überschreitet hier den Erstattungsbetrag, so dass sich kein Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt. Dafür, dass bei mehrmals erforderlich werdenden ambulanten Behandlungsterminen innerhalb eines Leistungsfalls, z.B. bei einer ambulanten Serienbehandlung, die Eigenbeteiligung der Versicherten auf die erste und letzte Fahrt beschränkt ist, findet sich im Gesetz keine Stütze. Der Gesetzgeber ist im Rahmen der Änderung des (unten noch zu erörternden) § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V vielmehr davon ausgegangen, dass die Regelung bei Leistungen, die grundsätzlich ambulant erbracht werden (z.B. bei einer Dialysebehandlung) keine Änderungen mit sich bringt und es somit bei der Zuzahlungspflicht für die einzelne Fahrt bleibt (AusBer-Gesundheits-Strukturgesetz [GSG] 1993, BT-Drucks. 12/3937, 12 zu § 60). Im Übrigen geht auch der GBA als Normgeber davon aus, dass die Zuzahlung ausnahmslos pro Fahrt fällig wird. Nach § 10 Satz 1 der Krankentransport-Richtlinien soll der Versicherte nämlich u.a. darüber unterrichtet werden, dass seine Zuzahlung gemäß § 61 Satz 1 SGB V grundsätzlich zehn von Hundert der Kosten je Fahrt - mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro beträgt.
Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V sind nicht erfüllt. Diese Regelung lautet: "Die Krankenkasse übernimmt die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder § 115b, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung." Das BSG hat zu der vergleichbaren Fassung des § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V entschieden, dass die Variante "Vermeidung oder Verkürzung von Krankenhausbehandlung" erfüllt sei, wenn (weitere) Krankenhausbehandlung medizinisch "nicht zweifelsfrei geboten" sei und eine ambulante Behandlung "auch vertretbar" erscheine. In jedem Fall würden nur akute Behandlungsfälle, nicht jedoch Fälle einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit erfasst (BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 1 juris Rdn. 19).
Zwar deutet die Formulierung "wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung" und die daraus resultierende Gleichstellung mit Krankenhausbehandlung darauf hin, dass bei mehrmals erforderlichen Behandlungsterminen innerhalb eines Leistungsfalls, insbesondere bei sog. Serienbehandlungen, die Zuzahlungspflicht der Versicherten auf die erste und letzte Fahrt beschränkt ist (vgl. AusBer-GSG 1993, BT-Drucks. 12/3937, 12 zu § 60; Heberlein in: BeckOK SozR, § 60 SGB V, Rdn. 23). Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V waren jedoch im Fall des Versicherten nicht erfüllt.
Das ergibt sich aus dem vom Senat eingeholten Befundbericht des Dr. D. vom 04.07.2012. Dieser hat mitgeteilt, dass die ambulante Durchführung der bei dem Versicherten erfolgten Strahlenbehandlung üblich sei. Bei Undurchführbarkeit einer ambulanten Therapie wäre eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich geworden. Eine stationäre Behandlung wäre bei dem Versicherten prinzipiell möglich, sei jedoch nicht erforderlich gewesen. Diese Ausführungen sprechen entscheidend dagegen, dass durch die ambulante Strahlentherapie bei dem Versicherten eine an sich gebotene voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung vermieden bzw. verkürzt wurde oder diese nicht ausführbar war.
§ 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB ist (ebenso wie § 60 Abs. 1 SGB V) keiner analogen Anwendung oder erweiternden Auslegung zugänglich. Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf weitere, nicht ausdrücklich genannte Fälle einer ambulanten Behandlung käme nur in Betracht, wenn die getroffene Regelung gemessen an den mit ihr verfolgten Zielen unvollständig wäre und durch die Einbeziehung ähnlicher, vom Gesetzeszweck ebenfalls erfasster Sachverhalte ergänzt werden müsste (BSG, Urteil v. 18.02.1997 - 1 RK 23/96, SozR 3-2500 § 60 Nr. 1 = NZS 1997, 420, juris Rdn. 12). Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt.
Bereits der Umstand, dass das Gesetz die Übernahme der durch eine medizinische Behandlung verursachten Fahrkosten auf bestimmte, genau umschriebene Sachverhalte beschränkt und die Fälle, in denen Krankenkassen Fahrkosten zu übernehmen haben, abschließend regelt (vgl. BSG, Urteil v. 02.11.2007 - B 1 KR 4/07 R, SozR 4-2500 § 60 Nr. 2 Rdn. 12), macht deutlich, daß die Regelung Ausnahmecharakter hat und die privilegierten Tatbestände abschließend erfassen will (BSG, Urteil v. 18.02.1997 - 1 RK 23/96, SozR 3-2500 § 60 Nr. 1 = NZS 1997, 420, juris Rdn. 13). Dies wird durch die Rechtsentwicklung bestätigt. Während unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) noch allgemein die Erstattung der im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten einschließlich eines notwendigen Gepäcktransports vorgesehen war (vgl. § 194 Abs. 1 RVO), hat das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I. S. 2477) die Ansprüche auf Reisekostenerstattung erheblich eingeschränkt. Seither werden - mit Ausnahme der sich ausschließlich auf den Bereich der medizinischen Rehabilitation beschränkenden Reisekostenübernahme gemäß § 60 Abs. 5 SGB V i.V.m. 53 Abs. 1 bis 3 SGB Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) - nur noch Fahrkosten und auch diese nur in besonderen Fällen übernommen. Der Gesetzgeber war der Auffassung, dass einerseits die starke, durch eine weitgehend unkritische Verordnung von Krankenfahrten seitens der Ärzte und Krankenhäuser mitverursachte Kostenbelastung der Krankenkassen finanziell nicht länger vertretbar, andererseits angesichts des hohen Grades der Motorisierung und des zumindest im städtischen Bereich dichten Netzes öffentlicher Verkehrsmittel eine umfassende Kostenübernahme auch nicht zwingend geboten sei (FraktEntw.-GRG, BT-Drucks. 11/2237, 186 zu § 68). Das GSG vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) hat zwar den Katalog der zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zählenden Fahrkosten um den Tatbestand des jetzigen § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V erweitert, jedoch das der Vorschrift zugrundeliegende Regel-Ausnahmeprinzip nicht aufgegeben (BSG, Urteil v. 18.02.1997 - 1 RK 23/96, SozR 3-2500 § 60 Nr. 1 = NZS 1997, 420, juris Rdn. 13). Dabei war dem Gesetzgeber das Phänomen der Serienbehandlung - z.B. Dialysebehandlungen - bekannt. Er hat jedoch in der Gesetzesbegründung dargelegt, dass sich für Behandlungen, die in der Regel ambulant erbracht werden, keine Änderungen ergäben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das BSG im Fall einer Versicherten, der einmal wöchentlich LDL-Apherese verordnet worden war, hinsichtlich der Fahrkosten von einer Zuzahlungspflicht für jede Fahrt ausgegangen ist und eine Beschränkung auf die erste Hin- und die letzte Rückfahrt nicht erörtert hat (vgl. BSG, Urteil v. 28.07.2008 - B 1 KR 27/07 R, SozR 4-2500 § 60 Nr. 5, Rdn. 17, 18, 21, 36).
Kein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn man den Antrag des Versicherten auf Erstattung von Fahrkosten vom 20.08.2008 als Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auslegt (vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 20). Denn der Versicherte hatte keinen Anspruch auf Rücknahme des zu Beginn der Strahlenbehandlung mündlich erteilten Ablehnungsbescheides, da er, wie oben dargelegt, im Ergebnis keinen Anspruch auf Übernahme der für die Fahrten zur ambulanten Strahlentherapie entstehenden Kosten hatte.
Die Kostentenscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das gegenseitige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.).