LSG NRW - Urteil vom 06. Januar 2005  - Az.: L 6 P 39/04  

Tatbestand

Der Kl�ger begehrt einen Zuschuss zu den Kosten f�r den Umbau eines Gymnastikzimmers.

Der 1948 geborene und bei der Beklagten pflegeversicherte Kl�ger leidet an einer spinalen Querschnittsymptomatik im Sinne einer spastischen Parese L2/L3 bei schwerer Kyphoskoliose. Er beantragte beider Beklagten im April 2000 Kostenerstattung f�r die Einrichtung eines Krankengymnastikzimmers. Es sei beabsichtigt, den vorhandenen Wintergarten in einen Gymnastikraum umzubauen. Hierzu bed�rfe es der Einrichtung eines Bodens, des Isolierens der Wand und einer Matte. Zur St�tzung seines Begehrens reichte der, Kl�ger Bescheinigungen der Krankengymnastin H. von 1993 und des Allgemeinmediziners Dr. S. von 1993 und 1996 zu den Akten.

Mit Bescheid vom 30.05.2000 Lehnte die Beklagte den Antrag des Kl�gers ab. Die Einrichtung eines Gymnastikraums stelle keine wohnumfeldverbessernde Ma�nahme im Sinne der Pflegeversicherung dar.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2000 zur�ck. Die Erm�glichung krankengymnastischer �bungen im eigenen Wohnumfeld f�hre nicht zu einer Verbesserung der Pflegesituation. Krankengymnastik z�hle weder zur Grundpflege noch zur hauswirtschaftlichen Versorgung.

Mit der am 04.10.2000 erhobenen Klage hat der Kl�ger vorgetragen, die Einrichtung eines Gymnastikzimmers sei notwendig, um die erforderliche Krankengymnastik durchzuf�hren. Eine Verbesserung der Mobilit�t erleichtere die Pflege.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anh�rung des Kl�gers mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2004 abgewiesen. Ein Anspruch nach � 40 Abs. 4 SGB XI auf Zuschuss f�r Ma�nahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes bestehe nicht, da durch die Einrichtung eines Gymnastikzimmers die h�usliche Pflege nicht erm�glicht oder erheblich erleichtert werde.

Gegen den am 03.06.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kl�ger mit Schreiben vom 03.07.2004, eingegangen beim Landessozialgericht am Dienstag den 06.07.2004, Berufung eingelegt. Der Briefumschlag enth�lt einen Poststempel von Sonntag den 04.07.2004-16. Er tr�gt vor, er sei davon ausgegangen, dass ein innerhalb der Berufungsfrist zur Post gegebener Brief die Frist wahre.

Der Kl�ger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M�nster vom 02.06.2004 zu �ndern und die Beklagte unter Ab�nderung des Bescheides vom 30.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2000 zu verurteilen, ihm einen Zuschuss zu den Kosten einer Umbauma�nahme zur Errichtung eines Gymnastikzimmers zu gew�hren.

Die Beklagte hat schrifts�tzlich beantragt,

die Berufung zur�ckzuweisen.

Sie h�lt den angefochtenen Bescheid f�r rechtm��ig.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der m�ndlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgr�nde

Das Gericht konnte gem�� � 126 SGG verhandeln und entscheiden, obwohl f�r die Beklagte niemand erschienen war. Die Beklagte ist auf diese M�glichkeit in der Ladung hingewiesen worden.

Die Berufung ist nicht zul�ssig. Der Kl�ger hat das Rechtsmittel nicht innerhalb der Monatsfrist des � 151 SGG eingelegt. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung bei dem Sozialgericht oder dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Gesch�ftsstelle einzulegen. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M�nster ist dem Kl�ger am 03.06.2004 ordnungsgem�� mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Die Frist begann f�r den Kl�ger am 04.06.2004 und endete, da der 03.07.2004 ein Samstag war, am folgenden Montag, dem 05.07.2004 (� 64 Abs. 3 SGG). Das Rechtsmittel ist aber erst am Dienstag, dem 06.07.2004, mithin versp�tet, beim Landessozialgericht eingegangen.

Dem Kl�ger ist wegen der Vers�umung der Berufungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gew�hren. Er war nicht ohne Verschulden verhindert, rechtzeitig Berufung einzulegen (� 67 Abs. 1 SGG). Der Kl�ger ist in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheides unmissverst�ndlich darauf hingewiesen worden, dass die Berufungsschrift innerhalb der Monatsfrist beim Sozialgericht oder dem Landessozialgericht eingehen muss. Er hat den versp�teten Zugang zu vertreten. Soweit er in der m�ndlichen Verhandlung die Ansicht vertreten hat, es k�me, jedenfalls nach seinen Kenntnissen, auf das Datum des Poststempels und nicht etwa auf den Eingang bei Gericht ein, so trifft diese Annahme nicht zu. Der insoweit bei ihm bestehende Irrtum ist als Rechtsirrtum unbeachtlich. Der Irrtum war im �brigen f�r den Kl�ger, der schon eine Vielzahl von Berufungsverfahren beim Landessozialgericht gef�hrt hat, durchaus vermeidbar. Er brauchte lediglich die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheides sorgf�ltig zu lesen.

Der Kl�ger konnte auch nicht damit rechnen, dass der am Samstag geschriebene und am Sonntag (04.06.2004) zur Post gegebene Brief am Montag den 05.06.2004 unter normalen Verh�ltnissen bei Gericht eingehen w�rde. Nach st�ndiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 22.09.2000, 1 BvR 1059/00 = NJW 2001, 744; BVerfG; Beschluss vom 11.06.1993, 1 BvR 1240/92 = NJW 94, 244) und der obersten Gerichtsh�fe des Bundes (Bundessozialgericht, Urteil vom 10.09.1996, 10 RAr 1/96; Bundesgerichtshof, Beschluss v. 14.05.2004, V ZB 62/03 m.w.N.; Bundesarbeitsgericht; Urteil v. 08.06.1994, 10 AZR 425/93 = NJW 1995, 548) kann der B�rger allerdings auf die f�r den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten vertrauen. Verz�gerungen der Briefbef�rderung durch die Post sind dem Kl�ger nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot dann nicht als Verschulden anzurechnen, wenn sein Schriftst�ck ordnungsgem�� adressiert und frankiert so rechtzeitig zur Post gegeben wird, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Post bei regelm��igem Betriebsablauf den Empf�nger fristgem�� erreicht h�tte. Die Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV vom 15.12.1999, BGBI. 1999 I S. 4218 -, zuletzt ge�ndert durch Gesetz vom 30.01.2002, BGBl. I S. 572) gibt die Postlaufzeiten f�r die Deutsche Post AG und andere Unternehmen, die Universaldienstleistungen im Briefverkehr anbieten, verbindlich vor. Nach � 2 Nr. 3 Satz 1 dieser Verordnung m�ssen die Unternehmen sicherstellen, dass die an Werktagen aufgegebenen Inlandssendungen im gesamten Bundesgebiet im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80% am ersten Tag (E + 1) und zu 95% am zweiten Tag (E + 2) nach der Einlieferung ausgeliefert werden. Nach diesen verbindlichen Vorgaben konnte der Kl�ger ungeachtet des ohnehin bestehenden Restrisikos von 20 % nicht damit rechnen, dass der Brief das Landessozialgericht am 05.06.2004 erreichen w�rde. Die PUDLV stellt bei ihren Vorgaben ausdr�cklich darauf ab, dass der Brief an einem Werktag und nicht, wie hier, an einem Sonntag eingeliefert wird. Wenn der Kl�ger, aus welchen Gr�nden auch immer, die Berufungsfrist bis zuletzt aussch�pft, muss er sorgf�ltig abw�gen, ob der Zugang der Berufungsschrift in der Frist auch gew�hrleistet ist. Es h�tte f�r ihn nahegelegen, sich am Montag nach dem fristgerechten Eingang der Berufung durch einen Anruf bei dem Landessozialgericht zu erkundigen.

Hiernach ist die Berufung ohne weitere Pr�fung in der Sache, als unzul�ssig zu verwerfen. Ungeachtet dessen, ist die Berufung auch nicht begr�ndet. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung vom 23.12.2004. Dem ist nichts hinzuzuf�gen.

Die Kostenentscheidung beruht auf � 193 SGG.

Der Senat hat die Voraussetzungen f�r die Zulassung der Revision (� 160 Abs.2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.