Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 6 SB 133/09 - Urteil vom 13.07.2010
Die bloße Nutzung/Verordnung eines Rollstuhls rechtfertigt nicht die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG"; erforderlich ist, dass der behinderte Mensch nach objektiven Gesichtspunkten ständig auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Eine Wegstrecke von deutlich mehr als 100 Metern spricht ebenfalls gegen das Vorliegen der für den Nachteilsausgleich erforderlichen Voraussetzungen. Dabei erforderliche Pausen sprechen zwar für eine gewisse Erschöpfung; diese reicht aber auch nicht aus, wenn sie in ihrer Intensität nicht mit Erschöpfungszuständen gleichzuachten ist.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Bei dem 1944 geborenen Kläger wurde zuletzt mit Bescheid vom 10.08.1999 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt und das Merkzeichen "G" zuerkannt. Dem lagen folgende Funktionseinschränkungen zugrunde:
1.) Funktionseinschränkung von Herz und Kreislauf (GdB 50)
2.)
Gefäßverschlusskrankheit der unteren Gliedmaßen (GdB 40),
3.)
Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule (GdB 20) und
4.)
chronisch-obstruktive Bronchitis (GdB 30).
Im November 2005 beantragte der Kläger neben der Feststellung eines höheren GdB die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht), da er wegen Durchblutungsstörungen beider Beine und einem Gefäßverschluss im Becken nur noch eine Strecke von höchstens 100 m gehen könne. Der Antrag wurde vom damals zuständigen Versorgungsamt B. mit Bescheid vom 19.01.2006 abgelehnt, wobei für die Gefäßverschlusskrankheit nunmehr ein GdB von 50 Berücksichtigung fand. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 27.01.2006 wies die Bezirksregierung M. mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2006 zurück.
Am 26.03.2008 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen - auch auf die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF" gerichteten - Verschlimmerungsantrag. Zur Begründung führte er eine schwere Thrombose beider Beine und einen Verdacht auf Herzrythmusstörungen an. Der Beklagte lehnte nach versorgungsärztlicher Auswertung eines vom behandelnden Hausarzt Dr. K eingeholten Befundberichtes den Antrag mit Bescheid vom 13.05.2008 ab; in dem Bescheid wurde als neu aufgetretenes Leiden "Zuckerkrankheit, Typ II" (GdB 10) aufgeführt. Hiergegen legte der Kläger am 30.05.2008 Widerspruch ein, in welchem er u.a. angab, nicht mehr imstande zu sein, auch nur 50 m an einem Stück zu gehen. Er sei mittlerweile auf einen Rollstuhl angewiesen, den er aber wegen der chronischen Sehnenscheidenentzündung am rechten Unterarm nicht alleine bedienen und in dem er auch nicht über längere Zeit sitzen könne. Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes des behandelnden Hausarztes erkannte der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 15.12.2008 einen Gesamt-GdB von 90 an, wobei der zwischenzeitlich insulinpflichtige Diabetes mit einem GdB von 30 bewertet wurde.
Am 27.12.2008 stellte der Kläger beim Sozialgericht (SG) A. unter dem Az. S 17 SB 237/08 ER einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf die vorläufige Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Das SG lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 13.02.2009 mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) ab. Die hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegte Beschwerde (Az. L 10 B 6/09 SB ER) wurde vom Kläger auf entsprechenden Hinweis des Gerichts zurückgenommen.
Im Laufe des Eilverfahrens hat der Kläger am 27.01.2009 zunächst Untätigkeitsklage erhoben und diese am 11.03.2009 nach Erteilung des Widerspruchsbescheids vom 02.03.2009 durch die Bezirksregierung M. vordringlich auf Erteilung der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" umgestellt. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass seine gesundheitlichen Leiden und die daraus resultierende Mobilitätseinschränkung nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden hätten. Der mehrfach an den Kläger gerichteten Aufforderung des SG, dem Gericht zur Beweiserhebung einen vollständig ausgefüllten Fragebogen zu ärztlichen Behandlungen und eine entsprechende Schweigepflichtenbindungerklärung zu übersenden, hat sich dieser - zuletzt mit an das SG gerichtetem Schreiben vom 07.06.2009 - verweigert.
Nach entsprechendem Anhörungsschreiben vom 26.05.2009 - dem Kläger unter dem 06.06.2009 zugestellt - hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 09.07.2009 die auf die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "RF" gerichtete Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Merkzeichens "RF" hat das SG ausgeführt, dass der Kläger trotz seiner erheblichen Gesundheitsstörungen nicht ständig gehindert sei, mithilfe eines Rollstuhls und einer Begleitperson an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, wie sich bereits aus dem Umstand ergebe, dass er sich nicht an der Teilnahme am Erörterungstermin im einstweiligen Rechtschutzverfahren gehindert gesehen habe. Des weiteren könne nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht festgestellt werden, dass der Kläger die Voraussetzungen des Nachteilausgleiches "aG" erfülle; insbesondere reiche die bloße Angabe im anlässlich des Verwaltungsverfahrens beigezogenen Befundbericht des Hausarztes Dr. K, dass die vom Kläger noch zu bewältigende Gehstrecke bei unter 50 m liege, für sich allein nicht aus, da dort nicht näher ausgeführt worden sei, ob die die Gehstrecke limitierenden Beschwerden "ab den ersten Schritten außerhalb" eines KfZ bestünden oder erst später aufträten. Eine weitere, gezielte Befragung des Arztes durch das Gericht habe der Kläger durch seine Weigerung, eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht abzugeben, verhindert; infolgedessen habe keine Veranlassung bestanden, den Sachverhalt von Amts wegen durch Einholung eines medizinischen Gutachtens weiter aufzuklären.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 02.08.2009 (Eingang bei Gericht am 04.08.2009) Berufung eingelegt, mit der er die Feststellung der Merkzeichen "aG" und - nunmehr auch - "B" verfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen.
Der Kläger, der zum Verhandlungstermin am 13.07.2010 nicht erschienen ist, beantragt - sinngemäß -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts A. vom 09.07.2009 abzuändern und den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 13.05.2008 und 15.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2009 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG" und "B" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Voraussetzungen der Merkzeichen "aG" und "B" für nicht gegeben.
Der Senat hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts nach
entsprechender Entbindungserklärung des Klägers Befundberichte des
behandelnden Hausarztes Dr. K vom 04.12.2009 sowie des HNO-Arztes Dr. C vom
22.09.2009 beigezogen. Des Weiteren hat das Gericht ein medizinisches Gutachten
von dem Internisten/Rheumatologen/Psychotherapeuten Dr. L eingeholt. Der
Sachverständige Dr. L hat in seinem Gutachten vom 31.03.2010 folgende Leiden
bei dem Kläger diagnostiziert:
1.) kardiale Leistungsminderung bei koronarer
Herzerkrankung, Zustand nach Infarkt, erfolgte Bypass-Versorgung,
eingeschränkte Pumpfunktion, Bluthochdruck (GdB 60),
2.) progrediente
chronische Bronchitis mit Beeinträchtigungen (GdB 30),
3.) Arterielle
Verschlusskrankheit vom Beckentyp, chronisch venöse Insuffizienz, Zustand nach
Phlebothrombose, postthrombotisches Syndrom (GdB 50),
4.) Diabetes mellitus mit
Schwankungen (GdB 30),
5.) Verschleißerscheinungen der Hüft- und Kniegelenke
ohne relevante Funktionsbeeinträchtigungen oder Reizzustände (GdB 10),
6.)
Degeneratives Wirbelsäulenleiden bei muskulärer Dysbalance und Fehlhaltung (GdB
20),
7.) Hörminderung mit Hörgeräteversorgung (GdB 20),
8.) Blasenschwäche (GdB
( 10), sowie
9.) wiederkehrende Sehnenscheidenentzündung rechter Arm (GdB (
10).
Den Gesamt-GdB hat Dr. L mit 100 ab dem Begutachtungszeitpunkt bewertet. Daneben liegen nach Auffassung des Sachverständigen nur die Voraussetzungen des - versorgungsbehördlich bereits festgestellten - Merkzeichens "G" vor, wohingegen die der vorliegend in Streit stehenden Merkzeichen "aG" sowie "B" - und im Übrigen auch "RF" - zu verneinen seien. Diesbezüglich hat der Sachverständige im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger zwar durch Funktionseinschränkungen von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems und der Lungenerkrankung sowie der Gefäßversorgung der unteren Extremität hinsichtlich seiner Gehfähigkeit nicht unerheblich eingeschränkt sei, jedoch hierdurch noch keine Einschränkungen wie z.B. bei doppelseitig Oberschenkelamputierten resultierten. So sind nach der Einschätzung des Sachverständigen vom Kläger noch Wegstrecken, die deutlich über 100 Meter liegen, mit Hilfe von Gehhilfen (Gehstock/Gehrad) und Einlegung von Pausen zu bewältigen. Auch sei eine Begleitperson bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel medizinisch nicht zu begründen. Zudem sei der Kläger nicht an seine häusliche Umgebung gebunden, so dass er öffentliche Veranstaltungen besuchen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakte des SG A. S 17 SB 237/08 ER verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und auch auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 S. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat deutet dabei das Begehren des Klägers im Rechtsmittelverfahren vor allem anhand dessen Berufungsschreibens vom 02.08.2009 als - allein - auf die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "B" gerichtet.
Hinsichtlich des vom Kläger begehrten Merkzeichens "B" bedarf es keiner Entscheidung des Senats darüber, ob die bestehenden gesundheitlichen Funktionsbeeinträchtigungen die Gewährung dieses Nachteilsausgleichs in der Sache rechtfertigen. Denn indem der Kläger erstmalig im Berufungsverfahren die Feststellung des Merkzeichens "B" geltend gemacht hat, handelt es sich diesbezüglich um eine Klageänderung nach § 99 SGG, für die neben den Zulässigkeitsgründen für eine Klageänderung (vgl. § 99 Abs. 1 SGG) auch die Prozessvoraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. (2008), § 99 Rn. 13a). Vorliegend fehlt es schon an einer gerichtlich überprüfbaren Entscheidung des Beklagten (vgl. § 54 Abs. 1 SGG), so dass die allein statthafte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage insoweit bereits als unzulässig abzuweisen ist. Da der Beklagte vorprozessual nicht mit diesem Begehren befasst war, liegt hier auch keine vergleichbare Fallkonstellation vor, in der es nur an einem abgeschlossenen Vorverfahren mangels Widerspruchsbescheides fehlt und zwecks Nachholung des Widerspruchsverfahrens die Aussetzung nach § 114 Abs. 2 SGG analog geboten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 78 Rn. 34 ff.; s. auch Urteil des erkennenden Senats vom 11. Mai 2010 - L 6 AS 41/2010; zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Im Übrigen sei, ohne dass es hier noch darauf ankäme, angemerkt, dass sich die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "B" auch nicht mit den Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen L vom 31.03.2010 begründen lassen.
Die Feststellung des Merkzeichens "aG" betreffend hat das SG die Klage - deren am 11.03.2009 vorgenommene Umstellung von der Untätigkeits- zur kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 02.03.2009 fristgerecht i.S.v. § 87 Abs. 2 SGG erfolgt ist - zu Recht abgewiesen.
Die Bescheide vom 13.05.2008 und 15.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2009 sind hinsichtlich der Nichtanerkennung des Nachteilsausgleiches "aG" rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung dieses Merkzeichens.
Soweit der (Widerspruchs-)Bescheid zunächst rechtswidrig war, da die Bezirksregierung M. bei Erlass des streitbefangenen Widerspruchsbescheides vom 20.03.2009 nicht (mehr) zuständig war und demzufolge das Vorverfahren gemäß § 78 Abs. 1 SGG nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. im Einzelnen LSG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2009 - L 10 SB 39/09 -, in juris), ist dieser Mangel nachträglich mit Rückwirkung geheilt worden. Denn der durch Art. 3 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen in Nordrhein-Westfalen (JuMoG NRW, GV NRW, 30 ff.) neu eingefügte § 4a AG-SGG NRW bestimmt, dass diese Landesbehörde Widerspruchsbescheide in den Angelegenheiten nach §§ 69 und 145 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) erlässt, die den Kreisen und kreisfreien Städten als kommunale Selbstverwaltung i.S.v. § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ,1. Hs. SGG übertragen sind (vgl. LSG NRW a.a.O.). Diese am 08.02.2010 in Kraft getretene Bestimmung regelt die Sonderzuständigkeit im Sinne von Art. 85 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 2. Hs. SGG rückwirkend ab dem 01.01.2008 (Art 4 JuMoG NRW).
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" ist § 69 Abs. 4 SGB IX. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Erläuternd für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung sind Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) und Teil D, Ziff. 3 lit. b) der seit Beginn des Jahres 2009 geltenden "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG), Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.
Zunächst gehört der Kläger - unstreitig - nicht zu dem in den oben genannten Vorschriften explizit aufgeführten Personenkreis. Der streitige Nachteilsausgleich "aG" steht ihm auch nicht deshalb zu, weil er dem in der genannten Vorschrift aufgeführten Personenkreis gleichzustellen wäre. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und der behinderte Mensch sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie der genannte Personenkreis oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Unter Beachtung der vom Bundessozialgericht (BSG) mit Urteilen vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, B 9a SB 1/06 R und B 9/9a SB 5/06 R (zitiert nach juris) aufgestellten Kriterien kommt es allein darauf an, unter welchen Bedingungen sich der schwerbehinderte Mensch, nämlich nur mit fremder Hilfe und mit großer Anstrengung und dies praktisch von den ersten Schritten an, außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann. Die vom Sachverständigen Dr. L gutachterlich aufgeführten Erkrankungen des Klägers rechtfertigen eine solche Gleichstellung nicht. Es lässt sich insbesondere nicht die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger sich wegen der die eingeschränkte Gehfähigkeit bedingenden Erkrankungen der inneren Organe sowie des Gefäßleidens praktisch von den ersten Schritten außerhalb eines Kraftfahrzeugs nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung zumutbar bewegen kann.
So führen die kardio-vaskulären und pulmonalen Erkrankungen des Klägers für sich betrachtet nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Denn nach Teil D, Ziff. 3 lit. c) VMG rechtfertigen erst Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz (Einzel-GdB 80 bis 100) oder Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades (Einzel-GdB 80 bis 100) die Gleichstellung. Dieses schwerwiegende Ausmaß haben weder das mit einem Einzel-GdB 60 beurteilte Herzleiden noch die mit einem Einzel-GdB 30 beurteilte chronische Bronchitis. Ausweislich des Gutachtens des Dr. L schränkt die Beeinträchtigung der unteren Extremitäten aufgrund der mit einem GdB von 50 zu bewertenden arteriellen Verschlusskrankheit das Gehvermögen des Klägers ebenfalls nicht auf das Schwerste ein. Durch diese Behinderungen ist der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L insbesondere auch nicht ständig auf einen Rollstuhl angewiesen - dabei genügt entgegen der Auffassung des Klägers die bloße Nutzung/Verordnung eines Rollstuhls nicht (vgl. Teil D, Ziff. 3 lit. c) VMG) -; die Annahme, dass die klägerseits besonders betonte Sehnenscheidenentzündung am rechten Arm etwa der alternativen Benutzung von Gehhilfen wie Gestock/Gehrad ständig entgegenstehen könnte, verbietet sich angesichts des vom Sachverständigen beschriebenen (nur) unregelmäßigen Auftretens dieser - auch nur mit einem 10-er Wert einzustufenden - Reizerscheinung. Auch ausgehend von dem tatsächlich noch bestehenden Restgehvermögen erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens nicht. Vielmehr sind nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. L Wegstrecken von 50 bis 100 Metern mit vorgenannten Gehhilfen möglich, wobei dann wegen der Interaktion zwischen den vorbezeichneten Leiden auftretende Beschwerden in Form von Luftnot und Muskelbeschwerden zwar die Einlegung einer Pause erforderlich machen, hiernach jedoch eine Fortsetzung der Wegstrecke deutlich über 100 Meter hinaus bei entsprechender Einlegung von (weiteren) Pausen noch möglich sein soll. Dabei spricht der Umstand, dass der Kläger vermehrt Pausen einlegen muss, zwar für eine gewisse Erschöpfung, reicht jedoch für die Zuerkennung des Merkzeichens noch nicht aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. Teil D Ziff. 3 lit. b) VMG genannten Vorschrift haben; solche sind von dem Sachverständigen Dr. L gutachterlich aber gerade nicht beschrieben worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG.