Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha (Az.: S 26 AS 5197/10) streitig. Die Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft von drei Personen, wandten sich gegen die Berechnung der Leistungen für Unterkunft, die zuerkannten Kosten der Warmwasserversorgung und rügten die Nichtbeachtung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). In der 25 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2011 gewährte das Sozialgericht (SG) den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete Rechtsanwalt Maurer bei. Die Beklagte erklärte sich bereit, den Klägern für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2009 0,67 Euro zu zahlen. Der für Rechtsanwalt M. erschienene Rechtsanwalt T. nahm daraufhin die Klage im Übrigen zurück.

In der Kostenrechnung vom 9. Juni 2011 beantragten die Rechtsanwälte M. und R. die Festsetzung von 585,48 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG 102,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 492,00 Euro MWSt 93,48 Euro Gesamtsumme 585,48 Euro

Unter dem 13. Juli 2011 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) den Betrag auf 212,06 Euro (Verfahrensgebühr 1/3 der Mittelgebühr 57,00 Euro, Erhöhung 34,20 Euro, Terminsgebühr 1/3 der Mittelgebühr 67,00 Euro, Post- und Telekommunikation 20,00 Euro, Umsatzsteuer 33,86 Euro). Sie führte aus, die Bedeutung des Rechtsstreits sowie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien unterdurchschnittlich gewesen und mit einem Drittel der Mittelgebühr ausreichend und angemessen vergütet.

Am 16. August 2011 hat die Beschwerdeführerin Erinnerung eingelegt und u.a. ausgeführt, die Bedeutung der Angelegenheit sei überdurchschnittlich, weil Leistungen zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums im Streit gestanden hätten. Auch könne sie die Reduzierung der Terminsgebühr nicht nachvollziehen, weil alle Verfahren am 25. Mai 2011 getrennt geladen und verhandelt wurden. Ein Synergieeffekt habe sich allenfalls bei der Anreise ergeben. Der Beschwerdegegner hat in seiner Erwiderung auf die Ausführungen der UKB verwiesen. Am 10. Juli 2012 hat Rechtsanwalt M. seine Vergütungsansprüche der Beschwerdeführerin abgetreten.

Mit Beschluss vom 27. August 2012 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Die Klage sei nur mit einem Schriftsatz, der im Wesentlichen aus Textbausteinen bestanden habe, begründet worden. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien daher deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren habe die Beschwerdeführerin die geforderten Leistungen beziffert. Auch die Festsetzung der Terminsgebühr sei nicht zu beanstanden. Es komme u.a. auch auf die Dauer des Termins an.

Gegen den am 6. September 2012 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 27. September 2012 Beschwerde eingelegt und im Ergebnis den Vortrag im Erinnerungsverfahren wiederholt. Angemessen seien die Gebühren jeweils in Höhe der Mittelgebühr.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. August 2012 aufzuheben und die von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 585,48 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den Beschluss des SG vom 27. August 2012.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 27. November 2012) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

 

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss fehlerhaft ist. Nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG beträgt die Beschwerdefrist zwei Wochen (nicht: ein Monat).

Die Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Kläger waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4).

Hier geht es um den Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts M., den er der Beschwerdeführerin abgetreten hat. Die Billigkeit der geforderten Gebühren war bei der Festsetzung von Amts wegen von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auch ohne Vortrag des Beschwerdegegners zu prüfen. Dem steht nicht der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2011 - Az.: V ZB 216/10 entgegen. Nach dessen Rechtsansicht ist bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen aufgrund der Prozesskostenhilfe und Beiordnung § 14 Abs. 1 S. 1 RVG einschlägig und der Rechtsanwalt trägt für die Billigkeit des anwaltlichen Gebührenanspruchs als anspruchsbegründendes Merkmal die Darlegungs- und Beweislast. Die Staatskasse ist nicht Dritter im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG, der nach Ansicht des BGH die Darlegungs- und Beweislast der fehlenden Billigkeit trägt, denn sie hat nicht auf Grund einer Kostenentscheidung als Unterlegene die Gebühren zu erstatten (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 7). Vielmehr ist sie aufgrund der Beiordnung für die gesetzliche Vergütung nach §§ 45 ff. RVG Vergütungsschuldnerin des Rechtsanwalts (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 55 Rdnr. 29). Dann scheidet ihre Darlegungs- und Beweislast aus.

Die beantragte Gebühr war unbillig, weil der von der Rechtsprechung und Literatur zugestandene Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. überschritten wurde (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF und 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rdnr. 13f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Allerdings bestehen Bedenken gegen die Festsetzung der Gebühren in Höhe eines Drittel der Mittelgebühr (57,00 Euro) durch UKB und die Vorinstanz; tatsächlich ist bei Verfahrens- und Terminsgebühr jeweils die halbe Mittelgebühr (85,00 Euro) angemessen. Die von der Beschwerdeführerin begehrte Mittelgebühr kommt dagegen nicht in Betracht. Sie fällt nur an, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 As 21/09 R, nach juris). Dies ist hier aber der Fall.

Hinsichtlich der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG gilt Folgendes: Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren (auch vor der Beiordnung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 6. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 159/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B) zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. August 2011 - Az.: L 6 SF 872/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15). Mit einem Schriftsatz lag sie auch unter Berücksichtigung der allgemein notwendigen sonstigen außergerichtlichen Aktivitäten deutlich unter dem Durchschnitt. Konkret hat die Beschwerdeführerin keine möglicherweise zu berücksichtigenden besonderen Umstände vorgetragen. Im Übrigen ist der eingereichte Schriftsatz im großen Teilen wortidentisch mit dem Text in anderen dem Senat bekannten Verfahren und offensichtlich insoweit aus Textbausteinen zusammengesetzt. Dies ist zulässig. Allerdings sind dann die damit verbundenen erheblichen Synergieeffekte bei der Vergütungsfeststellung zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juli 2011 - Az.: L 6 SF 252/11 B). Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war angesichts der angeschnittenen gängigen Probleme (Kosten der Unterkunft, Warmwasserbereitung, Rundung) unterdurchschnittlich. Anhaltspunkte dafür, dass sie ganz einfach war, liegen aber nicht vor. Bei diesem Bemessungskriterium kommt es entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht darauf an, ob die Klagebegründung aus Textbausteinen besteht; dies ist nur im Rahmen des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Bei der Schwierigkeit ist es grundsätzlich unerheblich ist, ob der Anwalt aufgrund seiner Erfahrung oder Fachkenntnisse das Mandat leichter als andere bewältigen kann (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris) oder woher er diese hat (z.B. aus Parallelverfahren). Zuzustimmen ist allerdings der Vorinstanz, dass die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger deutlich unterdurchschnittlich war. Eine höhere Bedeutung kann nicht daraus hergeleitet werden, dass im Hauptsacheverfahren um Ansprüche nach dem SGB II und damit das soziokulturelle Existenzminimum gestritten wurde; wesentlich ist vielmehr immer die Höhe des geltend gemachten Anspruchs. Nachdem sie im Klageverfahren nicht beziffert wurde und entsprechende Ermittlungen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht in Betracht kommen, scheidet eine durchschnittliche Bedeutung aus (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B). Überdies belegt die Annahme des Anerkenntnisses in Höhe von 0,67 Euro die erheblich unterdurchschnittliche Bedeutung. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger sind deutlich unterdurchschnittlich und werden nicht kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.

Die Verfahrensgebühr war nach Nr. 1008 VV-RVG um 60 v.H. zu erhöhen.

Auch die Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG war zu niedrig angesetzt; angemessen war auch hier eine halbe Mittelgebühr (100,00 Euro). Der Betragsrahmen beträgt nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV-RVG 20,00 bis 380,00 Euro. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Termin war nach der Niederschrift mit 25 Minuten zwar unterdurchschnittlich, jedoch nicht in besonders erheblichem Maße. Die Schwierigkeit war gering (Annahme eines Anerkenntnisses und Rücknahme der Klage). Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber wird auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr verwiesen. Der Vortrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer angeblich ungerechtfertigten Reduzierung der Terminsgebühren durch Berücksichtigung anderer (getrennt verhandelter) Verfahren ist unverständlich.

Nachdem die Beschwerdeführerin keine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG geltend gemacht hat, kann dahinstehen, ob deren Voraussetzungen vorlagen.

Zusätzlich zu erstatten sind die die Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und die Umsatzsteuer.

Damit errechnen sich die Rechtsanwaltsgebühren wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 85,00 Euro Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG 51,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 256,00 Euro Umsatzsteuer 48,64 Euro Gesamtsumme 304,64 Euro

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).