Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) hat.

Die 1923 geborene Klägerin wurde am 18.01.2003 in K. von einer Person, die zuvor an einer Demonstration teilgenommen hatte und sich durch eine Ansammlung von Passanten einen Weg bahnte, zu Fall gebracht. Dabei zog sie sich eine tetrafokale Humeruskopffraktur mit Defekt des Kopffragmentes zu. Die Verletzung war so schwer, das ihr am 22.01.2003 eine Aequalis-Oberarmkopfprothese eingesetzt werden musste (vgl. Arztbrief des Städtischen Klinikums K. vom 05.02.2003). Wegen der Folgen der Verletzung beantragte die Klägerin am 13.02.2003 die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Der Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft K. (57 Js 4537/03) bei. Diese enthielt u. a. Angaben der Klägerin (Geschädigtenvernehmung vom 21.01.2003), der Zeugen C. B. (Vernehmung vom 23.01.2003), C. J. (Vernehmung vom 27.01.2003 und A. K.-H. (telefonische Befragung vom 28.01.2003). Die Klägerin hatte angegeben, dass sie auf den Weg vom Kaufhaus K., Eingang R., zum Marktplatz gewesen sei, als sie von hinten mit einem massiven Stoß angegangen worden und mit der rechten Schulter gegen einen Betonpfeiler gefallen sei. Danach sei sie zu Boden gegangen. Der Mann sei einfach weitergerannt, er habe sich nicht umgedreht, um ihr zu helfen. Sie sei sich sicher, dass es sich um einen Mann gehandelt habe. Der Zeuge B. hatte ausgesagt, dass im Eingangsbereich des Kaufhauses ein Tumult entstanden sei, als Polizeibeamte Personen, bei denen es sich offensichtlich um Demonstrationsteilnehmer gehandelt habe, verfolgt hätten. Ein Polizist habe die Frau, die später die Klägerin angerempelt habe, zu fassen bekommen. Die Frau habe sich jedoch losreißen können. Der Polizist sei daraufhin stehen geblieben. Die flüchtende Person sei weitergerannt. Auf ihrem Weg seien Passanten so dicht zusammengestanden, dass zwar einzelne Lücken vorhanden gewesen seien, die jedoch nicht so groß gewesen seien, dass sie einem Menschen das Passieren ohne Körperkontakt ermöglicht hätten. Man habe eigentlich nicht durchkommen können, ohne jemanden anzurempeln. Nach seinem Eindruck habe sich die Frau einen Weg gebahnt. Sie habe die Klägerin von hinten angerempelt, die Klägerin sei auf den Boden gefallen, mit dem Oberkörper nach vorne. Die junge Frau sei ebenfalls hingefallen. Sie habe sich kurz zu der älteren Frau gewandt. Ob dort etwas gesprochen worden sei, wisse er nicht. Eine zweite Person sei der jungen Frau in zeitlichem Abstand gefolgt und ebenfalls über die junge Frau gestürzt. Die junge Frau sei aufgestanden und habe sich etwa vier bis fünf Meter vom Tatort entfernt. Er habe sie vorwurfsvoll angesprochen, ob es das denn wert gewesen sei. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Frau verstört gewesen sei und gezittert habe. Sie habe sinngemäß gesagt, sie hätte vor der Polizei weglaufen müssen, diese sei an dem schuld, was passiert sei. Die Zeugin J. hatte angegeben, es sei zwei oder drei Demonstranten, möglicherweise auch mehr, gelungen, die Polizeikette zu durchbrechen. Daraufhin hätten Polizeibeamte diesen Demonstranten nachgesetzt. Vor dem Eingang des Kaufhauses K. sei es daraufhin zu einem Tumult gekommen. Eine Demonstrantin, die an diesem Tumult beteiligt gewesen sei, habe die Klägerin frontal umgerannt. Die Passanten hätten so dicht gedrängt gestanden, dass die junge Frau die Gruppe der Passanten nicht habe durchdringen können, ohne in Körperkontakt mit diesen Passanten zu kommen. Sie habe den Eindruck gehabt, dass die Demonstrantin den Bereich vor dem K. fluchtartig oder panikartig habe verlassen wollen. Sie sei jedoch nicht von einem Polizeibeamten verfolgt worden. Die Demonstrantin sei nach dem Zusammenstoß mit der Klägerin nicht zu Boden gegangen, ein ihr in kurzem Abstand folgender Mann sei jedoch über die auf dem Boden liegende Klägerin gestolpert. Sie habe ihn gefragt, ob er noch ganz sauber sei. Er habe sich daraufhin entschuldigend geäußert, es sei keine Absicht gewesen und so etwas könne schon einmal passieren. Er sei auch behilflich gewesen, der Klägerin wieder auf die Beine zu helfen. Die Zeugin K.-H. hatte erklärt, vor dem Eingang des Kaufhauses K. habe es unruhige Szenen zwischen der Polizei und Demonstrationsteilnehmern gegeben. Sie habe gesehen, wie eine junge Frau aus der Szene weggerannt und dabei gegen die Klägerin gelaufen sei, die dann rückwärts zu Boden gefallen sei. Die junge Frau sei zunächst Richtung Marktplatz gelaufen, dann aber wieder zurückgekommen. Sie habe den Eindruck gehabt, dass die junge Frau wegen des Zusammenstoßes, der ihrer Meinung nach unabsichtlich geschehen sei, betrübt gewesen sei. Da innerhalb der dort stehenden Passanten eine negative Stimmung gegen die Demonstranten geherrscht habe, sei die junge Frau dann aber wieder weiter Richtung Marktplatz gegangen.

Im Laufe des Ermittlungsverfahrens hatte sich der Verdacht ergeben, dass M. H. die Demonstrantin gewesen sein könnte, die die Klägerin angerempelt hatte. Der Verdacht ließ sich jedoch nicht bestätigen, sodass mit Beschluss der Staatsanwaltschaft K. vom 29.04.2004 das Ermittlungsverfahren gegen Frau H. wegen "schwerer Körperverletzung" gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war.

Mit Bescheid vom 18.05.2004 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Es könne nicht nachgewiesen werden, dass die Klägerin vorsätzlich umgestoßen worden sei. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, für die Annahme des Vorsatzes genüge es, dass der Täter mit bedingtem Vorsatz (Dolus eventualis) gehandelt habe. Er müsse nicht wissentlich und willentlich sein Verhalten auf die Verwirklichung eines durch Eintritt eines Erfolges gekennzeichneten Straftatbestandes ausgerichtet haben, es genüge, dass er den Erfolg für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe. Der Vorsatz müsse sich auch nur auf den tätlichen Angriff beziehen, er müsse nicht auf die gesundheitliche Schädigung gerichtet gewesen sein. Auch müsse der Vorsatz nicht die Verletzung einer bestimmten individualisierbaren Person umfassen. Für die Annahme eines vorsätzlichen tätlichen Angriffs genüge es, dass der Täter die Verletzung eines (beliebigen) Anderen in seinen Vorsatz aufgenommen habe. Den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen komme indizielle Bedeutung für die Frage zu, ob die Voraussetzungen des § 1 OEG erfüllt seien. Die Staatsanwaltschaft habe von der ersten Zeugenvernehmung am 23.01.2003 bis zur Einstellung des Verfahrens wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung und nicht etwa wegen einer lediglich fahrlässigen Körperverletzung ermittelt. Für einen vorsätzlichen tätlichen Angriff spreche im vorliegenden Fall auch der Anscheinsbeweis. Wenn sich eine Person durch eine Gruppe eng beieinander stehender Passanten stoße und remple, spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass diese Person es für möglich halte und billigend in Kauf nehme, dass sich dabei Personen verletzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Eine vorsätzliche Angriffshandlung gegen die körperliche Unversehrtheit der Klägerin sei nicht nachgewiesen, weshalb kein Anspruch nach dem OEG bestehe.

Dagegen erhob die Klägerin am 05.08.2004 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG). Das SG erhob mit Urteil vom 07.12.2004 die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte den Beklagten, der Klägerin wegen der Folgen der Gewalttat vom 18.01.2003 Beschädigtenversorgung dem Grunde nach zu gewähren. Das Verhalten der Schädigerin bzw. des Schädigers, sich einen Weg durch eine Menschenmenge zu bahnen, sei als Angriff zu bewerten. Zumindest sei dabei eine körperliche Beeinträchtigung der zur Seite gedrückten bzw. gestoßenen Menschen in Kauf genommen worden. Wer in eine Menschengruppe hineinrenne und sich einen Weg bahne, nehme in Kauf, dass er angreifen müsse, d. h. dass es durch Wegstoßen der Menschen zu körperlichen Beeinträchtigungen komme. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Menschengruppe auf einen Angriff nicht eingestellt sei.

Gegen das ihm am 28.12.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 13.01.2005 Berufung eingelegt. Der vorsätzliche tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG setze ein Handeln voraus, dass in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf eine bestimmte Person ziele und auf diese einwirken solle. Bleibe der Täter unbekannt, müssten wenigstens die äußeren Tatumstände überzeugende Hinweise auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geben. Eine fehlende Täterkenntnis rechtfertige keine generelle Beweiserleichterung zu Gunsten des Antragstellers, etwa durch eine stets gebotene Annahme der Voraussetzungen des so genannten Anscheinsbeweises oder durch geringere Anforderungen an die Beweiskraft. Nach den aktenkundigen Zeugenaussagen könne davon ausgegangen werden, dass der Täter/die Täterin nicht ohne Körperkontakt durch die herumstehenden Passanten habe hindurch kommen können. Soweit der Zeuge B. ausgeführt habe, er habe den Eindruck gehabt, dass sich die Täterin/der Täter einen Weg gebahnt habe, lasse dies allenfalls darauf schließen, dass der Täter/die Täterin fahrlässig gehandelt habe, im Vertrauen darauf, es werde schon nichts passieren, nicht aber eine Verletzung einzelner Passanten in Kauf genommen habe. Die erforderliche feindselige Absicht könne insoweit nicht unterstellt werden. Gegen eine Vorsatztat im Sinne eines bedingten Vorsatzes sprächen auch die Ausführungen der Zeugin K.-H., wonach die "Täterin" zum Geschehensort zurückgekehrt sei und sich durchaus um die am Boden liegende Klägerin bemüht habe. Es könne nicht generell unterstellt werden, dass ein Schädiger, der sich vor einer Gruppierung von Menschen sehe, die ihm den Fluchtweg verstellten, einen Angriff wolle, um sich eine Fluchtgasse zu verschaffen. Es könne auch nicht unterstellt werden, dass er generell Verletzungen in Kauf nehme.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.12.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es stehe im übrigen auch nicht fest, dass der Täter/die Täterin sich um die Klägerin gekümmert habe. Auch habe sich die Täterin nach Angaben des Zeugen B. trotz dessen Aufforderung nicht entschuldigt. Zwar sei es wohl nicht das vorrangige Ziel der Täterin gewesen, die Klägerin umzurennen. Dies sei nur das Mittel gewesen, sich der Ergreifung durch die Polizei zu entziehen. Jedoch sei auch hier von Vorsatz auszugehen, wenn der Täter einen an sich unerwünschten, aber notwendigen Erfolg billige, wenn er sich mit ihm um eines erstrebten Zieles willen abfinde bzw. wenn er die möglichen Folgen hinzunehmen bereit sei oder aus Bedenkenlosigkeit die Folgen in Kauf nehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats, auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft K. Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liege nicht vor (§ 144 SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten zur Gewährung von Beschädigtenversorgung dem Grunde nach verurteilt. Dabei kann dahinstehen, ob das SG die Klage zu Recht als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage angesehen hat oder ob es sich nicht vielmehr um eine Feststellungsklage handelt. Denn weder die Voraussetzungen für eine Verurteilung zur Leistung noch für eine Feststellung, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen Folgen einer Gewalttat im Sinne des § 1 OEG sind, liegen vor.

Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Dabei ist tätlicher Angriff im Sinne von § 1 Abs. 1 OEG nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich jede in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen Menschen zielende, gewaltsame (in der Regel handgreifliche) Einwirkung (vgl. BSGE 49, 98, 100; 56, 234, 236; 81, 42 m.w.N.). Der Vorsatz sowie die feindselige Willensrichtung des Angreifers sind innere Tatsachen, deren Beweis - ohne ein Geständnis des Täters - schwierig ist. Deshalb vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass im sozialgerichtlichen Verfahren eine eigenständige Würdigung der erreichbaren Beweismittel vorzunehmen ist; aus den äußeren Tatumständen darf auf die subjektive Tatseite geschlossen werden (BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 1 mwN). Für das Vorliegen von Vorsatz genügt es, dass der Täter eine körperliche Beeinträchtigung des Opfers in seinen Willen aufgenommen (natürlicher direkter Vorsatz) oder aber eine solche Beeinträchtigung zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz). Das heißt, der Täter muss sich im Augenblick der Tathandlung zumindest über die Möglichkeit des Erfolgseintrittes (z. B. einer Körperverletzung) im klaren gewesen sein und diese in Kauf genommen haben. Im Gegensatz zum Strafrecht ist es jedoch nicht erforderlich, dass sich der Täter weiterer Folgen der unmittelbaren körperlichen Einwirkung bewusst ist, er sich zum Beispiel einen entsprechenden Kausalverlauf mit bestimmten Verletzungen oder sonstigen Folgen vorgestellt bzw. solche für möglich gehalten hat. Der Vorsatz muss sich nur auf den Angriff als solchen, also auf die unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Opfers, nicht aber auf den entstandenen Körperschaden gerichtet haben (BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 14 mwN). Der vorsätzliche rechtswidrige Angriff gegen die körperliche Integrität oder die körperliche Bewegungsfreiheit einer anderen Person reicht damit in der Regel aus, um den Tatbestand des § 1 OEG zu erfüllen. Lediglich soweit Handlungen im Rahmen des sozial Üblichen geschehen, etwa durch körperliche Kontakte auf Volksfesten (BSG SozR 3800 § 1 Nr. 6) ist ihre Rechtswidrigkeit zu verneinen und sind etwaige fahrlässige Verletzungsfolgen von der staatlichen Entschädigungspflicht ausgeschlossen (BSG SozR 3-3800 § 10a Nr. 1).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat der Auffassung, dass im vorliegenden Fall nicht von einem vorsätzlichen tätlichen Angriff auf die Klägerin ausgegangen werden kann.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des SG, dass bereits der Anschein dafür spricht, dass immer dann, wenn jemand in eine Menschengruppe hineinrennt und sich einen Weg bahnt, ein tätlicher Angriff vorliegt. In den seltensten Fällen wird darin eine feindliche Willensrichtung gegen die übrigen Passanten zum Ausdruck kommen. Vielmehr liegt es weithin im Rahmen des sozial Üblichen, dass, wer in einer größeren Menschenmenge unterwegs ist, mehr oder weniger oft von anderen Passanten angerempelt wird, auch von solchen, die aus welchen Gründen auch immer schneller unterwegs sein wollen als die anderen. Kommt es auf Grund eines solchen Anrempelns zu einer Verletzung eines Passanten, kann somit in der Regel allenfalls von einer fahrlässigen Körperverletzung, nicht jedoch von einer Vorsatztat ausgegangen werden, es sei denn, der Betreffende hätte sich rücksichtslos und unter Inkaufnahme der Verletzung anderer Passanten einen Weg durch die Menge gebahnt.

So liegt es auch hier. Auf Grund der in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft enthaltenen Aussagen bzw. Angaben der Klägerin und der gehörten Zeugen kann nach Auffassung des Senats nicht auf das Vorliegen von Vorsatz bei der Täterin/dem Täter geschlossen werden. Dass nach den Zeugenaussagen ein Durchkommen für den Täter/die Täterin ohne Körperkontakt mit anderen Passanten nicht möglich war, rechtfertigt noch nicht den Schluss, dass der Täter/die Täterin eine körperliche Beeinträchtigung der Klägerin oder anderer Passanten in seinen/ihren Willen aufgenommen hatte oder aber eine solche Beeinträchtigung zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Nach Angaben des Zeugen B. und auch der Zeugin K.-H. war der Täter bzw. - aus deren Sicht - die Täterin auf Grund der Vorkommnisse verstört bzw. betrübt. Dies spricht dagegen, dass die Klägerin deshalb umgestoßen wurde, weil der Täter/die Täterin sich rücksichtslos und unter Inkaufnahme der Verletzung anderer Passanten einen Weg durch die Menge bahnen wollte. Auch die Beschreibung der Zeugin J., dass die Klägerin frontal umgerannt worden sei, spricht eher dafür, dass der Täter/die Täterin in dem allgemeinen Tumult die Klägerin versehentlich angerempelt hat. Dasselbe gilt für die Schilderung der Klägerin, sie sei von hinten mit einem massiven Stoß angegangen worden. Hätte der Täter/die Täterin sich rücksichtslos einen Weg durch die Menge bahnen wollen, hätte er/sie die Klägerin eher zur Seite gestoßen, um sich einen Weg zu bahnen, da er/sie bei einem Zusammenstoß damit rechnen musste, ebenfalls zu Fall zukommen und von der Polizei aufgegriffen zu werden.

Dass die Staatsanwaltschaft wegen vorsätzlicher Körperverletzung ermittelt hat, hat für die Beurteilung der Frage, ob ein vorsätzlicher tätlicher Angriff vorliegt, entgegen der Auffassung der Klägerin keine indizielle Wirkung, da, wie oben dargelegt, im sozialgerichtlichen Verfahren eine eigenständige Würdigung der erreichbaren Beweismittel vorzunehmen ist.

Da somit nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin sich ihre Verletzung durch einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff zugezogen hat, hat der Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen zu Recht abgelehnt. Das angefochtene Urteil des SG war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.