Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VG 2210/12 - Urteil vom 13.12.2012
Bedroht ein Täter bei einem Banküberfall die Bankangestellten "nur" mit einer täuschend echt aussehende Attrappe einer Pistole, die aus der Sicht eines vernünftigen Dritten als einsatzfähige Schusswaffe angesehen worden wäre, steht die tatsächliche Ungefährlichkeit der Scheinwaffe der Annahme eines tätlichen Angriffs i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht entgegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) darüber, ob die Klägerin infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Die 1985 geborene und als Bankkauffrau bei der Volksbank H. e.G., Zweigstelle H.-F., beschäftigte Klägerin stellte am 28.09.2009 beim Landratsamt H. - Versorgungsamt - (im Folgenden: Landratsamt) einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Zur Begründung gab sie an, sie leide wegen eines Banküberfalls am 13.02.2009 auf die Bankfiliale H.-F. an einer posttraumatischen Belastungsstörung, wegen derer sie sich in ständiger psychologischer Behandlung befinde.
Im seit 29.09.2009 rechtskräftigen Strafurteil des Landgerichts H. (Geschäftsnummer 3 KLs 12 Js 13621/09) finden sich zum hier maßgeblichen Sachverhalt zusammengefasst die folgenden Ausführungen:
Der 27 Jahre alte S befand sich am Freitag, den 13.02.2009 vormittags mit seinem BMW auf der Fahrt von S. nach H., als er den Entschluss fasste, die in H.-F. gelegene Filiale der Volksbank H. zu überfallen. In Ausführung dieses Tatplans parkte S gegen 11:00 Uhr etwa 50 Meter von der Filiale entfernt sein Fahrzeug in einer in der Nähe der Bank gelegenen Seitenstraße. Zur Tat fest entschlossen nahm er die von ihm zufällig im Kofferraum des Fahrzeugs mitgeführte ungeladene Schreckschusspistole der Marke Perfecta, Mod. FBI 8000, Cal. 8 mm mit dem Zulassungszeichen "PDB im Kreis" an sich, die er zu einem nicht mehr aufklärbaren Zeitpunkt für die Konstanzer Fassnacht erworben hatte. Munition für diese täuschend echt aussehende Waffe besaß der Angeklagte nicht. Er steckte die Waffe in seine Hosentasche und verdeckte sie anschließend mit dem von ihm getragenen schwarzen Kapuzenpullover. Außerdem nahm er spätestens zu diesem Zeitpunkt eine im Fahrzeug mitgeführte Sonnenbrille und Handschuhe an sich, um sich damit während des Überfalls zu maskieren. Derart ausgestattet beobachtete er vom Gehweg der Backhausstraße die Kundenräume der Bankfiliale und betrat gegen 11:20 Uhr, nachdem er die Sonnenbrille aufgesetzt, die Kapuze des Pullovers über den Kopf bis an die Sonnenbrille ins Gesicht gezogen und den Schal über seine Wangen- und Mundpartie gelegt sowie die Handschuhe angezogen hatte, den Schalterraum, in dem sich zu diesem Zeitpunkt außer der Klägerin der Bankberater K aufhielt. S nahm die mitgeführte Pistole mit seiner rechten Hand aus seiner Hosentasche und begab sich an den - vom Kundenbereich aus gesehenen - rechten Bankschalter. Dort richtete er die Waffe aus naher Entfernung deutlich sichtbar auf den Kundenberater K, der zur Bedienung des vermeintlichen Kunden an den Schalter getreten war, und forderte diesen mit den Worten "Geld her, das ist kein Spaß" auf, Bargeld in die von S mitgebrachte Stofftasche zu packen und ihm zu übergeben. In diesem Moment gingen K und die Klägerin, die an einem Schreibtisch hinter dem linken Kundenschalter saß, von der Echtheit der ihnen vorgehaltenen Schusswaffe aus und fürchteten deshalb um ihr Leben. Während die Klägerin aus Angst regungslos an ihrem Schreibtisch sitzen blieb, forderte K unter dem Eindruck der für ihn als lebensbedrohlich empfundenen Situation den gesamten Inhalt des Faches 4 aus dem automatischen Kassentresor an. Unterdessen begab sich S zum linken Kundenschalter, von wo aus er seine Waffe zunächst auf die Klägerin und danach wieder auf K richtete. Nach dem Öffnen der Tresortüre, die sich erst mit einer Zeitverzögerung von 30 Sekunden öffnen ließ, packte K aus Sorge um sich und um das Wohl der Klägerin weisungsgemäß sämtliche Geldscheine in einem Gesamtwert von etwa 16.000 bis 17.000 EUR in die Stofftüte des S. Diese wollte er sodann S reichen. S nahm die Tasche allerdings nicht an, sondern verlangte weiteres Geld. Deshalb löste K am automatischen Kassentresor das Fach 2 aus, das erst nach einer Zeitverzögerung von fünf Minuten zu öffnen ist. Obwohl K S darauf hingewiesen hatte, dass das Auslösen des zweiten Faches fünf Minuten in Anspruch nehmen würde, und auch die Klägerin bestätigt hatte, dass es lange dauern würde und er doch schon sehr viel Geld habe, blieb S die ganze Zeit von fünf Minuten vor dem linken Bankschalter stehen und hielt die Waffe während dessen auf den Körper von K gerichtet, der in Todesangst den Countdown des Auslösemechanismus verfolgte. Gesprochen wurde hierbei von keinem der Anwesenden. Nach etwa zwei Minuten fragte S nach Möglichkeiten, um das Öffnen des Tresors zu beschleunigen. Als die Klägerin ihm hierauf entgegnete, dass dies nicht möglich sei, wartete S weiterhin gelassen mit der Pistole im Anschlag. Etwa vier Minuten nach Auslösen des Faches 2 betrat eine nichts ahnende Kundin die Bankräume und begab sich an den rechten Bankschalter. Deshalb wechselte S die Waffe von der rechten in die linke Hand, die er vor der Kundin verdeckte. Gleichzeitig wies der immer noch völlig gelassen vor dem Schalter stehende S die Klägerin an, die Kundin zu bedienen, worauf diese sich an den rechten Schalter zu der Kundin begab und der Aufforderung des S nachkam. Unmittelbar danach löste das Fach 2 aus, woraufhin K auch dieses Geld im Gesamtwert von etwa 6.000 EUR aus dem automatischen Kassentresor entnahm, in die Stofftasche des S packte und sie diesem aushändigte. S nahm die Tasche, in der sich nun insgesamt 23.780 EUR befanden, sofort an sich, packte die Pistole in die Tasche, drehte sich um, verließ schnellen Schrittes die Bankfiliale und begab sich zu seinem Auto, mit dem er sich umgehend vom Tatort entfernte. Die Klägerin leidet seither an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie war zunächst eine Woche arbeitsunfähig und anschließend zweieinhalb Wochen in einer anderen Filiale eingesetzt. Erst nach einer psychologischen Behandlung konnte sie wieder in der Filiale in F. arbeiten, befindet sich aber immer noch in psychologischer Behandlung. S verpflichtete sich zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Klägerin von 4.000 EUR, was bei der Strafzumessung strafmildernd gewertet wurde. Strafschärfend fiel ins Gewicht, dass S K über einen relativ langen Zeitraum direkt mit der Schusswaffe bedroht hat und die Klägerin zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht H. am 29.09.2009 noch psychisch unter den Folgen der Tat gelitten hat. S wurde daher wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit Bescheid vom 11.12.2009 lehnte das Landratsamt nach Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und des Krankheitsverzeichnisses der Krankenkasse den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 OEG liege vor, wenn der Täter das Opfer vorsätzlich mit einer scharf geladenen, entsicherten Schusswaffe bedrohe. Bei einer ungeladenen Schreckschusspistole sei sicher von keiner objektiven Gefahr auszugehen.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend gemacht, durch die Bedrohung mit der Waffe sei sowohl eine Freiheitsberaubung als auch eine vollendete Körperverletzung durch Herbeiführung einer vorsätzlichen Gesundheitsbeschädigung begangen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2010 wies das Regierungspräsidium St. den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein tätlicher Angriff um so eher zu bejahen sei, je größer die objektive Gefahr für Leib oder Leben des Bedrohten sei. Objektiv habe bei der ungeladenen Schreckschusspistole keinerlei Gefahr vorgelegen. Der vor dem Schalter stehende Bankräuber habe die Klägerin völlig gelassen angewiesen, eine nichts ahnende Kundin zu bedienen, worauf sich die Klägerin an den rechten Schalter begeben habe, um der Aufforderung des Bankräubers nachzukommen. Keine Rolle spiele, ob sich die Klägerin subjektiv bedroht gefühlt habe. Das Vorbringen, durch die Bedrohung mit der Waffe mit bedingtem Vorsatz sei sowohl eine Freiheitsberaubung als auch eine vollendete Körperverletzung begangen worden, könne nicht zur Annahme eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG führen.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.03.2010 Klage beim Sozialgericht H. (SG) erhoben. Im Erörterungstermin vom 14.10.2011 hat die Klägerin ihr Klagebegehren dahingehend eingeschränkt, es werde lediglich die Feststellung, dass ein schädigendes Ereignis im Sinne des OEG stattgefunden habe, begehrt. Leistungsansprüche würden hingegen derzeit nicht geltend gemacht.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2012 hat das SG nach vorangegangener Anhörung der Beteiligten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2010 festgestellt, dass das bei der Klägerin vorliegende posttraumatische Belastungssyndrom Folge eines tätlichen Angriffs sei. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es sei auch vom Beklagten nicht bestritten worden, dass die Klägerin seit dem Überfall an einer posttraumatischen Belastungsreaktion leide. Diese gesundheitliche Schädigung sei durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff verursacht worden. Der tätliche Angriff setze im Grundsatz eine körperliche Gewalteinwirkung gegen eine Person voraus. Eine gewaltsame Einwirkung auf den Körper eines anderen könne auch schon bei einem physisch vermittelten Zwang vorliegen, ohne dass es zu einer körperlichen Berührung zwischen Täter und Opfer kommen müsse. Auch ohne einen tatsächlichen Verletzungserfolg bestehe in diesen Fällen wegen der Angriffshandlung bereits eine objektive Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der anderen Person. Ein tätlicher Angriff werde auch in einer Freiheitsberaubung oder in einem Angriff auf die körperliche Bewegungsfreiheit gesehen. Werde keine direkte körperliche Gewalt ausgeübt, könne also auch die Drohung mit Gewalt als tätlicher Angriff bewertet werden. Dies sei umso eher der Fall, je größer die objektive Gefahr für Leib und Leben des Bedrohten sei, wobei eine feste Grenzziehung nicht möglich sei. Maßgeblich für die Frage, ob ein tätlicher Angriff bei Drohung mit Gewalt anzunehmen sei oder nicht, sei, ob die Situation sich aus Sicht eines objektiven Dritten so darstelle, dass eine Drohung mit Gewalt unmittelbar in eine tatsächliche Gewaltanwendung überzugehen drohe. Dabei sei für den Standpunkt des objektiven Dritten allerdings nicht ein "allwissender" objektiver Dritter, der z.B. wisse, dass der drohende Täter innerlich keinen Vorsatz zur Gewaltanwendung habe oder dass es sich bei der verwendeten Pistole lediglich um eine Attrappe handele, anzunehmen. Objektiver Dritter sei ein Unbeteiligter, der ohne weitergehende Kenntnisse die Situation als "Zuschauer" verfolge. Unter Anwendung dieser Grundsätze ergebe sich, dass S sowohl die Klägerin als auch ihren Kollegen mit einer von beiden nicht als Attrappe erkannten Waffe bedroht und diese Drohung über einen Zeitraum von mindestens 10 Minuten aufrecht erhalten habe, wobei er wechselseitig beide Bankangestellten bedroht habe. Ein objektiver Dritter hätte ohne weiteres befürchten müssen, dass die Situation durch direkte Gewaltanwendung eskaliere, wenn dem Täter das verlangte Geld nicht ausgehändigt werde. Eine Erhöhung der Gefahr sei insbesondere aus Sicht eines Dritten eingetreten, als S wegen des Ablaufs des Countdowns zur Öffnung des zweiten Tresores nachgesetzt und ein schnelleres Öffnen des Tresors verlangt habe. Dieser Sachverhalt sei der Drohung mit einer entsicherten und geladenen Pistole oder der Gewaltausübung gegen Sachen gleichzustellen. Dass dieser tätliche Angriff rechtswidrig und vorsätzlich gewesen sei, liege auf der Hand und werde durch die Verurteilung des S durch das Landgericht H. bestätigt.
Gegen den dem Regierungspräsidium am 26.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 25.05.2012 Berufung eingelegt und nochmals eingewandt, es komme für die Frage, ob ein tätlicher Angriff zu bejahen sei, auf die objektive Gefahr für Leib oder Leben der Klägerin und nicht darauf an, wie diese sie subjektiv empfunden habe. Da es sich bei der am 13.02.2009 benutzten Waffe um eine ungeladene Schreckschusspistole gehandelt habe und nicht um eine echte Waffe, sei eine objektive Gefahr und damit ein tätlicher Angriff nicht nachgewiesen, was zu Lasten der Klägerin gehe. Außerdem habe das BSG in seiner Rechtsprechung keine Ausführungen dazu gemacht, ob der "vernünftige Dritte" die mögliche Gefährdungssituation ex post oder ex ante betrachte. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass entgegen der Ansicht der Klägerin der Gewaltbegriff des OEG regelmäßig nicht weit ausgelegt werden solle und sich nicht ausschließlich am strafrechtlichen Gewaltbegriff orientiere, sondern lediglich auf die §§ 113, 121 Strafgesetzbuch (StGB) Bezug nehme. Beide Tatbestände verwendeten den Begriff des "tätlichen Angriffs". Insofern werde der strafrechtlich uneinheitlich verwendete Gewaltbegriff durch das BSG eingeschränkt.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 23. April 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hat zur Begründung nochmals auf die Rechtsprechung des BSG insbesondere zum Vorliegen eines tätlichen Angriffs Bezug genommen und ausgeführt, es sei gefestigte Rechtsprechung, dass stets aus ex ante Sicht die Sachlage zu beurteilen sei. Werde der Täter nicht auf "frischer Tat" ergriffen, könne von Seiten des Täters regelmäßig eingewandt werden, dass es sich um eine Schreckschusswaffe gehandelt habe oder die Waffe zumindest nicht geladen gewesen sei. Nach der Rechtsansicht des Beklagten ginge in all diesen Fällen aufgrund des Mangels der Feststellbarkeit der objektiven Bedrohung durch den Ladezustand der Schusswaffe dies zu Lasten des Opfers, was nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sei. Außerdem wäre das Opfer der Straftat regelmäßig gehalten, sich dem Angriff auf seine Willensfreiheit nicht zu beugen, um festzustellen, ob der Täter nicht nur eine geladene Schusswaffe bei sich führe, sondern auch bereit sei, diese einzusetzen. Selbst in dem extrem unwahrscheinlichen Fall, dass das Opfer bei einer ungeladenen Schusswaffe dies erkennen könnte, wäre es nunmehr darauf verwiesen, dem Täter dies mitzuteilen, um anschließend festzustellen, ob dieser möglicherweise nunmehr bereit sei, körperlich, z.B. mit der Schusswaffe als Schlaginstrument, den Angriff fortzuführen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat die beigezogenen Überwachungsvideos in Augenschein genommen, auf denen der Banküberfall von mehreren Überwachungskameras im Inneren der Bankfiliale in Bildsequenzen festgehalten worden ist.
Soweit im Gerichtsbescheid vom 23.04.2012 als Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt worden ist, hat die Klägerin in der Verhandlung auf ihre Rechte aus dem Gerichtsbescheid verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegte Behördenakte, die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft H. und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Insoweit hat das SG zu Recht den ablehnenden Bescheid vom 11.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2010 aufgehoben und der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG stattgegeben. Nachdem die Klägerin teilweise auf ihre Rechte aus dem Gerichtsbescheid verzichtet hat, ist streitbefangen allein die begehrte Feststellung, dass die Klägerin am 13.02.2009 Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Danach erhält, wer im Geltungsbereich des OEG in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Der Senat orientiert sich bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1 OEG an der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizinverordnung; VersMedV), die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX 2008) getreten ist (st. Senatsrechtsprechung, zuletzt Urteil vom 25.10.2012 - L 6 VG 679/12).
Danach wird als Schädigungsfolge im sozialen Entschädigungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigten ist (VG Teil A Nr. 1 a). Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze ist die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (VG Teil C Nr. 1 b Satz 1).
Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung (VG Teil C Nr. 2 a). Hinsichtlich dieser Anspruchsvoraussetzungen bedarf es des Vollbeweises. Auch wenn keine absolute Gewissheit hinsichtlich der festzustellenden Tatsache verlangt wird, bedarf es doch eines Wahrscheinlichkeitsgrades, der so hoch ist, dass hinsichtlich der Tatsache kein vernünftiger Zweifel mehr besteht. Fehlt es daran, geht dies zu Lasten des Antragstellers. Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt, im Falle eines Antrags nach § 1 OEG somit der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff. Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang (VG Teil C Nr. 2 c Halbsatz 1).
Nicht im Streit steht zwischen den Beteiligten, dass die Klägerin am 13.02.2009 Opfer eines Banküberfalles geworden ist. Hierbei handelt es sich um einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff (auch) gegenüber der Klägerin. Dass S hierbei "nur" eine Schreckschusspistole bei sich geführt und damit beide Bankangestellten bedroht hat, steht im Hinblick darauf, dass es sich hierbei nach den polizeilichen Feststellungen um eine täuschend echt aussehende Attrappe gehandelt hat, der Annahme eines tätlichen Angriffs nicht entgegen. Soweit der Beklagte mangels Vorliegens einer objektiven Gefahrenlage einen solchen tätlichen Angriff verneint und daher den Antrag abgelehnt hat, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen, da dies vorliegend zu einer nicht mit der gesetzgeberischen Zielsetzung in Einklang zu bringenden Einengung des Schutzbereichs des OEG führen würde.
Zwar entschädigt das OEG nicht jeden von einem beliebigen Unglücksfall Betroffenen, wie etwa eine allgemeine Volksversicherung gegen schwere Unfälle aller Art. Selbst die Opfer von Straftaten werden nicht ausnahmslos, sondern nur als Betroffene einer mit Gewaltanwendung verbundenen Straftat entschädigt (BT-Drucks. 7/2506 S. 10). Mit dem Abgrenzungsmerkmal "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" scheidet das Gesetz die entschädigungspflichtigen von den sonstigen Straftaten. Es erweitert den auf diese Weise eng gehaltenen Kreis entschädigungsberechtigter Opfer nur um die in § 1 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 OEG genannten Fälle des mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Delikts und der vorsätzlichen Giftbeibringung, weil hier ebenfalls ein gewaltsamer Bruch der Rechts- und Friedensordnung vorliegt (vgl. BT-Drucks. a.a.O.). Damit sind reine Vermögensschäden, wie sie durch Betrug, Untreue und ähnliche Straftaten häufig entstehen, von staatlicher Entschädigung nach dem OEG ebenso ausgenommen wie die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen solcher Straftaten. So würden z.B. die Angehörigen eines um sein gesamtes Vermögen gebrachten Betrugsopfers keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung erwerben, wenn sich der Betrogene aus Gram über den Verlust von Hab und Gut umbringt (BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 18). Andererseits werden auch mit dem Erfordernis einer Gewalttat nicht alle opferentschädigungspflichtigen Taten erfasst.
Der unbestimmte Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs i.S. des § 1 OEG hat seine Konturierung durch die Rechtsprechung des BSG erhalten und erfuhr im Laufe der Jahre anhand einzelner Fallgestaltungen eine Entwicklung, die das BSG in seiner opferentschädigungsrechtlichen Beurteilung von strafrechtlich relevanten Stalking-Fällen nochmals zusammengefasst hat (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18). Hieraus ergibt sich, dass die Entscheidung des BSG vom 24.07.2002 (SozR 3-3800 § 1 Nr. 22), auf die sich der Beklagte gestützt hat und wonach eine Gewalttat dann angenommen werden muss, wenn der Täter das Opfer vorsätzlich mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe bedroht hat, nicht als Beschreibung einer mindestens zu fordernden Gefahrenlage zu verstehen ist. Die hervorzuhebende Besonderheit dieses Sachverhaltes lag vielmehr darin, dass in dieser Fallkonstellation ein entschädigungspflichtiger tätlicher Angriff i.S. des § 1 OEG angenommen wurde, obwohl es an einem Tötungs- und Verletzungsvorsatz gefehlt hat (so auch Rademacher, in: Knickrehm, Kommentar zum Gesamten Sozialen Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 1 Rdnr. 38).
Grundsätzlich ist der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung (§§ 113, 121 StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 17).
Der Gesetzgeber hat allerdings durch den Begriff des "tätlichen Angriffs" den schädigenden Vorgang i.S. des § 1 OEG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begrenzt und den im Strafrecht uneinheitlich verwendeten Gewaltbegriff eingeschränkt (BSG SozR 3800 § 1 Nr. 4 (Flucht vor Einbrecher); BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 18 (Mobbing)). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff i.S. des § 240 StGB zeichnet sich der tätliche Angriff i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zwar grundsätzlich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus (vgl. insbesondere BT-Drucks 7/2506 S. 10) und liegt daher im Regelfall bei einem gewaltsamen, handgreiflichen Vorgehen gegen eine Person vor (BSG SozR 3800 § 1 Nrn. 1, 4 und 6 sowie Begründung des Regierungsentwurfs zum OEG, BT-Drucks 7/2506 S 10, 13 f), wobei es eines aggressiven Verhaltens des Täters nicht zwingend bedarf, da auch nicht zum (körperlichen) Widerstand fähige Opfer von Straftaten den Schutz des OEG genießen sollen (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18 m.w.N.). Eine gewaltsame Einwirkung auf den Körper eines anderen kann nach der Rechtsprechung des BSG aber auch schon bei einem physisch vermittelten Zwang vorliegen, ohne dass es zu einer körperlichen Berührung zwischen Täter und Opfer kommen muss (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24.09.1992 - 9a RVg 5/91 - zit. n. Juris (Aussetzung); BSG SozR 3-3800 § 10a Nr. 1 (Blockade mit Kraftfahrzeug)). Ungeachtet eines verwirklichten Verletzungserfolgs besteht in diesen Fällen wegen der Angriffshandlung bereits eine objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit der anderen Person; damit geht regelmäßig die reale Gefahr eines Körperschadens einher. Ob in diesen Fällen die Grenze zum tätlichen Angriff i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG überschritten ist, beurteilt das BSG aus der objektiven Sicht eines vernünftigen Dritten und orientiert sich dabei an folgenden Grundsätzen:
Je gewalttätiger die Angriffshandlung gegen eine Person nach ihrem äußeren Erscheinungsbild bzw. je größer der Einsatz körperlicher Gewalt oder physischer Mittel ist, desto geringere Anforderungen sind zur Bejahung eines tätlichen Angriffs in objektiver Hinsicht zu stellen. Je geringer sich die Kraftanwendung durch den Täter bei der Begehung des Angriffs darstellt, desto genauer muss geprüft werden, inwiefern durch die Handlung - unter Berücksichtigung eines möglichen Geschehensablaufs - eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestand. Die Grenze zwischen einem sozialadäquaten Verhalten und einem tätlichen Angriff ist grundsätzlich so zu bestimmen, dass auch das bereits objektiv hochgefährdete Opfer bei Abwehr-, Ausweich- oder Fluchtreaktionen den Schutz des OEG genießt; sie ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Abwehr eines solchen Angriffs unter dem Gesichtspunkt der Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt wäre (BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 22 zur Drohung mit Gewalt). Die Angriffshandlung (bzw. der Einsatz körperlicher Mittel) muss für sich genommen nicht gravierend sein, um - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - eine hinreichende Gefährdung von Leib oder Leben des Opfers und damit einen tätlichen Angriff i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG anzunehmen.
S ist vorliegend wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt worden, d. h. wegen eines erschwerten Falles einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 255 StGB. In der Strafjustiz wird die Verwendung von Scheinwaffen schon seit langem der Bedrohung mit geladenen Waffen gleichgestellt (seit BGHSt 38, 116; vgl. zuletzt BGH, Urteile vom 18.08.2010 - 2 StR 295/10 - und 22.06.2011 - 2 StR 135/11 - Juris), wobei eine Drohungswirkung im Nachhinein verneint wird, wenn die objektive Ungefährlichkeit eines vorgeblich gefährlichen Gegenstandes schon nach dessen äußeren Erscheinungsbild offenkundig auf der Hand liegt. Dabei kommt es nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall das Tatopfer eine solche Beobachtung tatsächlich machen konnte oder ob der Täter dies durch sein täuschendes Vorgehen gerade vereitelte (zur Sporttasche, die der Täter täuschend als Bombe bezeichnet BGH, Urteil vom 18.08.2010, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Klägerin Opfer eines tätlichen Angriffs geworden. Der äußere Anschein der Schreckschusspistole gab keinen Anhalt für einen objektiv ungefährlichen Gegenstand. S hat, wenn auch nicht durch unmittelbaren Körperkontakt, körperlich auf die Klägerin eingewirkt. Denn er hat sie durch die gezielte Bedrohung zur Aufgabe ihrer Bewegungsfreiheit gezwungen. Hierzu hat er ein physisches Mittel eingesetzt, das aus der objektiven Sicht eines vernünftigen Dritten als einsatzfähige Schusswaffe angesehen worden wäre. Mit dieser Waffe hat S u.a. auf die Klägerin gezielt, wie sich aus den in Augenschein genommenen Bildsequenzen ergibt. Wiederum aus der objektiven Sicht eines vernünftigen Dritten konnte kein Zweifel daran bestehen, dass S bereit gewesen ist, mit der Waffe auf die Klägerin zu schießen, hätte diese entweder Alarm gegeben, Flucht- oder Verteidigungsversuche unternommen oder sich schlicht geweigert, den Aufforderungen von S nachzukommen. Mithin bestand für die Klägerin nicht nur aus deren Sicht, sondern auch aus der maßgeblichen objektiven Sicht eines vernünftigen Dritten akute Leibes- und Lebensgefahr, die sich jederzeit hätte realisieren können. Anders als im vom BSG negativ entschiedenen Fall der Flucht vor einem Einbrecher (SozR 3800 § 1 Nr. 4) ist vorliegend ein aktives Tun erwiesen, das unmittelbar auf eine Person, die Klägerin, zielte und auf diese einwirken sollte. Dass im Strafurteil des Landgerichts H. ausgeführt wird, S habe "gelassen" auf das Öffnen des zweiten Tresorfaches gewartet, kann aus Sicht des Senats eine Minderung der Gefahrenlage nicht begründen. Es handelt sich insoweit um eine terminologische Interpretation der Körperhaltung von S, die auch als "kühl berechnend", "abgebrüht" oder "professionell" beschrieben werden kann, und auf die objektive Sicht keinen Einfluss haben kann.
Der Senat verkennt nicht, dass der Gesetzgeber mit der Begründung eines Opferentschädigungsanspruchs die Entschädigungslast des Staates von vornherein begrenzen wollte und einerseits zwar davon ausging, es sei Aufgabe des Staates, die Bürger vor Gewalttaten zu schützen, und er müsse sich für die Entschädigung des Opfers verantwortlich fühlen, wenn er diese Pflicht im Einzelfall nicht erfüllen könne (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 7/2506 S. 7 I A und 10 II A), andererseits aber auch die Gesetzgebungsorgane auch wegen der noch unübersehbaren Kosten des neuartigen Gesetzes dafür sorgen mussten, dass das Gesetz nicht im Laufe der Zeit in Richtung auf eine allgemeine Volksversicherung gegen schwere Unfälle jeder Art ausgeweitet wird (vgl. Regierungsentwurf a.a.O., S. 10 II A, S. 12 IV und Stellungnahme des Bundesrats in BT-Drucks. 7/2506 S. 21 Nr. 6 zu § 5; BT-Drucks. 7/4614, S. 3, A 2). Es stellt sich jedoch als nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar, würde der mit einer geladenen und entsicherten Schusswaffe Bedrohte dem Schutz des OEG unterstellt, derjenige aber, der auch aus Sicht eines vernünftigen Dritten derselben Gefahrenlage ausgesetzt ist und deshalb z.B. beim Fluchtversuch oder einer Notwehrhandlung zu Schaden kommt, vom Anwendungsbereich des OEG ausgenommen. Dass solche Opferreaktionen mit in den Blick und den Schutz des OEG aufzunehmen sind, hat das BSG mehrfach betont (vgl. z.B. BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 22).
Der Senat überschreitet insoweit auch nicht die Grenze der Wortlautinterpretation, die das BSG jedenfalls dann für überschritten hält, wenn sich die auf das Opfer gerichtete Einwirkung - ohne Einsatz körperlicher Mittel - allein als intellektuell oder psychisch vermittelte Beeinträchtigung darstellt und nicht unmittelbar auf die körperliche Integrität abzielt (in diese Richtung bereits BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 18 (Mobbing)). Denn vorliegend hat S unter Einsatz körperlicher Mittel, der Schusswaffenattrape, unmittelbar auf die körperliche Integrität der Klägerin und ihres Kollegen eingewirkt.
Auch der Vergleich der Gefahren- und Bedrohungsintensität, die nach der Rechtsprechung des BSG Ansprüche nach dem OEG begründet, rechtfertigt, den vorliegenden Sachverhalt unter den Schutz des OEG zu stellen. So hat das BSG in einem Fall der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) allein das Wegversperren und das Zurückstoßen und -drängen des Opfers zur Durchsetzung des Verbots, die Wohnung zu verlassen, ausreichen lassen, um das Vorliegen eines tätlichen Angriffs zu bejahen. Denn aus einem solchen Verhalten des Täters könne der Schluss auf eine drohende verstärkte Gewaltanwendung bei einem ggf. beabsichtigten Widerstand des Opfers gezogen werden (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 10) und damit auf eine objektiv hohe Gefährdungslage für das Opfer. Entsprechendes gilt für das absichtliche Versperren eines Fahrradweges, das im Falle der Kollision mit einer erheblichen Verletzungsgefahr für das Opfer verbunden ist (BSG SozR 3-3800 § 10a Nr. 1), sowie für das Zünden von Feuerwerkskörpern in unmittelbarer Nähe einer anderen Person (BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 14; SozR 3-3800 § 1 Nr. 1 ). Sowohl hinsichtlich der bedrohten Rechtsgüter als auch der Unmittelbarkeit der Gefahrenlage stellte sich aus der objektiven Sicht eines vernünftigen Dritten für die Klägerin die Angriffslage jedenfalls nicht geringfügiger dar.
Dass es sich vorliegend darüber hinaus um einen vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff gehandelt hat, ist unbestritten und wird durch die strafrechtliche Verurteilung des S bestätigt.
Nach alledem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob eine mit einer Scheinwaffe ausgeübte Drohung mit Gewalt einen tätlichen Angriff i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG darstellt, bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist, im Schrifttum kontrovers diskutiert wird (vgl. BSG SozR 3800 § 1 Nr. 4 Rdnr. 18 m.w.N.) und somit grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat.