Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VG 2519/05 - Urteil vom 09.11.2006
Hinterbliebenenrenten nach dem Opferentschädigungsgesetz stellen Einkommen im Sinne des § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) dar, denn sie haben, anders als Beschädigtenrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz, ausschließlich Unterhaltsersatzfunktion.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegen den Beklagten einen Erstattungsanspruch hat.
Der Ehegatte der Beigeladenen zu 1. und Vater der Beigeladenen zu 2. fiel in der Nacht vom 11. auf den 12. Februar 2003 einem Gewaltverbrechen zum Opfer.
Ab 1. August 2003 gewährte die Klägerin der aus den Beigeladenen zu 1. und zu 2. sowie dem mit der Beigeladenen zu 1. in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebenden E. N. bestehenden Bedarfsgemeinschaft Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Form von Bekleidungsbeihilfe (BeklBH), Schwangerschaftsbeihilfe (SchwBH), Hilfe zum Lebensunterhalt (HZU), Mietzuschuss (MietZU) und Krankenversicherungsbeiträgen (KVBeitr) im Monat August 2003 in Höhe von 431,00 EUR (BeklBH laut Bescheid vom 28. August 2003), im Monat September 2003 in Höhe von 166,67 EUR (HZU und MietZU laut Bescheid vom 31. Oktober 2003; zur Auszahlung kamen statt der bewilligten 226,37 EUR nur 116,97 EUR), im Monat Oktober 2003 in Höhe von 181,32 EUR (HZU und MietZU laut Bescheid vom 31. Oktober 2003; zur Auszahlung kamen statt der bewilligten 240,72 EUR nur 181,32 EUR), im Monat November in Höhe von 725,72 EUR (SchwBH laut Überweisung vom 5. November 2003 und HZU und MietZU laut Bescheid vom 14. November 2003), im Monat Dezember 2003 in Höhe von 240,72 EUR (HZU und MietZU laut Bescheid vom 14. November 2003), im Monat März 2004 in Höhe von 663,20 EUR (HZU und MietZU laut Bescheid vom 25. März 2004), im Monat April 2004 in Höhe von 1.244,98 EUR (KVBeitr laut Überweisungen vom 16. und 26. April 2004 und HZU und MietZU laut Bescheid vom 25. März 2004), im Monat Mai 2004 in Höhe von 633,20 (HZU und MietZU laut Bescheid vom 25. März 2004), im Monat Juni 2004 in Höhe von 912,29 EUR (HZU und MietZU laut Bescheid vom 24. Mai 2004) und im Monat Juli 2004 in Höhe von 912,29 EUR (HZU und MietZU laut Bescheid vom 24. Mai 2004).
Mit dem beim Beklagten am 2. September 2003 eingegangen Schreiben vom 26. August 2003 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie gewähre diese Leistungen als Vorschuss auf die vom Beklagten zu erwartenden Leistungen und erhob Ersatzanspruch auf die Nachzahlung. Die genaue Höhe des Erstattungsanspruchs sei bei ihr zu erfragen. Mit Schreiben vom 28. August 2003 bestätigte der Beklagte den Antragseingang und erkannte seine Kostenerstattungspflicht nach § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf die Nachzahlung an. Nach Abschluss des Verfahrens würde er die Höhe des Erstattungsanspruchs erfragen.
Mit den Erstanerkennungsbescheiden vom 17. Juni 2004 und Ergänzungsbescheiden vom 18. Juni 2004 stellte der Beklagte fest, dass der Ehemann der Beigeladenen zu 1. und Vater der Beigeladenen zu 2. an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) gestorben sei und bewilligte der Beigeladenen zu 1. Witwenrente ab 1. März 2003 in Höhe von 368,00 EUR und ab 1. Juli 2003 in Höhe von 372,00 EUR sowie der Beigeladenen zu 2. Halbwaisenrente ab 1. März 2003 in Höhe von 104,00 EUR und ab 1. Juli 2003 in Höhe von 105,00 EUR.
Ab 1. September 2004 gewährte die Klägerin Sozialhilfe nach dem BSHG unter Anrechnung der vom Beklagten bewilligten Leistungen. Mit dem beim Beklagten am 1. September 2004 eingegangenen Schreiben vom 25. August 2004 bezifferte die Klägerin ihre Gesamtaufwendungen für die Zeit vom 1. August 2003 bis zum 31. Juli 2004 auf 6.141,75 EUR und bat um Überweisung des ihr zustehenden Betrages. Mit Schreiben vom 7. September 2004 führte der Beklagte aus, der Ersatzanspruch könne hinsichtlich der Grundrenten nicht berücksichtigt werden.
Am 29. September 2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Da ihre Aufwendungen in einzelnen Monaten über den vom Beklagten bewilligten Beträgen und in einzelnen Monaten unter den vom Beklagten bewilligten Beträgen gelegen hätten, belaufe sich der Erstattungsanspruch für die Monate August 2003 auf 431,00 EUR, September 2003 auf 166,67 EUR, Oktober 2003 auf 181,32 EUR und Dezember 2003 auf 240,72 EUR sowie November 2003 und März bis Juli 2004 auf jeweils 477,00 EUR und mithin insgesamt auf 3.881,71 EUR. Mit Beschluss vom 14. Februar 2005 lud das SG L. (Beigeladene zu 1) und E. S. (Beigeladene zu 2) zum Rechtsstreit bei. Mit Urteil vom 18. Mai 2005 verurteilte das SG den Beklagten, an die Klägerin für die Zeit vom 1. August 2003 bis zum 31. Juli 2004 einen Betrag in Höhe von 3.881,71 EUR zu bezahlen und dadurch den gesetzlichen Erstattungsanspruch der Klägerin zu erfüllen.
Gegen das ihm am 13. Juni 2005 zugestellte Urteil des SG hat der Beklagte am 21. Juni 2005 Berufung eingelegt. Nach § 76 Abs. 1 BSHG müsse die Grundrente anrechnungsfrei bleiben. Dies gelte sowohl für die Beschädigtengrundrente und die Hinterbliebenengrundrente nach dem BVG als auch nach den Nebengesetzen wie dem OEG.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Mai 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten erklärten mit ihren Schreiben vom 6. und 14. Dezember 2005 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage war zulässig. Die Klägerin konnte nur eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG erheben. Denn die Beteiligten sind gleichgeordnete öffentlich-rechtliche Leistungsträger, die die sie betreffenden Rechtsverhältnisse nicht durch Verwaltungsakt regeln können (BSG, Urteil vom 23. Februar 1987 - 9a RV 22/86 - SozR 3100 § 16 Nr. 4).
Die Klage war auch begründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Erstattungsanspruch in Höhe von 3.881,76 EUR zusteht.
Der Senat lässt es dahin stehen, ob der Anspruch der Klägerin bereits deshalb besteht, weil der Beklagte mit Schreiben vom 28. August 2003 den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch "anerkannt" hat.
Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen des – nach zwischen den Beteiligten unstreitiger Auffassung – allein als Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren in Betracht kommenden § 104 SGB X gegeben.
Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X). § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X gilt in diesen Fällen nicht (§ 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X). § 104 Abs. 1 SGB X gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte (§ 104 Abs. 2 SGB X). Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 104 Abs. 3 SGB X). Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 SGB X mit befreiender Wirkung geleistet hat (§ 104 Abs. 4 SGB X).
Die Klägerin ist im Verhältnis zum Beklagten gegenüber den Beigeladenen nachrangig leistungsverpflichtet. Dies ergibt sich aus den Vorschriften des BSHG, die bis zum 31. Dezember 2004 gegolten haben.
Demnach erhielt Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 2 Abs. 1 BSHG). Hilfe zum Lebensunterhalt war dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Zum Einkommen im Sinne des BSHG gehörten alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit gewährt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG (§ 76 Abs. 1 BSHG).
Die der Beigeladenen zu 1. gewährte Witwenrente nach § 1 Abs. 8 Satz 1 OEG i. V. m. § 38 BVG und die der Beigeladenen zu 2. gewährte Halbwaisenrente nach § 1 Abs. 8 Satz 1 OEG i. V. m. § 38 BVG und § 45 BVG gehören im Gegensatz zur Beschädigtengrundrente nach dem BVG zum Einkommen im Sinne von § 76 Abs. 1 BSHG. Dies hat – wie schon der 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 30. Oktober 2001 (L 11 VG 2160/01 - veröffentlicht in juris) entschieden hat - zur Folge, dass die Klägerin in Höhe dieser Leistungen im Verhältnis zum Beklagten nachrangig verpflichtet war und ihr daher ein entsprechender Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten zusteht.
Der Grund dafür, dass nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG i. V. m. § 76 Abs. 1 BSHG die Beschädigtengrundrente nach dem BVG nicht auf die Leistungen zum notwendigen Lebensunterhalt angerechnet werden darf, liegt darin, dass die Beschädigtengrundrente nach dem BVG gerade nicht dem allgemeinen Lebensunterhalt dient, sondern eine Entschädigung für die körperliche Beeinträchtigung darstellt und die hierdurch bedingten Mehraufwendungen und Ausgaben ausgleichen soll.
Dieser Gesetzeszweck gilt zwar gleichermaßen für die Beschädigtengrundrente nach § 1 Abs. 1 OEG i. V. m. § 31 BVG, sodass auch diese nicht zum anrechenbaren Einkommen zu zählen ist. Denn auch sie dient nicht dem allgemeinen Lebensunterhalt, sondern ist eine Entschädigung für die körperliche Beeinträchtigung und soll die hierdurch bedingten Mehraufwendungen und Ausgaben ausgleichen. Sie hat zwar auch wirtschaftliche Bedeutung, dient aber nicht der Linderung konkreter Not, setzt also keine Bedürftigkeit voraus und soll nicht den Lebensunterhalt des Beschädigten und seiner Familie sicherstellen (BSG, Urteil vom 28. Juli 1999 - B 9 VG 6/98 R - SozR 3-5910 § 76 Nr 3 m. w. N.).
Die der Beigeladenen zu 1. gewährte Witwenrente nach § 1 Abs. 8 Satz 1 OEG i. V. m. § 38 BVG und die der Beigeladenen zu 2. gewährte Halbwaisenrente nach § 1 Abs. 8 Satz 1 OEG i. V. m. § 38 BVG und § 45 BVG gehören aber im Gegensatz zur Beschädigtengrundrente nach dem BVG und dem OEG zum Einkommen im Sinne von § 76 Abs. 1 BSHG. Hinterbliebenenrenten nach dem OEG haben im Gegensatz zur Beschädigtengrundrente nach dem BVG und dem OEG nur Unterhaltsersatzfunktion.
Denn die Zweckbestimmung des BVG, wonach die Waisenrente nicht nur die durch den Wegfall des Unterhaltspflichtigen erlittene Einbuße ersetzen soll, sondern als zusätzlicher Anknüpfungspunkt auch die im Einzelnen nicht wägbaren Belastungen im menschlichen und persönlichen Bereich hinzukommen, ist auf das OEG nicht uneingeschränkt übertragbar. Die Waisenrente nach dem OEG ist, wie auch sonst im Bereich der sozialen Sicherung, ausschließlich vom Unterhaltscharakter geprägt und ist somit auf einen finanziellen Ausgleich ausgerichtet. Dem steht § 1 Abs. 1 OEG nicht entgegen. Die darin normierte "entsprechende Anwendung des BVG" gibt lediglich den Leistungsmaßstab für die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Gewalttat an, lässt im Übrigen aber die Rechtsqualität der nach dem OEG abgeleiteten Ansprüche unberührt. Dies bestätigt der unterschiedliche Leistungszweck beider Gesetze. Das OEG hat die Gewalttat gerade nicht der durch Kriegseinwirkung bewirkten Schädigung gleichgesetzt. Es hat lediglich wegen der Folgen auf das BVG verwiesen. Das kommt durch die "entsprechende Anwendung des BVG", die auch für Hinterbliebene gilt (§ 1 Abs. 8 OEG), zum Ausdruck. Beide Gesetze unterscheiden sich aber auch dadurch, dass die Hinterbliebenenrente nach dem BVG einem über die Unterhaltssicherung hinausgehenden Zweck dient. Hingegen ist bei Renten nach anderen Gesetzen, die nur in entsprechender Anwendung des BVG zuerkannt werden, ein solcher vergleichsweiser zusätzlicher Bestimmungsfaktor nicht immer enthalten. Eine derartige Differenzierung zwischen Kriegsopfern und Opfern nach dem OEG ist auch sachgerecht. Nach § 1 Abs. 1 BVG sind die Folgen typischen Kriegsgeschehens zu entschädigen. Der Staat hat damit die ihm obliegende Entschädigungspflicht auch und gerade den Kriegsopfern gegenüber anerkannt, weil er den Einsatz der Gesundheit, des eigenen Lebens und des Lebens der Angehörigen verlangt hat. Dieser im BVG verankerte Aufopferungsanspruch ist in § 5 Satz 1 Alt. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) geregelt. Hingegen ist das OEG dem § 5 Satz 1 Alt. 2 SGB I zuzurechnen. Danach wird soziale Entschädigung aus "anderen Gründen" als wegen eines Sonderopfers zugestanden. Die öffentliche Hand haftet für das unvollkommene Funktionieren der dem Staat zukommenden Verbrechensbekämpfung. Die staatliche Gemeinschaft tritt sonach aus Solidarität für den von einer Gewalttat betroffenen Bürger ein (BSG, Urteil vom 23. Oktober 1985 - 9a RVg 4/83 - SozR 3800 § 1 Nr. 5 m. w. N.).
Dem steht auch nicht die Entscheidung des BSG vom 12. Juni 2003 (B 9 V 5/02 R - SozR 4-3100 § 84 a Nr. 2) entgegen. Denn dort hat das BSG lediglich ausgeführt, dass Hinterbliebenenrenten nach dem BVG aus dem Einkommensbegriff des BSHG herausgenommen worden seien. Zwar hat das BSG in dieser Entscheidung auch dargelegt, dass Hinterbliebenenrenten nach dem BVG neben der Unterhaltsersatzfunktion keine prägende immaterielle Funktion zuzumessen sei. Allerdings wurde in dieser Entscheidung auch ausgeführt, dass es bei der Freistellung der Hinterbliebenenrente nach dem BVG vom anzurechnenden Einkommen im Sinne des BSHG um eine ausdrückliche Sonderregelung handelte, die zum Teil auf dringende Vorschläge der Kriegsopferverbände zurückging. Diese Erwägungen gelten für die Hinterbliebenenrenten nach dem OEG nicht, sodass sie anders zu behandeln sind als die Hinterbliebenenrenten nach dem BVG.
Im Übrigen hat auch das BSG in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2002 (B 9 VG 6/01 R - veröffentlicht in SGb 2003, 157 und in juris) angedeutet, dass in einem gleichgelagerten Fall wie dem vorliegenden ein Erstattungsanspruch zu bejahen sei. In dieser Entscheidung hat das BSG den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da ein schriftlicher Leistungsbescheid gegen den dortigen Beigeladenen noch zu ermitteln war und hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass, sollte das Berufungsgericht einen solchen Leistungsbescheid ermitteln, allein deshalb die Berufung des Erstattungsverpflichteten zurückzuweisen und damit das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen sei.
Schließlich weist der Senat darauf hin, dass Brühl seine in LPK-BSHG § 76, Rz. 48 vertretene andere Ansicht nicht begründet hat. Auch, soweit in dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit vom 25. Januar 2000 eine andere Auffassung vertreten wird, vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar wurde § 76 Abs. 1 Satz 1 BSHG durch seine ab 1. Januar 2005 in Kraft getretene Nachfolgevorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) dahingehend ergänzt, dass zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB XII, der Grundrente nach dem BVG und "nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen" und hat der Gesetzgeber in der BR-Drucks. 559/03 dazu ausgeführt, mit der Ergänzung des § 76 BSHG werde "klargestellt", dass auch Grundrenten (Beschädigten- und "Hinterbliebenengrundrente"), die nach den Gesetzen gezahlt würden, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsähen - "beispielsweise das OEG" oder das Infektionsschutzgesetz - nicht als Einkommen gälten. Diese Einschätzung des Gesetzgebers, dass auch schon vor dem 1. Januar 2005 Hinterbliebenenrenten nach § 1 Abs. 8 OEG i. V. m. § 38 BVG und § 45 BVG nicht zum sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähigen Einkommen gehören, trifft aber - wie oben ausführlich dargelegt - gerade nicht zu.
Nach alledem gehört die der Beigeladenen zu 1. gewährte Witwenrente nach § 1 Abs. 8 Satz 1 OEG i. V. m. § 38 BVG und die der Beigeladenen zu 2. gewährte Halbwaisenrente nach § 1 Abs. 8 Satz 1 OEG i. V. m. § 38 BVG und § 45 BVG wegen ihres Charakters als Einkommensersatzleistung im Gegensatz zur Beschädigtengrundrente nach dem BVG und dem OEG und zur Hinterbliebenenrente nach dem BVG zum Einkommen im Sinne von § 76 Abs. 1 BSHG.
Die Klägerin ist daher im Verhältnis zum Beklagten nachrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Sie hat auch unstreitig der aus den Beigeladenen zu 1. und zu 2. sowie dem mit der Beigeladenen zu 1. in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebenden E. N. bestehenden Bedarfsgemeinschaft Sozialhilfe und damit Sozialleistungen erbracht. Zu diesem Zeitpunkt hat der Beklagte auch nicht bereits selbst geleistet. Mithin sind alle Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegeben. Hätte der Beklagte von Anfang an die Hinterbliebenenleistungen erbracht, hätte die Klägerin wegen der Anrechnung dieser Leistungen beim Einkommen der Beigeladenen Hilfe zum Lebensunterhalt insoweit nicht erbringen müssen, sodass auch die Voraussetzung des § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X vorliegen. Auch hat die Klägerin die Höhe ihres Erstattungsanspruchs zutreffend berechnet. In den Monaten August bis Oktober und Dezember 2003 lag die Sozialhilfe betragsmäßig unter den Hinterbliebenenrenten, sodass die Klägerin für diese Monate nur ihre erbrachten Leistungen in Höhe von 431,00 EUR (August 2003), 166,97 EUR (September 2003), 181,32 EUR (Oktober 2003) und 240,72 EUR (Dezember 2003) geltend machen konnte. In den Monaten November 2003 und März bis Juli 2004 lag die Sozialhilfe betragsmäßig über den Hinterbliebenenrenten, sodass die Klägerin für diese Monate jeweils die vom Beklagten zu erbringenden Leistungen in Höhe von 477,00 EUR geltend machen konnte. Vom Erstattungsanspruch sind gemäß § 140 BSHG auch die an den mit der Beigeladenen zu 1. in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebenden E. N. erbrachten Leistungen umfasst. Denn nach § 140 BSHG galten als Aufwendungen außer den Kosten der Hilfe für denjenigen, der den Anspruch gegen den anderen - hier den Beklagten - hat, auch die Kosten der gleichzeitig mit dieser Hilfe seinem nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten - dem nach § 122 BSHG die mit ihm in eheähnlicher Lebensgemeinschaft Lebenden gleichgestellt waren - gewährten HZU. Mithin würde der Erstattungsanspruch 3.882,01 EUR betragen.
Schließlich hat die Klägerin ihren Erstattungsanspruch bereits am 2. September 2003 und mithin innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 SGB X geltend gemacht.
Nach alledem hat das SG den Beklagten zu Recht zur Erstattung des von der Klägerin geltend gemachten Betrages in Höhe von 3.881,71 verurteilt.
Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).