Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Elternrente streitig.

Die am 25. Januar 1947 geborene Klägerin, der mittlerweile eine Grundrente wegen eines Schockschadens nach einem GdS von 40 gewährt wird, ist die Mutter des am 2. April 1973 geborenen M. M. (im Folgenden M), der am 2. März 2012 durch T. W. (im Folgenden W) mit einem Messerstich getötet wurde.

Dieser Auseinandersetzung war bereits am 10. Januar 2012 im Verlauf einer Schlägerei eine gefährliche Körperverletzung des M durch W vorangegangen, indem W in seiner Wohnung M eine Bierflasche auf dessen Kopf schlug, wodurch M eine Platzwunde am Hinterkopf davontrug. Von der Verfolgung dieser Straftat wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 21. Mai 2012 (Az.: 5 Js 3909/12) im Hinblick auf die Straferwartung im Verfahren wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung nach § 154 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) abgesehen.

Am 2. März 2012 befand sich M erneut in der Wohnung des W und nahm mit dem ebenfalls geschädigten F. B. (im Folgenden B) erhebliche Mengen Alkohol zu sich. Zum weiteren Tatverlauf hat das Landgericht Heilbronn - Schwurgerichtskammer - in seinem Urteil vom 18. September 2012 (Az.: 3 Ks 15 Js 6076/12) festgestellt: "Zwischen dem Geschädigten B und dem Geschädigten M kam es wegen der Freundin des Geschädigten B zu einem Wortgefecht, welches an Lautstärke und Intensität immer weiter zunahm. Um die beiden Geschädigten zu beruhigen, spielte der W zunächst eine DVD mit dem Titel "Dragon Heart". Der W fühlte sich dabei durch die lautstarke und ununterbrochene verbale Auseinandersetzung, die zwischen den Geschädigten ausgetragen wurde, derart gereizt, dass er zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen 20.30 Uhr und 20.41 Uhr aufsprang, in die neben dem Schlafzimmer gelegene Küche eilte und dort aus einem hölzernen fünfteiligen Messerblock ein 27 cm langes Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 24 cm und einer Klingenbreite von 2 cm herauszog. Um die beiden Geschädigten einzuschüchtern und um für Ruhe zu sorgen, legte er dieses Messer zunächst demonstrativ und für beide Geschädigte erkennbar auf den Tisch, der sich im Schlafzimmer unmittelbar vor dem Bett befand. Dieser Drohung des W zum Trotz gerieten die Geschädigten wenig später erneut in Streit und setzten ihre verbale Auseinandersetzung lautstark fort, in deren Verlauf es auch zu wechselseitigen Beleidigungen zwischen allen Beteiligten kam. Um für Ruhe zu sorgen, ergriff der W, der unter dem Eindruck dieser Auseinandersetzung stand und in einem Anflug von Wut sehr erregt war, sodann das auf dem Tisch liegende Messer und versetzte dem M nach einer Rechtsdrehung in dessen Richtung unvermittelt und ohne rechtfertigenden Grund einen Messerstich. So stach er mit nicht unerheblicher Wucht zwischen der vierten und fünften Rippe in dessen Oberkörper. Dabei durchstieß das Messer die Kleidung des M und drang in die linksseitige Brustwand, in den Herzbeutel, die Herzspitze sowie das Zwerchfell ein. Der dadurch entstehende Stichkanal mit einer Länge von mindestens 17 cm endete im Bereich der Vorderseite der Magenwand. Der M erlitt durch diesen Messerstich tödliche Verletzungen. Durch den Herzkammerdurchstich verstarb M binnen weniger Sekunden, wobei ein Verbluten nach innen infolge des Durchtrennens der linksseitigen Brustwand todesursächlich war. Sodann zog W das Messer aus dem Körper des M und schlug den links neben ihm sitzenden Geschädigten B aufgrund neuerlichen Tatentschlusses bewusst und gewollt mit der Faust ins Gesicht, so dass dieser vom Bett zu Boden fiel. Dann versetzte er diesem ohne rechtfertigendem Grund insgesamt drei Stiche." Eine dem W entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,71 Promille. Die von ihm informierten Rettungskräfte konnten durch ärztliche Erstversorgung den B durch eine Notoperation noch retten. W wurde durch Urteil vom 18. September 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren und 6 Monaten wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Am 23. April 2012 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elternrente.

Der Beklagte zog die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. August 2012 mit der Begründung ab, M sei zwar Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden und an den Folgen des Angriffs verstorben. Es liege jedoch ein Versagensgrund vor, weil die Gewährung einer Entschädigung unbillig wäre. Aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Heilbronn gehe hervor, dass die Tat aus den mit dem Alkoholikermilieu, zu welchem M zu zählen sei, verbundenen speziellen Gefahren entstanden sei. Außerdem habe sich M bewusst und leichtfertig einer Gefahr ausgesetzt, der er sich ohne Weiteres hätte entziehen können. Ihm sei bewusst und bekannt gewesen, welche Gefahren er eingehe, wenn er sich in die Wohnung des W begebe, um dort Alkohol zu konsumieren. Bereits am 10. Januar 2012 sei er Opfer einer Gewalttat nach einer Auseinandersetzung mit W. in dessen Wohnung geworden. Ihm sei deswegen bekannt gewesen, dass W gewalttätig und gefährlich sein könne, wenn dieser alkoholisiert sei und es zu Streitigkeiten komme.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch verwies die Klägerin darauf, dass sie noch begutachtet werden solle. Auf Hinweis des Beklagten, dass die Begutachtung wegen des Antrags hinsichtlich eines eventuellen Schockschadens wegen des Totschlags des M beabsichtigt sei, erfolgte keine weitere Begründung des Widerspruchs. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2013 wies der Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück, da der angefochtene Bescheid der Sach- und Rechtslage entspreche.

Hiergegen hat die Klägerin am 16. November 2012 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zu deren Begründung vorgetragen, der tätliche Angriff vom Januar habe mehrere Monate vor der Tat gelegen und M habe sich mit W wieder ausgesöhnt. Deswegen sei die Gefahr für ihn nicht absehbar gewesen. Auch der Täter selbst sei von seinem Verhalten überrascht und irritiert gewesen. Allein die Zugehörigkeit zum Kreis der Alkoholkonsumenten sei nicht geeignet, von einer Unbilligkeit auszugehen. M habe sich nicht rechtsfeindlich betätigt, sondern lediglich von seinen Freiheitsrechten Gebrauch gemacht und sich für eine möglicherweise verbreitet als anstößig empfundene, aber von der Rechtsordnung tolerierte Lebensweise entschieden. Es sei deswegen nicht ersichtlich, welches Verhalten dem M vorzuwerfen sei. Er habe den späteren Täter weder provoziert noch eine anderweitige Ursache gesetzt, aufgrund derer man ihm vorwerfen könne, er sei leichtfertig eine Gefahr eingegangen.

Mit Urteil vom 5. Juli 2013 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu, da die Leistungen zu versagen seien. M habe sich leichtfertig in eine Selbstgefährdung begeben und sei deshalb nicht unschuldiges Opfer eines tätlichen Angriffs geworden. Er habe sich vielmehr in hohem Maße vernunftwidrig verhalten, indem er sich der Gefahrensituation ausgesetzt habe. Denn es sei aufgrund des vorangegangenen Vorfalls vom 10. Januar 2012 für ihn klar und ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass W unter Alkoholeinfluss zu Gewalttätigkeiten neige und dass ein Gewaltausbruch ohne Weiteres im Rahmen der Möglichkeiten liege. Dennoch habe er sich erneut in einer stark durch Alkoholkonsum geprägten Situation in die Wohnung des W begeben und dort zusätzlich ein Aggressionspotential durch den verbal geführten Streit aufgebaut. Auch als W deutlich gemacht habe, dass ihn der Streit reize, hätten beide nicht von ihrer Auseinandersetzung abgelassen und dies selbst dann nicht, als W in die Küche gegangen sei und für beide erkennbar ein langes Küchenmesser auf den Tisch gelegt habe. Spätestens ab diesem Moment sei ein Gefährdungspotential erreicht worden, bei dem jeder vernünftig denkende Mensch den Schauplatz verlassen oder zumindest die verbale Auseinandersetzung untereinander beendet habe. M habe es indessen unterlassen, der von W ausgehenden Gefahr auszuweichen und habe insofern mindestens leichtfertig, nämlich grob fahrlässig gehandelt. Er hätte erkennen müssen, dass die Lage ernst sei und dass er sich durch den weiteren Verbleib in der Wohnung zumindest durch das Fortsetzen der Auseinandersetzung mit B in eine Gefahr einer Schädigung begeben werde. Anhaltspunkte dafür, dass M hierzu nicht mehr in der Lage gewesen sei, lägen nicht vor. Zwar sei er alkoholisiert gewesen, jedoch noch steuerungsfähig. Der Verursachungsbeitrag sei auch von annähernd gleichwertiger Bedeutung wie die eigentlich schädigende Haltung. Es komme insoweit nicht darauf an, ob das Verhalten des M selbst einen Straftatbestand erfülle oder nicht.

Gegen das am 4. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Oktober 2013 Berufung eingelegt und nach erstmalig genommener Akteneinsicht in die Strafakte vorgetragen, M habe nicht wahrgenommen, dass W ein Messer auf den Tisch gelegt habe. Deswegen könne ihm nicht der dargestellte Vorwurf gemacht werden, denn für ihn sei die Gefahrensituation nicht erkennbar gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Juli 2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Elternrente zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass sich M. leichtfertig selbst gefährdet habe, als er nach einem gewalttätigen Vorfall vom 10. Januar 2012 sich am 2. März 2012 erneut in die Wohnung des W begeben habe, um mit diesem Alkohol zu konsumieren. Nachdem W das Messer auf den Tisch gelegt und M die Auseinandersetzung mit B weiter fortgeführt habe, habe M in hohem Maße vernunftwidrig gehandelt, weil er sich einer höchstwahrscheinlich zu erwartenden Gefahr ausgesetzt habe.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Rechtsstreits die Strafakten zum Verfahren beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Klägerin mit ihrer Berufung laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Elternrente.

Vorliegend ist eine Anfechtungs- und Leistungsklage, nicht aber eine Feststellungsklage (vgl. dazu Urteil des Senats vom 21. März 2013 - L 6 VG 4354/12 - Juris) einschlägig, da der Beklagte mit einem konkreten Leistungsbegehren der Klägerin befasst wurde und demzufolge eine Verwaltungsentscheidung über konkrete Entschädigungsleistungen ergangen ist, also nicht lediglich eine Leistung versagt wurde, wie dies eigentlich § 2 OEG vorsieht.

Der Senat konnte entscheiden, ohne die strafgerichtlich gehörten Zeugen erneut zu vernehmen und sich insoweit zur Entscheidungsfindung auf die in den Strafakten befindlichen Aussagen wie die Feststellungen des Schwurgerichts Heilbronn stützen. Eine über die Beiziehung der Strafermittlungsakten hinausgehende Ermittlungspflicht des LSG besteht nur dann, wenn neue, erfolgversprechende Ansatzpunkte aufgetaucht sind oder der Sachverhalt unter anderen rechtlichen Kriterien als im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu würdigen wäre (BSG, Urteil vom 10. November 1993 - 9 RVg 2/93 - Juris). Hier geht es aber gerade darum, Feststellungen zu treffen, die den tragenden Feststellungen des Strafverfahrens widersprechen würden, nämlich ob der W für beide Geschädigten sichtbar das Messer auf den Tisch gelegt hat, ohne dass hierfür objektive Anhaltspunkte vorliegen. Auch die unterschiedlichen Verfahrensregeln in Straf- und Sozialgerichtsverfahren sind allein kein Grund, die Beweisaufnahme ganz oder teilweise zu wiederholen. Der Beweislast des Staates im Strafverfahren entspricht hier nämlich die Beweislast der Klägerin im Sozialgerichtsverfahren (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2012 - L 11 VG 7/12 - Juris).

Wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Nach § 1 Abs. 8 Satz 1 OEG erhalten die Hinterbliebenen eines Geschädigten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Dabei ist es ausreichend, dass der Hinterbliebene gegen das Gewaltopfer einen abstrakten Unterhaltsanspruch hatte. Die Hinterbliebenenrenten ersetzen nämlich grundsätzlich keinen immateriellen Schaden, sondern sollen die Unterhaltsansprüche gegen den Verstorbenen ersetzen (BSG, Urteil vom 18. April 2001 - B 9 VG 3/00 R - SozR 3-3800 § 2 Nr. 10).

Zum Versorgungsanspruch zählt auch der Anspruch auf Elternrente, wenn das Gewaltopfer an den Folgen der Schädigung stirbt (§§ 9 Nr. 5, 38, 49, 51 BVG). Anspruchsberechtigt sind die Eltern (§ 49 BVG).

M ist Opfer eines vorsätzlichen tätlichen Angriffs i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden. Ein tätlicher Angriff ist eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines Anderen zielende gewaltsame Einwirkung, die in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt hat (BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R - SozR 4-3800 § 1 Nr. 17). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig und insoweit auch bestandskräftig festgestellt, dass im Fall des M die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sind. Der Beklagte hat indessen auch zur Überzeugung des Senats zu Recht Leistungen nach § 2 Abs. 1 OEG versagt (vgl. zum Folgenden auch Urteil des Senats vom 23. Februar 2012 - L 6 VG 286/09 - Juris). Diese Versagungsgründe stehen auch dem Anspruch der Klägerin (als Mutter des Opfers) entgegen, da sich auch der Anspruch nach § 36 BVG vom Versorgungsanspruch des Beschädigten ableitet (so ausdrücklich für die Versorgung Hinterbliebener: BSG, Urteil vom 7. November 1979 - 9 RVg 2/78, BSGE 49, 104; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. Februar 2008 - L 5 VG 1/06 - Juris).

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung entweder selbst verursacht hat (1. Alternative) oder wenn es aus sonstigen, insbesondere aus in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren (2. Alternative). Als Sonderfall der Unbilligkeit (2. Alternative) ist die 1. Alternative der Vorschrift - Mitverursachung - stets zuerst zu prüfen (BSG, Urteil vom 18. April 2001 - B 9 VG 3/00 R - BSGE 88, 96; vgl. zum Verhältnis der beiden Alternativen insbesondere BSG, Urteile vom 6. Dezember 1989 - 9 RVg 2/89 - BSGE 66, 115 und vom 25. März 1999 - B 9 VG 1/98 R - BSGE 84, 54).

Der Verursachungsbeitrag des M, den er durch seine alkoholisierte Auseinandersetzung mit B in der Wohnung des W gesetzt hat, stellt - neben dem Tatbeitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers - auch eine annähernd gleichwertige Bedingung für die von ihm erlittenen Gesundheitsschäden dar (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999, B 9 VG 3/97 R - Juris). Denn M hat sich in der konkreten Situation grob fahrlässig selbst einer hohen Gefahr ausgesetzt, obwohl es ihm zumutbar und möglich gewesen wäre, sich ihr zu entziehen (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 2001 - B 9 VG 3/00 R - SozR 3-3800 § 2 Nr. 10).

Eine Mitverursachung in diesem Sinne kann nur angenommen werden, wenn das Verhalten des Opfers nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm nicht nur einen nicht hinweg zu denkenden Teil der Ursachenkette, sondern eine wesentliche Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers darstellt (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - B 9 VG 6/97 R - BSGE 83, 62). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der entschädigungsrechtliche Kausalitätsmaßstab nicht mit dem der gesetzlichen Unfallversicherung identisch ist. Während dort nur ein gegenüber den betrieblichen Gefahren deutlich überwiegendes selbstgeschaffenes Risiko den Versicherungsschutz ausschließt, führt auf dem Gebiet des OEG bereits eine etwa gleichwertige Mitverursachung zur Versagung der Entschädigung (BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 - 9 RVg 2/89 - BSGE 66, 115).

Ein Leistungsausschluss ist unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung vor allem dann gerechtfertigt, wenn das Opfer in der konkreten Situation in ähnlich schwerer Weise wie der Täter gegen die Rechtsordnung verstoßen hat (vgl. BSG, Urteile vom 25. März 1999 - B 9 VG 1/98 R - BSGE 84, 54 und vom 15. August 1996 - 9 RVg 6/94 - BSGE 79, 87). Eine Mitverursachung in diesem engeren Sinn lässt sich vorliegend mit Gewissheit feststellen, auch wenn strafrechtliche Vorwürfe gegen M nicht zu erheben sind. Eine Mitverursachung kann nämlich auch dann vorliegen, wenn das Opfer zwar keinen Straftatbestand erfüllt hat, sich aber leichtfertig durch eine unmittelbare, mit dem eigentlichen Tatgeschehen insbesondere zeitlich eng zusammenhängende Förderung der Tat, z. B. eine Provokation des Täters, der Gefahr einer Gewalttat ausgesetzt und dadurch selbst gefährdet hat. Gleiches gilt, wenn sich das Opfer einer konkret erkannten Gefahr leichtfertig nicht entzogen hat, obwohl es ihm zumutbar und möglich gewesen wäre (vgl. BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 5/95 - BSGE 77, 18; vom 15. August 1996 - 9 RVg 6/94 - BSGE 79, 87 und vom 21. Oktober 1998 - B 9 VG 6/97 R - BSGE 83, 62).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt zur Überzeugung des Senats eine leichtfertige Selbstgefährdung des M vor. Der Beklagte hat deshalb Leistungen zu Recht versagt, weil sich M einer konkret erkannten Gefahr leichtfertig nicht entzogen hat, obwohl ihm dies zumutbar und möglich gewesen wäre. Eine leichtfertige Selbstgefährdung in diesem Sinne setzt nach der genannten Rechtsprechung des BSG einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit voraus, der etwa der groben Fahrlässigkeit i. S. des Bürgerlichen Rechts entspricht (BSG, Urteil vom 18. April 2001 - B 9 VG 3/00 R - BSGE 88, 96). Im Gegensatz zum Bürgerlichen Recht gilt jedoch nicht der objektive Sorgfaltsmaßstab des § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern ein individueller Maßstab, der auf die persönlichen Fähigkeiten des Opfers abstellt (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - B 9 VG 6/97 R - BSGE 83, 62). Zu prüfen ist danach, ob sich das Opfer auch anders hätte verhalten können oder müssen, und ob es sich der erkannten oder grob fahrlässig nicht erkannten Gefahr nicht entzogen hat, obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre. Dafür ist die gesamte tatnahe Situation, wie sie sich nach natürlicher Betrachtungsweise darstellt, zu würdigen (BSG, Urteil vom 18. April 2001 - B 9 VG 3/00 R - BSGE 88, 96).

Eine solche Selbstgefährdung hat das SG folgerichtig spätestens in dem vom Strafgericht festgestellten demonstrativen Legen des großen Messers vor die späteren Opfer mit der ausdrücklichen Aufforderung den Streit zu beenden gesehen. Jedenfalls in diesem Moment hätte sich M der auch von ihm erkannten Gefahr (der Streit wurde kurzzeitig unterbrochen) durch Verlassen der Wohnung entziehen müssen.

In diesem Zusammenhang ist für den Senat insbesondere von Bedeutung gewesen, dass der Tat sehr zeitnah bereits am 10. Januar 2012 eine immerhin gefährliche Körperverletzung des M durch W, die auch ohne Weiteres zu einer fahrlässigen Tötung hätte führen können, vorausgegangen ist, M also hätte wissen müssen, dass der einschlägig vorbestrafte W unter Alkoholeinfluss sehr gewalttätig wird. Insoweit ist ohne Belang, ob M sich mit W wieder ausgesöhnt hat, was die Klägern vorgetragen hat. Selbst wenn dies der Fall ist, ändert das nichts daran, dass M am Tattag wieder erhebliche Mengen Alkohol mit W in dessen Wohnung konsumiert hat, also sich die Situation vom 10. Januar 2012 wiederholt hat. Auch der weitere Geschädigte B hat hierzu ausgesagt, dass es zwischen M und W immer Streit, "wenn was Kleines ist", gab (Bl. 454 Strafakte). M hat daher zunächst nach dem Schlag mit der Flasche auch folgerichtig die Wohnung des W gemieden, weil er Angst vor ihm hatte (Aussage des B, S. 455 Strafakte). Demzufolge hätte M sich schon nicht in den Bereich des Hausrechts des W begeben dürfen und die Wohnung spätestens verlassen müssen, als W nach dem Streit zwischen ihm und B in seiner Reaktion immer mehr eskalierte und das Schlafzimmer verließ um das Messer zu holen. Danach ist der Streit aber weitergegangen und zwar in verstärkter Heftigkeit. Dass W seine Drohungen den Streit zu beenden in die Tat umsetzen werde, hätte dem M klar sein müssen, auch wenn er selbst alkoholisiert war. Dass eine Straftat - wie vorliegend der Totschlag - von der Rechtsordnung stärker missbilligt wird als eine Selbstgefährdung des Opfers dieser Straftat, führt nämlich nicht dazu, dass der Verursachungsbeitrag des Opfers nicht annähernd gleichwertige Bedeutung hat (Urteil des Senats vom 21. März 2013 - L 6 VG 4354/12 - Juris).

Dem M war es auch zumutbar, sich der erkannten oder grob fahrlässig nicht erkannten Gefahr in diesem konkreten Einzelfall zu entziehen. Er hätte lediglich die Wohnung des W verlassen müssen.

Die Entschädigung ist aber auch aus sonstigen Gründen unbillig. Das ist dann der Fall, wenn es insbesondere aus dem im Verhalten des Opfers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Bei diesem Versagungsgrund unterscheidet die Rspr. vier Fallgruppen (BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 9a VG 2/05 R - SozR 4-3800 § 2 Nr. 2), wobei vorliegend die sozialwidrige, mit speziellen Gefahren verbundene Zugehörigkeit zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkonsumenten, wenn die Tat aus diesem Milieu entstanden ist, einschlägig ist (hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 6. Juli 2006 - B 9a VG 1/05 R - SozR 4-3800 § 2 Nr. 1).

In Auswertung der Straf- wie der Beklagtenakten ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass sich M in einem solchen gewaltgeneigten Trinkermilieu bewegt hat, in dem es unter starkem Alkoholeinfluss wiederholt zu erheblichen Körperverletzungen gekommen ist. Gerade das Element der Milieuzugehörigkeit und -typik zeigt, dass das Opfer sich bewusst außerhalb der staatlichen Gemeinschaft aufhält und sich die damit verbundene Gefahr realisiert. Milieuzugehörigkeit und -typik unterscheidet den außerhalb der Rechtsgemeinschaft stehenden Alkohol- oder Drogenkonsumenten von dem, der bloß übermäßig trinkt und damit einen bloß unsoliden Lebenswandel im Rahmen der Rechtsgemeinschaft verfolgt. Bei der Gruppe des Opfers M und des Schädigers W hat es sich um ein solches verfestigtes Milieu gehandelt.

So war nicht nur der W einschlägig vorbestraft, was der Senat dessen Vorstrafenregister entnimmt, und ist gegen M am 10. Januar 2012 bereits gewalttätig geworden. Das Haus, in dem sich W`s Wohnung befand, war dementsprechend nach einer vorangegangenen Messerstecherei unter Betrunkenen ebenso wie der W polizeibekannt (Pressebericht der Heilbronner Nachrichten, Bl. 11 V-Akte). Auch der Rettungsdienst hatte dort schon mehrere Einsätze, was der Senat der Zeugenaussage des damals eingesetzten Rettungssanitäters (Bl. 436 Strafakte) entnimmt, durchgeführt. Der langzeitarbeitslose M selbst ist wiederholt Opfer alkoholbedingter, auch gefährlicher Körperverletzungen geworden, so z.B. am 27. März 2002 durch eine Kopfverletzung (Az. des Amtsgerichts Heilbronn: 51 Ds 30 Js 24765/2002 AK 289/02 u.a.). Auch an dem Tattag vom 2. März 2012 ist es unter dem typischen erheblichen Alkoholeinfluss aller Beteiligten, der bekanntermaßen zu einem Kontrollverlust führt, erst zu lautstarken Auseinandersetzungen mit wechselseitigen Beleidigungen gekommen, die dann in die Messerstecherei mündeten. Bei der Tat hat es sich daher um eine solche milieutypische Schädigung gehandelt, die ohne Weiteres - abstrakt - als typisch für ein Alkoholikermilieu betrachtet werden kann. Zwar sind Rangeleien zwischen Betrunkenen, die ein böses Ende nehmen, milieuübergreifend überall zu beobachten und zu befürchten, wo Alkohol in hinreichenden Mengen konsumiert wird. Das Tatgeschehen kann aber dann für die Gruppe um Opfer und Schädiger als typisch bezeichnet werden, wenn sich - wie vorliegend - solche oder ähnliche Gewalttaten in dieser Gruppe bereits mehrfach angedeutet oder abgespielt haben.

Aufgrund dessen hat der Senat keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der M nicht lediglich von seinen Freiheitsrechten Gebrauch gemacht und sich für eine möglicherweise verbreitet als anstößig empfundene, aber von der Rechtsordnung tolerierte Lebensweise entschieden hat, wie die Klägerin meint, sondern sich in einem zwar nicht notwendig kriminellen, aber von wechselseitigen Gewalttätigkeiten gezeichneten Milieu bewegt hat, was geeignet ist, einen Leistungsausschluss zu begründen.

Zu Recht hat der Beklagte deshalb Leistungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG versagt.

Die Berufung der Klägerin ist deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.