Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VJ 1702/12 - Urteil vom 13.12.2012
Voraussetzung für eine Kann-Versorgung ist, dass über die Ätiologie und Pathogenese des als Schädigungsfolge geltend gemachten Leidens keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrscht und entsprechend die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen für die Entstehung oder den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. In diesen Fällen ist Kann-Versorgung zu gewähren, wenn ein ursächlicher Einfluss des geltend gemachten schädigenden Tatbestandes in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen wird. Dabei reicht die allein theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es genügt nicht, wenn ein Arzt oder auch mehrere Ärzte einen Ursachenzusammenhang nur behaupten. Vielmehr ist es erforderlich, dass diese Behauptung medizinisch-biologisch nachvollziehbar begründet und durch wissenschaftliche Fakten, in der Regel statistische Erhebungen untermauert ist. Die Fakten müssen - in Abgrenzung zu den Voraussetzungen der Pflichtversorgung - zwar (noch) nicht so beschaffen sein, dass sie bereits die überwiegende medizinische Fachwelt überzeugen. Die niedrigere Schwelle zur Kann-Versorgung ist daher bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belegt und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner überzeugt ("Mindermeinung"). In seiner ständigen Rechtsprechung hat das BSG diesen Maßstab auf die "gute Möglichkeit" eingeschränkt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Feststellung der bei ihm bestehenden subakuten sklerosierenden Panencephalitis (SSPE) als Folge der Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hepatitis B und Hämophilus influenza sowie auf Gewährung von Versorgungsleistungen im Wege der Kann-Versorgung hat.
Der 1996 geborene Kläger leidet an einer SSPE, die anlässlich der stationären Behandlung vom 27. September bis 25. Oktober 2002 im Universitätsklinikum F., Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen, diagnostiziert wurde. Zur Beurteilung wurde ausgeführt, zu der Erkrankung passe, dass die nicht gegen Masern geimpfte Mutter des Klägers an diesen erkrankt sei, als der Kläger, der selbst keine Symptome gezeigt habe, drei Monate alt gewesen sei (Arztbrief des Universitätsklinikums F. vom 16. Oktober 2002).
Am 24. April 1996, 11. Juni 1996, 11. Juli 1996 und 2. Juli 1997 wurde der Kläger gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis (azellulär) und Hämophilus influenza B (Hib) geimpft. Am 24. April 1996, 11. Juni 1996 und 2. Juli 1997 erfolgte eine Polio-Impfung Sabin S. Am 24. April 1996, 11. Juni 1996 und 9. April 1997 wurde der Kläger gegen Hepatitis B (Engerix-BK) und am 13. Mai 1997 sowie 9. April 2002 gegen Masern, Röteln und Mumps geimpft (Eintragungen im Impfbuch).
Am 30. Juni 2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Versorgung wegen eines Impfschadens und führte seine Erkrankung auf die am 9. April 2002 durchgeführte Schutzimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln zurück. Nach Anhörung des Kinderarztes Dr. H. sowie Einholung eines Gutachtens bei PD Dr. E. (sehr wahrscheinlich sei eine klinisch inapparente Maserninfektion abgelaufen, die die SSPE verursacht habe), lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17. März 2004 den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens mit der Begründung ab, es sei unwahrscheinlich, dass die SSPE-Erkrankung kausal mit der angeschuldigten Impfung vom April 2002 zusammenhänge. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Versorgungsärztin L. erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. August 2004). Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) würden als Erstreaktion auf einen Impfschaden mit dem verabreichten Masernlebendimpfstoff eine akute entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems mit Auftreten von Symptomen im Zeitraum von sieben bis vierzehn Tagen nach der Impfung angeführt. Somit sei die Möglichkeit eines Impfschadens sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlich sei, dass die festgestellte Erkrankung Spätfolge einer klinisch nicht sichtbar verlaufenden Masernerkrankung sei. Seine hiergegen beim Sozialgericht F. (SG) erhobene Klage (S 6 VJ 3064/04) blieb nach Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage bei Prof. Dr. K. (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe sich der Kläger im Alter von drei Monaten bei seiner an Masern erkrankten Mutter mit dem Virus infiziert, denn das Risiko liege bei engem Kontakt beinahe bei 100 %, wobei bei dem Infizierten selbst keine klinischen Symptome der Erkrankung in Erscheinung träten) erfolglos (Urteil vom 16. Februar 2006). Auf seine dagegen eingelegte Berufung ließ das Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 6 VJ 1209/06) den Kläger nach Aktenlage auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begutachten. Dr. H. führte aus, dass neuere experimentelle Erkenntnisse ergäben, dass die inaktivierten Impfstoffe mit ihren immunmodulatorischen Inhaltsstoffen, die der Kläger im ersten Lebensjahr erhalten habe, vermutlich einen entscheidenden Beitrag zur Viruspersistenz geleistet hätten und daher eine pathophysiologisch plausible Erklärungsmöglichkeit für das Krankheitsbild bestehe. Deswegen werde eine "Kannversorgung" vorgeschlagen. Der Beklagte legte hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vor, wonach in der medizinischen Wissenschaft zwar noch Ungewissheit über die fehlerhafte Immunreaktion in der frühen Kindheit herrsche, vorliegend aber die Maserninfektion im frühen Lebensalter den Kläger unabhängig von den zeitnah durchgeführten Impfungen prädisponiert habe, sodass die Voraussetzungen der Kannversorgung nicht vorlägen. Mit Urteil vom 25. September 2007 wurde die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung wurde in Auswertung der Gutachten von PD Dr. E. und Prof. Dr. K. ausgeführt, die durchgeführten wissenschaftlichen Studien sprächen dafür, dass SSPE durch sogenannte Masernwildviren und nicht durch Impfviren verursacht werde, was in Übereinstimmung mit den AHP stehe, in denen SSPE als Komplikation nach einer Maserninfektion genannt werde, nicht jedoch als mögliche Folge der Impfung gegen Masern. Weil beim Kläger ein Kontakt mit Masernwildviren im Alter von drei Monaten nachgewiesen sei, sei es überwiegend wahrscheinlich, dass eine zu dieser Zeit abgelaufene unerkannte Maserninfektion die spätere Erkrankung ausgelöst habe. Soweit der Kläger gestützt auf das Gutachten von Dr. H. nunmehr geltend mache, dass seine Erkrankung Folge der zwischen dem 24. April 1996 und dem 2. Juli 1996 (gemeint 1997) durchgeführten Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Hib, Polio und Hepatitis B sei, so handle es sich um einen anderen Lebenssachverhalt, über den der Beklagte nicht entschieden habe und der nicht Streitgegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens sei. Die dagegen eingelegte Revision blieb ebenso erfolglos (Beschluss des BSG vom 25. März 2008 - B 9 VJ 5/07 B) wie die Anhörungsrüge (Beschluss des BSG vom 7. Juli 2008 - B 9 VJ 2/09 C).
Der Beklagte holte eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von der Versorgungsärztin L. ein. Diese führte am 6. Mai 2008 aus, es gebe erste Forschungsergebnisse, wonach die Hilfsstoffe, die in vielen Impfstoffen enthalten seien, das immunologische Geschehen im Körper beeinflussten und zwar dahingehend, dass ein ungünstiger Effekt auf die dendritischen Zellen entstehe, die bei der erfolgreichen Abwehr einer (Masern-)Infektion eine Rolle spielten. Somit bestehe noch keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte wissenschaftliche Auffassung. Aus demselben Grund könne auch die ursächliche Bedeutung des Tatbestands einer Sechsfachimpfung zum Zeitpunkt der Maserninfektion des Jungen noch nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden. Der zeitliche Zusammenhang sei aber gegeben. Insofern schlage sie vor, die SSPE im Sinne der Kann-Versorgung anzuerkennen. Hierzu nahm Versorgungsärztin Dr. R. am 3. Juli 2008 dahingehend Stellung, Dr. H. gebe in seinem Gutachten eine in der medizinischen-wissenschaftlichen Lehrmeinung bisher nicht bestätigte persönliche Ansicht wieder. Tatsächlich gebe es für die theoretische Möglichkeit einer SSPE durch die Masernimpfung bisher keine Evidenz. Aus heutiger Sicht werde vielmehr eine SSPE-Erkrankung durch den MMR-Impfstoff ausgeschlossen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei deswegen die SSPE-Erkrankung Spätfolge einer im dritten Lebensmonat erfolgten Infektion mit dem Masernvirus bei mütterlicher Masernerkrankung. Die Maserninfektion könne auch ohne Masernerkrankung eine SSPE auslösen, typischerweise fünf bis zehn Jahre nach Maserninfektion. Die Anerkennung der SSPE im Sinne der Kann-Versorgung könne deswegen nicht begründet werden.
Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14. August 2008 die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens im Sinne der Kann-Versorgung ab, da ein Impfschaden nicht mit einem ausreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne.
Auf den Widerspruch des Klägers wurde eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. eingeholt. Dieser führte am 14. November 2008 aus, für eine klinisch-relevante immunologische Störung durch die Kombinationsimpfung zeitnah zu dem Kontakt mit dem Masernvirus gebe es keine Belege. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand des R.-K.-Institutes (Epidemiologisches Bulletin 25/2007) bestehe keine Evidenz für die Hypothese, das kindliche Immunsystem sei nicht fähig, sich mit den im Rahmen der heute empfohlenen Impfungen verabreichten Antigenen adäquat auseinanderzusetzen. Ebenso sei ein systemisches Toxizitätsrisiko für Aluminiumadjuvanten und Thiomersal ausgeschlossen worden. Die von Dr. H. aufgezeigte theoretisch-wissenschaftliche Möglichkeit sei deswegen als unwahrscheinlich anzusehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2008 wies der Beklagte den Widerspruch gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. zurück.
Hiergegen hat der Kläger erneut am 15. Dezember 2008 Klage beim SG erhoben, zu deren Begründung er ergänzend vorgetragen hat, die Impfungen seien nach dem Gutachten von Dr. H. zumindest als Mitursache der SSPE-Erkrankung zu qualifizieren.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG den Kläger von Amts wegen und dann auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 SGG begutachten lassen.
Prof. Dr. B., Leiter der Sektion Sozialpädiatrisches Zentrum und Kinderneurologie der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin U., hat in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 3. Februar 2010 ausgeführt, in der medizinischen Wissenschaft herrsche weiterhin einhellig die Auffassung, dass ein persistierendes defektes Masernvirus die SSPE verursache. Es sei lediglich nicht abschließend geklärt, wie groß der Anteil von Virus- und Umgebungsfaktoren in der Pathogenese der SSPE sei. Es gebe keine einzige Publikation, die einen Zusammenhang mit den dem Kläger verabreichten Impfstoffen mit der Erkrankung SSPE empirisch belege, benenne oder nur theoretisch begründet in Erwägung gezogen habe. Lediglich die zeitliche Verbindung der verabreichten Impfungen mit der SSPE sei wegen der langen Latenzzeit der Erkrankung nicht abzustreiten. Wissenschaftliche Erkenntnis und Erfahrung sprächen somit eindeutig für die ursächliche Bedeutung der Infektion mit dem Masernwildvirus und der Persistenz des mutierten Masernvirus für die Schädigungstatbestände und Schädigungsfolgen. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung seien daher nicht erfüllt. Er habe eine umfassende Literaturrecherche der Jahre 2005 bis 2010 durchgeführt.
PD Dr. B., Facharzt für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie und Hygiene und Umweltmedizin H., ist in seinem am 20. Oktober 2010 nach § 109 SGG erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass die bei Weitem wahrscheinlichste Verursachung weiterhin die Infektion mit nativem Masernvirus sei, mit dem sich die Mutter des Klägers infiziert habe. Zu diskutieren sei aber die Wirkung der Aluminiumverbindungen als Adjuvanten, da diese das Immunsystem unspezifisch und relativ heftig in seiner Aktivität steigern könnten. Es sei zwar unklar, welche Auswirkungen dies im Einzelfall und je nach genetischer Disposition habe, aber die entsprechende zeitliche Verbindung sei bei dem Kläger gewahrt. Eine Kann-Versorgung erscheine wegen der immunmodulatorischen Wirkungen des Adjuvants und des Merthiolats als die einzige richtige Lösung.
Der Beklagte hat hierzu eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 30. November 2010 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass maßgebend weniger theoretische Überlegungen zur Persistenz des SSPE-Erregers, gestützt auf mögliche imunmodulatorische Wirkungen der Impfstoffadjuvanten (Aluminiumverbindungen und Thiomersal) oder Laboruntersuchungen an bestimmten Zellen, sondern vielmehr an Patienten erhobene Befunde und nachgewiesene Erkrankungen seien. Zutreffend sei Prof. Dr. B. deswegen zu dem Schluss gelangt, dass die Rolle inaktivierter Impfstoffe oder der ihnen zugesetzten Adjuvanten als Ursache der SSPE in der medizinischen Wissenschaft bislang nicht diskutiert worden sei, es gebe auch keine konkreten Hinweise für deren Bedeutung in der Pathogenese der SSPE.
Das SG hat hierzu Prof. Dr. B. angehört. Dieser hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. März 2011 ausgeführt, die vorhandene Literatur habe auch nach weiterer Recherche keine Evidenz für eine toxische Schädigung des Menschen durch Thiomersal-haltige Impfstoffe bzw. für neurologische Symptome infolge der Verabreichung von als Adjuvanz-Impfstoffen zugesetzten Aluminiumsalzen gezeigt. In der neuesten Literatur werde ein solcher Zusammenhang noch nicht einmal diskutiert. Seine aktuelle Recherche habe keine Publikationen erbracht, auch keinen Fallbericht, in denen ein möglicher Zusammenhang zwischen SSPE und Impfungen, SSPE und Aluminiumhydroxid (Adjuvanz) bzw. Aluminiumhydroxid und Enzephalitis erörtert werde. Theoretisch sei ebenso gut möglich, dass die verabreichten Impfstoffe mit den enthaltenen Adjuvanten über eine Verstärkung der Immunreaktion auch eine solche gegen das Masernvirus intensivieren könnten und damit die Wahrscheinlichkeit für die Persistenz eines Masernvirus als Voraussetzung für eine SSPE eher senken würde. Dafür gebe es jedoch ebenso wenig empirische Belege wie für die Hypothese des PD Dr. B ... In der Literatur würden vielmehr genetische Polymorphismen, d.h. unterschiedliche genetische Ausstattungen von Individuen, wahrscheinlich maßgeblich an der Entstehung der SSPE erachtet werden. Auch die wiederholten Impfungen im Säuglings- und Kleinkindalter erfüllten nicht den Tatbestand einer regelmäßigen Exposition. Denn akute neurotoxische Effekte seien in der Regel in einem Zeitraum von ein bis vier Wochen nach Gabe des Toxins zu erwarten, eine chronische Neurotoxität erfordere eine regelmäßige Exposition mit dem Toxin. Es bestehe daher insgesamt keine Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs der Verabreichung der inaktivierten Impfstoffe mit der Entstehung der SSPE-Erkrankung. Diese müsse vielmehr in der Maserninfektion des Kindes durch den Masernwildvirus der Mutter gesehen werden. Die Rolle inaktivierter Impfstoffe und der ihnen zugesetzten Adjuvanten (Aluminiumhydroxid, Thiomersal) als Mitursache der SSPE sei nicht mehr als eine Spekulation, für die es aufgrund der aktuellen Datenlage weder eine Wahrscheinlichkeit noch eine Möglichkeit gebe.
Die anberaumte mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2011 musste wegen Nichterscheinens des Klägers vertagt werden. Auch zu der zweiten Sitzung ist für den Kläger trotz Hinweis des Gerichts vom 25. Oktober 2011 auf den neuen anvisierten Termin niemand erschienen. Mit Urteil vom 29. Februar 2012, der klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 18. März 2012, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beim Kläger erfolgten Impfungen im Zeitraum vom 24. April 1996 bis 2. Juli 1997 und der im Juli 2002 manifest gewordenen SSPE-Erkrankung sei nicht wahrscheinlich. Das habe zuletzt das neuro-pädiatrische Fachgutachten von Prof. Dr. B. bestätigt. Auch der nach § 109 SGG beauftragte Sachverständige PD Dr. B. gehe nicht von der Wahrscheinlichkeit eines solchen ursächlichen Zusammenhangs aus. Der Kläger könne die Anerkennung seiner Erkrankung auch nicht im Wege der sogenannten Kann-Versorgung verlangen. Hierfür reiche nämlich die allein theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus. Vielmehr müsse die Behauptung medizinisch-biologisch nachvollziehbar begründet und durch wissenschaftliche Fakten, in der Regel statistische Erhebungen, untermauert sein. Die niedrige Schwelle zur Kann-Versorgung sei bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Zusammenhangs belege und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner überzeuge. Dies sei nach dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. B. nicht der Fall. Vielmehr sei für die Entwicklung der SSPE-Erkrankung eine Infektion mit dem Masernwildvirus ursächlich gewesen. Es fE.ten Belege aus der wissenschaftlichen Literatur, die einen solchen möglichen Zusammenhang belegten. Allein die von PD Dr. B. aufgezeigte theoretische Möglichkeit genüge hierfür nicht.
Dagegen hat der Kläger am 18. April 2012 Berufung beim SG eingelegt, zu deren Begründung er vorgetragen hat, die These, dass die Entwicklung der SSPE-Erkrankung durch eine Masernwildvirusinfektion entstanden sei, sei durch keine Tatsache belegt und mithin spekulativ. Somit sei das Gutachten von Prof. Dr. B. nicht verwertbar. PD Dr. B. habe demgegenüber überzeugend dargelegt, dass Aluminiumverbindungen, die als Adjuvanten in den Impfstoffen enthalten gewesen seien, eine unspezifische zumindest teilweise über die Erzeugung einer Entzündung verursachte erhöhte Aktivität des Immunsystems verursachten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts F. vom 29. Februar 2012 sowie den Bescheid vom 14. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2008 aufzuheben, eine subakute sklerosierende Panencephalitis als Folge der Impfungen gegen Masern festzustellen und ihm Versorgungsleistungen zu gewähren, hilfsweise ein weiteres Gutachten von Amts wegen oder nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 151 Abs. 2, 143, 144 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Senat konnte in der Sache entscheiden und musste nicht dem neuerlich am Sitzungstag gestellten Vertagungsantrag nachkommen. Ein neuer Prozessbevollmächtigter war zum Entscheidungszeitpunkt nicht mandatiert und hat sich dem Senat demzufolge auch nicht legitimiert, so dass kein Wechsel des Prozessbevollmächtigten vorlag (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. 2012, § 62 Rdnr. 6e). Die Prozessbevollmächtigte war noch in dem Telefongespräch mit der Vorsitzenden davon unterrichtet worden, dass die mündliche Verhandlung stattfinden wird und grundsätzlich der Umstand, dass nach Nichtbegleichung der erstinstanzlich entstandenen außergerichtlichen Kosten die bloße Erwartung, dass ein Kostenvorschuss für die zweite Instanz bezahlt wird, keinen wichtigen Grund im Sinne des § 202 SGG i.V.m. § 227 Zivilprozessordnung für eine Vertagung begründet, zumal in erster Instanz bereits aus diesem Grund erfolglos vertagt worden war, die Rechtsstreitigkeit sehr frühzeitig terminiert wurde und die Beteiligten schon am 1. September 2012 rechtliches Gehör gewährt bekommen haben. Die Eltern des Klägers hätten überdies Gelegenheit gehabt, selbst an dem Termin teilzunehmen, und wurden über diese Möglichkeit auch von ihrer Prozessbevollmächtigten rechtzeitig unterrichtet, wie diese am 12. Dezember 2012 anwaltlich versichert hat (BSG, Beschluss vom 31. Januar 2008 - B 2 U 311/007 B).
Rechtsgrundlage für den vom Kläger in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R -SozR 4-3200 § 81 Nr. 5) geltend gemachten Anspruch auf Feststellung der im Oktober 2002 diagnostizierten SSPE als Folge einer Impfung sowie auf Gewährung von Versorgungsleistungen ist § 60 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde oder auf Grund des IfSG angeordnet wurde oder gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzt (BVG), wer durch diese Maßnahme eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Gemäß § 2 Nr. 11 IfSG ist ein Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Unter weiterer Berücksichtigung der im Sozialen Entschädigungsrecht und mithin auch im Bereich des IfSG geltenden allgemeinen Grundsätze bedarf es für die von dem Kläger begehrte Feststellung somit der folgenden Voraussetzungen (vgl. dazu auch Beschluss des Senats vom 12. Januar 2012 - L 6 VJ 147/11): Es müssen eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also ein Impfschaden, vorliegen (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R, terminologisch anders noch die Rechtsprechung des BSG nach dem BSeuchG, wonach als Impfschaden die über die übliche Impfreaktion hinausgehende Schädigung, also das zweite Glied der Kausalkette, bezeichnet wurde, so z. B. BSGE 60, 58, 59).
Die Schutzimpfung muss nach der im Sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltenden Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung wesentliche Ursache für den Eintritt der Impfkomplikation und diese wesentliche Ursache für die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, den Impfschaden, sein. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist.
Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - im sog. Vollbeweis - feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus (§ 61 Satz 1 IfSG). Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (BSGE 60, 58). Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat mithin grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind.
Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten, auch wenn ein bestimmter Vorgang unter Umständen vor Jahrzehnten stattgefunden hat (BSG SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3).
Bei der jeweils vorzunehmenden Kausalbeurteilung sind im Sozialen Entschädigungsrecht die bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) anzuwenden und zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei den schon seit Jahrzehnten von einem Sachverständigenbeirat beim zuständigen Bundesministerium (jetzt beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS]) erarbeiteten und ständig weiterentwickelten AHP um eine Zusammenfassung medizinischen Erfahrungswissens und damit um sog. antizipierte Sachverständigengutachten (siehe nur BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 9). Die AHP sind in den Bereichen des sozialen Entschädigungsrechts und im Schwerbehindertenrecht generell anzuwenden und wirken dadurch wie eine Rechtsnorm ("normähnlich"). Die AHP enthalten in allen hier zu betrachtenden Fassungen (2005 bis 2008) unter den Nrn. 53 bis 142/143 Hinweise zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen, wobei die Nr. 56 Impfschäden im Allgemeinen und die Nr. 57 Schutzimpfungen im Einzelnen zum Inhalt haben. Die detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen bei Schutzimpfungen in Nr. 57 AHP 2005 sind Ende 2006 allerdings aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim BMAS gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden:
"Die beim R.-K.-Institut eingerichtete Ständige Impfkommission (STIKO) entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Standard der Wissenschaft dar.
Die Versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden (§ 2 Nr. 11 IfSG und Nr. 56 Absatz 1 der Anhaltspunkte) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kannversorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von § 60 f IfSG durchzuführen. Siehe hierzu auch Nr. 35 - 52 (S. 145 - 169) der Anhaltspunkte."
Die seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der AHP getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) ist eine allgemein verbindliche Rechtsverordnung, die indes anders als die AHP keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern enthält, sodass insoweit entweder auf die letzte Fassung der AHP (2008) zurückgegriffen werden muss oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten genutzt werden müssen (BSG, Urteil vom 7. April 2011, a. a. O.).
Hier steht zur Überzeugung des Senats fest, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, dass der mehrfach geimpfte Kläger jedenfalls seit dem 25. Oktober 2002 an einer SSPE leidet, die aber nicht neben anderen Mitursachen zumindest mit annähernd gleichwertiger Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Impfung zurückzuführen ist. Ein solcher Zusammenhang ist nach der von den Sachverständigen ausgewerteten medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht - wie für die Gewährung von Entschädigung notwendig - wahrscheinlich. Das haben bereits im vorangegangenen Verwaltungs- und Klageverfahren PD Dr. E. und Prof. Dr. K. und ihnen folgend das SG wie der damals zuständige Senat dargelegt. Auch die nunmehr erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Prof. Dr. B. wie PD Dr. B. haben hieran keinen Zweifel gelassen. Von einem ursächlichen Zusammenhang kann der Senat sich daher nicht überzeugen.
Streitgegenständlich und nur darüber hat der Beklagte entschieden ist daher nur, ob ein Anspruch des Klägers im Wege der Kann-Versorgung besteht. Auch diese Voraussetzungen nach § 61 Satz 2 IfSG liegen im Falle des Klägers zur Überzeugung des Senats nicht vor. Danach kann, wenn die nach Satz 1 erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden.
Die Regelung entspricht der des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG, so dass die dafür entwickelten Grundsätze auch für § 61 Satz 2 IfSG gelten (so Meßling in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 61 IfSG Rdnr. 21). Die wesentlichen rechtlichen Maßstäbe zur richtigen Anwendung der Kann-Bestimmung ergeben sich seit dem 1. Januar 2009 aus Teil C Nr. 4b der Anlage zu § 2 VersMedV (siehe oben). Danach ist eine Kann-Versorgung zu prüfen, wenn über die Ätiologie und Pathogenese des als Schädigungsfolge geltend gemachten Leidens keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrscht und entsprechend die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen für die Entstehung oder den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. In diesen Fällen ist die Kann-Versorgung zu gewähren, wenn ein ursächlicher Einfluss des geltend gemachten schädigenden Tatbestandes in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen wird (Teil C Nr. 4b bb).
Dabei reicht die allein theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus (vgl. zum Folgenden LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. November 2011 - L 4 VJ 2/10 - Juris). Denn die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs - die so gut wie nie widerlegt werden kann - ausreichen zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 10. November 1993 - 9/9a RV 41/92 - SozR 3-3200 § 81 Nr. 9 m.w.N.). Es genügt nicht, wenn ein Arzt oder auch mehrere Ärzte einen Ursachenzusammenhang nur behaupten. Vielmehr ist es erforderlich, dass diese Behauptung medizinisch-biologisch nachvollziehbar begründet und durch wissenschaftliche Fakten, in der Regel statistische Erhebungen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 RV 17/94 - SozR 3-3200 § 81 Nr. 13), untermauert ist. Die Fakten müssen - in Abgrenzung zu den Voraussetzungen der Pflichtversorgung - zwar (noch) nicht so beschaffen sein, dass sie bereits die überwiegende medizinische Fachwelt überzeugen. Die niedrigere Schwelle zur Kann-Versorgung ist daher bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belegt (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - SozR 3-3200 § 81 Nr. 13, sowie Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R - SozR 4-3200 § 81 Nr. 5) und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner überzeugt ("Mindermeinung"). In seiner ständigen Rechtsprechung hat das BSG diesen Maßstab auf die "gute Möglichkeit" eingeschränkt (BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R - SozR 4 - 3200 § 81 Nr. 5).
Ausgehend hiervon hat das SG in Auswertung der Gutachten von Prof. Dr. B. wie PD Dr. B. ausführlich begründet dargelegt, warum im Falle des Klägers auch eine Kann-Versorgung ausscheidet. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Würdigung an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Ergänzend ist auszuführen, dass ein Beleg für die These, dass die Adjuvanten Auslöser oder Verstärker der SSPE sein können, sich in den Epidemiologischen Bulletins des R. K. Instituts von 2006, S. 5 und 2007, S. 25 nicht finden, vielmehr wurde ein systemisches Toxizitätsrisiko durch die in den Blutkreislauf gelangten Aluminium-Mengen aus Impfstoffen ausgeschlossen. Dieser Zusammenhang wurde laut der telefonischen Auskunft von Prof. Dr. M., ständiges Mitglied der STIKO, auch in keinem einzigen Fall auch nur theoretisch diskutiert und demzufolge auch in keiner Publikation empirisch belegt, benannt oder nur theoretisch in Erwägung gezogen. Der Senat entnimmt das dem Gutachten von Prof. Dr. B ...
Im Übrigen hat PD Dr. B. selbst ausgeführt, dass nach den WHO-Kriterien allenfalls eine Möglichkeit einer Kausalität besteht und er deswegen den Umstand als Arbeitshypothese in Erwägung gezogen hat. Er hat selber eingeräumt, dass die Rolle der im Impfstoff enthaltenen Hilfsstoffe bei der Entstehung der SSPE bisher kaum untersucht wurde. Dass diese Möglichkeit ernsthaft in der medizinischen Fachliteratur überhaupt diskutiert wurde, hat er an keiner Stelle seiner Ausführungen belegt. Belegt wurde lediglich, dass eine Diskussion über von Adjuvanten als Auslöser oder Verstärker von Autoimmunerkrankungen geführt werde. Um eine solche Fallkonstellation handelt es sich aber vorliegend nicht, zumal PD Dr. B. einräumen musste, dass sich in der Literatur bisher kein Nachweis eines Impfvirus im Gehirn eines SPPE-Erkrankten fand. Deswegen ist seine Schlussfolgerung, dass eine Kann-Versorgung wegen der immunmodulatorischen Wirkungen des Adjuvants und der Merthiolats als einzige richtige Lösung erscheint, nicht nachvollziehbar.
Demgegenüber hat Prof. Dr. B. insbesondere in seiner weiteren Stellungnahme vom 28. März 2011, der eine zweite ausführliche Literaturrecherche zugrunde lag, ausgeführt, dass auch in den neueren Publikationen uns somit in der neuesten medizinischen Wissenschaft ein Impfschaden durch Adjuvanten weder berichtet oder auch nur diskutiert wird. Es wird nach seinen Recherchen auch kein einziger Fallbericht geschildert, der einen möglichen Zusammenhang zwischen SSPE und Impfungen, SSPE und Aluminiumhydroxid bzw. Aluminiumhydroxid und Enzephalitis belegt.
Darüber hinaus fehlt es an der erforderlichen Inkubationszeit. PD Dr. B. hat seine Hypothese, dass die Erkrankung in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten ist, nicht belegt. Das entnimmt der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. B ... Dieser hat zunächst überzeugend eine chronische Neurotoxizität verneint, weil dies eine regelmäßige Exposition mit dem Toxin voraussetzt. An dieser fehlt es bei den in kurzen Abständen und dann mit längeren Pausen verabreichten Impfungen des Klägers. Auch an einem akut neurotoxischen Effekt fehlt es. Denn der plausible zeitliche Rahmen umfasst typischerweise einen Zeitraum von sieben bis maximal 30 Tagen nach der Impfung und kann erfahrungsgemäß bei dem sich erst innerhalb eines halben Jahres nach der Impfung am 9. April 2002 manifestierenden Krankheitsbild der SSPE nicht festgestellt werden. Zu diesem zeitlichen Zusammenhang hat sich PD Dr. B. überhaupt nicht geäußert, sondern ihn schlicht unterstellt, ohne dieses in irgendeiner Hinsicht zu begründen.
Letztlich steht der Kann-Versorgung auch entgegen, dass auch aus Sicht des Senats eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Erkrankung des Klägers durch die unerkannte Maserninfektion im Alter von drei Jahren ausgelöst wurde, wie dies PD Dr. E., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. B. wie die Versorgungsärzte Dr. G. und Dr. R. so gesehen haben.
Der Senat hat sich auch nicht gedrängt gefühlt, den Kläger erneut von Amts wegen begutachten zu lassen. Vielmehr liegen ausreichende medizinische Äußerungen durch die Gutachten PD Dr. E., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. B. vor, die dem Senat die erforderliche Sachkunde vermittelt haben.
Soweit der Kläger Antrag auf eine erneute Begutachtung nach § 109 SGG gestellt hat, so ist das Antragsrecht bereits durch die Einholung des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen PD Dr. B. verbraucht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. 2012, § 109 Rdnr. 10b).
Die Berufung ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG).