Tatbestand:

Der Beklagte begehrt die Wiederaufnahme des mit Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 21.07.2006 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, in dem zwischen den Beteiligten ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung wegen eines Impfschadens streitig war.

Die Klägerin kam am 12.09.1992 als drittes Kind gesunder Eltern im Kreiskrankenhaus D. zur Welt. Die Schwangerschaft der Mutter verlief normal. In der 10. bis 12. Schwangerschaftswoche traten leichte Blutungen auf und die Mutter war aufgefordert worden, zwei Tage zu liegen. Ansonsten war der Schwangerschaftsverlauf unauffällig. Die 1984 und 1988 geborenen Brüder der Klägerin sind gesund. Einer der Brüder hat nach Angaben der Mutter einmal einen Fieberkrampf erlitten. Ansonsten sind in der Familie keine Epilepsien oder Fieberkrämpfe bekannt. Die Geburt der Klägerin war eine Spontangeburt und verlief ohne Komplikationen. Die ersten Untersuchungen nach der Geburt (U1, U2, U3 und U4) ergaben keine Auffälligkeiten.

Am 18.12.1992 wurde die Klägerin gegen Diphterie (akute, manchmal lebensbedrohliche Infektion, die in den meisten Fällen die oberen Atemwege befällt), Tetanus (Wundstarrkrampf), Pertussis (Keuchhusten), Poliomyelitis (Kinderlähmung) und HiB (Haemophilus influenzae Typ b, ein Bakterium, das bei Kindern lebensgefährliche entzündliche Erkrankungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich hervorrufen kann) geimpft. Die Impfung wurde zum damaligen Zeitpunkt öffentlich empfohlen. Nach der Impfung schlief das Kind circa zehn Stunden sehr tief und musste zum Stillen geweckt werden. Am 20.12.1992 bekam die Klägerin Durchfall und mit circa 38,5 Grad leichtes Fieber. Die telefonische Anfrage der Eltern beim Kinderarzt, ob der Durchfall mit dem Impfen im Zusammenhang stehe, wurde von diesem verneint.

Am 25.12.1992 stellten die Eltern dann bei der Klägerin erstmals ein rhythmisches Zucken an Armen und Beinen fest. Das Kind verkrampfte die Hände und bekam einen starren Blick. Der ganze Vorfall dauerte circa eine Minute. Da das Kind anschließend wieder ganz normal war und den Eltern zu diesem Zeitpunkt nichts über Krampfanfälle bekannt war und es außerdem der erste Weihnachtsfeiertag war, suchten die Eltern keinen Arzt auf.

Am Abend des 17.01.1993 erlitt die Klägerin zu Hause in Pf. bei V. einen zweiten Krampfanfall. Die Eltern verständigten daraufhin die Nachbarn, damit diese die Brüder der Klägerin beaufsichtigten, und fuhren die Klägerin mit dem eigenen Auto bei winterlichen Straßenverhältnissen in das Klinikum der Stadt V.-Sch. Bis zur ersten ärztlichen Untersuchung vergingen circa 40 Minuten. Danach dauerte der Krampfanfall immer noch circa 7 Minuten. Nach Gabe von 5 mg Diazepam und Chloralhydrat rectal sowie 20 mg Luminal hörte der Krampf auf. Die Liquorpunktion ergab keine Infektion. Die Suche nach angeborenen Stoffwechselkrankheiten sowie während der Geburt aufgetretenen Infektionen zeigte keinen positiven Befund. Das EEG zeigte lediglich eine medikamentös bedingte Beta-Aktivität, war aber ansonsten völlig unauffällig. Eine Untersuchung auf Impfviren und/oder eine Antikörperbildung nach Poliomyelitisimpfung wurde nicht durchgeführt.

Bereits am 27.01.1993 kam es bei der Klägerin zu einem dritten Krampfanfall. Die Behandlung erfolgte in der Kinderklinik des Klinikums K. Das dort angefertigte EEG ergab keine eindeutigen Hinweise auf eine erhöhte Anfallsbereitschaft und keine sichere hypersynchrone Aktivität (HSA).

Am 20.03.1996 stellten die Eltern der Klägerin einen Antrag auf Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG). Mit dem Einverständnis der Eltern der Klägerin zog das Versorgungsamt (VA) die Berichte des Klinikums der Stadt V.-Sch. vom 29.01.1993 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 17.01.1993 bis zum 21.01.1993, des Klinikums K. vom 15.02.1993 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 27.01.1993 bis zum 29.01.93, der Klinik für Kinderneurologie und Sozialpädiatrie - Kinderzentrum M. GmbH vom 11.03.1993 und vom 11.01.1996, des Arztes für Radiologie Dr. F. vom 17.09.96 und des Kreiskrankenhauses D. vom 21.09.1992 über die Entbindung bei.

Anschließend beauftragte das VA Prof. Dr. R. von der Abteilung für Pädiatrische Neurologie der Kinderklinik der Universität H. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser gelangte in seinem neuropädiatrischen Gutachten vom 24.02.1998 nach Untersuchung der Klägerin am 09.01.1998 zu dem Ergebnis, die bei der Klägerin vorliegende Epilepsie stehe nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der am 18.12.1992 erfolgten Fünffachimpfung. Es stelle derzeitiges medizinisches Wissen dar, dass der Zusammenhang zwischen einer Pertussis-Vaccination und einer nachfolgend neurologischen Schädigung/Epilepsie nur über die Brückensymptomatik 1. Fieberkrämpfe oder 2. akute Enzephalopathie als Folge der Impfung hergestellt werden könne. Ein Fieberkrampf sei bei der Klägerin nicht aufgetreten. Eine akute neurologische Symptomatik, eine akute Enzephalopathie, habe bei der Klägerin nicht diagnostiziert werden können. Unabhängig davon liege aber auch ein erforderlicher Nachweis von Impfviren im Darm oder Rachen oder von einer Antikörperbildung nicht vor, was nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht" (AHP) für die Anerkennung von Impfschäden Voraussetzung sei. Der fehlende Nachweis von Impfviren und die Nichtdokumentation des Antikörper-Spiegels dürfe seines Erachtens aber nicht dem Impfling beziehungsweise dessen Eltern angelastet werden. Derartige Untersuchungen seien seinerzeit in den beteiligten Kliniken nicht durchgeführt worden.

Anschließend holte das VA die gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage des Prof. Dr. St. vom Frühdiagnosezentrum W. - Ambulanz für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsauffälligkeiten und Behinderungen - vom 12.08.1998 ein. Darin führte dieser aus, weder die Impfung gegen Diphterie, Tetanus und Pertussis noch die HiB oder die Polioimpfung hätten zu einer Epilepsie geführt. Seiner Ansicht nach habe im vorliegenden Fall die Impfung zufällig in einen noch latenten Krankheitsprozess hinein stattgefunden.

Mit Bescheid vom 07.01.1999 lehnte das VA den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens ab. Nach dem Ergebnis der durchgeführten medizinischen Sachaufklärung sei festzustellen, dass zwischen der angeschuldigten Impfung und den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen kein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Weder die Impfung gegen Diphterie, Tetanus und Pertussis noch die HiB- oder die Polioimpfung hätten zu der Epilepsie geführt. Ein ursächlicher Zusammenhang käme nur dann in Betracht, wenn der erste Krampfanfall als Fieberkrampf aufgetreten wäre, der dann als Realisierungsfaktor die nachfolgende Epilepsie getriggert hätte oder wenn ein akutes neurologisches Kranksein im Sinne einer Impfenzephalitis aufgetreten wäre, die Enzephalitis einen Defekt gesetzt hätte, in dessen Folge die Epilepsie sich hätte manifestieren können. Ein Fieberkrampf sei aber nicht gesehen worden. Auch eine Enzephalitis, ein akutes neurologisches Kranksein oder eine akute Enzephalopathie hätten bei der Klägerin nicht bestanden. Damit könne aber auch das bestehende Anfallsleiden nicht der am 18.12.1992 durchgeführten Impfung angelastet werden.

Dagegen wurde am 20.01.1999 Widerspruch erhoben und die Eltern der Klägerin führten zur Begründung im Wesentlichen aus, sie hätten bei der Klägerin nach der Mehrfachimpfung zunächst ein vermehrtes Schlafbedürfnis sowie Durchfall und Fieber und am siebten Tag danach einen Krampfanfall beobachtet. Insoweit und nachdem sowohl der gesundheitliche Verlauf bei der Klägerin bis zur Impfung komplikationslos gewesen sei als auch in ihrer Familie neurologische Erkrankungen unbekannt seien, sei darin der ursächliche Zusammenhang begründet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2000 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, um die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den in Betracht kommenden Impfungen und den neurologischen Störungen begründen zu können, müsste im engen zeitlichen Zusammenhang zur Impfung ein schwereres Krankheitsbild mit unterschiedlichen neurologischen Krankheitssymptomen und langwierigem hochfieberhaftem Verlauf feststellbar gewesen sein. Ein solches Krankheitsbild sei bei der Klägerin unmittelbar nach der Impfung jedoch nicht beobachtet worden. Grund für die ablehnende Entscheidung sei nicht der fehlende Virusnachweis beziehungsweise der fehlende Antikörperspiegel gewesen, sondern ausschließlich der klinische Verlauf der Krankheit der Klägerin. Dieses Krankheitsbild könne nicht als typische Folge einer Polio-Keuchhusten-Impfung angesehen werden. Ebenso wenig könne aus der fehlenden Entstehungsursache der Schluss gezogen werden, dass bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs mehr für als gegen eine Impfkomplikation spreche. Bei alledem lasse sich auch nach nochmaliger Überprüfung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der am 18.12.1992 bei der Klägerin erfolgten Impfung und den bestehenden Gesundheitsstörungen nicht begründen.

Dagegen erhob die Klägerin am 04.05.2000 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) und verfolgte ihr Begehren weiter.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG das Gutachten des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Prof. Dr. W. vom 28.06.2001 ein, das dieser aufgrund der Akten, des radiologischen Zusatzgutachtens des Dr. Sch. und aufgrund einer persönlichen Vorstellung der Klägerin und ihrer Angehörigen erstattete. Darin führte dieser aus, der Nichtnachweis von Impfviren und die Nichtdokumentation eines Antikörperspiegels könnten nicht dem Impfling beziehungsweise seinen Angehörigen angelastet werden. Seines Erachtens sei vorliegend schon der erste kurze Krampfanfall ohne Fieber am 25.12.1992 das erste sichtbare Zeichen eines durch die Impfung in Gang gesetzten Krankheitsgeschehens gewesen, das schon nach rund drei Wochen in Form eines sehr schweren, über 25 Minuten dauernden schweren Krampfanfalls mit tonisch-klonischen Zuckungen in seiner Dramatik zum Ausdruck gekommen sei. Er gehe davon aus, dass der Poliomyelitisanteil der Fünffach-Impfung zu einer isolierten cerebralen Noxe geführt habe, die in Form dieses ersten leichten Krampfanfalls nach der Impfung in Erscheinung getreten sei und drei Wochen später, also noch innerhalb der Inkubationszeit, einen ganz schweren Grand-Mal-Anfall, ebenfalls ohne Fieber, ausgelöst habe. Ohne diese cerebrale Noxe wäre die genetisch mitdeterminierte frühkindliche Epilepsie sicher nicht zu diesem Zeitpunkt und wahrscheinlich auch nicht in der Form des weiteren Ablaufs klinisch manifest geworden. In jedem Fall müsse eine Triggerung der frühkindlichen Epilepsie durch die Impfung angenommen werden. Von ihm werde der Standpunkt vertreten, dass die orale Poliomyelitis-Impfung nicht nur mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit das genetisch determinierte Krampfleiden getriggert habe, sondern auch zu einer isolierten cerebralen Schädigung der Klägerin geführt habe.

Ergänzend führte Prof. Dr. W. am 04.10.2001 aus, durch die Impfung sei es bei der Klägerin zu einer isolierten cerebralen Schädigung gekommen. Hierfür sei eine Entzündung des Gehirn- und Rückenmarkgewebes (ADEM) verantwortlich zu machen. Durch den Poliomyelitis-Anteil der Impfung sei eine ADEM in Gang gesetzt worden, die das chronische Krampfleiden und das bei der Klägerin bestehende Defektzustandsbild bewirkt habe. Andere Verursachungen für das in Gang gesetzte chronische Krampfleiden sieben Tage nach der durchgeführten Fünffach-Impfung und für die nachgewiesenen pathologischen Ergebnisse bei der Kernspintomographie hätten sich anamnestisch nicht erheben lassen. Zur Abklärung einer ADEM gehöre im Prinzip auch der Nachweis von erhöhten T-Zellen im Blut, eine Untersuchung, die damals im Jahre 1992/93 weder bei den verschiedensten Virus-Erkrankungen noch bei Impfungen mit Lebendviren durchgeführt worden sei.

Dagegen wandte der Beklagte ein, die Auffassung des Prof. Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 04.10.2001, auf der Grundlage einer durchgemachten ADEM als immunologischer Reaktion auf den Poliomyelitisanteil der Fünffach-Impfung am 18.12.1992 sei eine symptomatische Epilepsie getriggert worden, widerspreche der Beurteilung sämtlicher bisheriger Gutachter.

Prof. Dr. D., Chefarzt der Kinderklinik St. A. L., teilte dem SG am 21.05.2002 mit, nach Durchsicht der Akten komme er zu dem Ergebnis, dass ein ausgewiesener Neuropädiater zu den Fragen der Impfschädigung bei der Klägerin Stellung nehmen sollte und hierzu schlage er Prof. Dr. K. von der Universitätsklinik F. vor.

Anschließend holte das SG das kinderneurologische und kinderepileptologische Gutachten des Prof. Dr. K. vom Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Universität F. vom 07.01.2003 ein, das dieser nach ambulanter Untersuchung der Klägerin erstattete. Darin gelangte er zusammenfassend zu dem Schluss, dass nach seiner Einschätzung die Impfung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Ursache der Epilepsie im Sinne der wesentlichen Bedingung gewesen sei. Hingegen komme die Impfung sehr wohl als letzter Anstoß für die klinische Manifestation der ersten Anfälle in Frage, ohne dass dies aber die wesentliche Bedingung wäre und den weiteren Verlauf wesentlich mitbestimmt hätte.

Mit Urteil vom 20.01.2004 wies das SG die Klage ab. Die Anerkennung eines Impfschadens setze nach den AHP 2004 den Nachweis von Impfviren und/oder Antikörperbildung voraus. Dieser Nachweis könne vorliegend nicht erbracht werden. Die Nichterweislichkeit dieser Tatbestandvoraussetzung gehe zu Lasten der Klägerin, eine Beweislastumkehr scheide aus. Daher könne der Auffassung des Prof. Dr. R. und des Prof. Dr. W., dass die fehlende Untersuchung auf Impfviren nicht der Klägerin angelastet werden könne, nicht gefolgt werden.

Dagegen legte die Klägerin am 20.02.2004 Berufung ein.

Die Klägerin beantragte, das Urteil des SG vom 20.01.2004 sowie den Bescheid vom 07.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2000 aufzuheben und festzustellen, dass die therapieresistente Epilepsie mit generalisiert-klonischen Anfällen und die ausgeprägte Störung der motorischen Koordination, Handkoordination, visuomotorischen Koordination und der auditiven Merkfähigkeit Folge der am 18.12.1992 durchgeführten Impfung gegen Poliomyelitis sei, hilfsweise ein Obergutachten einzuholen. Der Beklagte beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Er hielt die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Prof. Dr. K. führte in seiner vom LSG eingeholten Stellungnahme vom 10.04.2006 aus, es handle sich bei der Epilepsie der Klägerin um eine Erkrankung, deren Ursache individuell zur Zeit nicht schlüssig bewiesen werden könne. Aus der Befundlage und dem Verlauf beider Anfälle am 25.12.1992 und 17.01.1993 könne keine Begründung dafür abgeleitet werden, dass die ersten beiden Anfälle mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine richtunggebende Verschlechterung einer primär-idiopathischen Epilepsie bewirkt hätten.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2006 ließ die Klägerin eine Kopie des Berichts des Universitätsklinikums H. vom 18.10.2004 vorlegen, worin Privatdozent Dr. B. ausführte, zwischenzeitlich liege das Ergebnis der molekulardiagnostischen Untersuchung in G. auf eine Mutation im SCN1 A Gen vor. Hier habe sich aber keine Mutation nachweisen lassen.

Mit Urteil vom 21.07.2006 hob das LSG das Urteil des SG vom 20.01.2004 sowie den Bescheid vom 07.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2000 auf und stellte fest, dass die therapieresistente Epilepsie mit generalisiert-klonischen Anfällen und die ausgeprägte Störung der motorischen Koordination, Handkoordination, visuomotorischen Koordination und der auditiven Merkfähigkeit Folge der am 18.12.1992 durchgeführten Impfung gegen Poliomyelitis sei. Es spreche mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem verbliebenen Schaden. Der für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen der Impfung am 18.12.1992 und dem ersten Auftreten von Krankheitszeichen sei vorliegend gegeben. Der Senat sei davon überzeugt, dass der erste epileptische Anfall bei der Klägerin bereits am 25.12.1992 aufgetreten sei und der ärztlich untersuchte und behandelte Krampfanfall am 17.01.1993 bereits der zweite epileptische Anfall gewesen sei. Der fehlende Nachweis der Impfviren und/oder der Antikörperbildung dürfe nicht der Klägerin angelastet werden, weil die Klägerin nach dem ersten Krampfanfall am 25.12.1992 gar nicht ärztlich behandelt worden sei und bei den Klinikaufenthalten der Klägerin Anfang des Jahres 1993 die entsprechenden Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien. Darin sei keine unzulässige Beweiserleichterung beziehungsweise Beweislastumkehr zu sehen. Auf den Nachweis von Impfviren und/oder einer Antikörperbildung könne verzichtet werden, wenn auch ohne einen solchen Nachweis mehr für als gegen einen Zusammenhang zwischen Anfallsleiden und Impfung spreche. Dies sei hier der Fall. Die Impfung sei mit Wahrscheinlichkeit eine Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn für den ersten Krampfanfall der Klägerin am 25.12.1992. Dieser Krampfanfall sei ohne Zweifel eine über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung. Bei der Frage, ob die Impfung auch wesentliche Bedingung für die epileptische Erkrankung sei, komme es aus (sozial)rechtlicher Sicht nicht maßgeblich darauf an, ob die ersten Krampfanfälle am 25.12.1992 und 17.01.1993 so schwer verlaufen seien, dass sie ihrerseits zu einem so genannten iktugenen Hirnschaden geführt haben könnten. Beruhe der Ausbruch einer Krankheit, hier der Epilepsie, auf mehreren Ursachen, hier einerseits der Impfung und andererseits der Krankheitsanlage, so sei die Impfung wesentlich, solange die Krankheitsanlage nicht von überragender Bedeutung gewesen sei. Eine Krankheitsanlage sei aber nur von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar gewesen sei, dass die naturwissenschaftliche Verursachung akuter Erscheinungen, hier die Auslösung des ersten Krampfanfalls am 25.12.1992, nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurft habe, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. Eine derart überragende Bedeutung der Krankheitsanlage für die Entstehung der Epilepsie vermöge der Senat nicht zu erkennen. Ferner komme es darauf an, ob andere Ursachen für die Auslösung des ersten Krampfanfalls in Betracht kämen. Dies sei aber auch nicht der Fall. So könne ätiologisch eine genetisch oder anderweitig verursachte Hirnmissbildung, eine prä- oder perinatale exogene Hirnschädigung sowie ein angeborenes Stoffwechselleiden weitgehend ausgeschlossen werden. Das klinische Bild spreche auch nicht für eine substantielle postnatale Hirnschädigung, bei der stärker ausgeprägte kernspintomografische Pathologien und eher ein umschriebener neurologischer Herdbefund als die vorliegende sehr diffuse Koordinations- oder Entwicklungsstörung zu erwarten wären. Es lasse sich auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Epilepsie bei der Klägerin genetisch bedingt sei. Bei der Epilepsie der Klägerin handle es sich um eine Erkrankung, deren Ursache individuell zur Zeit nicht schlüssig bewiesen werden könne. Die bekannten epidemiologischen und klinisch-genetischen Daten wiesen aber darauf hin, dass es sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit um eine genetisch determinierte Erkrankung handele. Diese Interpretation werde für den Fall der Klägerin auch durch die Tatsache gestützt, dass offenbar ein Bruder im Kleinkindalter einmal einen Fieberkrampf erlitten habe. Fieberkrämpfe seien zwar aus klinischer Sicht wegen der völlig anderen Lebenskonsequenz nicht als Epilepsien einzustufen, sie seien aber in ihrer Ursache, Genetik und Pathogenese sehr eng mit den idiopathischen Epilepsien verbunden. Vorliegend sei eine genetisch-determinierte Erkrankung der Klägerin nur wahrscheinlich, aber nicht gewiss. Die an der Universitätsklinik H. durchgeführte molekulardiagnostische Untersuchung habe keinen Gendefekt zutage gefördert, der für die Entstehung der Epilepsie verantwortlich sein könnte und die Familienanamnese gebe ebenfalls keinen entscheidenden Hinweis auf eine das Leiden begünstigende Erbanlage. Der einmalige Fieberkrampf des Bruders der Klägerin könne nicht ernstlich als Hinweis auf eine genetische Veranlagung gewertet werden. Bei dieser Sachlage könne nach Ansicht des Senats davon ausgegangen werden, dass eine Verursachung des Leidens durch einen genetischen Defekt nicht nachgewiesen sei. Die Möglichkeit einer genetischen Verursachung reiche jedenfalls dann nicht aus, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung als nicht wahrscheinlich anzusehen, wenn Hinweise auf eine erbliche Belastung nicht vorlägen und gewichtige Umstände für einen Zusammenhang sprächen. Auch komme es darauf, dass die Impfung nicht als alleinige mögliche Ursache der Erkrankung nach Ausschluss aller anderen Ursachen angesehen werden könne, nicht entscheidend an. Es genüge, wenn die Auslösung der Erkrankung wesentlich durch die Impfung verursacht worden sei. Nicht erforderlich sei, dass die ersten Krampfanfälle zu einem Hirnschaden geführt hätten, der dann als zweite Ursache den weiteren Verlauf hätte mitbestimmen können. Vorliegend gehe es um die Verursachung im Sinne der Entstehung und nicht nur um eine Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Epilepsie.

Das LSG ließ die Revision zu, da die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Impfschadensrecht von den in den AHP niedergelegten Grundsätzen (Nachweis von Impfviren) abgewichen werden könne, grundsätzliche Bedeutung habe.

Der Beklagte legte am 28.08.2006 Revision zum Bundessozialgericht (BSG) ein und führte zur Begründung aus, gerade weil die Manifestation eines hirnorganischen Anfallsleidens ohne die Symptome einer Impfpoliomyelitis stets einer besonders sorgfältigen Klärung bedürfe, könne auf die in den AHP genannten engen Voraussetzungen auch nicht nur teilweise verzichtet werden. Wenn das LSG meine, ein Verzicht sei möglich, wenn auch ohne einen Nachweis von Impfviren oder eine Antikörperbildung mehr für als gegen einen Zusammenhang zwischen Anfallsleiden und Impfung spreche, sei dem zu entgegnen, dass eine solche Feststellung stets bei der Prüfung zu treffen sein werde, ob andere Ursachen der Erkrankung ausschieden. Das LSG habe lediglich geprüft, ob eine Krankheitsanlage beziehungsweise genetische Veranlagung oder aber die Impfung die wesentliche Ursache für die epileptische Erkrankung darstelle. Dabei habe das LSG festgestellt, dass die Auslösung der Erkrankung wesentlich durch die Impfung verursacht worden sei. Ein solches Ereignis, Festlegung auf die Impfung als alleinige oder wesentliche Ursache, ergebe sich jedoch stets, wenn andere Ursachen der Erkrankung ausgeschlossen werden könnten. Der geforderte Nachweis von Impfviren und/oder einer Antikörperbildung wäre dann überflüssig. Die AHP sähen hier nicht ohne Grund bestimmte Voraussetzungen vor, auf die nicht ohne Weiteres verzichtet werden könne. Ohne Vorliegen aller in den AHP genannten Voraussetzungen lasse sich hier die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht ausreichend sicher ermitteln. Es sei des Weiteren dem SG zuzustimmen, dass sich der fehlende Nachweis zu Lasten der Klägerin auswirke. Für die Nichtfeststellbarkeit des Impfschadens habe die Klägerin die Beweislast zu tragen.

Auf die Verfügung des BSG vom 07.11.2007, wonach die neu gefassten AHP (GMBl. 2007, S. 53 und 55) keine Forderung nach einem Impfviren- und/oder Antikörpernachweis mehr enthielten, nahm der Beklagte die Revision am 10.12.2007 zurück.

Im Rahmen des auf die Ausführung des Urteils des LSG vom 21.07.2006 und die Feststellung der Höhe des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) gerichteten Verfahrens zog der Beklagte zunächst die Berichte der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum H. vom 01.03.2006, 15.08.2006 und 24.05.2007 ("severe myoclonic epilepsy of infancy [frühkindliche Grand-mal-Epilepsie], Nachweis einer potentiell pathogenen Mutation im SCN1A p.Leu375Phe"), der Klinik für Kinderneurologie und Sozialpädiatrie im Kinderzentrum M. vom 12.01.2006, 19.05.2006, 06.09.2006, 05.04.2007, 16.10.2007 und 24.04.2008 ("severe myoclonic epilepsy of infancy [FMEI] mit molekulargenetischem Nachweis einer SCN1A Mutation") sowie des Kinderkardiologen Dr. Sch. vom 18.12.2007 bei und holte den Befundbericht des Kinder- und Jugendarztes Dr. L. vom 29.04.2008 ein. Ferner zog der Beklagte über das Universitätsklinikum H. den englischsprachigen Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J., Laboratorium für Neurogenetik und DNA-Diagnostik der Universität A., vom 06.09.2007 ("St. K. has a heterozygous de novo p.Leu375Phe missense mutation in SCN1A. This mutation is absent in the parents. These results strongly suggest that the de novo p.Leu375Phe mutation is a pathogenic mutation leading to severe myoclonic epilepsy of infancy [SMEI] in this patient. We recommend referral to a medical genetics department for genetic counseling").

Sodann holte der Beklagte das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie R. vom 28.05.2008 ein. Dort wird ausgeführt, es sei ein neuer wesentlicher Befund, der eine Spontanmutation SCN1A nachweise, eingetroffen. Dieser Befund belege die genetische Ursache, wie dies aus dem Befund des A. neurogenetischen Laborinstituts hervorgehe. Insofern stehe auch die Frage der wesentlichen Bedingung für die Gesundheitsschädigung eventuell erneut zur Diskussion. Derzeit bestehe bei der Klägerin ein cerebrales Anfallsleiden mit kognitiver Leistungseinschränkung und motorischen Koordinationsstörungen, das einen GdS von 100 bedinge.

Dr. C. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.07.2008 aus, es habe nun festgestellt werden können, dass es sich um eine frühkindliche Grand-mal-Epilepsie mit dem Nachweis einer potentiell pathogenen de novo Genmutation im Bereich von SCN1A pLeu375Phe handele. Daher sei die Kausalitätsfrage neu zu überdenken. Man werde sich deshalb im Nachhinein unter Zugrundelegung der neuen diagnostischen Erkenntnisse dem Gutachten des Prof. Dr. K. vom 07.01.2003 anschließen müssen. Zu der in diesem Gutachten diskutierten Beweisfrage sei nunmehr der entscheidende Beitrag geleistet worden. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der vorgenommenen Impfung und dem bei der Klägerin gesicherten Anfallsleiden könne nicht mehr als wahrscheinlich angenommen werden. Ein postvakzinaler Cerebralschaden nach der durchgeführten Impfung beziehungsweise ein ADEM stehe somit nicht mehr zur Diskussion. Auch wenn man die Impfung im Sinne eines der letzten Anstöße für eine klinische Manifestation der ersten Anfälle diskutieren wollte, wäre diese, wie Prof. Dr. K. ausgeführt habe, keine wesentliche und mitbestimmende Bedingung für den weiteren Verlauf der nunmehr ätiologisch gesicherten Erkrankung und somit auch versorgungsrechtlich nicht als relevant anzusehen. Daher schlug Dr. C. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.07.2008 eine nochmalige Überarbeitung des Vorgangs unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse vor.

Daraufhin veranlasste das Landratsamt (LRA) die am 17.07.2008 beim Regierungspräsidium St. - L. erfolgte Aktenvorlage. Dort schloss man sich in den Aktenvermerken vom 23.07.2008 und 14.08.2008 der Beurteilung des LRA an.

Der Beklagte hat am 14.08.2008 beim LSG die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.

Die Wiederaufnahmeklage stütze sich auf den Nachweis einer SCN1A-Mutation bei der Klägerin, wodurch der im Urteil des LSG vom 21.07.2006 angenommene ursächliche Zusammenhang zwischen der Impfung und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen widerlegt sei. Der Bericht der Universität A. über das Ergebnis der durchgeführten DNA-Analyse sei als Urkunde im Sinne des § 580 Abs. 7 Buchstabe b Zivilprozessordnung (ZPO) anzusehen. Auf den Nachweis einer potentiell pathogenen Mutation sei bereits im Bericht des Universitätsklinikums H. vom 24.05.2007 hingewiesen worden. Die Wiederaufnahmeklage sei auch fristgerecht erhoben worden. Nach Erstellung des Prüfvermerks der Dr. C. vom 15.07.2008 seien die Akten am 17.07.2008 beim V. des L. eingegangen. Die Leitende Ärztin habe sich daraufhin am 23.07.2008 der Beurteilung des LRA angeschlossen. Anschließend sei der Vorgang dem für die Wiederaufnahme der Klage zuständigen Rechtsmittelreferat zur weitern Prüfung vorgelegt worden.

Für die Monatsfrist des § 586 ZPO sei die Kenntnis der Stelle maßgebend, die das Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten und zu beantragen habe. Da das Rechtsmittelreferat erst nach dem 23.07.2008 die entsprechenden Informationen und Unterlagen erhalten habe, um eine Klage erheben zu können, sei die Monatsfrist gewahrt. Diese Auslegung trage dem Umstand des mehrstufigen Verwaltungsaufbaus der Innenverwaltung unter Berücksichtigung der im Jahr 2005 erfolgten Verwaltungsreform sowie dem vorherrschenden Vieraugen-Prinzip im Ä. Rechnung. Zwar gebe es das Untersuchungsgutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie R. vom 28.05.2008, doch habe hierzu erst noch ein Prüfvermerk der Abteilungsleiterin des V. Dr. C. vom 15.07.2008 eingeholt sowie eine Mitprüfung durch den V. des L. veranlasst werden müssen. Die dortige Leitende Ärztin Dr. R. habe sich am 23.07.2008 der Beurteilung des LRA angeschlossen.

Auf den Hinweis des Senats, eine Wiederaufnahme könne grundsätzlich nicht auf nachträglich errichtete Urkunden gestützt werden, der Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. vom 06.09.2007 sei aber nach dem Urteil des LSG vom 21.07.2006 erstellt worden, hat der Beklagte ausgeführt, das Urteil des LSG sei erst mit Rücknahme der Revision im Dezember 2007 rechtskräftig geworden. Der Bericht vom 06.09.2007 hätte, falls er dem Beklagten schon bekannt gewesen wäre, dem BSG vorgelegt werden können. Der Rechtsstreit wäre dann an das LSG zurückverwiesen worden. Außerdem könne ausnahmsweise im Rahmen einer Analogie zu § 580 Abs. 7 Buchst. b ZPO eine Wiederaufnahme auch auf nachträglich errichtete Urkunden gestützt werden. Dieser Ausnahmefall liege hier vor, da die DNA-Analyse ihrer Natur nach, ähnlich einer später errichteten, die zurückliegende gesetzliche Empfängniszeit beweisenden Geburtsurkunde, Tatsachen rückwirkend ab Geburt beweise.

Der Beklagte beantragt,

das Verfahren L 8 VJ 847/04 wieder aufzunehmen, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21.07.2006 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts K. vom 20.01.2004 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Wiederaufnahmeklage des Beklagten abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts K. vom 20.01.2004 und den Bescheid vom 07.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2000 aufzuheben sowie festzustellen, dass die therapieresistente Epilepsie mit generalisiert-klonischen Anfällen und die ausgeprägte Störung der motorischen Koordination, Handkoordination, visuomotorischen Koordination und der auditiven Merkfähigkeit Folge der am 18.12.1992 durchgeführten Impfung gegen Poliomyelitis ist.

Der Untersuchungsbefund vom 06.09.2007 sage überhaupt nichts darüber aus, inwieweit eine Ursächlichkeit der Impfung mit der aufgetretenen Schädigung der Klägerin ausgeschlossen sei. Im Übrigen werde bestritten, dass eine Mutation im SCN1A-Gen vorliege. Denn aus dem bereits im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht des Universitätsklinikums H. vom 18.10.2004 gehe hervor, dass nach einer Untersuchung in G. eben keine Mutation festgestellt worden sei. Auch fehle es auch nur ansatzweise an einem Nachweis, dass sich infolge einer Genmutation eine Veränderung in der Beurteilung der Berufungsentscheidung ergeben solle. So habe das LSG ausgeführt, dass speziell auf den Fall der Klägerin bezogen die Impfung mit ihrer unspezifischen immunologischen Reaktion den Anlass oder letzten Anstoß für die Manifestation des ersten Anfalls bei der in der Ursache genetisch determinierten Epilepsie gegeben habe. Selbst eine Mutation unterstellt, was ausdrücklich bestritten werde, rechtfertige dies noch keine andere Entscheidung. Es gebe im Übrigen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach eine entsprechend zuvor festgestellte Gen-Mutation einen Impfschaden ausschließen würde.

Ferner sei die Urkunde, auf die sich der Beklagte beziehe, nicht in deutscher Sprache vorgelegt worden, was zwingend erforderlich sei, um innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist erkennen zu können, worauf der Beklagte seine Restitution stütze. Spätestens seit dem Gutachten vom 28.05.2008 habe die Frist für die Wiederaufnahme zu laufen begonnen. Die Wiederaufnahmeklage sei daher verfristet. Der Beklagte sei nach dem Hinweis im Gutachten vom 28.05.2008 rechtskundig genug gewesen, zu prüfen, inwieweit eine Wiederaufnahmeklage in Betracht komme. Der Beklagte könne auch als Behörde oder auch wegen des mehrstufigen Verwaltungsaufbaus keine Sonderrechte in Anspruch nehmen.

Im Übrigen könne die Wiederaufnahme nicht auf eine nachträglich errichtete Urkunde gestützt werden. Entscheidend sei hierfür die letzte Tatsacheninstanz. Somit komme es vorliegend nicht auf die Revisionseinlegung und Revisionsrücknahme an.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Wiederaufnahme und Fortsetzung des unter dem Aktenzeichen L 8 VJ 847/04 geführten und rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens.

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann unter anderem wieder aufgenommen werden, wenn die in §§ 579 und 580 ZPO genannten Voraussetzungen für die Erhebung einer dort geregelten Nichtigkeits- oder Restitutionsklage erfüllt sind (§ 179 Abs. 1 SGG).

Die Restitutionsklage findet unter anderem statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (§ 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO). Die Restitutionsklage ist nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 582 ZPO).

Die Restitutionsklage ist vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben (§ 586 Abs. 1 ZPO). Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils (§ 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Tatsachen, die ergeben, dass die Klage vor Ablauf der Notfrist erhoben ist, sind glaubhaft zu machen (§ 589 Abs. 2 ZPO).

Die Wiederaufnahmeklage des Beklagten ist zwar fristgerecht erhoben worden.

Der Beklagte hat die Notfrist von einem Monat eingehalten. Denn die Notfrist von einem Monat für die Erhebung der Restitutionsklage beginnt im sozialen Entschädigungsrecht mit Kenntnis des L.s zu laufen. Diese Behörde ist gemäß § 71 Abs. 5 SGG im sozialen Entschädigungsrecht allein vertretungsbefugt und hat allein die Sachbearbeitung in der Prozessführung des Landes (zur Kriegsopferversorgung: BSG, Urteil vom 19.12.1967 - 8 RV 517/67; auch bei der Bestimmung des Beginns der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] kommt es nach BSG, Urteil vom 08.02.1996 - 13 RJ 35/94 - auf die Kenntnis des für die Rücknahme zuständigen Sachbearbeiters der nach der Geschäftsverteilung des Leistungsträgers zuständigen Behörde an). Vorliegend hatte das L. erst mit Eingang der Akten des LRA am 17.07.2008 Kenntnis von dem Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. Mit der am 14.08.2008 beim LSG eingegangenen Wiederaufnahmeklage wurde damit die Monatsfrist gewahrt.

Die Wiederaufnahmeklage des Beklagten scheitert aber daran, dass der Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. keine Urkunde mit dem ihr eigentümlichen Beweiswert im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO darstellt.

Zwar handelt es sich bei dem Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. um eine schriftliche Verkörperung eines Gedankens und damit um eine Urkunde im Rechtssinne. Ferner war der Beklagte auch ohne sein Verschulden außerstande, den Inhalt des Untersuchungsbefundes des Prof. Dr. D. J. im Vorprozess geltend zu machen, da diese Urkunde zum damaligen Zeitpunkt noch nicht existierte. Der Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. erfüllt aber nicht den engeren Urkundenbegriff des § 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO.

In § 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO sind Urkunden gemeint, die sich auf Tatsachen beziehen, also schriftliche Beweisstücke, aus denen das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsachen nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu gewinnen vermag. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Urkunde eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte, ist von der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils auszugehen. In Verbindung mit der neuen Urkunde ist der gesamte alte Prozessstoff neu zu würdigen. Begründet ist die Wiederaufnahmeklage nur, wenn die Urkunde allein schon der angefochtenen Entscheidung eine tragende Stütze nimmt und in Verbindung mit Feststellungen des angefochtenen Urteils die entscheidungserhebliche Tatsache beweist. Neue Tatsachen können dabei nur vorgetragen werden, soweit sie sich aus der Urkunde selbst ergeben. Der Urkunde muss in diesem Fall ferner der ihr eigene Beweiswert zukommen. Sie muss urkundenbeweislich verwertbar sein, mag der Beweis auch nur in Verbindung mit sonstigen früher getroffenen Feststellungen gelingen. Die bevorzugte Zulassung der Urkunde als Beweismittel beruht auf der gleichen Erwägung wie beim Urkundenprozess, dass nämlich der Urkunde gegenüber anderen Beweismitteln eine besondere Beweiskraft zukommt. Daher muss die Urkunde allein als solche dazu geeignet sein und dazu beitragen, alte Feststellungen zu ändern, die Urteilsgrundlage in evidenter Weise zu erschüttern und einen Mangel des vorangegangenen Verfahrens zu offenbaren. (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.04.1973 - 4 U 246/72 - unter Hinweis auf RG, Urteil vom 04.02.1932 - VI 337/31 - RGZ 135, 123; BGH, Urteil vom 14.02.1952 - IV ZR 137/51 - BGHZ 5, 157; BGH, Beschluss vom 16.12.1960 - IV ZR 158/60 - BGHZ 34, 77; BGH, Urteil vom 12.12.1962 - IV ZR 127/62 - BGHZ 38, 333; BAG, Urteil vom 19.10.1967 - 5 AZR 203/67 - NJW 1968, 862)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind Gutachten, erst recht wenn sie erst nach Abschluss des früheren Verfahrens errichtet worden sind, keine Urkunden im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO, wenn es dazu nachträglich noch der Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen bedarf. Der maßgebende urkundliche Beweiswert fehlt jedenfalls dann, wenn die Urkunde nur dazu dient, neue Beweismittel in den Rechtsstreit einzuführen, und wenn zur weiteren Klärung neue ergänzende Beweise erhoben werden müssen. Es geht nicht an, auf diesem Weg den im Restitutionsverfahren sonst nicht zugelassenen Zeugen- und Sachverständigenbeweis zu ersetzen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.04.1973 - 4 U 246/72 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.11.1968 - 10 RV 471/65 - NJW 1969, 1079).

Daher ist der vom Beklagten zum Zweck der Beweisführung außergerichtlich beigezogene Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. keine taugliche Urkunde im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO. Die dort enthaltenen schriftlichen Äußerungen erweisen die maßgebenden Vorgänge und Tatsachen nicht urkundlich. Sie erbringen lediglich den Beweis, dass der Aussteller angegeben hat, er habe die in ihr enthaltenen Befunde erhoben. Solche Urkunden haben, soweit es sich um die in ihnen niedergelegte Bekundung des Ausstellers handelt, eher einen geringeren Beweiswert, als ihn der unmittelbare Zeugen- oder Sachverständigenbeweis hat. Aber auch wenn sich das Gericht allein aufgrund der Urkunde eine Überzeugung bilden könnte, beruhen die von ihm mittels der Urkunde gewonnenen Erkenntnisse nicht auf der Beweiskraft der Urkunde als solcher, sondern auf den durch sie vermittelten Bekundungen eines Zeugen oder Sachverständigen. So besagt auch hier der vom Beklagten vorgelegte Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. lediglich, dass bei der Klägerin eine Mutation des SCN1A-Gens erhoben worden ist. Auch in einem solchen Fall wird die Wahrheit einer Tatsache nicht allein durch die urkundliche Schriftform bewiesen. Vielmehr beinhaltet die Urkunde auch dann lediglich eine sachverständige Äußerung, welche das Gericht prüfen und sich zu eigen machen soll. Ganz bewusst beschränkt § 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO die Restitutionsklage auf den Fall des Auffindens einer Urkunde. Die Entdeckung anderer Beweismittel fällt nicht darunter, mögen sie auch schriftlich niedergelegt sein (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.04.1973 - 4 U 246/72 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.11.1968 - 10 RV 471/65 - NJW 1969, 1079).

Die dargelegten Grundsätze lassen eine - ausgehend von dem Grundgedanken, dass eine Gerichtsentscheidung neu überprüft werden soll, wenn die Urteilsgrundlagen in evidenter Weise erschüttert sind - ausdehnende entsprechende Anwendung § 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO nicht zu. Urkunden können nur zugelassen werden, bei denen mit Sicherheit auszuschließen ist, dass sie errichtet oder benutzt werden, um anstelle eines anderen, keinen Restitutionsgrund bildenden Beweismittels in den Prozess eingeführt zu werden. Im Interesse der Rechtssicherheit hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, die Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann zuzulassen, wenn eine Partei nachträglich in die Lage versetzt wird, neuen Zeugen- oder Sachverständigenbeweis anzutreten. Die Restitutionsklage kann daher auch dann nicht zulässig sein, wenn der Art nach in Wahrheit ein Zeugen- oder Sachverständigenbeweis geführt werden soll, nämlich mittels einer Urkunde der Beweis letztlich durch Zeugen oder Sachverständige erbracht wird. Obwohl die hier streitrelevante Problematik seit Jahrzehnten in Literatur und Rechtsprechung behandelt worden ist, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, § 580 ZPO im Interesse der materiellen Gerechtigkeit zu ändern und damit die Rechtssicherheit einzuschränken und nur mit Einführung des § 641i ZPO hinsichtlich der Vorlage eines neuen Gutachtens über die Vaterschaft einen zusätzlichen Restitutionsgrund im Vaterschaftsprozess geschaffen (zum Ganzen: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.04.1973 - 4 U 246/72; BGH, Urteil vom 26.02.1951 - IV ZR 102/50 - BGHZ 1, 218; LSG Schleswig, Urteil vom 25.09.1959 - L 3 Ar 73/58 - Breithaupt 1960, 187; LSG Berlin, Urteil vom 03.06.1960 - L 14 V 63/59 - Breithaupt 1960, 1043; BVerwG, Urteil vom 20.09.1960 - III C 9.60 - BVerwGE 11, 124; OVG Bremen, Urteil vom 19.03.1990 - 2 T 1/90 - NJW 1990, 2337; OLG Koblenz, Urteil vom 16.06.1994 - 5 U 325/94 - NJW-RR 1995, 1278).

Die Wiederaufnahmeklage scheitert ferner an dem Erfordernis, dass die Urkunde grundsätzlich bereits in dem Zeitpunkt errichtet worden sein muss, in dem sie die Partei im Vorprozess noch hätte benutzen können (siehe dazu Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, Rz. 5h; Straßfeld in Jansen, SGG, 2. Auflage, § 179, Rz. 8; Hk-SGG/Lüdtke § 179, Rz. 10; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage, § 179, Rz. 28; Arndt in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 179, Rz. 9; Musielak, ZPO, 6. Auflage, § 580, Rz. 21; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Auflage, § 580, Rz. 18 und 20; Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 580, Rz. 15; Münchener Kommentar, ZPO, 3. Auflage, § 50, Rz. 49; Greger in Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 580, Rz. 16a).

Diese Voraussetzung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 580 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe b ZPO, beruht aber darauf, dass die sonst beliebig mögliche nachträgliche Errichtung von Urkunden über Tatsachen aus der Zeit vor der Rechtskraft zum Zwecke der Verwertung im Restitutionsverfahren ausgeschlossen sein muss. Damit wird deutlich, dass diese Voraussetzung die Restitutionsklage als einen außerordentlichen Rechtsbehelf vor einer missbräuchlichen Ausdehnung sichern soll (BGH, Urteil vom 28.05.1951 - IV ZR 6/50 - BGHZ 2, 245; BSG, Urteil vom 21.04.1959 - 2 RU 293/56 - BSGE 9, 266; BGH, Urteil vom 29.04.1959 - IV ZR 311/58 - BGHZ 30, 60; BGH; Entscheidung vom 14.12.1966 - IV ZR 241/65 - BGHZ 46, 300; BSG, 13.11.1974 - 12 RJ 334/72 - BSGE 38, 207; juris Rz. 10; BGH, Beschluss vom 14.11.1974 - VII ZB 25/74 - VersR 1975, 260; juris Rz. 5; BGH, Urteil vom 06.07.1979 - I ZR 135/77 - NJW 1980, 1000; juris Rz. 19; BGH, Urteil vom 08.02.1984 - IVa ZR 203/81- VersR 1984, 453; KG Berlin, Urteil vom 15.11.1984 - 12 U 1150/84; BGH, Urteil vom 07.11.1990 - IV ZR 218/89 - NJW-RR 1991, 380; juris Rz. 13; OLG Koblenz, Urteil vom 16.06.1994 - 5 U 325/94 - NJW-RR 1995, 1278; juris Rz. 18 und 23; BAG, Urteil vom 22.01.1998 - 2 AZR 455/97 - NJW 1999, 82; juris Rz. 9; BVerwG, Beschluss vom 07.07.1999 - 8 B 66/99 - NJW 2000, 1884; juris Rz. 7; BFH, Beschluss vom 08.07.1999 - III B 22/99 - BFH/NV 1999, 1628; juris Rz. 9; OLG Köln, Urteil vom 31.03.2004 - 6 U 158/03 - BB 2004, 1134; juris Rz. 10).

Nach diesem Grundsatz muss die Urkunde spätestens bis zur letzten mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz errichtet gewesen sein. Denn gemäß § 163 SGG ist das BSG grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Zwar sind im Revisionsverfahren ausnahmsweise neue Tatsachen zu berücksichtigen, soweit das neue Vorbringen einen Wiederaufnahmegrund darstellen würde. Aber auch für Letzteres ist es erforderlich, dass die Urkunde - von den unten noch zu erörternden, aber vorliegend nicht gegeben Ausnahmen abgesehen - vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz errichtet worden war (BSG, Urteil vom 20.12.1962 - 3 RJ 85/55 - BSGE 18, 186). Die Ansicht des Beklagten, es genüge, dass die Urkunde spätestens bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess, vorliegend also bis zu der am 10.12.2007 erfolgten Rücknahme der Revision errichtet worden ist, trifft daher nicht zu. Vorliegend fand am 21.07.2006 die letzte mündliche Verhandlung im Vorprozess statt. Zu diesem Zeitpunkt war aber der Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. vom 06.09.2007 noch nicht errichtet. Mithin handelt es sich bei dem Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. nicht um eine nachträglich aufgefundene Urkunde.

Zwar kann von dem Grundsatz, dass die Urkunde grundsätzlich bereits in dem Zeitpunkt errichtet worden sein muss, in dem sie die Partei im Vorprozess noch hätte benutzen können, in Ausnahmefällen abgewichen werden (siehe dazu Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, Rz. 5h; Straßfeld in Jansen, SGG, 2. Auflage, § 179, Rz. 8; Hk-SGG/Lüdtke § 179, Rz. 10; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Auflage, § 179, Rz. 28; Arndt in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 179, Rz. 9; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Auflage, § 580, Rz. 21; Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 580, Rz. 16 und 17; Münchener Kommentar, ZPO, 3. Auflage, § 50, Rz. 49; Greger in Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 580, Rz. 17)

Vorliegend ist aber ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben.

Da mit dem Ausschluss nachträglich errichteter Urkunden eine missbräuchliche Ausdehnung der Restitutionsklage verhindert werden soll, kann die Restitutionsklage ausnahmsweise nur dann auf nachträglich errichtete Urkunden ausgedehnt werden, bei denen die Gefahr einer missbräuchlichen Ausdehnung der Restitutionsklage nicht besteht. Dies trifft für die Urkunden zu, die ihrer Natur nach nicht im zeitlichen Zusammenhang mit den durch sie bezeugten Tatsachen errichtet werden können und die deshalb, wenn sie errichtet werden, Tatsachen beweisen, die einer zurückliegenden Zeit angehören. Für solche Urkunden kommt ihrem Wesen nach eine missbräuchliche nachträgliche Errichtung nicht in Betracht. Sie sind vielmehr nachträglich errichtet, weil das nicht früher geschehen konnte. Bei dieser ausnahmsweisen Zulassung gibt es nur wenige Arten von nachträglich errichteten Urkunden, auf die eine Restitutionsklage gestützt werden kann. Hierunter fallen Geburtsurkunden, Todeserklärungen oder nachträgliche Todesfeststellungen. Die erforderliche zeitliche Trennung zwischen der Errichtung der Urkunde von der in ihr bezeugten Tatsache ergibt sich bei Geburtsurkunden daraus, dass sie außer der Tatsache der Geburt auch die - gegebenenfalls vor der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses liegende - Tatsache der zurückliegenden Empfängnis bezeugt (BGH, Urteil vom 28.05.1951 - IV ZR 6/50 - BGHZ 2, 245 unter Hinweis auf RG, RGZ 123, 304 und RG, HRR 1933, 1621; BGH, Entscheidung vom 14.12.1966 - IV ZR 241/65 - BGHZ 46, 300; BGH, Beschluss vom 22.04.1970 - IV ZA 5/70 - NJW 1970, 1320; juris Rz 8; OLG Köln, Urteil vom 30.04.1973 - 1 U 116/72 - NJW 1973, 2031; OLG Nürnberg, Urteil vom 22.04.1975 - 7 U 126/74 - NJW 1975, 2024). Dasselbe gilt für einen nachträglichen Beischreibungsvermerk zu einer Geburtsurkunde, in dem die Legitimation eines Kindes als ehelich festgestellt wird (BGH, Urteil vom 14.02.1952 - IV ZR 137/51 - BGHZ 5, 157; BSG, Urteil vom 20.12.1962 - 3 RJ 85/55 - BSGE 18, 186; KG Berlin, Urteil vom 27.05.1975 - 18 U 2255/74 - NJW 1976, 245; BGH, Urteil vom 06.07.1979 - I ZR 135/77 - NJW 1980, 1000; juris Rz. 19; a. A. BGH, Beschluss vom 16.12.1960 - IV ZR 158/60 - BGHZ 34, 77).

Bei dem Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. handelt es sich aber nicht um eine Urkunde, die ihrer Natur nach nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der durch sie bezeugten Tatsache hat errichtet werden können. Die Tatsache, dass bei der Klägerin eine SCN1A-Gen-Mutation vorliegt, hätte bereits während des Vorprozesses festgestellt werden können. Dem Senat ist kein Grund ersichtlich, der die zeitliche Trennung zwischen der - nach dem Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. - seit der Geburt der Klägerin bestehenden SCN1A-Gen-Mutation und deren erst mit dem Untersuchungsbefund vom 06.09.2007 erfolgten Feststellung als zwingend erscheinen lässt. Die zeitliche Trennung lag vorliegend lediglich darin begründet, dass zwischenzeitlich weitere, zu neuen Erkenntnissen führende, Untersuchungen der Klägerin durchgeführt wurden.

Eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Urkunde grundsätzlich bereits in dem Zeitpunkt errichtet worden sein muss, in dem sie die Partei im Vorprozess noch hätte benutzen können, gilt für Urkunden, die mit formeller Beweiskraft ausgestattet und deshalb besonders geeignet sind, eine rechtskräftig ergangene Entscheidung als augenfällig unrichtig erscheinen zu lassen. Dies ergibt sich aus der hervorragenden Bedeutung der formellen Beweiskraft solcher Urkunden für zurückliegende Tatsachen. Dadurch wird dem Ziel der Restitution, den Prozesszweck durch Anpassung des Urteils an die Tatsachenwahrheit nachträglich zu erreichen, Rechnung getragen. Dieser Zweck würde nicht erreicht, solange die rückbezügliche Beweiskraft nachträglich errichteter Urkunden ungenutzt bliebe. Dieser hohe Grad an Beweissicherheit und der Ausschluss missbräuchlicher nachträglicher Urkundenerstellung ist neben Personenstandsurkunden auch dem behördlichen Feststellungsbescheid über die rückwirkend zuerkannte Schwerbehinderteneigenschaft zuerkannt worden, so dass die Restitutionsklage für einen nach Rechtskraft eines klagabweisenden Kündigungsschutzurteils ergangenen, die Schwerbehinderung zum Kündigungszeitpunkt feststellenden Bescheid eines Versorgungsamtes zugelassen wurde, da ein solcher Feststellungsbescheid für den Fall der Rückwirkung der Personenstandsurkunde gleicht, weil er für die in der Vergangenheit bereits bestehende Schwerbehinderteneigenschaft gemäß § 418 ZPO vollen Beweis begründet (BAG, Urteil vom 15.08.1984 - 7 AZR 558/82 - NJW 1985, 1485; juris Rz. 43 und 44).

Allerdings gilt diese Ausnahme nur für von einer Behörde ausgestellte, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltende öffentliche Urkunden, die gemäß § 417 ZPO vollen Beweis ihres Inhalts begründen, oder für öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415 und 417 ZPO bezeichneten Inhalt haben, die gemäß § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründen. Bei dem Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. handelt es sich aber nicht - wie bei Personenstandsurkunden oder Feststellungsbescheiden - um eine solche öffentliche Urkunde im Sinne der §§ 417 oder 418 ZPO.

Da die Wiederaufnahmeklage bereits daran scheitert, dass der Untersuchungsbefund des Prof. Dr. D. J. keine Urkunde im Sinne des § 580 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b ZPO darstellt und nachträglich errichtet worden ist, lässt es der Senat offen, ob die Gewissheit erforderlich ist oder die bloße Möglichkeit ausreicht, dass mit der Vorlage der Urkunde im Vorprozess das günstigere Ergebnis eingetreten wäre. Wäre die Gewissheit (so Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 580, Rz. 19 und 22) erforderlich, würde die Wiederaufnahmeklage des Beklagten auch hieran scheitern. Denn angesichts des Berichts des Universitätsklinikums H. vom 18.10.2004, in dem eine Mutation im SCN1A-Gen verneint worden ist, hätte das Gericht allein aufgrund des eine solche Mutation bejahenden Untersuchungsbefundes des Prof. Dr. D. J. keine andere Entscheidung getroffen, sondern diesbezüglich weitere Ermittlungen anzustellen gehabt.

Nach alledem war die Wiederaufnahmeklage abzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.