Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 7 B 429/08 AS - Beschluss vom 17.02.2010
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Erledigungs- bzw. Einigungsgebühr gemäß Nr.1005 VV RVG im Vorverfahren eine Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus, die über die bloße Erhebung und Begründung des Widerspruchs hinausgeht. Eine solche Gebühr für ein Vorverfahren kann auch entstehen, wenn die Beteiligten in einem gerichtlichen Verfahren einen sog. "überschießenden Vergleich" schließen.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 27.11.2008 ist zulässig und begründet. Denn das SG hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu Unrecht abgelehnt.
1. Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung des Klägers, der die Kosten seiner Rechtsverfolgung nicht aufbringen kann, bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers kann die mit der Klage begehrte Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr gemäß Nr.. 1005 Vergütungsverzeichnis (VV) Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens mit Erfolg von der Beklagten beanspruchen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Erledigungs- bzw. Einigungsgebühr gemäß Nr.. 1005 VV RVG im Vorverfahren eine Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus, die über die bloße Erhebung und Begründung des Widerspruchs hinausgeht (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R - SGb 2007, 226 f; BSG, Urteil vom 21.03.2007 - B 11a AL 53/06 R - SGb 2007, 291 f; BSG, Urteil vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - SGb 2009, 154, 155; BSG, Urteil vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 5/07 R - ASR 2009, 53, 54; BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 137/08 R - ZFE 2009, 394; BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R -, Sgb 2009, 537; ebenso Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Urteil vom 28.07.2008 - L 19 AS 24/08 - Juris).
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat nach diesen rechtlichen Vorgaben im Vorverfahren eine Tätigkeit entfaltet, die über das Maß dessen hinausgegangen ist, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird.
Denn im Erörterungstermin vor dem SG Düsseldorf vom 22.04.2008 in dem dortigen (weiteren) Verfahren S 10 (45) AS 25/07 haben sich die Beteiligten im Rahmen eines "Vergleichs" dahingehend geeinigt, dass die Beklagte sich verpflichtete, für den dort streitigen Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2007 Unterkunftskosten (gemäß § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)) in Höhe der Hälfte der Miete des Klägers zu zahlen.
Für die nachfolgende Zeit, die das hier streitige Vorverfahren betrifft, haben die Beteiligten im Vergleich (dort unter Ziffer 2.) eine eigene Vereinbarung getroffen, wonach sich die Beklagte verpflichtete, die hälftigen Mietzahlungen des Klägers (auch) ab Juli 2007 als Unterkunftskosten anzuerkennen. Die Beteiligten haben damit einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der über den dortigen Streitgegenstand hinausging. Dieser "überschießende" Vergleich hat dazu geführt, dass sich dieses sowie zwei weitere bereits anhängige Widerspruchsverfahren erledigt haben, in denen die Unterkunftskosten ab Juli 2007 streitig waren. Damit sind drei mögliche weitere gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden worden. Dies rechtfertigt die Zuerkennung der begehrten Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr. Denn die Gebührentatbestände der Nr. 1000 ff VV RVG sollen durch die erfolgende zusätzliche Honorierung die streitvermeidende Tätigkeit des Rechtsanwalts fördern und damit eine gerichtsentlastende Wirkung herbeiführen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R - SGb 2007, 226 m.N.). Dies ist hier geschehen, weil durch den Abschluss des Vergleichs, der unter Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte, drei weitere Widerspruchsverfahren (und damit potentielle Klageverfahren) zugleich erledigt wurden.
2. Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).