Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Am 9. Februar 2004 beantragte die am ... 1949 geborene Klägerin die Feststellung der Schwerbehinderung. Die Fachärztin für HNO Dr. M. diagnostizierte in einem vom Beklagten eingeholten Befundschein einen Zustand nach akutem Hörsturz mit chronischem Tinnitus und eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts bei einem sonst normalen linkseitigen Gehör. Der Beklagte stellte ab dem 9. Februar 2004 einen GdB von 30 fest und begründete dies mit einer Hörbehinderung, Ohrgeräuschen, einem Diabetes mellitus und einer Funktionsstörung der Wirbelsäule. Der dagegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2005). Einen Neufeststellungsantrag vom 20. Oktober 2006 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. März 2007 ab. Der dagegen gerichtete Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 1. November 2007). Die dagegen gerichtete Klage (S 1 SB 292/07) endete durch eine Klagerücknahme.

Am 8. März 2010 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag. Nach medizinischen Ermittlungen sowie einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. lehnte der Beklagte die Neufeststellung mit Bescheid vom 17. September 2010 ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, verlangte einen GdB von mindestens 50 und machte in der Sache geltend: Sie sei auf dem rechten Ohr taub und leide an einem chronischen Tinnitus, der mit Einschlaf- und Durchschlafstörungen verbunden sei. In orthopädischer Hinsicht bestehe ein pseudoradikuläres Lendenwirbelsäulensyndrom, eine schwere Osteochondrose sowie eine bandscheibenbedingte Verschleißerkrankung der Wirbelgelenke der mittleren und unteren Halswirbelsäule. Die Wirbelsäulenerkrankung sei begleitend mit Rücken-, Kopfschmerzen sowie Übelkeit verbunden. Durch zwei Bandscheibenvorfälle sei ihre Gehfähigkeit bereits eingeschränkt. Es lägen damit mittelgradige Wirbelsäulenerkrankungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, die allein einen GdB von 30 bis 40 rechtfertigen. Hinzu kämen Funktionsstörungen im Bereich der Hüftgelenke mit Dauerschmerzen, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten seien. Zudem leide sie an einem Karpaltunnelsyndrom, was mit Funktionseinschränkungen der Finger und der Hand verbunden sei. Hierfür sei ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Daneben bestehe noch ein Gesichtsfeldausfall durch lockere Oberlidhaut (Einzel-GdB 10). Zusammenfassend müsse ein Gesamt-GdB von mindestens 50 festgestellt werden.

Der Beklagte ließ seine Gutachterin S.-S. die Befunde nochmals auswerten, die angab: Bezüglich der Hörminderung mit Ohrgeräuschen sei unverändert von einem GdB von 30 auszugehen. Für die Hörminderung sei dabei ein Einzel-GdB von 20 zu vergeben. Bei der Bewertung des Tinnitus seien bereits psychovegetative Begleiterscheinungen mit berücksichtigt. Hier müsse ggf. eine weitere Sachaufklärung wegen einer psychischen Störung erfolgen. Bezüglich der orthopädischen Leiden bleibe es bei einem Einzel-GdB von 10. Der Diabetes mellitus werde mit Metformin behandelt und rechtfertige ab Juli 2010 keinen Einzel-GdB mehr. Der augenärztliche Befund rechtfertige ebenfalls keinen Einzel-GdB. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 15. September 2011 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben, ihr Begehren weiterverfolgt und ergänzend ausgeführt: Ihr Gesundheitszustand habe sich seit der Erstfeststellung deutlich verschlechtert. Der Beklagte habe zum Karpaltunnelsyndrom keine Sachaufklärung vorgenommen und insbesondere die Einengung der Mittelnerven im Handwurzelkanal des Handgelenks nicht berücksichtigt.

Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. K. berichtete über eine Funktionsprüfung des linken Hüftgelenks (Außen-/Innenrotation 20/0/10 Grad) sowie eine "partielle" Versteifung der linken Hüfte in günstiger Lage. Der Bereich der Halswirbelsäule sei mittelgradig funktionell eingeschränkt und deutlich degenerativ verändert (Rotation: 70/0/60 Grad). Die Überweisung zu einer Karpaltunneloperation sei am 5. Oktober 2010 vorgenommen worden. Mittelfristig sei die Implantation einer Hüft-TEP indiziert. Die Klägerin habe über Schmerzen in der Halswirbelsäule, im linken Hüftgelenk sowie Einschlafsymptome an beiden Händen (besonders nachts) berichtet. In einem beigefügten Arztbrief vom 4. Juni 2010 gab die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. an: Die Klägerin habe über ein Einschlafgefühl an beiden Händen seit fünf Jahren geklagt. Die Symptomatik trete insbesondere nachts auf, was sie beim Schlafen beeinträchtige. Die verordneten Handbandagen hätten zu einer deutlichen Besserung der Missempfindungen geführt. Der neurologische Befund sei in der Koordination unauffällig. Es bestehe ein leichtes Karpaltunnelsyndrom beidseits. Die Fachärztin für HNO Dr. S. hat in dem Befundbericht vom 7. Januar 2012 als Diagnosen einen geringgradigen Schallempfindungsverlust links, eine Taubheit rechts sowie ein Cervikalsyndrom und einen Schwindel diagnostiziert. Die gelegentlichen Ohrgeräusche verursachten keine nennenswerten psychischen Begleitfolgen. Ein Hörgerät sei nicht verordnet worden. Die Klägerin könne sich umgangssprachlich verständigen. Es bestehe lediglich eine Einschränkung beim Verstehen von Nebengeräuschen und im sog. Richtungshören. Auch die Gleichgewichtsstörungen seien ohne wesentliche Auswirkungen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. K. hat in dem Befundbericht vom 8. Januar 2012 angegeben: Die Klägerin mache in ihren Beschwerden und Problemschilderungen einen betont affektbesetzten Eindruck. Diagnostisch seien ein depressives Syndrom in Konfliktsituationen, chronische Schlafstörungen, ein Zustand nach Hörsturz rechts sowie ein Tinnitus rechts zu diagnostizieren. Medikamentös werde sie mit Mirtazapin 45 und Melperon 50 behandelt. Die Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. W. hat unter dem 10. Januar 2012 angegeben: Die Klägerin leide neben den bekannten Diagnosen an einer chronischen Gastritis sowie an einer Fettleber (Ultraschalluntersuchung 2011), die das Beschwerdebild erklären könne. Der Diabetes mellitus sei durch Diät führbar. In einem beigefügten radiologischen Befund vom 7. Oktober 2011 hat Dr. L. berichtet, dass sich aus einem Bildbefund der LWS vom selben Tage ein Baastrup-Phänomen, eine ausgeprägte Spondylarthrose sowie eine mäßige Spondylosis deformans erkennen lasse.

Die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. W. wertete diese Befunde in einer prüfärztlichen Stellungnahme vom 31. Januar 2012 aus und hielt einen Gesamt-GdB von 30 für gerechtfertigt. Aus den orthopädischen Befunden ergäben sich keine signifikanten Bewegungsstörungen. Die Hörbehinderung rechtfertige einen GdB von 20. Nach Dr. S. sei der Tinnitus nicht mit psychovegetativen Begleiterscheinungen verbunden, so dass ein GdB von 30 in diesem Funktionssystem nicht mehr vergeben werden könne. Für den neuen nervenärztlichen Befund sei jedoch ein Einzel-GdB von 10 bis 20 gerechtfertigt. Stationäre Aufenthalte oder psychosomatische Reha-Behandlungen seien bisher nicht durchgeführt worden und daher eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- oder Gestaltungsfähigkeit nicht festzustellen. Die Auswirkungen des Diabetes mellitus sowie der Gastritis seien unerheblich. Für die Fettleber könne ein Einzel-GdB von 10 vergeben werden.

Die Klägerin hat hierzu u.a. ausgeführt: Die Ausführungen von Dr. S. zum Tinnitus könne sie sich nicht erklären. Eine Besserung des ständigen Pfeifens und Rauschens im rechten Ohr sei nicht eingetreten. Dies habe Dr. S. in einem vorangegangen Verfahren am 24. Juni 2007 auch bestätigt. Der Einzel-GdB sei daher wie bisher mit einem GdB 30 zu bewerten. In orthopädischer Hinsicht habe eine MRT-Untersuchung höhergradige Auswirkungen der Erkrankungen bestätigt. Für den Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sei daher ein GdB von 30 zu bilden. Zudem bestehe ein Hüftschaden auf der linken Seite, der mit einem leicht hinkenden Gangbild verbunden sei, wofür wiederum ein GdB von 30 gerechtfertigt sei. Bezogen auf das seelische Leiden sei ein GdB von 20 festzustellen. Nach einem beigefügten Arztbrief vom Facharzt für Radiologie Dr. P. vom 12. Mai 2011 ergebe sich eine höhergradige Osteochondrose C5/6 mit mäßiger spinaler Stenose und foraminaler rechtsseitiger ossärer Stenose. Die Fachärztin für Orthopädie Dr. S. berichtete in einem beigefügten Arztbrief vom 24. November 2011 über Hüftschmerzen auf der linken Seite und ein linkshinkendes Gangbild. Die Seitneigung der Wirbelsäule betrage 5/0/10 Grad, das Zeichen nach Schober 10/13 cm. Die Rückbeugung sei nicht möglich. Die Rotation der Wirbelsäule habe 15/0/15 Grad betragen. Im Bereich der linken Hüfte bestehe ein starker Rotationsschmerz. Die Extension/Flexion der Hüften habe auf der rechten Seite 0/0/90 Grad und links 0/20/90 Grad betragen. Ein Röntgenbefund der Hüfte habe eine mittelschwere bis schwere Coxarthrose gezeigt. Der Klägerin sei Physiotherapie und ein Tens-Gerät verordnet worden.

Der Beklagte hat eine prüfärztliche Stellungnahme der Gutachterin Dr. W. vom 12. März 2012 vorgelegt. Hiernach seien die Hörminderung/Ohrgeräusche mit einem GdB von 20, die seelischen Störungen mit einem GdB von 20 sowie die Funktionsminderung der Hüftgelenke mit einem GdB von 20 zu bewerten. Eine Wechselwirkung bestehe nicht. Die Funktionsminderung der Wirbelsäule sowie die Fettleber rechtfertigten einen Einzel-GdB von 10. Zusammenfassend verbleibe es daher bei einem Gesamt-GdB von 30.

Nach einem Erörterungstermin vom 9. Oktober 2012 hat die Klägerin einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt und beantragt, den Arzt für Chirurgie, Sportmedizin und Physikalische Therapie und Rehabilitation Prof. Dr. S. (B. P.) zum Sachverständigen zu bestimmen. In seinem am 16. Januar 2013 eingegangenen Sachverständigengutachten hat Prof. Dr. S. ausgeführt: Bei der Untersuchung gehe die Klägerin in der LWS leicht gebeugt. Das Aufstehen aus dem Sitz erfolge leicht beeinträchtigt. Das Entkleiden erfolge ohne fremde Hilfe, jedoch verlangsamt. Der Einbeinstand sei beidseits etwas unsicher. Die Hockstellung werde normal erreicht. Die Funktionsprüfung habe nach der Neutral-Null-Methode folgende Ergebnisse erbracht, wobei jeweils ein Vergleich zum Gutachten der Universität J. vom 23. Juni 2008 vorgenommen worden sei. Im Bereich der Halswirbelsäule habe die Rotation eine Beweglichkeit von 45/0/40 Grad und für die Seitneigung 20/0/25 Grad betragen. Beide Prüfungen zeigten Einschränkungen, weswegen die Klägerin beim Autofahren einen zusätzlichen Seitenspiegel habe anbringen lassen. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule bestehe ein Beckentiefstand (rechts) von 1,5 cm. Die Seitneigung der Wirbelsäule habe einen Wert von 15/0/15 Grad ergeben. Es bestünden gürtelförmig ausstrahlende Druckschmerzen von der oberen Lendenwirbelsäule bis in das linke Bein. Der Finger-Boden-Abstand betrage 30 cm. Die Rotation habe ein Bewegungsmaß von 35/0/35 Grad erreicht. Das Zeichen nach Schober liege mit 12 cm noch im Normbereich. Im Bereich der Hüftgelenke habe die Streckung/Beugung 0/0/100 Grad (rechts) und 0/0/90 Grad (links) betragen. Die Außen- und Innenrotation habe rechts bei 25/0/5 Grad und links bei 10/0/5 Grad gelegen. Die Rotationsbewegungen seien schmerzhaft, insbesondere auf der linken Seite. Der Bewegungsumfang im Schulter- und Ellenbogenbereich sei gering eingeschränkt. Die Handprüfung habe keinen klinischen Hinweis auf ein Karpaltunnelsyndrom ergeben. Die Supination/Pronation der Handgelenke habe 80/0/80 Grad betragen. Die Bildauswertung habe im Bereich der Hüftgelenke eine mittelschwere bis schwere Coxarthrose mit deutlicher Gelenkspaltverringerung und stark vermehrter subchondraler Sklerose mit deutlicher Verschlechterungstendenz seit dem Jahr 2008 gezeigt. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehe eine Höhenminderung aller Bandscheiben mit mäßigen Abnutzungen, die seit 2011 unverändert seien. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule seien eher geringfügig. Auf orthopädischem Gebiet sei für die Osteochondrose der Halswirbelsäule ein Einzel-GdB von 20, für die Osteochondrose der Lendenwirbelsäule und die Coxarthrose je ein Einzel-GdB von 30 zu vergeben. Hinzu käme für die Taubheit rechts mit Tinnitus ein Einzel-GdB von 20, für den Diabetes mellitus ein Einzel-GdB von 10, für die Schlafstörungen sowie psychischen Beschwerden ein Einzel-GdB von 20 sowie für die Fettleber ein Einzel-GdB von 10. Unter Würdigung des Gesamtzustandes der Klägerin sei ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. Diese Einschätzung treffe auf den Zeitraum seit Anfang 2012 zu.

Am 13. Februar 2013 hat sich der Beklagte in Auswertung des Sachverständigengutachtens bereit erklärt, einen GdB von 40 ab dem 3. November 2012 anzuerkennen und eine Prüfärztliche Stellungnahme der Ärztlichen Gutachterin Dr. W. vom 4. Februar 2013 vorgelegt, die ausgeführt hat: Die Rotationsmaße der Halswirbelsäule lägen noch in der Altersnorm. Über sensomotorische Defizite habe der Sachverständige nichts berichtet. Die Brustwirbelsäule sei für die alltäglichen Bewegungen nicht ausschlaggebend und rechtfertigte auch in den Bewegungsmaßen keinen GdB. Die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule nach vorn sei als normal zu bewerten. Der Finger-Boden-Abstand sei allenfalls mäßig eingeschränkt. Im Bereich der unteren Extremitäten seien keine Einschränkungen in der Sensomotorik mitgeteilt worden. Zum Gangbild habe das Sachverständigengutachten keine Ausführungen gemacht. Mittelschwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt lägen daher nicht vor. Unter Berücksichtigung der subjektiven Beschwerden sei für die Wirbelsäule allenfalls ein GdB von 20 zu vergeben. Bezüglich der Hüftgelenke seien in der wesentlichen Streck- und Beugefähigkeit keine relevanten Funktionsstörungen berichtet worden. Demgegenüber sei die Dreh- und Spreizfähigkeit für die Bedingungen des Alltages eher zweitrangig. Für einen GdB von 30 wäre eine ausgeprägte Streckhemmung zu fordern, die sich dann auch auf die Gehfähigkeit auswirke. Bei großzügiger Auslegung sei daher ein Gesamt-GdB von 40 vertretbar (Hörminderung/Ohrgeräusche: GdB 20; Seelische Störungen: GdB 20; Funktionsminderung Hüftgelenke: GdB 20; Funktionsminderung Wirbelsäule: GdB 20; Fettleber: GdB 10).

Dagegen hat die Klägerin geltend gemacht: Bezüglich der Hörminderung/Ohrgeräusche sei, wie bisher auch vom Beklagten vertreten, von einem GdB von 30 auszugehen. Der Sachverständige habe eine überzeugende vergleichende Begutachtung mit einem Gutachten von Dr. F. vom 23. Juni 2008 vorgenommen. Insoweit habe der Sachverständige deutliche Verschlechterungen zu den aktuellen Untersuchungen herausgearbeitet. Das Anerkenntnis des Beklagten nehme sie daher nicht an. Zur Bekräftigung hat die Klägerin eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 25. Februar 2013 vorgelegt. Hiernach könne es nicht zu Lasten der Klägerin gehen, sich bisher keiner TEP-Operation an der linken Hüfte unterzogen zu haben. Die Normwerte in der Rotation der Halswirbelsäule seien eingeschränkt. Zudem hätten Dr. S. und Dr. G. über pathologische neurologische Befunde berichtet. Bei chronisch-rezidivierenden Bandscheibensymptomen seien nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ausreichend lange Zeiträume zu bewerten, da beschwerdefreie Intervalle bei dem Erkrankungsbild möglich seien. Bei Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mittleren Grades sähen die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 30 (einseitig) bzw. 50 (beidseitig) vor. Selbst auf der Grundlage der Einschätzung von Dr. W. müsse von einem GdB von 50 ausgegangen werden.

Dr. W. hat ihre Position in einer weiteren prüfärztlichen Stellungnahme vom 16. April 2013 verteidigt und geltend gemacht: Gerade bei leichten Gesundheitsstörungen von einem GdB von 20 sei es nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2013 hat die Klägerin das Anerkenntnis des Beklagten vom 6. Februar 2013 angenommen, jedoch ihr Begehren im Übrigen weiterverfolgt. Ihren Klageantrag hat sie dabei auf die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 3. November 2012 beschränkt.

Mit Urteil vom selben Tage hat das SG die Klage abgewiesen, dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu ¼ auferlegt und zur Begründung ausgeführt: Der Klägerin stehe kein höherer GdB als 40 zu. Für den Funktionsbereich "Hör- und Gleichgewichtsorgan" sei ein Einzel-GdB von 20 zu bilden. Die psychische Störung betreffe das Funktionssystem "Nervensystem und Psyche" und sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Für das linke Hüftgelenk sei ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Hinzu komme eine Funktionsminderung der Wirbelsäule im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, die eher geringe Auswirkungen aufweise und einen GdB von 20 rechtfertige. Die Fettleber sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Zusammenfassend ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40. Die Kostenentscheidung berücksichtige das Teilanerkenntnis des Beklagten.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 6. November 2013 zugestellte Urteil am 29. November 2013 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung ergänzend ausgeführt: Wegen der vom Sachverständigen nachgewiesenen deutlichen Verschlechterung im Bereich der Hüften sei hierfür ein Einzel-GdB von 30 zu bilden. Hinzu komme eine Funktionsminderung der Wirbelsäule, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei. Die zusätzlichen Behinderungen (Hörminderung/Ohrgeräusche Einzel-GdB 20; Psychische Erkrankung Einzel-GdB 20; Fettleber Einzel-GdB 10) rechtfertigten einen Gesamt-GdB von 50.

Mit Ausführungsbescheid vom 14. November 2013 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 40 ab 3. November 2012 fest.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. September 2013, den Bescheid des Beklagten vom 17. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 aufzuheben, den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 14. November 2013 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr einen GdB von 50 ab 3. November 2012 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend.

Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt. Die Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. W. hat im Befundbericht vom Mai 2014 über Anzeichen eines Überforderungssyndroms mit Affektlabilität berichtet. Der Zustand der Klägerin habe sich seit Jahren verschlechtert. Dr. G. hat am 26. Mai 2014 mitgeteilt: Die Klägerin sei selbstständig im Einzelhandel tätig. Es bestehe eine depressive Stimmung sowie ein depressives Erschöpfungsbildsyndrom. Dr. S. hat zu den Beschwerden der Klägerin unter dem 2. Juni 2014 über einen ständig störenden Tinnitus rechts bei Taubheit rechts, einen gelegentlichen Seitwärtsdrall beim Laufen sowie einen Schwindel beim Aufstehen und bei schnellen Kopfbewegungen berichtet. Die Beschwerden seien seit November 2012 bis zur letzten Behandlung am 22. April 2014 unverändert. Die Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. M. hat unter dem 17. Juli 2014 angegeben: Seit dem Jahr 2012 hätten sich die Rückenschmerzen sowie die psychosomatischen Beschwerden verschlechtert. Der Facharzt für Urologie Dr. W. hat am 23. Juli 2014 als Diagnosen einen Zustand nach Mikrohämaturie sowie eine Miktionsstörung diagnostiziert. Die aufgetretenen Restharnmengen hätten sich wie auch die Beschwerden unter Medikation zurückentwickelt.

Der Beklagte hat eine prüfärztliche Stellungnahme der ärztlichen Gutachterin Dr. W. vom 30. Juli 2014 vorgelegt, die ausgeführt hat: Der Blutdruck der Klägerin sei gut eingestellt und habe bisher keine stationäre Behandlung erforderlich gemacht. Die angegebene allgemeine Verschlechterung im Gesundheitszustand lasse sich aus den ausgewerteten Befunden nicht belegen. So habe es weder sensomotorische Defizite noch maßgebliche motorische Einschränkungen in der Beweglichkeit gegeben. In psychischer Hinsicht habe sich die Befindlichkeit offenbar wegen beruflicher Stresssituationen verschlechtert. Ein höherer GdB als 20 lasse sich daraus jedoch nicht rechtfertigen. Insbesondere fehle es an darauf ausgerichteten Reha-Maßnahmen bzw. an stationären psychosomatischen Behandlungen. Hinsichtlich der Hörbehinderung sowie des Tinnitus samt gelegentlichem Schwindel sei eine wesentliche Verschlimmerung nicht belegt. Zusammenfassend müsse der Gesamt-GdB daher auf 40 festgestellt werden (Hörminderung/Tinnitus: Einzel-GdB 20; Seelische Störung: Einzel-GdB 20; Funktionsminderung beider Hüftgelenke: Einzel-GdB 20; Funktionsminderung der Wirbelsäule: Einzel-GdB 20; Fettleber: Einzel-GdB 10).

Der Senat hat den Facharzt für Arbeitsmedizin sowie Arzt für Sozialmedizin Prof. Dr. S. ein Sachverständigengutachten vom 25. März 2015 erstatten lassen (Untersuchung vom selben Tage). Hiernach sei die Klägerin seit dem Jahr 1990 bis Dezember 2014 selbstständig tätig gewesen. Anamnestisch habe diese angegeben: Der Rückenbereich stehe im Vordergrund ihrer Beschwerden, was insbesondere für das Aufstehen gelte. Sie könne nicht schnell laufen und müsse meist nach fünf Minuten stehenbleiben. Fahrradfahren könne sie nur noch etwa 7,5 km. Den Heimtrainer betätige sie täglich ca. 20 bis 25 Minuten. Die Schmerzen der Lendenwirbelsäule bewegten sich in der Bewertungsskala zwischen 8 bis 9 und seien durchschnittlich mit 6 vorhanden. Gleiches gelte für die Halswirbelsäule. Es bestünden auch Schmerzen an den Händen, die manchmal anschwellen würden. Sie könne schmerzbedingt nicht mehr durchschlafen. Wegen eines Karpaltunnelsyndroms trage sie abends Bandagen. Der Diabetes mellitus mache genau wie der Bluthochdruck und die Leber keine Probleme. In Bezug auf die Hörbehinderung könne sie normale Lautstärke verstehen. Nur im Kino oder Konzert gäbe es Schwierigkeiten bei den dröhnenden Geräuschen. Zur Untersuchung hat der Sachverständige mitgeteilt: Das An- und Ausziehen sowie das Legen und Aufstehen von der Liege seien der Klägerin gut möglich. Der Kopf sei aktiv und passiv frei beweglich. Das Gangbild sei normal. Es würden keine Gehhilfen benötigt. Der Fingerbodenabstand betrage 10 cm mit Schmerzangabe in der Lendenwirbelsäule. Die Funktionsmessung des Bewegungsapparates habe folgende Werte ergeben:

Wirbelsäule

Streckung/Beugung des Kopfes: 20°/0°/40°

Rotation: 40°/0°/40°

Seitneigung: 30°/0°/30°

Rotation des Rumpfes: 30°/0°/30°

Seitneigung des Rumpfes: 30°/0°/30°

Fingerbodenabstand: 10 cm

Hüften:

Streckung/Beugung: 10/0/120° (rechts) 10/0/110° (links)

Ab/Adduktion: 45/0/30°

Hüft-Rotation: 50/0/45°

Es lägen folgende Diagnosen vor:

Osteochondrose der Hals- und Lendenwirbelsäule

Diabetes mellitus (diätetisch behandelt)

Geringe Coxarthrose beidseits

Taubheit (rechts)

Hypertonie

Schlafstörungen

Über einen Tinnitus habe die Klägerin nicht geklagt. Bei ihr liege eine Taubheit rechts vor, wobei sie keine Hörgeräte trage. Eine Verständigung in normaler Umgangssprache sei möglich. Lediglich das Richtungshören und ein Verstehen unter ungünstigen Bedingungen seien eingeschränkt. Für dieses Funktionssystem werde ein GdB von 20 vorgeschlagen. Im Vordergrund der Einschränkungen stünden nach ihren Angaben die Rückenbeschwerden, welche sich verschlechtert hätten. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestünden eine Druckschmerzhaftigkeit sowie eine geringe Bewegungseinschränkung. Gleiches gelte, jedoch ohne Schmerzangabe, für die Halswirbelsäule. Die Schmerzmedikation sei gering und die Konsultationen beim Orthopäden erfolgten halbjährlich. In der klinisch-chemischen Untersuchung hätten sich keine höheren Entzündungsparameter gezeigt. Aufgrund der länger andauernden Schmerzen sei ein GdB von 20 vorzuschlagen. Bei den gesundheitlichen Einschränkungen habe die Klägerin die Hüftbeschwerden nicht gesondert erwähnt. Die klinische Untersuchung habe diesbezüglich auch keine wesentliche Bewegungseinschränkung gezeigt, so dass für die Hüftgelenke kein zusätzlicher GdB zu vergeben sei. Für den Rumpf sei daher ein GdB von 20 anzunehmen. Für die psychischen Einschränkungen mit Schlafstörungen sei ein Einzel-GdB von 20 zu bilden. Keine Einzel-GdB`s seien für den komplikationslosen Diabetes mellitus und den normalen Blutdruck zu vergeben. Eine Fettleber sowie ein Karpaltunnelsyndrom habe die Untersuchung nicht bestätigt. Der Gesamt-GdB betrage daher höchstens 40.

Die Klägerin ist dem Gutachten entgegengetreten und hat ausgeführt: Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Sachverständige für die Funktionseinschränkung beider Hüftgelenke keinen GdB vergeben habe, obwohl eine Hüft-TEP links geplant sei. Entgegen der Annahme des Sachverständigen könne sie nur äußerst schlecht laufen, was sich auf ihr Gehvermögen ungünstig auswirke. Auch die Angabe des Sachverständigen, sie nehme nur gelegentlich Schmerztabletten ein, sei unrichtig. Unklar sei auch, ob der Sachverständige das Vorliegen eines Tinnitus in seinem Sachverständigengutachten abgelehnt habe, was unzutreffend wäre. Zusammenfassend betrage der Gesamt-GdB daher 50.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juni 2015 hat Prof. Dr. S. seine bisherige Bewertung verteidigt. Die Erkrankung an den Hüften sei in ihren funktionalen Einschränkungen so gering, dass ein zusätzlicher GdB nicht zu vergeben sei. Insoweit werde auch auf einen Befundbericht von Dr. H. vom 13. Mai 2014 verwiesen. Die Klägerin habe den Tinnitus nicht aufgeführt. Selbst wenn sie dies gemacht hätte, würde dies keine Erhöhung für das Funktionssystem Hör- und Gleichgewichtsorgane bedeuten. Die Angaben zur Schmerzmedikation seien nach schriftlichen Informationen der Klägerin sowie konkreten Nachfragen festgestellt worden. Ein Gesamt-GdB von 50 lasse sich medizinisch nicht begründen. Die Bewertung der Psyche sowie des Hör- und Gleichgewichtsorgans bewege sich bereits an der oberen Bewertungsgrenze.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 SGG auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide des Beklagten in Gestalt des am 26. September 2013 angenommenen Teilanerkenntnisses sowie das Urteil des Sozialgerichts Halle vom selben Tage sind nicht zu beanstanden. Ein weitergehender Anspruch steht der Klägerin nicht zu.

Die Klage gegen den Bescheid vom 17. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August. 2011 unter Berücksichtigung des Ausführungsbescheides vom 14. November 2013 ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitraum vom 3. November 2012 bis zur mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000, B 9 SB 3/99 R, juris).

Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 9. September 2004 einen GdB von 30 festgestellt und damit über den GdB der Klägerin entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 9. September 2004 vorgelegen haben, ist eine Änderung eingetreten, die einen GdB von 40 seit dem 3. November 2012 rechtfertigt. Dem ist der Beklagte mit dem Ausführungsbescheid vom 14. November 2013 auch gefolgt. Die Funktionsstörungen der Klägerin rechtfertigen seit dem 3. November 2012 bis zum heutigen Tag jedoch keinen GdB von 50, da die Grenze zur Schwerbehinderung noch nicht erreicht ist.

Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 69 Abs. 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

Nach § 69 Abs.1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs.1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades - dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch § 30 Abs. 16 BVG ermächtigt ist.

Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (vgl. VMG, Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a).

Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der VMG zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Teil A, Nr. 2 e genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).

Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen der Klägerin kein höherer GdB als 40 ab dem 3. November 2012 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf die Sachverständigengutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. vom 25. März 2015, soweit der Senat diesen folgt, die Befundberichte der behandelnden Ärzte nebst Anlagen und die Stellungnahmen der Versorgungsärzte des Beklagten.

a) Im Funktionssystem Rumpf leidet die Klägerin nach den übereinstimmenden Diagnosen von Dr. K., Dr. P. sowie Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. an einer Osteochondrose der Hals- und Lendenwirbelsäule. Hierfür hält der Senat einen Einzel-GdB von 20 für angemessen und folgt insoweit der Bewertung von Prof. Dr. S.

Für Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen sind die maßgeblichen Bewertungskriterien in Teil B, Nr. 18.9 VMG vorgegeben. Danach folgt der GdB bei Wirbelsäulenschäden primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung, der Wirbelsäuleninstabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule. Nach Teil B, Nr. 18.9 VMG rechtfertigen erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, einen Einzelgrad der Behinderung von 20. Funktionsstörungen geringeren Grades bedingen allenfalls einen Einzelgrad von 10. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen Einzelgrad der Behinderung von 30, mittelgradige bis schwere in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch intermittierenden Störungen bei einer Spinalkanalstenose - sind zusätzlich zu berücksichtigen.

Selbst auf der Grundlage der von Prof. S. ermittelten Bewegungsmaße der Wirbelsäule kann die Osteochondrose nicht, wie er meint, mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet werden. Die dafür erforderlichen mittelgradigen funktionalen Auswirkungen im Bereich der Wirbelsäule sind von den Bewegungsmaßen her nicht begründbar (so auch zutreffend Dr. W.). Dies bestätigen auch die Beobachtungen von Prof. Dr. S. beim An- und Auskleiden der Klägerin während der Untersuchung. Hier zeigten sich, wie auch bei der Untersuchung von Prof. Dr. S., keine signifikanten Bewegungsstörungen. Gegen eine mittelgradige Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule spricht auch der bei Prof. Dr. S. festgestellte Finger-Boden-Abstand von nur 10 cm in der aktuellen Untersuchung, der sogar deutlich besser war als in der Messung von Prof. Dr. S. Auch das aussagekräftige sog. Schober-Zeichen zeigte bei Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. normale Werte.

b) Als weitere Erkrankung liegt bei der Klägerin eine Taubheit (rechts) vor, die dem Funktionssystem der Ohren zuzuordnen ist. Hierfür ist ein Einzel-GdB von 20 festzustellen. Insoweit folgt der Senat wiederum der Bewertung der Bewertung von Prof. Dr. S.

Der mitgeteilte Tinnitus hat keine nennenswerten psychischen Begleiterscheinungen zur Folge, so dass keine weitere Erhöhung auf einen GdB von 30 vorgenommen werden kann. Auch insoweit hält der Senat die Einschätzung von Prof. Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juni 2015 für zutreffend. Die Darlegungen der Klägerin zu möglichen psychischen Begleitfolgen des Tinnitus sind dabei nach Aktenlage wenig kontinuierlich. Während sie im gerichtlichen Vortrag diesen Aspekt immer wieder hervorhebt, spielen diese Begleitfolgen in beiden intensiven Begutachtungen sowie den Befragungen der die Klägerin behandelnden Ärzte keine oder allenfalls eine geringfügige Rolle. Hierbei darf auch nicht übersehen werden, dass mögliche psychische Begleitfolgen ohnehin dem Funktionssystem Nervensystem und Psyche zuzuordnen wären und dort auch näher bewertet werden müssten, um unzulässige Doppelbewertungen von Erkrankungen zu vermeiden.

c) Darüber hinaus leidet die Klägerin an einer Coxarthrose, die dem Funktionssystem Bein zuzuordnen ist. Hierfür hält der Senat einen Einzel-GdB von höchstens 20 für angemessen, da es sich um eine allenfalls geringgradige Coxarthrose handelt. Zwischen dem Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. wird die Hüftgelenkserkrankung der Klägerin in ihren Auswirkungen dabei unterschiedlich gewertet. Während Prof. Dr. S. von einer mittelschweren bis schweren Coxarthrose ausgeht, die sich aus den Bildbefunden belegen lasse, hält Prof. Dr. S. allenfalls eine geringgradige Coxarthrose für gegeben. Die Argumentation von Prof. Dr. S. widerspricht dabei den Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Nach B 18.1 der VMG rechtfertigen Bildbefunde allein noch nicht die Annahme eines GdB. Vielmehr kommt es für die Bewertung entscheidend auf die jeweils konkreten funktionalen Auswirkungen an. Diese sind jedoch nach beiden Untersuchungen der Sachverständigen als eher geringfügig einzuschätzen.

Nach Kapitel 18.14 der VersMedV sind funktionelle Einschränkungen der Hüftgelenke wie folgt zu bewerten:

Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke

geringen Grades

(z. B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender

Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit)

einseitig ... 10 - 20

beidseitig ... 20 - 30

mittleren Grades

(z. B. Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 mit entsprechender

Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit)

einseitig ... 30

beidseitig ... 50

Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung von Prof. Dr. S., lediglich geringgradige Bewegungseinschränkungen der Hüften zu bejahen, nachvollziehbar und überzeugend. Dies entspricht auch seinen Messergebnissen, die funktional keine Bewegungseinschränkung in diesem Funktionssystem erkennen lassen und daher sogar eher gegen einen Einzel-GdB von 20 sprechen. Schwerwiegendere Gangstörungen, wie von der Klägerin behauptet, vermochte der Sachverständige Prof. Dr. S. und selbst Prof. Dr. S. in seinen mitgeteilten Bewegungsmaßen und allgemeinen Beschreibungen so nicht bestätigen. Selbst wenn der Senat wegen der besonderen Schmerzproblematik zu Gunsten der Klägerin unter Vernachlässigung der eher unauffälligen Bewegungsmaße eine Bewegungseinschränkung geringen Grades bejaht, führt diese wohlwollende Betrachtung zu einem Einzel-GdB von allerhöchstens 20 in diesem Funktionssystem.

d) Im Funktionssystem Nervensystem und Psyche liegt bei der Klägerin nach Einschätzung von Dr. G. eine depressive Stimmung mit Erschöpfungssyndrom vor. Hierfür hält der Senat einen GdB von allenfalls 20 für angemessen.

Nach den VMG (Teil B, Nr. 3.7) werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 - zitiert nach Rohr/Sträßer, Teil B: GdS-Tabelle-19, 96. Lfg. - Stand Dezember 2011) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000, Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-18). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten setzen neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraus (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 18./19.03.1998 - zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-19).

Nach den eingeholten Befundberichten sowie den übereinstimmenden Bewertungen der Versorgungsärzte des Beklagten und beiden Sachverständigengutachten sind die psychischen Störungen der Klägerin allenfalls geringgradig ausgeprägt und führen nicht zu einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Gegen eine wesentliche Beeinträchtigung sprechen bereits die Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. S. Hiernach konnte die Klägerin bis zum Beginn der Rente im Dezember 2014 ihre Tage strukturieren und den beruflichen Anforderungen als Selbstständige gerecht werden. Ihre Angaben zu Konzert- und Kinobesuchen zeigen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Auch fehlt es an stationären Behandlungen auf psychiatrischem Gebiet, die den Rückschluss auf eine wesentliche Einschränkung auf diesem Gebiet hätten rechtfertigen können. Zudem sind die Diagnosen der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet eher im Sinne eines Überforderungssyndroms mit Affektlabilität zu deuten. Die fachärztlich beschriebene depressive Stimmung sowie ein depressives Erschöpfungsbildsyndrom lassen eine klare und auch gewichtige Diagnose auf psychiatrischem Gebiet nicht erkennen.

e) Die weiteren Erkrankungen eines komplikationslosen und diätetisch geführten Diabetes mellitus, einer medikamentös gut eingestellten Hypertonie sowie eines von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. nicht bestätigten Karpaltunnelsyndroms und Leberschadens, die Gastritis und die leichte Beeinträchtigung der Handgelenke bleiben in ihren funktionalen Auswirkungen unbeachtlich und führen zu keiner Feststellung eines Einzel-GdB. Weitere Funktionseinschränkungen, die mit einem GdB von mindestens 10 zu bewerten wären, sind nicht erkennbar.

f) Prägend für die Höhe des Gesamt-GdB sind die Osteochondrose der Wirbelsäule, die Taubheit rechts sowie die Coxarthrose, insbesondere auf der linken Seite. Nach Auffassung des Senats sind die mit diesen Erkrankungen verbundenen Funktionseinschränkungen jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Bei der Bildung des Gesamt-GdB sind die VMG anzuwenden. Die geringfügigen gesundheitlichen Einschränkungen, die lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet werden können, haben keinen Einfluss auf die Bildung des Gesamt-GdB. Selbst wenn der Senat punktuell z.B. für den Diabetes, die Hypertonie usw. einen Einzel-GdB von 10 gebildet hätte, bliebe diese Bewertung für den Gesamt-GdB bedeutungslos. Schließlich ist zu beachten, dass nach den VMG (Teil A, Nr. 3 ee) von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzelgrad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen. Auch bei den leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt (Teil A, Nr. 3 ee), die Erhöhung des Gesamt-GdB vorzunehmen.

Vor diesem Hintergrund ist es vom Beklagten bereits wohlwollend gewesen, trotz durchgehend nur geringgradiger Behinderungen einen zweifachen Aufschlag zur Bildung eines Gesamt-GdB von 40 vorzunehmen. An sich hätte es durchaus nahegelegen, allenfalls einen einmaligen Aufschlag auf einen Gesamt-GdB von 30 vorzunehmen. Schließlich führen nach den VMG nur geringgradige Einzel-GdB von 20 regelmäßig zu keiner Erhöhung des Gesamt-GdB. Die Klägerin verfehlt daher die Grenze zur Schwerbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 50 noch deutlich und hätte ohne den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 14. November 2013 vom Senat mit guten Gründen nur mit einem Gesamt-GdB von 30 bewertet werden können.

Im Übrigen widerspräche die Feststellung der von der Klägerin begehrten Schwerbehinderteneigenschaft dem nach Teil A 3 VMG zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. So schwere Funktionsstörungen liegen bei der Klägerin auch in Würdigung des Gesamtbildes mit verschiedenen leichtgradigen Erkrankungen eindeutig nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Teilanerkenntnis des Beklagten. Da die Klägerin im Berufungsverfahren vollständig unterliegt und insbesondere die von ihr angestrebte Schwerbehinderung nicht erreicht, war die Kostenquote zu ihren Lasten abzuändern, da eine einheitliche Kostenentscheidung für beide Instanzen zu treffen war.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 SGG nicht gegeben sind.