Landessozialgericht Sachsen-Anhalt - L 7 SB 54/09 - Urteil vom 05.05.2011
Nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Bei strenger Auslegung dieser Voraussetzungen (noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit dieser Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Aufhebung der Verwaltungsentscheidung) ergibt sich faktisch kein Anwendungsbereich für diese Norm.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) umstritten sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Merkzeichen G ("Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr") und B ("Auf ständige Begleitung bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen") im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX).
Der am ... 2001 geborene Kläger beantragte über seine gesetzliche Vertreterin erstmals am 16. Juli 2007 die Feststellung von Behinderungen nach dem SGB IX. Dem Antrag beigefügt waren u. a. ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes Referat Förderschulen vom 9. Mai 2007, wonach die Beschulung an der Förderschule für Geistigbehinderte A. in H. erfolgen solle, und ein sonderpädagogisches Gutachten vom 17. April 2007, wonach der Kläger sonderpädagogische Betreuung für seine geistige Entwicklung benötige. Es liege eine starke Entwicklungsverzögerung vor. Der Beklagte holte einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. K. vom 24. Juli 2007 ein. Hiernach besteht bei dem Kläger eine mentale, motorische und sprachliche Retardierung. Dem Bericht war ein Schreiben der Frühförderstelle der L. e. V. H. vom 26. August 2005 beigefügt. Der Ärztliche Dienst des Beklagten (Frau Dr. S.) kam zu der Einschätzung, die bestehende Entwicklungsstörung bedinge einen GdB von 40. Mit Bescheid vom 7. November 2007 stellte der Beklagte bei dem Kläger ab dem 16. Juli 2007 einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 fest und bezog sich auf die Entwicklungsstörung.
Hiergegen legte die gesetzliche Vertreterin des Klägers am 21. November 2007 Widerspruch ein und führte aus, es liege nicht nur eine Entwicklungsstörung vor, sondern es gehe auch um die Nachwirkungen einer Epilepsie. Zudem sei das Merkzeichen G zuzuerkennen, da der Kläger auf Begleitung im öffentlichen Verkehr angewiesen sei. Auf die Befundabfrage des Beklagten übersandte die M.Universität H.-W., Zentrum für Kinderheilkunde, die dortigen Arztbriefe vom 13. März 2002, 15. Mai 2002, 14. Mai 2003 und 3. Februar 2004. Der Facharzt für Kinderheilkunde Dipl.-Med. A. teilte mit, den Kläger seit August 2002 nicht mehr zu behandeln. Der erneut beteiligte Ärztliche Dienst des Beklagten (Dr. E.) kam nach Auswertung der Befunde zu der Einschätzung, der GdB sei nicht zu erhöhen. Es liege kein ausreichender ärztlicher oder psychologischer Befund zum Ausmaß der Entwicklungsverzögerung einschließlich der mentalen Retardierung vor. Daher werde die Heranziehung eines Befundes zu den Entwicklungsquotienten bzw. zum Entwicklungsalter und/oder zum Intelligenzquotienten empfohlen. Der Vater des Klägers teilte auf telefonische Anfrage am 21. April 2008 mit, sein Sohn befinde sich zurzeit lediglich in kinderärztlicher Behandlung. Der Beklagte holte daraufhin von der Förderschule für Geistigbehinderte A. einen Entwicklungsbericht der Klassenlehrerin vom 10. Juni 2008 ein; des Weiteren vom Gesundheitsamt der Stadt H. (Dr. B.) einen Befundbericht vom 12. August 2008. Dr. B. diagnostizierte eine mittelgradige Intelligenzminderung, eine Sprachentwicklungsstörung, groß- und feinmotorische Retardierung und einen Zustand nach Anfallsleiden, zurzeit ohne Anfälle. Der Kläger sei ein Frühgeborenes aus der 32. Schwangerschaftswoche mit Atemnotsyndrom und Beatmung. Beigefügt war ein Schreiben der Fachärzte für HNO-Heilkunde Dres. W. vom 30. Mai 2007 und der Entlassungskurzbrief des Krankenhauses St. E. vom 16. Mai 2007. In Auswertung der Befunde kam der Ärztliche Dienst des Beklagten (Dr. W.) zu der Einschätzung, beim Kläger liege neben der geistigen Behinderung mit einem Einzel-GdB von 50 ein Anfallsleiden mit einem Einzel-GdB von 30 vor. Dies begründe einen Gesamt-GdB von 60.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2008 lehnte der Beklagte den als Erstantrag auf Neufeststellung gewerteten Antrag auf Anerkennung des Merkzeichens B ab, da die Feststellung nur bei Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G in Betracht komme. Das sei bei dem Kläger nicht der Fall.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2008 stellte der Beklagte den Gesamtgrad der Behinderung mit 60 fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Dabei berücksichtigte er die geistige Behinderung mit einem Einzel-GdB von 50 und das Anfallsleiden mit einem Einzel-GdB von 30. Die Feststellung des Merkzeichens B lehnte er ab, da der Kläger wegen seines Alters noch auf Begleitung angewiesen sei. Das Merkzeichen könne nur festgestellt werden, wenn die Notwendigkeit ständiger Begleitung für das Lebensalter des behinderten Menschen untypisch sei.
Hiergegen hat der Kläger am 15. Januar 2009 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und vorgetragen, es sei ein höherer GdB als 60 festzustellen und es lägen die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Merkzeichen G und B vor. Es bestehe nicht nur eine geistige Behinderung, sondern auch eine gestörte Grobmotorik. Der Entwicklungszustand sei nicht altersgemäß. Das Anziehen sei nicht ohne Hilfe möglich. Er könne sich nicht zeitlich und örtlich orientieren. Es bestünden eine mittelgradige Intelligenzminderung, eine Sprachentwicklungsstörung, eine grob- und feinmotorische Retardierung sowie ein Zustand nach Anfallsleiden, zurzeit ohne Anfälle. Bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei er auf ständige Begleitung angewiesen. Die mittelgradige Intelligenzminderung und die bestehenden Sprachentwicklungsstörungen sowie die grob- und feinmotorische Retardierung bedingten mindestens einen GdB von 50 bis 70. Insgesamt sei ein GdB von mindestens 70 festzustellen. Der Beklagte hat erwidert, die im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Unterlagen und deren Auswertung durch den Ärztlichen Dienst ließen erkennen, dass kein höherer GdB als 60 gerechtfertigt sei und ein Anspruch auf die Merkzeichen G und B nicht gegeben sei.
Das SG hat mit Urteil vom 7. Mai 2009 die Bescheide vom 7. November 2007 und vom 27. November 2008 (gemeint ist der Bescheid vom 27. Oktober 2008) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2008 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, die Anträge des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bleibe es bei der Feststellung eines Gesamt-GdB von 60. Zur Begründung hat es ausgeführt: Um das Ausmaß der durch die Gesundheitsstörungen hervorgerufenen Behinderungen hinreichend einschätzen zu können, bedürfe es u. a. der Einholung ärztlicher Befundberichte durch den Beklagten. Bei der Befundabfrage solle der Beklagte den Arzt darauf hinweisen, dass die Angaben und Diagnosen nicht ausreichten, sondern dass die jetzt bestehenden Funktionseinschränkungen und pathologischen Befunde ausführlich zu schildern und ggf. durch von ihm vorzulegende aktuelle Befundberichte anderer Ärzte zu ergänzen seien, soweit dies von der Einwilligung zur Beiziehung ärztlicher Unterlagen umfasst sei. Aus den medizinischen Befunden, die der Beklagte beigezogen habe, ließe sich nicht erkennen, warum er den GdB im Hinblick auf die geistige Behinderung des Klägers nur mit 50 festgestellt habe. Eine gezielte Untersuchung habe auch der Ärztliche Dienst des Beklagten (Dr. E.) unter dem 16. April 2008 befürwortet. Der von dem Beklagten eingeholte Entwicklungsbericht der Klassenlehrerin und der Untersuchungsbericht des Gesundheitsamtes der Stadt H. genügten hierfür nicht. Berichtet werde nur über das Alltagsgeschehen und das Verhalten des Klägers. Es sei jedoch keine fachärztliche bzw. fachspezifische Untersuchung zum Umfang der Intelligenzminderung erfolgt. Solche Untersuchungen könnten allenfalls das SPZ in H. oder vergleichbare Einrichtungen erstellen. Eine fachärztliche und übergreifende Begutachtung sei zwingend geboten, um die Auswirkungen der vorliegenden Behinderung auf die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft bestimmen und bewerten zu können. Die Aufhebung und Verurteilung zur Neubescheidung liege auch im Interesse des Klägers. Denn das SG könne wegen der derzeit bestehenden Arbeitsbelastung erst im nächsten Jahr eine sachgerechte medizinische Begutachtung veranlassen; der Beklagte hingegen könne dies unmittelbar nach der Entscheidung des SG in die Wege leiten.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 12. Juni 2009 zugestellte Urteil rechtzeitig am 6. Juli 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung unter anderem auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. April 2007 (B 4 RJ 30/05 R - juris) verwiesen. Nach der Neufassung des § 131 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444 ff.) sei für die hier vorliegende Verpflichtungsklage davon auszugehen, dass eine Zurückverweisung nur dann rechtmäßig sei, wenn die Behörde nach ihren personellen und sächlichen Voraussetzungen besser und rascher in der Lage sei, die für erheblich und erforderlich gehaltenen Ermittlungen durchzuführen. Er, der Beklagte, verfüge hier über kein Aufklärungsmittel, über das nicht auch das SG verfüge. Es dürfe eine Begründung für die GdB-Festsetzung durch den Beklagten verlangt werden. Allerdings rechtfertige eine unzureichende oder gar fehlende Begründung für die Bewertung einer Behinderung im unteren oder oberen Bereich des vorgegebenen Beurteilungsrahmens nicht die Anwendung von § 131 Abs. 5 SGG. Er habe ausreichende medizinische Unterlagen beigezogen und ausgewertet. Auch die Arbeitsbelastung des SG rechtfertige nicht die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG. Nicht nachzuvollziehen sei, weshalb die Zurückverweisung der Angelegenheit im Interesse des Klägers liegen und demzufolge die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung sachdienlich sein solle.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. Mai 2009 zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht vorliegen dürften.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichts- und die Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit nach den Zustimmungserklärungen der Beteiligten gemäß den §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil eine Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses eine Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache zu entscheiden. Die Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn das Sozialgericht einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen bzw. ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also - wie hier - teilweise stattgegeben wurde, ohne zu den eigentlichen Fragen Stellung zu nehmen (Landessozialgericht B.-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009 - L 4 R 1519/08 - juris; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. März 2010 - L 8 R 145/09 - juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 159 Rdnr. 2b m.w.N.).
Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Denn das SG hat zu Unrecht, ohne in der Sache zu entscheiden, die angefochtenen Bescheide aufgehoben.
Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2933) lagen nicht vor. Nach dieser Regelung kann das Sozialgericht binnen sechs Monaten seit Eingang der Behördenakte bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art und Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Anwendung dieser Vorschrift führt zu einer vollständigen Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Behörde zum Zweck erneuter Ermittlungen und neuer Bescheiderteilung. Die Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG beinhaltet eine - grundsätzlich eng auszulegende - Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht selbst eine Sachentscheidung über eine zulässige Klage treffen muss (BSG, Urteil vom 17. April 2007 - B 5 RJ 30/05 R - juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009 - L 4 R 1519/08; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. März 2010 - L 8 R 145/09 - juris).
§ 131 Abs. 5 SGG wurde durch Art. 8 Nr. 1 des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198, 2205) mit Wirkung vom 1. September 2004 dem bisherigen § 131 SGG angefügt und gilt seit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 nunmehr auch für die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die Vorschrift lehnt sich nach den Motiven des Gesetzgebers unmittelbar an die bereits vorhandenen, fast wortgleichen Vorschriften des § 113 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie des § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung an und soll dem Gericht zeit- und kostenintensive Ermittlungen ersparen, die eigentlich der Behörde obliegen. Nach Beobachtungen der Praxis wird die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führt (BT-Drs. 15/1508, S. 29, BR-Drs. 378/03, S. 67). Die nochmalige Änderung der Vorschrift durch Art. 8 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2933) hat nur klarstellende Bedeutung.
Zwar hat das SG innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Behördenakten entschieden, denn die Verwaltungsakten sind am 3. Februar 2009 bei dem SG eingegangen, und das Urteil ist dem Beklagten am 15. Juni 2009 zugestellt worden. Es lagen jedoch die weiteren Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht vor. Das Rechtsmittelgericht hat das Vorliegen der drei Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG (noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit dieser Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Aufhebung der Verwaltungsentscheidung) uneingeschränkt zu überprüfen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; LSG NRW a.a.O.; Keller a.a.O., § 131 Rdnr. 20).
Diese Prüfung ergibt, dass weder die aus Sicht des SG erforderlichen Ermittlungen erheblich sind noch ist die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich.
Bei der Beurteilung der Erheblichkeit noch durchzuführender Ermittlungen und der Sachdienlichkeit der Aufhebung der Verwaltungsentscheidung stellt der Senat unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. April 2007 - B 5 RJ 30/05 R - juris), der sich der Senat anschließt, strenge Anforderungen. Das BSG hat in dieser Entscheidung, der noch § 131 Abs. 5 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung zugrunde lag, darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber, wolle er den Sozialgerichten ein effizientes Instrument zur Entlastung und Beschleunigung der Verfahren auch in kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungssituationen zur Verfügung stellen und eine unerwünschte Verlagerung der Ermittlungen in das Gerichtsverfahren verhindern, nicht nur den Anwendungsbereich ausdrücklich auch auf solche Klagen erstrecken, sondern zugleich auch von den strengen Voraussetzungen, wie sie § 131 Abs. 5 SGG aktuell normiere, abrücken müsse. Andernfalls habe die Vorschrift praktisch keinerlei Anwendungsbereich. Denn die Tatbestandsmerkmale der Norm seien nur dann erfüllt, wenn die Behörde nach personeller und sachlicher Ausstattung die für erheblich gehaltenen Ermittlungen besser bzw. schneller durchführen könne als das Gericht. Das sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Beklagte über keine anderen Aufklärungsmittel verfüge als das Gericht (BSG a.a.O., Rdnr. 20). Der Gesetzgeber hat entgegen diesem ausdrücklichen Hinweis des BSG mit der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung des § 131 Abs. 5 SGG an den ursprünglichen und damit strengen Voraussetzungen der Vorschrift festgehalten, indem er lediglich die Worte "in den Fällen des § 54 Abs. 1 und 4" ergänzt, die Vorschrift im Übrigen im Wortlaut aber beibehalten hat. Er hat mit dieser Ergänzung zwar den Anwendungsbereich der Vorschrift grundsätzlich über reine Anfechtungssituationen hinaus auch auf kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 4 SGG) erweitert, in Ansehung des BSG-Urteils vom 17. April 2007 aber augenscheinlich in Kauf genommen, dass sich ein tatsächlicher Anwendungsbereich praktisch nicht eröffnet. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Begründung des Gesetzentwurfes weder der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Sachdienlichkeit im Urteil des BSG vom 17. April 2007 entgegentritt noch die aufgeworfene Frage einer Lockerung der Voraussetzungen für die Verweisung anspricht. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen an (LSG NRW a.a.O., m.w.N.). Auch mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 hat der Gesetzgeber nur klarstellende Änderungen vorgenommen und damit erneut zu erkennen gegeben, dass er an den ursprünglichen und strengen Voraussetzungen festhält.
Allerdings teilt der Senat die Ansicht des SG, soweit es im Hinblick auf die Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit mit einem Intelligenzrückstand des Klägers und nach dem Inhalt der Verwaltungsakten noch weitere medizinische Ermittlungen für erforderlich hält. Es kann jedoch dahinstehen, ob wegen der Schwere der Beeinträchtigungen - wie das SG zunächst ausführt - weitere Befundberichte einzuholen sind, oder - wie das SG später meint - eine fachärztliche und übergreifende Begutachtung erforderlich ist.
Denn diese Ermittlungen sind jedenfalls nicht erheblich im Sinne des § 131 Abs. 5 SGG. Die Erheblichkeit der noch durchzuführenden Ermittlungen kann sich aus Zeitdauer, Umfang und den personellen Möglichkeiten, aber auch aus besonders hohen Kosten ergeben (Keller a.a.O., Rdnr. 19). Allein das Einholen eines Sachverständigengutachtens ist für das Gericht regelmäßig nicht mit einem erheblichen Aufwand verbunden; das gilt erst recht für das Einholen von Befundberichten (ebenso LSG Berlin-Brandenburg a.a.O., m.w.N.; Keller a.a.O., Rdnr. 19). Solche Ermittlungen sind für die alltägliche Arbeit der Sozialgerichte geradezu typisch, weshalb sie auch in § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG beispielhaft aufgezählt sind (" kann [der Vorsitzende] insbesondere [ ] die Begutachtung durch Sachverständige anordnen "). In Ausnahmefällen, z. B. bei dem Erfordernis spezieller Ermittlungen unter Einsatz besonderer technischer oder anderer Hilfsmittel, auf die das Gericht nicht ohne Weiteres zugreifen kann, mag dies anders zu beurteilen sein. Besondere Umstände sind hier aber nicht ersichtlich. Die aus seiner Sicht erforderlichen Ermittlungen kann das SG ohne großen Mehraufwand durch Einholung eines entsprechenden Befundberichtes oder eines gerichtlichen Gutachtens selbst durchführen.
Entgegen der Ansicht des SG ist eine Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten auch nicht sachdienlich. Es kann offen bleiben, ob eine Zurückverweisung regelmäßig nur dann sachdienlich ist, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung die Ermittlungen besser als das Gericht durchführen kann und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten sachgerechter wäre, die Behörde tätig werden zu lassen (BT-Drs. 11/7030, S. 29; BSG, a.a.O. Rdnr. 17; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. November 2002 - 9 C 2/02 - Rdnr. 31, juris). Das BSG stellte diese Definition im Hinblick auf die frühere Fassung des § 131 Abs. 5 SGG auf, die sich nur auf die Anfechtungsklage bezog. In kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungssachen ist allerdings unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten zu beachten, dass die durch die Aufhebungs- und Zurückverweisungsentscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG eintretende Verzögerung jedenfalls den Rechtsuchenden insoweit belastet, als er die begehrte Entscheidung, hier die Feststellung eines höheren GdB ohne Sachentscheidung des Gerichts, (vorerst) nicht erlangt. Diese prinzipielle Benachteilung lässt sich nur mit übergeordneten Interessen rechtfertigen. Das könnten Ermittlungsdefizite in einem Ausmaß sein, das im Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Verwaltung nicht mehr hinnehmbar ist. Erhebliche Ermittlungsdefizite könnten anzunehmen sein, wenn die Verwaltung unter Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 20 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) die Sachverhaltsermittlung in Gänze unterlassen hat und deshalb keine verwertbare Entscheidungsgrundlage vorhanden ist (LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.).
Ein solcher Sachverhalt liegt hier aber nicht vor. Der Beklagte hat vor Erlass des Widerspruchsbescheides folgende Unterlagen beigezogen und ausgewertet:
das sonderpädagogisches Gutachten vom 2. Mai 2007,
den Bericht der Kinderärztin Dr. K. vom 24. Juli 2007,
den Bericht der L. e. V. H. vom 26. August 2005,
die Schreiben der Martin-Luther Universität vom 3. Februar 2004, 14. Mai 2003, 15. Mai 2002 und vom 13. März 2002,
den Bericht des Dr. A. über den Behandlungszeitraum vom 12. Juli 2001 bis zum 17. August 2002,
den Entwicklungsbericht der Klassenlehrerin U. vom 10. Juni 2008,
Unterlagen des Gesundheitsamtes H. vom 12. August 2008,
Unterlagen der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. W. vom 30. Mai 2007,
eine Bescheinigung des Landesverwaltungsamtes zur sonderpädagogischen Förderung vom 9. Mai 2007 sowie
einen Entlassungskurzbrief des Krankenhauses St. E. vom 16. Mai 2007.
Auch wenn das SG mit guten Gründen der Auffassung ist, diese Befunde seien durch weitere zu ergänzen, lassen sich grobe Ermittlungsmängel oder gar -ausfälle des Beklagten nicht feststellen. Es kann auch keine Rede davon sein, dass das SG erstmals die an sich dem Beklagten gemäß § 20 Abs. 1 SGB X obliegenden Ermittlungen vorzunehmen hätte. Gegen die Sachdienlichkeit der Zurückverweisung spricht hier auch, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung sich ausdrücklich gegen die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG ausgesprochen hat. Er sei nicht zufrieden, weil eine weitere Verzögerung der Sache eintreten dürfte. Die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung ist auch nicht deshalb sachdienlich, weil das SG meint, aufgrund eigener Überlastung notwendige medizinische Ermittlungen erst im Folgejahr durchführen zu können.
Der Senat verweist den Rechtsstreit im Rahmen des ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessen zurück, weil das SG den Beteiligten als erste Tatsacheninstanz erhalten bleiben soll. Der Senat hätte die anstehenden Ermittlungen auch selbst durchführen können, es wäre den Beteiligten dann aber eine Tatsacheninstanz genommen und eine Beschleunigung des Verfahrens nicht zwangsläufig erreicht worden. Denn erfahrungsgemäß dauert ein Verfahren vor dem SG nicht so lange wie vor dem Landessozialgericht.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten (vgl. Keller a.a.O. § 159 Rdnr. 5 - 6).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben. Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung unter Beachtung aktueller Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 17. April 2007 - B 5 RJ 30/05 R.