Sächsisches Landessozialgericht - L 8 AS 1905/13 B KO - Beschluss vom 30.12.2013
Gegen Entscheidungen des SG über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten nach § 197 Abs. 1 SGG ist die Beschwerde nicht statthaft. Denn nach § 197 Abs. 2 SGG sind die Entscheidungen des SG über solche Erinnerungen "endgültig". Damit ist bestimmt, dass in Kostenfestsetzungsverfahren keine Beschwerde zum LSG zulässig ist. An der Rechtslage hat sich durch den im Zuge des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 mit Wirkung vom 01.08.2013 angefügten Absatz 3 an § 1 RVG nichts geändert.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Festsetzung der vom Beschwerdegegner in einer sozialgerichtlichen Untätigkeitsklage an die Beschwerdeführerin zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Nach Erledigung der von der Beschwerdeführerin beim Sozialgericht Chemnitz (SG) geführten Untätigkeitsklage S 14 AS 2186/12 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG auf Antrag der Beschwerdeführerin die vom Beschwerdegegner zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten mit Beschluss vom 04.06.2013 fest. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin am 01.07.2013 Erinnerung. Auf den Hinweis des Kammervorsitzenden des SG, dass er dazu neige, der Ansicht der Kostenbeamtin zu folgen, teilte der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 09.08.2013 mit, dass "die einseitige und parteiliche Auffassung des Gerichts zu Gunsten des Beklagten die erforderliche Neutralität des Gerichts vermissen" lasse, regte die Selbstablehnung des Kammervorsitzenden an und lehnte für den Fall, dass keine Selbstablehnung erfolge, den Vorsitzenden der 14. Kammer des SG wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab. Mit Beschluss vom 13.08.2013 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 07.11.2013 Beschwerde, hilfsweise Gegenvorstellung, erhoben und gleichzeitig beantragt, den zur Entscheidung über die Gegenvorstellung berufenen Vorsitzenden gemäß § 60 SGG als Kostenrichter abzulehnen, sowie Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Dem Vorsitzenden der 14. Kammer des SG fehlten offensichtlich Kenntnisse des anwaltlichen Gebührenrechts, weshalb er abzulehnen sei. Zudem habe sich der Kammervorsitzende über das bereits im Rahmen der Erinnerung gestellte Befangenheitsgesuch in rechtlich unzulässiger Weise hinweg gesetzt. In der Sache trägt die Beschwerdeführerin vor: Die Beschwerde sei zulässig. Das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz habe eindeutig geregelt, dass die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zur Erinnerung und Beschwerde vor allen Verfahrensordnungen Vorrang hätten. Die bisherige Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG), wonach § 197 Abs. 2 SGG als speziellere Norm dem RVG vorgehe, sei damit überholt. Abgesehen davon, dass diese Rechtsprechung zweifelhaft sei, erfasse das RVG alle erstattungsfähigen Kosten der Rechtsverfolgung. Die Beschwerde sei auch begründet, denn der Vorsitzende der 14. Kammer habe wegen des Ablehnungsgesuchs nicht mehr entscheiden dürfen und gehe von zu niedrigen zu erstattenden Kosten für die geführte Untätigkeitsklage aus.
Die Akten des SG-Verfahrens und die Beschwerdeakten haben dem Senat vorgelegen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig und war zu verwerfen.
Gegen Entscheidungen des SG über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten nach § 197 Abs. 1 SGG ist die Beschwerde nicht statthaft. Denn nach § 197 Abs. 2 SGG sind die Entscheidungen des SG über solche Erinnerungen "endgültig". Damit ist bestimmt, dass in Kostenfestsetzungsverfahren keine Beschwerde zum LSG zulässig ist (allg. Meinung; vgl. Senatsbeschlüsse vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris RdNr. 11; vom 13.03.2013 - L 8 AS 179/13 B KO - juris RdNr. 4; vom 04.04.2013 - L 8 AS 1454/12 B KO - juris RdNr. 7 ff. und vom 17.04.2013 - L 8 AS 277/13 B KO - juris RdNr. 7 ff.). Dies entspricht nicht allein dem Wortlaut des § 197 Abs. 2 SGG (dazu Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris RdNr. 11), sondern ebenso der Entstehungs- und Regelungsgeschichte dieser Norm (ausführlich hierzu Senatsbeschluss vom 04.04.2013 - L 8 AS 1454/12 B KO - juris RdNr. 8 ff.).
Eine andere Auslegung ist auch nicht im Hinblick auf § 178 Satz 1 SGG geboten. Zwar wird diese Norm, die ähnlich wie § 197 Abs. 2 SGG eine "endgültige" Entscheidung des SG über Erinnerungen vorsieht, für Verfahren zur Festsetzung der Vergütung der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälte richtigerweise von § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 RVG als speziellerer Norm verdrängt (vgl. Senatsbeschluss vom 22.04.2013 - L 8 AS 527/12 B KO - juris RdNr. 13 mit umfangreichen Nachweisen auch zur gegenteiligen Rechtsprechung einiger LSG). Hieraus ergibt sich aber nichts für das in § 197 SGG geregelte Verfahren zur Festsetzung der vom Prozessgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten (ausführlich dazu Senatsbeschluss vom 13.03.2013 - L 8 AS 179/13 B KO - juris RdNr. 5 ff.). Denn von den Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11, §§ 45 ff. RVG, die das Innenverhältnis zwischen dem Mandanten - bzw. der an dessen Stelle tretenden Staatskasse - und dem Rechtsanwalt betreffen, ist das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG streng zu trennen, in dem es um das Außenverhältnis des Mandanten zum Prozessgegner geht.
An der aufgezeigten Rechtslage hat sich entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin durch den im Zuge des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586) mit Wirkung vom 01.08.2013 angefügten Absatz 3 an § 1 RVG nichts geändert (vgl. bereits die obiter dicta in den Senatsbeschlüssen vom 06.09.2013 - L 8 AS 1509/13 B KO - juris RdNr. 10 ff. sowie vom 13.03.2013 - L 8 AS 179/13 B KO - juris RdNr. 8).
Dabei neigt der Senat der Auffassung zu, dass die Verfahrensvorschrift des § 1 Abs. 3 RVG auf Festsetzungen, die sich materiell-rechtlich nach dem bis zum Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Recht richten (sog. Altfälle), anwendbar ist. Hierfür spricht, dass die Übergangsregelung des § 60 RVG allein die materiell-rechtlichen Vorschriften des RVG (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG: "Die Vergütung ist zu berechnen, ") betrifft, sodass nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts die verfahrensrechtlichen Gesetzesänderungen auf anhängige Festsetzungsverfahren anzuwenden sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 17/09 R - juris RdNr. 14). Auch bei Anwendung des § 1 Abs. 3 RVG auf Altfälle verbleibt es allerdings dabei, dass das SG gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig entscheidet. Denn § 1 Abs. 3 RVG bestimmt (ähnlich wie § 1 Abs. 5 Gerichtskostengesetz oder § 1 Abs. 5 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz), dass die Vorschriften des RVG über Erinnerungen und Beschwerden den Regelungen der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vorgehen. Eine durch diese Bestimmung aufzulösende Kollisionslage kann nur eintreten, soweit Regelungen sowohl des RVG als auch der allgemeinen Prozessordnungen - hier des SGG - Geltung für gleiche Verfahrensarten beanspruchen. Dies ist zwar bei § 178 SGG der Fall, soweit diese Vorschrift Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG erfasst. Dies ist jedoch bei den hier betroffenen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG ausgeschlossen. Denn die Verfahrensregelungen des RVG finden von vornherein keine Anwendung auf die Festsetzung der von den Beteiligten untereinander zu erstattenden Kosten. Das RVG gestaltet verfahrensrechtlich allein die Festsetzung der Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG) aus - und zwar zum Einen im Verhältnis zu ihren jeweiligen Mandanten (§ 11 RVG) und zum Anderen für die im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälte gegenüber der Staatskasse (§§ 45 ff. RVG).
Durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz hat sich nichts daran geändert, dass die Verfahrensbestimmungen des RVG weder direkt noch analog auf das in § 197 SGG geregelte Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar sind. Vielmehr sind weiterhin Vergütungsfestsetzung und Kostenfestsetzung streng voneinander zu trennen. Während die Vergütungsfestsetzung das Innenverhältnis zwischen Mandant - bzw. der an dessen Stelle tretenden Staatskasse - und Rechtsanwalt betrifft, geht es bei der Kostenfestsetzung um den Erstattungsanspruch des Mandanten gegen seinen Prozessgegner auf Grund einer in der Hauptsache getroffenen Kostengrundentscheidung oder -regelung. Beide Verfahren sind voneinander unabhängig (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.1991 - I ARZ 136/91 - juris RdNr. 5; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., § 11 RdNr. 6, § 55 RdNr. 2; Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., § 11 RdNr. 1, 4, § 55 RdNr. 1). Entscheidungen in dem einem Verfahren binden nicht in einem anderen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 15.07.1997 - 1 BvR 1174/90 - juris RdNr. 7; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 06.10.1997 - 14 S 2808/97 - juris RdNr. 8; Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 04.10.1985 - 13 W 144/85 - juris), sodass sie auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können (vgl. Müller-Rabe a.a.O.).
Unerheblich ist ferner, dass Bestimmungen des RVG im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG materiell-rechtliche Bedeutung haben, soweit die Höhe der anwaltlichen Vergütung betroffen ist. Hat der Prozessgegner aufgrund einer Kostengrundentscheidung oder -regelung die notwendigen außergerichtlichen Kosten der anderen Seite (ganz oder teilweise) zu tragen, sind hiervon regelmäßig auch die Gebühren und Auslagen eines beauftragten Rechtsanwalts erfasst. Im Festsetzungsverfahren über die Höhe des Erstattungsanspruchs ist daher für die Bestimmung der Höhe der vom Anwalt aus dem Mandatsverhältnis verdienten - und nunmehr vom Prozessgegner zu erstattenden - Vergütung auf die materiell-rechtlichen Regelungen des RVG zurückzugreifen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das RVG für das Verhältnis der Beteiligten untereinander keinerlei verfahrensrechtlichen Regelungen trifft.
Kollidierende Gemengelagen, die der Auflösung durch § 1 Abs. 3 RVG bedürften, können sich daher von vornherein nur im Bereich der Vergütungsfestsetzung ergeben. So bestimmt etwa § 178 Satz 1 SGG, dass gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten das Gericht angerufen werden kann, das endgültig, also ohne Beschwerdemöglichkeit, entscheidet. Da nach § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG die Vergütungsfestsetzung auch durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgt, widerspricht § 178 Satz 1 SGG der Regelung des § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, die gegen die Entscheidung über die Erinnerung die Beschwerde abhängig von der Höhe der Beschwer ermöglicht. Insoweit stellt § 1 Abs. 3 RVG klar, dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren § 178 Satz 1 SGG einer Beschwerde nicht entgegensteht (so bereits bisher die st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 22.04.2013 - L 8 AS 527/12 B KO - juris RdNr. 13). An dem abschließenden Charakter des § 197 Abs. 2 SGG und des darin geregelten Beschwerdeausschlusses für Kostenfestsetzungsverfahren hat sich durch die Anfügung des Absatzes 3 an § 1 RVG indessen nichts geändert.
Schließlich ist die Beschwerde auch deshalb zulässig, weil das SG über die Erinnerung entschieden hat, ohne zuvor über das mit Schriftsatz vom 09.08.2013 von der Beschwerdeführerin gestellte Befangenheitsgesuch (ausdrücklich) befunden zu haben. Hierin kann zwar ein Verfahrensmangel liegen, der im Rahmen statthafter Rechtsmittel gerügt werden kann. Ist jedoch - wie hier - von Gesetzes wegen kein Rechtsmittel gegen die beanstandete Entscheidung statthaft, vermag auch ein Verfahrensmangel als solcher keinen Rechtsbehelf zu eröffnen. Seit Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) ist die früher erwogene Möglichkeit, in Extremfällen eine außerordentliche Beschwerde zum iudex ad quem zuzulassen, schon unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelklarheit von vornherein ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.01.2007 - 1 BvR 2803/06 - juris RdNr. 5; BSG, Beschluss vom 07.04.2005 - B 1 KR 5/04 S - juris RdNr. 4 f.; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 178a RdNr. 13).
III.
Über die hilfsweise erhobene Gegenvorstellung, das Ablehnungsgesuch nach § 60 SGG sowie die Dienstaufsichtsbeschwerde hat der Senat nicht zu befinden.
IV.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG)