Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt im Klageverfahren die Aufhebung des Betriebsprüfungsbescheides der Beklagten vom 6.10.2011 in der Gestalt des Bescheides vom 28.6.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2013, mit der diese von ihr Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 121.895,00 EUR nachfordert.

Die Klägerin wandte sich gegen die Nachforderung bereits im Anhörungsverfahren. Hierzu erteilte sie "den Rechtsanwälten der Anwaltssozietät D I (im Folgenden: D) Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern" - es folgen sämtliche Standorte der Kanzlei - "Insbesondere Dr. L - jedem einzelnen allein - ("Bevollmächtigte") gegenüber der Beklagten schriftliche Vollmacht.

Gegen den Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten vom 6.10.2011 legte die Klägerin, vertreten durch D, mit Schriftsatz vom 7.11.2011 Widerspruch ein. Die Beklagte erließ daraufhin am 28.6.2012 einen ändernden Bescheid.

Mit Schreiben vom 19.10.2012 meldete sich im noch laufenden Widerspruchsverfahren gegenüber der Beklagten erstmals die Anwaltssozietät L (nachfolgend: L), der ausweislich des Briefbogens der bislang mit der Angelegenheit betraute Rechtsanwalt Dr. L nunmehr angehörte. Erläuterungen diesbezüglich wurden gegenüber der Beklagten nicht abgegeben, weitere Unterlagen nicht eingereicht.

Die Beklagte wies sodann den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18.2.2013 als unbegründet zurück, den sie per Einschreiben (RG 20 xxx xxx 9DE 110) am 19.2.2013 (Ab-Vermerk) an die Adresse von D in der C-Straße 00 in E versandte. Das Einschreiben wurde in das von D bei der Deutschen Post AG unterhaltende Postfach mit der Nummer 000 eingelegt.

Mit Postfach-Service-Vertrag vom 14.6.2006 in der Fassung der Verträge vom 14.1.2010 und 10.5.2010 hatte D die Firma B GmbH (nachfolgend: B) u.a. mit der werktäglichen Leerung des Postfachs und Zustellung der gewöhnlichen und eingeschriebenen Briefsendungen zwischen 8:30 und 9:00 Uhr beauftragt. Zur Aufgabenerfüllung setzte B Frau H1 als Subunternehmerin für die Dienstleistung "Postzustellung" ein und wies sie wie alle Mitarbeiter sowie Subunternehmer an, abgeholte Einschreiben taggenau dem Empfänger auszuhändigen.

Frau H1 holte den Widerspruchsbescheid am 22.2.2013 aus dem Postfach bei der Deutschen Post AG ab. Im Rahmen der Empfangsbestätigung der Post unterzeichnete Frau H1, die Sendung am Freitag, dem 22.2.2013, erhalten zu haben. Am Montag, dem 25.2.2013, lieferte sie das Einschreiben bei D aus.

Am 25.3.2013 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage gegen die genannten Bescheide erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Am 10.4.2013 hat sie zudem beantragt, ihr gegen die Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Der Widerspruchsbescheid sei ausweislich des Posteingangsstempels dem Bevollmächtigten der Klägerin erst am 26.2.2013 zugestellt worden. Die Postzustellung habe sich aufgrund nicht mehr nachvollziehbarer Gründe verzögert. Der Widerspruchsbescheid sei von der Beklagten offensichtlich noch an die alte Kanzleianschrift des Bevollmächtigten in E gesandt worden, obwohl die neue Kanzleianschrift der Beklagten bereits bekannt gewesen sei. Sämtliche noch an die alte Kanzleianschrift gerichtete Post werde regelmäßig unverzüglich, sei es durch Boten, sei es persönlich abgeholt. Hierdurch könne es zu Verzögerungen von maximal einem Arbeitstag kommen. Bei Fristsachen erfolge regelmäßig durch die Posteingangsstelle im alten Büro eine telefonische Vorabinformation über die Zustellung. Die Klägerin hat eine eidesstattliche Versicherung von Frau L, Sekretärin von Herrn Rechtsanwalt Dr. L, vom 10.4.2013 beigefügt, wonach sämtliche eingehende Post ohne Ausnahme am gleichen Tag mit einem Eingangsstempel versehen und in den Fristenkalender eingetragen wird.

Die Beklagte hat sich zum Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht geäußert.

Das SG hat mit Beschluss vom 21.6.2013 den Antrag abgelehnt. Die Klägerin habe die Klagefrist versäumt. Wiedereinsetzung sei ihr nicht zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor, da die Fristversäumung nicht unverschuldet sei. Die anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin hätten trotz des drohenden Fristablaufes am 22.3.2013 nicht sichergestellt, dass die Klageschrift das zuständige Gericht rechtzeitig erreiche. Dies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen.

Gegen den am 27.6.2013 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 22.7.2013 Beschwerde eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Es sei unbekannt gewesen, dass das Einschreiben bereits am 22.2.2013 durch Frau H1 abgeholt und daher nicht taggenau ausgeliefert worden sei. Es habe keine Zweifel an der Zuverlässigkeit der Subunternehmerin gegeben.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.6.2013 aufzuheben und der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend. Der Empfänger habe durch Vertrag die Post umgeleitet und mit der täglichen Leerung und Abholung einen privaten Botendienst beauftragt. Nach Ziff. 3 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG für die Nutzung von Postfächern (Stand März 2009; AGB Postfach) erkläre sich der Inhaber eines Postfach mit der Auslieferung seiner Post an das Postfach einverstanden, auch wenn sie an die Hausanschrift adressiert worden sei. Zudem verweist die Beklagte auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss v. 14.6.2012, V ZB 182/11 - juris). Danach sei geklärt, dass eine wirksame Ersatzzustellung auch an ein Postfach erfolgen könne. Irrtümer über den Zeitpunkt des Zugangs seien der Klägerin zuzurechnen.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin eine schriftliche Stellungnahme der Kanzlei D vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren, in dem Verfahren mit dem Az. L 8 R 752/13 B ER sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

II.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das SG über die Wiedereinsetzung im Klageverfahren durch Beschluss entscheiden durfte (verneinend Hintz in Hintz/Lowe, SGG, § 67 Rdnr. 36 unter Hinweis auf § 202 SGG i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 125 SGG und die herrschende Rechtsprechung im Verwaltungsprozess - BVerwG, Beschluss v. 26.6.1986, 3 C 46/84, NJW 1987, 1349 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.6.2009, 19 E 309/09, juris -; bejahend die ganz herrschende Auffassung im sozialgerichtlichen Verfahren, weil § 67 Abs. 4 Satz 2 SGG abweichende "Bestimmung über das Verfahren" im Sinne von § 202 SGG auch hinsichtlich der Entscheidungsform sei; statt vieler: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 67 Rdnr. 17a). Ebenso wenig muss der Senat entscheiden, ob das SG verfahrensfehlerfrei ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter beschließen konnte (verneinend, weil die ehrenamtlichen Richter bei der Instanz beendenden Entscheidung ggf. an die rechtskräftige Ablehnung der Wiedereinsetzung gebunden wären: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 25.9.1990, L 1 SB 106/90, Breith 1991, 259; Bayerisches LSG, Beschluss v. 14.7.1983, L 8/B 132/82, Breith 1983, 1017; LSG Niedersachsen, Beschluss v. 29.10.1970, L 9 S (V) 33/70, Breith 1971, 244; Curkovic in GK-SGG, § 67 Rdnr. 76; wohl auch Zeihe, SGG, § 67 Rdnr. 30e; bejahend mit Blick auf § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG: LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 25.1.1983, L 5 Ar 146/82 B, Breith 1983, 559; Keller a.a.O., § 67 Rdnr. 17a; Littmann in Hk-SGG, § 67 Rdnr. 12; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 67 Rdnr. 65). Schließlich kann offen bleiben, ob es zumindest vor einer Entscheidung durch Beschluss eines gesonderten Beschlusses über die Beschränkung der Verhandlung und Entscheidung gemäß § 202 SGG i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO bedurft hätte (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 238 Rdnr. 5 m.w.N.) oder den Beteiligten anderweitig rechtliches Gehör (§ 62 SGG) über die beabsichtigte Entscheidungsform zu gewähren war. Denn selbst wenn dem SG insoweit ein Verfahrensfehler unterlaufen sein sollte, wäre der Senat hierdurch nicht an einer inhaltlichen Entscheidung über die Wiedereinsetzung gehindert.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Klagefrist zu gewähren.

Nach § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

Die Klägerin hat zunächst, als sie erst am 25.3.2013 Klage eingelegt hat, eine gesetzliche Verfahrensfrist, nämlich die Klagefrist, nicht eingehalten.

Nach § 87 Abs. 1, 2 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Dabei erfolgt die Bekanntgabe nach § 85 Abs. 3 SGG. Der Widerspruchsbescheid ist danach schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten bekanntzugeben. Wenn die Behörde eine Zustellung vornimmt, gelten die §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Nach § 4 Abs. 1, 2 Satz 2 VwZG kann ein Dokument durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe zugestellt werden. In diesem Fall gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen, § 4 Abs. 2 Satz 3 VwZG.

Die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides der Beklagten an die Klägerin ist am 22.2.2013 erfolgt. An diesem Tag ist nicht nur nach der Dreitagesfiktion die Zustellung als bewirkt anzusehen, da die Beklagte ausweislich des Ab-Vermerks den Widerspruchsbescheid am 19.2.2013 versandt hat, sondern auch die tatsächliche Zustellung erfolgt.

Nicht zu beanstanden ist dabei, dass die Beklagte die Bekanntgabe an D bewirkt hat. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1, 2 VwZG sind Zustellungen an den bestellten Bevollmächtigten zu richten, wenn dieser eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Mit Vollmacht vom 19.5.2011 hat sich D als Bevollmächtigte der Klägerin bestellt. Der Beklagten gegenüber wurde ein etwaiges Erlöschen der Bevollmächtigung zu keiner Zeit angezeigt. Entsprechendes musste die Beklagte auch nicht dem Schriftsatz vom 19.10.2012 entnehmen, mit welchem sich erstmalig die Kanzlei L, allerdings ohne Vertretungsanzeige und ohne Vorlage einer Vollmacht, bei der Beklagten im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens gemeldet hat. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der maßgeblich sachbearbeitende Partner von D, Herr Rechtsanwalt Dr. L, zwischenzeitlich die Kanzlei gewechselt hatte, wie sich aus dem Briefbogen der L ergab. Ist nämlich eine Anwaltssozietät beauftragt, kommt das Mandat in der Regel mit allen der Sozietät angehörenden Anwälten zustande, mit der Folge, dass alle Sozien Bevollmächtigte im Sinne des § 85 Zivilprozessordnung (ZPO) sind (BGH, Urteil v. 19.1.1995, III ZR 107/94, NJW 1995, 1841; Keller a.a.O., § 67 Rdnr. 3e). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, zumal die schriftlich erteilte Vollmacht ausdrücklich auf die Rechtsanwälte von D und nur "insbesondere" auf Herrn Rechtsanwalt Dr. L lautete. Im besten Fall hätte die Beklagte daher aus dem Schriftsatz vom 19.10.2012 die Beauftragung eines weiteren Bevollmächtigten vermuten können. Ohne Vorlage einer entsprechenden Vollmacht war sie allerdings nicht gehalten, auch an diese eine Zustellung zu bewirken.

Die Zustellung an D ist auch ordnungsgemäß am 22.2.2013 durch die Übergabe an Frau H1 erfolgt. Denn der Widerspruchsbescheid ist zunächst nicht bereits durch Einlegung des Auslieferungsscheins in das Postfach zugestellt, sondern erst dann, wenn das Dokument dem Empfangsberechtigten ausgehändigt worden ist (Engelhardt/App,VwZG, § 4 Rdnr. 10). Nach Ziff. 3 Abs. 4 Satz 1, 2 AGB Postfach legt die Deutsche Post AG in der Regel u.a. alle Briefsendungen, welche die Postfachanschrift oder die Hausanschrift des Inhabers tragen, in das Postfach ein. Weisungen werden diesbezüglich nicht berücksichtigt. Briefsendungen, die nur gegen Empfangsbestätigung ausgeliefert werden, werden am Ausgabeschalter gegen Vorlage des Auslieferungsbelegs an den Empfänger oder einen Empfangsberechtigten ausgehändigt. Nach Ziff. 4 Abs. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG Brief National (AGB Brief National, Stand Januar 2012) kann die Zustellung nämlich auch durch Aushändigung an einen durch schriftliche Vollmacht des Empfängers ausgewiesenen Empfangsberechtigten erfolgen. Gemäß Ziff. 3 Abs. 5 Satz 2 AGB Postfach genügt als Empfangsberechtigungsnachweis in der Regel die Vorlage des Postfachschlüssels.

Frau H1 ist als Empfangsberechtigte der Kanzlei D zu werten. D hat mit Postfach-Service-Vertrag einen privaten Postdienstleister, nämlich B, mit der werktäglichen Leerung des Postfachs und Zustellung der gewöhnlichen und eingeschriebenen Briefsendungen beauftragt. Den vorgelegten Verträgen lässt sich nicht entnehmen, dass B verpflichtet gewesen ist, die Leistung ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern durchzuführen. Demgemäß konnte sie zur Aufgabenerfüllung eine Subunternehmerin für die Dienstleistung "Postzustellung" einsetzen, welche die eingeschriebene Briefsendung der Beklagten auftragsgemäß am 22.2.2013 entgegennahm.

Die Versäumung der Frist war indes nach den weiteren Feststellungen des Senats im Beschwerdeverfahren unverschuldet.

Ein unverschuldetes Fristversäumnis setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (BSG, Urteil v. 31.3.1993, 13 RJ 9/92, BSGE 72,158). Die Versäumnis der Frist muss bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaften und sachgerechten Prozessführenden demnach nicht vermeidbar gewesen sein (BSG, Beschluss v. 10.12.1974, GS 2/73, GrS SozR 1500 § 67 Nr. 1). Für die Vorwerfbarkeit der Fristversäumnis kommt es auf die persönlichen Verhältnisse, insbesondere den Bildungsgrad und die Rechtserfahrung, an. Das Verschulden muss für die Fristversäumnis zudem ursächlich geworden sein. Weil § 67 SGG die Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) bzw. das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sichert, dürfen keine überspitzten Anforderungen daran gestellt werden, welche Vorkehrungen der Betroffene gegen die drohende Fristversäumnis treffen und was er nach eingetretener Fristversäumnis veranlassen muss (BVerfG, Beschluss v. 4.5.2004, 1 BvR 1892/03, NJW 2004, 2887). Andererseits ist aber die durch die Einhaltung von Fristen gegebene Rechtssicherheit ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips, Art. 20 Abs. 3 GG. Deshalb ist in Bezug auf die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eine Abwägungsentscheidung unter Beachtung der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten erforderlich (BSG, Beschluss v. 10.12.1974, a.a.O.; insgesamt Keller a.a.O., § 67 Rdnr. 3-3b m.w.N.).

Für ein Eigenverschulden der Klägerin bestehen zunächst keine Anhaltspunkte. Es liegt darüber hinaus jedoch auch kein der Klägerin zurechenbares Verschulden anderer Personen, namentlich ihrer Prozessbevollmächtigten, vor (vgl. § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG, § 85 Abs. 2 ZPO).

Ein zurechenbares Verschulden ist zunächst nicht darin zu sehen, dass Frau H1 weisungswidrig die Briefsendung nicht taggleich mit der Abholung, sondern erst am 25.2.2013 bei D ausgeliefert hat. Das Verschulden einer nicht vertretungsberechtigten Hilfsperson, derer sich der Beteiligte oder sein Prozessbevollmächtigter bei untergeordneten Hilfstätigkeiten bedient, ist dem Säumigen nicht zuzurechnen, da hier § 85 Abs. 2 ZPO nicht anzuwenden ist. Eine § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechende Vorschrift gibt es im SGG nicht (Keller a.a.O., § 67 Rdnr. 3f).

Ein Organisations-, Auswahl- oder Überwachungsverschulden seitens D scheidet gleichfalls aus.

Dies gilt zunächst hinsichtlich Auswahl und Überwachung von B. D hat B durch die abgeschlossenen Postfach-Service-Verträge zur werktäglichen Leerung ihres Postfachs und taggleichen Zustellung der eingeschriebenen Briefsendungen verpflichtet. Nach Auskunft der Kanzlei ist B seit 2006 dieser Verpflichtung werktäglich nachgekommen. Insbesondere hat es keinen Werktag gegeben, an dem seitens B keine Post bei D abgeliefert worden ist. Wie die Kanzlei überzeugend mitgeteilt hat, wäre andernfalls - nicht zuletzt aufgrund von Nachfragen aus den Dezernaten - ein Arbeitsaufwand ausgelöst worden, der in Erinnerung geblieben wäre. Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit von B auch in anderen Fällen als dem vorliegenden sind nicht ersichtlich. In der fraglichen Zeit wurde ausschließlich die langjährig dort tätige Frau H1 eingesetzt, welche sowohl am 22.2. als auch am 25.2.2013 Post an D ausgeliefert hat. Wie D mitgeteilt hat, ist Frau H1 bis zum vorliegenden Fall nicht durch Unzuverlässigkeit aufgefallen. Wenn sie - was sehr selten vorgekommen sei - zu einem späteren Tageszeitpunkt als üblich ausgeliefert habe, habe sie ihre Verspätung zumeist rechtzeitig angekündigt.

Nichts anderes gilt für die Büroorganisation bei D. Wie die Kanzlei im Einzelnen dargelegt hat, werden die von B abgelieferten Einschreiben am Empfang einzeln quittiert und sodann der sorgfältig ausgewählten, langjährig erfahrenen und in ausreichender Frequenz stichprobenartig überwachten Mitarbeiterin Frau H übergeben, die den zentralen Fristenkalender führt. Auch die anderen mit dem Postempfang betrauten Mitarbeiter der Kanzlei werden regelmäßig geschult. Die von B überbrachten Schriftstücke werden sodann mit dem Datum gestempelt, an dem sie dem Postfach entnommen werden. Wenn und soweit Unregelmäßigkeiten mit der Posteinlieferung für das Kanzleipersonal von D erkennbar waren, wäre nach Auskunft von D bei B Nachfrage gehalten worden. Schließlich hat D auch nachvollziehbar ausgeführt, dass Frau H angewiesen war, die für Herrn Rechtsanwalt Dr. L bestimmten Schriftstücke ungeöffnet noch am selben Tag abholen zu lassen und hierüber L telefonische Mitteilung zu machen.

Soweit die bei L eintreffenden Sendungen nicht mit dem Eingangsdatum der Entnahme aus dem Postfach von D bzw. dem Datum des Eingangs bei D, sondern mit dem Eingangsdatum bei L selbst - dem 26.2.2013 - versehen worden sind, kann dahingestellt bleiben, ob ein Organisationsverschulden vorliegt, das der Klägerin zurechenbar wäre. Denn jedenfalls hat sich dieses nicht kausal ausgewirkt, da die Klage bereits am 25.3.2013 erhoben worden ist. An diesem Tag wäre jedoch auch die Klagefrist abgelaufen, die unter Zugrundelegung einer (ohne Verschulden) angenommenen Zustellung am 25.2.2013 maßgeblich gewesen wäre.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen Monatsfrist am 10.4.2013 gestellt worden. Durch Zugang der Klageschrift am 25.3.2013 beim SG Dortmund ist zudem die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 3 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht veranlasst.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 67 Abs. 4 Satz 2 SGG).