Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.

Die 1974 geborene Klägerin ist Transsexuelle. Im Jahr 2002 erfolgte eine geschlechtsangleichende Operation zur Frau.

Am 07.08.2007 beantragte die Klägerin beim Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (VA) die Feststellung des GdB. Das VA zog den Entlassungsbericht der W. Klinik B. W. vom 21.08.2007 bei und nahm den Befundbericht von Dr. D. vom 09.05.2006 zu den Akten. Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. B. vom 05.10.2007 stellte das VA mit Bescheid vom 08.10.2007 bei der Klägerin den GdB mit 30 seit 07.08.2007 fest.

Gegen den Bescheid vom 08.10.2007 legte die Klägerin am 24.10.2007 Widerspruch ein. Sie machte geltend, ihre Behinderungen seien nicht vollständig erfasst. Die Transsexualität werde nicht erwähnt. Diese habe physische und psychische Folgen. Der Verlust oder Ausfall beider Eierstöcke im jüngeren Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch und bei unzureichender Ausgleichbarkeit des Hormonhaushalts sei in Analogie zu den AHP mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Transsexualität werde wegen der Andersartigkeit vom sozialen Umfeld nur eingeschränkt akzeptiert, was zu erheblichen psychischen Belastungen führe. Die Migräne sei mit einem GdB von 30 zu bewerten. Der Entlassungsbericht vom 21.08.2007 stellte zwei unterschiedliche psychische Erkrankungen fest, die mit einem GdB von 40 zu bewerten seien. Der Gesamt-GdB liege über der Schwelle der Schwerbehinderteneigenschaft.

Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. B. vom 22.02.2008 stellte das VA mit Teil-Abhilfebescheid vom 25.02.2008 bei der Klägerin wegen einer seelischen Störung (Teil-GdB 30) und Migräne (Teil-GdB 20) den GdB mit 40 seit 07.08.2007 fest. Hiermit erklärte sich die Klägerin nicht einverstanden. Sie bemängelte die fehlende Auseinandersetzung und Berücksichtigung mit dem Thema Transsexualität. Hieraus resultierten erhebliche körperliche Behinderungen, die zusätzlich zu berücksichtigen seien. Die Transsexualität sei für sich betrachtet mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Die Klägerin legte den Befundbericht zum Rentenantrag von Dr. D. vom 11.01.2008 vor. Außerdem zog das VA weitere Befundberichte bei (Dr. P. vom 22.01.2008 und Dr. G. vom 20.11.2007). Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 01.04.2008 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 08.10.2007 und 25.02.2008 vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in vollem Umfang erfasst und mit einem GdB von 40 angemessen bewertet worden seien. Die geltend gemachte Transsexualität bedinge für sich allein keinen Teil-GdB. Der GdB richte sich hierbei nach dem organischen Ergebnis der geschlechtsumwandelnden Operation sowie nach den damit verbundenen psychischen Auswirkungen. Hinsichtlich der Transsexualität könne kein GdB relevanter organischer Befund begründet werden. Die psychischen Auswirkungen in Verbindung mit der Transsexualität seien bei der seelischen Störung bewertet worden. Die von der Klägerin beschriebene Verlaufsform der Migräne sei bereits mit dem vorgesehenen Behinderungsgrad berücksichtigt. Eine höhere Einstufung könne nicht erfolgen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 07.05.2008 Klage beim Sozialgericht K. (SG). Sie vertiefte zur Begründung ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren und erachtete für die Transsexualität und die Migräne jeweils einem Teil-GdB von 30 sowie für die psychischen Behinderungen einen Teil-GdB von 40 und einem Gesamt-GdB von 60 für geboten. Die Deutsche Rentenversicherung Bund habe eine Teilerwerbsminderung festgestellt.

Das SG hörte den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D., den Orthopäden Dr. A., den Frauenarzt Dr. Sp. und die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 08.09.2008 die Befunde und Diagnosen (Migräne) mit. Dr. A. teilte in seiner Stellungnahme vom 15.09.2008 die Befunde und Diagnosen (degeneratives Cervicalsyndrom, somatoforme Störung, Migräne) mit und stimmte auf seinem Fachgebiet der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten zu. Dr. Sp. teilte in seiner Stellungnahme vom 25.09.2008 die Befunde (insbesondere unauffälliger entsprechender gynäkologischer Befund) und Diagnosen (Migräne, Erschöpfungszustand, Dysurie, Miktionsschwierigkeiten aufgrund der geschlechtsangleichenden Operation) mit. Dr. E. teilte in ihrer Stellungnahme vom 26.09.2008 die Befunde und Diagnosen (Angst und depressive Störung gemischt, posttraumatische Belastungsstörung, Transsexualismus) mit und vertrat die Ansicht, die Auswirkungen der Transsexualität seien mit einem GdB von 50 zu bewerten.

Der Beklagte unterbreitete daraufhin der Klägerin (gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 02.03.2009) zur Erledigung des Rechtsstreites ein Vergleichsangebot dahin, wegen einer seelischen Störung, Depression (Teil-GdB 40) und einer Migräne (Teil-GdB 20) den GdB mit 50 ab 07.08.2007 zu bewerten. Dieses Vergleichsangebot nahm die Klägerin nicht an.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.07.2009 stellte das SG bei der Klägerin den GdB mit 50 ab 07.08.2007 fest. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte das SG aus, die Klägerin leide an einer seelischen Störung und an einer Depression die mit einem GdB von 40 zu bewerten seien. Anders sei auch nicht aufgrund der Bekundungen von Dr. E. zu entscheiden. Eine Transsexualität nach Durchführung einer geschlechtsangleichenden Operation stelle für sich genommen keine eigenständige Funktionseinschränkung mit Auswirkungen auf den GdB dar. Der körperliche Zustand der Klägerin könne auch dem Verlust oder Ausfall beider Eierstöcke und der Gebärmutter nicht gleichgestellt werden. Die körperlichen Auswirkungen der geschlechtsangleichenden Operation führten zu keiner Erhöhung des Teil-GdB auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet oder einem gesonderten Teil-GdB. Der Teil-GdB mit 20 für die Migräne-Erkrankung der Klägerin habe der Beklagte zutreffend bewertet. In Übereinstimmung mit dem Beklagten sei der Gesamt-GdB mit 50 zu bewerten.

Mit Bescheid vom 29.07.2009 stellte das VA - in Ausführung des Gerichtsbescheides des SG vom 10.07.2009 - bei der Klägerin den GdB mit 50 seit 07.08.2007 fest.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.07.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04.08.2009 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat zur Begründung ausgeführt, das SG habe die körperliche Seite ihrer Transsexualität bei der Feststellung des GdB zu Unrecht nicht berücksichtigt. Sie habe aufgrund der Operationsfolgen ständige medizinische Behandlungen, die außerordentlich schmerzhaft seien, über sich ergehen lassen müssen. Diesbezüglich seien weitere Ermittlungen anzustellen. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass bei Verlust der Gebärmutter und/oder Sterilität in jüngeren Lebensalter bei noch bestehenden Kinderwunsch ein GdB von 20 und bei Verlust oder Ausfall beider Eierstöcke in jüngeren Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch und unzureichender Ausgleichbarkeit des Hormonhaushalts ein GdB von 20 bis 30 vorgesehenen sei. Das Funktionssystem Geschlechtsapparat sei bei ihr auch in körperlicher Hinsicht beeinträchtigt. Durch die durchgeführte Operation habe eine Herstellung der inneren zur Fortpflanzung notwendiger Organe nicht bewerkstelligt werden können. Aus diesem Grunde sei die Analogie zu den vorbezeichneten Funktionseinschränkungen zu ziehen. Die Sichtweise des SG würdige die Situation transsexueller Menschen in keiner Weise.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 10. Juli 2009 sowie die Bescheide des Beklagten vom 8. Oktober 2007 und 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2008 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 29. Juli 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit mindestens 60 seit 7. August 2007 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG unter Bezug auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 01.04.2008, 13.03.2008 und 02.03.2009 für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Bei Transsexualität richte sich der Grad der Behinderung nach dem organischen Ergebnis der geschlechtsumwandelnden Operation sowie den hiermit verbundenen psychischen Auswirkungen, dem mit einem Teil-GdB mit 40 und unter Einschluss der Migräne mit einem Gesamt-GdB von 50 in vollem Umfang Rechnung getragen worden sei.

Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung am 02.07.2010 erörtert worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nicht begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Feststellung des GdB von über 50 für die Zeit ab 07.08.2007 zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind (seit 01.07.2001) die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Hiervon ausgehend hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung des GdB von über 50, wie das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend und ausführlich begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung mit dem SG zu dem Ergebnis, dass die seelische Störung und Depression mit einem GdB von 40 zu bewerten ist, die Transsexualität nach Durchführung einer geschlechtsangleichenden Operation für sich genommen keine eigenständige Funktionseinschränkung mit Auswirkungen auf den GdB darstellt und dass auch der körperliche Zustand der Klägerin dem Verlust oder Ausfall beider Eierstöcke und der Gebärmutter nicht gleichgestellt werden kann, die körperlichen Auswirkungen der geschlechtsangleichenden Operation zu keiner Erhöhung des Teil-GdB führen, dass der Teil-GdB mit 20 für die Migräne der Klägerin zutreffend und dass bei der Klägerin der Gesamt-GdB mit 50 angemessen bewertet ist. Der Senat macht sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll zu eigen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen bleibt auszuführen:

Gegen die Bewertung des GdB für die seelischen Störungen mit 40 sowie die Migräne mit 20 hat die Klägerin im Berufungsverfahren keine Einwendungen mehr erhoben. Auch der Senat sieht aus den vom SG dargestellten Gründen keinen Anlass, von diesen Bewertungen abzuweichen.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die körperliche Seite ihrer Transsexualität bei der Feststellung des GdB - in Analogie zum Verlust der Gebärmutter und/oder Sterilität in jüngeren Lebensalter bzw. zum Verlust oder Ausfall beider Eierstöcke in jüngeren Lebensalter bei jeweils noch bestehenden Kinderwunsch und unzureichender Ausgleichbarkeit des Hormonhaushalts - mit einem Teil-GdB von 20 bis 30 zu berücksichtigen sei, worauf sie zur Begründung ihrer Berufung maßgeblich abstellt. Dies hat das SG bereits mit zutreffender Begründung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids ausgeführt. Maßgeblich ist, dass die medizinisch erfolgreich und komplikationslos durchgeführte geschlechtsangleichende Operation bei der Klägerin keine Gesundheitseinschränkung hinterlassen hat, die bei der Bildung des Gesamt-GdB erhöhend zu berücksichtigen wäre. Dr. Sp. hat vielmehr in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 25.09.2008 bei der Klägerin einen unauffälligen entsprechenden gynäkologischen Befund bestätigt; medizinisch ungeplante, vom angestrebten Operationsziel abweichende Folgen sind nicht aufgetreten. Es wurde auch keine bereits vor der Operation bestehende Behinderung (z.B. Zeugungsunfähigkeit) in die neue Geschlechtsidentität mittransformiert. Soweit Miktionsschwierigkeiten aufgrund der geschlechtsangleichenden Operation diagnostiziert wurden, rechtfertigen diese Schwierigkeiten nach den VG (Teil B Nr. 12.2) allenfalls einen Teil-GdB von 10, der bei der Bildung des Gesamt-GdB nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht erhöhend zu berücksichtigen ist. Dass bei der Klägerin Miktionsschwierigkeiten stärkeren Grades (z.B. Notwendigkeit manueller Entleerung, Anwendung eines Blasenschrittmachers, erhebliche Restharnbildung, schmerzhaftes Harnlassen) vorliegen, die nach den VG (a.a.O.) einen Teil-GdB von 20 bis 40 bedingen, ist der Stellungnahme von Dr. Sp. vom 25.09.2008 nicht zu entnehmen und wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.

Dass die geschlechtsangleichende Operation den körperlich anatomischen Zustand einer Frau nicht erreicht, stellt für sich keine Behinderung dar, die bei der Bildung des GdB zu berücksichtigen wäre. Dies ist in den VG nicht vorgesehen, denn Teil B Nr. 14.3 erfasst nur "Unterentwicklung, Verlust oder Ausfall" natürlich gegebener Eierstöcke. Auch für eine analoge Anwendung der VG, wie sie die Klägerin geltend macht, besteht kein Anlass. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf Artikel 3 GG berufen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet nicht, die aufgrund falscher Geschlechtsidentität nach der medizinisch gebotenen Therapiemaßnahme erfolgreich erreichte körperliche Verfassung rechtlich wie den körperlichen Behinderungszustand zu behandeln, der bei normalbedingter Geschlechtsentwicklung eine GdB-Einstufung erlaubt. Bei der Klägerin bestehen daher natürliche anatomische Unterschiede zu einer Frau, die es im Schwerbehindertenrecht rechtfertigen, zu differenzieren. Dass durch die geschlechtsangleichende Operation eine Herstellung der inneren zur Fortpflanzung notwendiger Organe einer Frau nicht bewerkstelligt werden kann, ist deswegen nach dem Gesetzeszweck nicht als Funktionsbeeinträchtigung im Sinne der VG zu werten. Zudem ist fraglich, ob dem Transsexuellengesetz (BGBl I, 1980, 1654ff), das die Personenstandsänderungen nach Geschlechtsumwandlung regelt, als gesetzliche Intention unterstellt werden kann, mit der gesetzlich statuierten Voraussetzung einer operativen Geschlechtsumwandlung die Versetzung eines Menschen aus seiner körperlich unbehinderten Verfassung immer und zwingend in einen körperlich behinderten Menschen anderen Geschlechts zu fördern.

Doch selbst wenn in analoger Anwendung der Verordnung von einem Teil-GdB 20 wegen des Verlusts der Eierstöcke und wegen Sterilität auszugehen wäre, würde vorliegend deswegen eine Erhöhung des Gesamt-GdB nicht in Betracht kommen. Grundsätzlich ist Sterilität mit einem Teil-GdB 0, bei noch bestehendem Kinderwunsch mit einem Teil-GdB 20 (vgl. VG Teil B Nr. 14.2) und der Verlust beider Eierstöcke mit einem Teil-GdB 10 und erst bei Verlust im jüngeren Lebensalter bei bestehendem Kinderwunsch bzw. unzureichender Ausgleichbarkeit hormoneller Auswirkungen mit einem Teil-GdB 20 bis 30 zu bewerten (VG Teil B Nr. 14.3). Diese den Teil-GdB 10 erhöhende Beeinträchtigung der Lebens-/Familienplanung hat sich bereits weitgehend im Teil-GdB 40 für die anerkannte Behinderung seelische Störung, Depression niedergeschlagen, womit der Bewertungsrahmen nach den VG nach Teil B Nr. 3.7 (Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen) für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit völlig ausgeschöpft worden ist.

Die Berufung der Klägerin war danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.