Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 9 R 1721/14 - Beschluss vom 13.08.2014
Es gehört zu den Aufgaben der Dritten Gewalt, das Recht fortzuentwickeln. Dieser Befugnis sind jedoch mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art 20 Abs. 3 GG) Grenzen gesetzt. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein .
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsfähigkeit ab November 2010.
Die 1954 geborene Klägerin ist kroatische Staatsangehörige und am 15.08.1973 aus Kroatien nach Deutschland zugezogen. Sie ist Mutter zweier Kinder (geboren am 22.12.1974 und 07.05.1977), hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis Oktober 2004 als Küchenhilfe beschäftigt; nach dem Kontospiegel der Beklagten liegen Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung zuletzt für die Zeit vom 09.10.1990 bis 19.10.1994 vor. Das Arbeitsverhältnis endete nach eigenen Angaben der Klägerin durch Kündigung des Arbeitgebers, nachdem sie schon zuvor vier Jahre lang krank geschrieben gewesen sei. Nach Verlust dieses Arbeitsplatzes war die Klägerin nicht mehr erwerbstätig. Seit dem 09.03.2006 bezieht sie durchgängig Arbeitslosengeld II (Alg II).
Am 03.01.2007 beantragte die Klägerin (erneut) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und machte geltend, seit 1993 wegen Wirbelsäulenschäden, Herz-, Kreislaufproblemen, Bluthochdruck, Arthrose in den Händen und Knien, einer kranken linken Niere, einer Schwerhörigkeit rechts und eines Tinnitus links erwerbsgemindert zu sein. Hierzu legte sie u. a. den Bescheid des Versorgungsamtes Freiburg vom 13.01.1994 vor, wonach ein Grad der Behinderung von 30 seit 22.11.1993 wegen eines chronischen Nervenwurzelreizsyndroms am linken Bein bei einem Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule festgestellt worden war.
In einem vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) geführten Klageverfahren (S 2 J 1895/95) hatte sich die Klägerin zuvor bereits mit Klage vom 04.09.1995 gegen eine Entscheidung der Beklagten gewandt, mit der diese ihren Antrag vom 20.10.1994 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit abgelehnt hatte (Bescheid vom 28.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.1995 - die Akten der Beklagten sind bereits vernichtet). In der Akte des SG (S 2 J 1895/95) liegt der ärztliche Entlassungsbericht über eine Rehabilitationsmaßnahme in den S.-Kliniken Bad W. (stationärer Aufenthalt vom 06.09.1994 bis 19.10.1994) mit den Diagnosen: persistierendes Wurzelreizsyndrom S1 links bei sequestriertem Prolaps L5/S1 mit Wurzelkompression S1, Insuffizienz der rumpfstabilisierenden Muskulatur, Bursitis subarchillea rechts mit einer Leistungseinschränkung für leichte Arbeiten im Wechselrhythmus auf unter zwei Stunden täglich vor. Das SG hatte in diesem Verfahren zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Radiologe Dr. F. hatte unter dem 31.08.1994 über ein Computertomogramm der unteren LWS-Bandscheiben berichtet, welches neben einem engen Spinalkanal keinen sicheren Bandscheibenvorfall mehr gezeigt habe, weshalb er von einer Befundbesserung gegenüber den Voraufnahmen ausgegangen war. Der Orthopäde Dr. K. hatte ausgeführt, die Klägerin bis 28.06.1995 behandelt zu haben. Nach dem Heilverfahren in Bad W. habe sich keine Beschwerdelinderung eingestellt. Eine geplante fachneurologische Kontrolluntersuchung habe die Klägerin nicht wahrgenommen. Der Orthopäde Dr. Dr. S. hatte in seinen Berichten starke Lendenwirbelsäulenbeschwerden und zusätzliche Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule sowie vom linken Handgelenk her beschrieben. Die Extremitäten seien frei gewesen, es seien Druck- und Klopfschmerzen lumbosacral, ein sensibles Defizit im Dermatom S1, ein unauffälliges Gangbild, im Liegen aber eine spastische Spitz- und Hohlfußstellung links, welche passiv auch unter stärkster Kraftanwendung nicht korrigiert werden konnte, festzustellen gewesen. Paresen seien nicht aufgetreten. Er habe ergänzende Untersuchungen beim Neurologen und Psychiater Dr. S. veranlasst. In dessen sachverständiger Zeugenaussage vom 08.02.1996 hatte er der Beurteilung der Leistungsfähigkeit in einem von der Beklagten eingeholten orthopädischen Gutachten zugestimmt, der Klägerin könnten noch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zugemutet werden. Der Arzt für Innere Medizin Dr. H. hatte unter dem 15.12.1995 über eine Lumboischialgie links mit Fußheberschwäche und Sensibilitätsstörungen sowie einem Ekzem der Hände bei Allergie berichtet. Er stimmte in Kenntnis des CT-Befundes und der Untersuchungsergebnisse von Dr. Dr. S. und Dr. S. mit dem von der Beklagten erhobenen Gutachten überein, ebenso mit dessen Schlussfolgerungen. Der Neurologe und Psychiater Dr. W. hatte über Schmerzen mit Ausstrahlung von der Lendenwirbelsäule bis zur linken Ferse, welche beim Gehen und jeder Bewegung zunähmen und in letzter Zeit auch zeitweise in das rechte Bein ausstrahlten, sowie über ein Taubheitsgefühl im Bereich der linken Kniekehle und der Fersen, ohne Paresen und ohne Blasen- oder Mastdarmfunktionsstörungen berichtet. Auch er stimmte den Schlussfolgerungen in dem ihm vorgelegten Gutachten der Beklagten zu.
In dem daraufhin vom SG in Auftrag gegebenen Gutachten bei Dr. G. von K. stellte dieser zusammen mit Dr. H.-R. ein persistierendes Lumboischialgiesyndrom, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine psychogene Dystonie im Bereich der linken Wade und des Fußes fest. Es handele sich bei der somatoformen Schmerzstörung um eine seelische Störung, die auch bei aller zumutbarer Willensanstrengung nicht aus eigener Kraft überwunden werden könne. Der Klägerin sei eine Erwerbstätigkeit nicht möglich. Es könne ein Behandlungsversuch mittels eines Antidepressivums vorgeschlagen werden. Damit könne eine gewisse psychische Auflockerung erreicht werden, die es ermögliche, dann psychotherapeutisch zu arbeiten. Dieser Einschätzung war der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Schwalbach in einer von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme entgegen getreten. Er hatte darauf hingewiesen, dass die Klägerin im erhobenen Untersuchungsbefund so beschrieben worden sei, dass bei Ablenkung und in vermeintlich unbeobachteten Momenten andere, nämlich ganz normale Befunde zu erheben gewesen waren, als bei der gezielten Überprüfung der Funktionen. Dieses Phänomen sei aber ein willensnahes Phänomen, denn gerade bei einer konversionsneurotischen Störung könnten durch Ablenkung keine anderen Befunde erreicht werden, auch in unbeobachteten Momenten bewegten sich diese Erkrankten genauso, wie bei einer gezielten Untersuchung. Deshalb sei den Gutachtern zu widersprechen, wenn sie hier die Störung mit Willensanstrengung als nicht zu beeinflussen bewertet hätten. Auch die Äußerung zum Leistungsvermögen sei nicht realistisch. Ein aufgehobenes Leistungsvermögen wäre nur bei einer schwersten und generalisierten Schmerzsymptomatik vorstellbar, nicht jedoch bei einer, wie von den Gutachtern eingeordnet, mittelschweren Schmerzstörung. Seines Erachtens habe das vorgelegte Gutachten keinesfalls bewiesen, dass ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen vorliege. Das SG hatte hierauf erneut Dr. Dr. S. als sachverständigen Zeugen gehört, der mitteilte, dass eine Änderung bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit seit 1995 nicht eingetreten sei. Außerdem hatte es die Fachärztin für Hautkrankheiten Dr. K. und den Dermatologen Dr. S. als sachverständige Zeugen gehört. Beide berichteten über eine Ekzemkrankheit der Hände, welche nach Auffassung der Dr. K. zu keiner Einschränkung der Leistungsfähigkeit geführt habe. Die Beteiligten hatten sich daraufhin in einem Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.07.1997 dahingehend vergleichsweise geeinigt, dass die Beklagte sich bereit erklärt hatte, die Bewilligung einer stationären Heilmaßnahme mit Schwerpunkt Psychosomatik/Psychiatrie und orthopädische Mitbehandlung zu prüfen und hierüber durch rechtsmittelfähigen Bescheid zu entscheiden. Vom 14.11.1997 bis 12.12.1997 wurde die Klägerin daraufhin stationär in der Z. Klinik St. B. behandelt. Die Klägerin wurde aus der stationären Rehabilitationsmaßnahme als erwerbsfähig für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden und mehr entlassen.
Auf den am 03.01.2007 gestellten Antrag zog die Beklagte das für die Agentur für Arbeit Freiburg erstellte Gutachten des Dr. H. vom 15.08.2006 bei. In diesem Gutachten, das zusammen mit Befundberichten des Hausarztes und Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. N. und des Orthopäden Dr. Dr. S. vorgelegt wurde, wurde wegen eines Übergewichtes, Fehlhaltung der Wirbelsäule mit Verschleißerscheinungen und Funktionseinschränkungen, Verschleißerscheinungen im Bereich der Langfingerendgelenke 3 und 4 beidseits mit Kraftminderung, einer chronifizierten Somatisierungsstörung mit ausreichender Belastbarkeit und anamnestisch bekanntem Bluthochdruck im oberen Normbereich sowie einer Allergie auf Phenylendiamin und Nickel (II)-Sulfat ein vollschichtiges Leistungsvermögen in Tagesschicht für leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten in gehender, sitzender, zeitweise stehender Arbeitshaltung ohne Zeitdruck, Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen sowie ohne Hitzearbeiten und Arbeiten unter erhöhter Verletzungsgefahr und häufigem Bücken beschrieben.
Mit Bescheid vom 25.01.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Den hiergegen erhobenen, nicht weiter begründeten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2007 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt seien. Der Leistungsfall der Erwerbsminderung hätte spätestens am 30.11.1996 eingetreten sein müssen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21.08.2007 Klage zum SG. Das SG zog die Akten des Vorverfahrens (S 2 J 1895/95) bei und befragte die behandelnden Ärzte, den Orthopäden Dr. Dr. S. (die Klägerin klage seit 30.05.1995 über therapieresistente Beschwerden vonseiten des gesamten Bewegungsapparates, der gesamten Wirbelsäule, der Schultern, Hände, Knie, Hüften. Die Beschwerden wechselten, tauchten aber immer in regelmäßigen Abständen an den gleichen Stellen wieder auf. Sämtliche therapeutische Maßnahmen brächten jeweils nur kurzfristige Linderung oder auch gar keine Linderung. Es bestehe ein chronifiziertes, mit Sicherheit erhebliches psychisch beeinflusstes Schmerzsyndrom, aus orthopädischer Sicht könne eine leichte körperliche Erwerbstätigkeit von sechs Stunden pro Tag regelmäßig ausgeübt werden), den Hautarzt Dr. S. vom 18.12.2007 (der Schwerpunkt der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit liege höchstwahrscheinlich in dem bestehenden rezidivierenden Ekzem der Axillen, welches er schon vor 2006 über längere Zeit immer wieder habe behandeln müssen. Weiterhin habe früher ein chronisch-rezidivierendes Handekzem bestanden), den Kardiologen Dr. H.-W. (seit 2003 erhöhter Blutdruck, retrosternales Druckgefühl, Belastungsdyspnoe seit 2006), die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. R. (Behandlung von Ohrgeräuschen und Ohrenschmerzen linksseitig seit 26.04.2004) sowie den behandelnden Hausarzt Dr. N. (Behandlung seit Januar 2006, wobei die Schwerpunkte der Leistungsbeeinträchtigungen im orthopädischen und im kardiologischen Bereich gesehen wurden, neben Beschwerden im Bereich der Lenden- und Brustwirbelsäule sowie im Bereich der Halswirbelsäule mit chronisch muskulären Verspannungen bestehe ein schwerer essentieller Hypertonus, der trotz Ausschöpfung der medikamentösen Behandlung immer noch nicht befriedigend eingestellt sei. Darüber hinaus liege eine depressive Entwicklung vor, weshalb aufgrund der bisherigen Krankheitsgeschichte und im Hinblick auf die Multimorbidität der Patientin davon auszugehen sei, dass diese eine regelmäßige, auch leichte körperliche Erwerbstätigkeit von sechs Stunden pro Tag nicht ausüben könne) als sachverständige Zeugen.
Das SG erhob weiter Beweis durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. Dipl.-Psych. S., F ... Der Sachverständige stellte in seinem Gutachten vom 31.10.2008 auf psychiatrischem Fachgebiet eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom fest. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Klägerin in ihrer Erlebnis- und Genussfähigkeit und bei der Erledigung ihrer alltäglichen Aktivitäten sowie in ihren sozialkommunikativen Fähigkeiten und der Partizipation am öffentlichen Leben stark eingeschränkt sei. Leichte körperliche Tätigkeiten, die keine großen Ansprüche an Ausdauer und Konzentrationsvermögen stellten, seien grundsätzlich bis zu einem Umfang von maximal vier Stunden pro Tag möglich, vermutlich seien aber zunächst entsprechende Wiedereingliederungsmaßnahmen im Sinne eines Arbeitstrainings nötig, um eine halbtägige Leistungsfähigkeit zu erreichen. Es handele sich um ein komplexes Beschwerdebild, welches im Laufe der Jahre seit dem ersten Auftreten etwa 1993 eine deutliche Tendenz zur Chronifizierung gezeigt habe. Die aktuell bestehenden Beschwerden bestünden in diesem Ausmaß bereits seit einigen Jahren, ohne dass es dem Referenten möglich sei, einen genauen Zeitpunkt anzugeben.
Mit Urteil vom 13.07.2009 wies das SG die Klage ab und führte dazu aus, zwar sei die Klägerin teilweise erwerbsgemindert. Einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente habe sie jedoch nicht, weil sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet habe. Das SG schloss sich den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. an, wonach die Klägerin durch die auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen in ihrem Denken und Handeln so eingeengt sei, dass eine Beeinträchtigung von Konzentration, Auffassung, Aufmerksamkeit sowie Zeitgitterstörungen vorlägen und eine deutliche körperliche Erschöpfbarkeit bestehe. In der Folge sei die Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auf täglich unter sechs Stunden abgesunken, aber noch in einem Umfang von mindestens drei Stunden täglich erhalten. Das SG sah es als nicht nachgewiesen an, dass diese Einschränkungen bereits bis spätestens 30.11.1996 vorgelegen haben. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die Erwerbsminderung erst deutlich nach diesem Zeitpunkt eingetreten sei. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 30.09.2010 (L 9 R 4385/09) zurückgewiesen mit der Begründung, der Klägerin stehe die von ihr beanspruchte Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zu, weil nicht nachgewiesen sei, dass die Erwerbsminderung bis zum 30.11.1996 eingetreten war und für einen danach eingetretenen Versicherungsfall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Ein die Erwerbsfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten auf unter sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschränkendes Krankheitsbild sei auch nach Überzeugung des Senats erst mit dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. S. nachgewiesen. Soweit der Sachverständige von einem ersten Auftreten des Beschwerdebildes "etwa 1993" ausgegangen sei, folge hieraus nicht, dass auch seit diesem Zeitpunkt bereits eine Erkrankung vorgelegen habe – und nachgewiesen sei -, die die Erwerbsfähigkeit in einem vergleichbaren Ausmaß eingeschränkt hätte. Vielmehr habe Dr. Streb trotz der ihm zur Verfügung gestellten Befunde einschließlich des 1996 vorgelegten Gutachtens von Dr ...G von K. und Dr. H.-R. keinen genauen Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung angeben können, sondern sei – ausgehend von seiner gutachterlichen Untersuchung im August 2008 - von einem "mehrere Jahre" zurückliegenden Zeitpunkt des Eintritts der rentenrechtlich relevanten Leistungsminderung ausgegangen. Damit sei jedoch ein Leistungsfall im November 1996 – fast 12 Jahre vor dieser Untersuchung – nicht belegt. Zu Recht habe das SG auch entschieden, dass es für einen Leistungsfall nach dem 30.11.1996 an den notwendigerweise zu belegenden drei Jahren mit Pflichtbeiträgen innerhalb von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung fehlte. Diese besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der hier anzuwendenden Fassung seien zuletzt im November 1996 erfüllt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätten noch 36 Pflichtbeiträge innerhalb der letzten fünf Jahre im Versicherungsverlauf der Klägerin vorgelegen. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung dieses Zeitraums zugunsten der Klägerin durch die in § 43 Abs. 4 SGB VI genannten Verlängerungstatbestände lägen ersichtlich nicht vor, weil zwischen dem 19.10.1994 und den durch das Gutachten von Dr. Streb festgestellten Leistungseinschränkungen weder Anrechnungszeiten, noch Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Berücksichtigungszeiten lagen. Im Falle der Klägerin seien auch nicht alternativ die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI erfüllt. Denn in ihrem Versicherungsverlauf seien nicht sämtliche Kalendermonate vom 01.01.1984 an bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit Beitragszeiten oder mit den dort genannten anwartschaftserhaltenden Zeiten belegt. Ab November 1994 seien keine versicherungsrechtlich relevanten Zeiten mehr nachgewiesen. Entscheidend sei auch nicht, dass während des Bezuges von Alg II ab 09.03.2006 Zeiten mit Pflichtbeiträgen vorlägen. Denn gehe man zugunsten der Klägerin vom Eintritt des Leistungsfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung bei Dr. Streb im August 2008 aus, seien noch keine drei Jahre Pflichtbeitragszeiten erreicht.
Am 25.10.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Gegen den ablehnenden Bescheid vom 29.11.2010 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14.12.2010 Widerspruch mit der Begründung, dass im Oktober 2010 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wieder erfüllt seien. Sie sei nunmehr voll erwerbsgemindert, da ihr quantitatives Restleistungsvermögen inzwischen unter drei Stunden täglich liege. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch Dr. C. (Internist bei der ärztlichen Untersuchungsstelle der Beklagten). Dieser kam in seinem Gutachten vom 16.06.2011 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin unter anderem unter einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom leide. Dabei handele es sich im Vergleich zur Begutachtung durch Dr. S. im Jahre 2008 im Prinzip um ein identisches, im Detail der Symptomatik eher noch gravierenderes Beschwerdebild, das chronifiziert und mit einer regelmäßigen Erwerbsarbeit nicht vereinbar sei. Die Klägerin sei mittlerweile unter drei Stunden täglich leistungsfähig für körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Eine Besserungsaussicht ihres Restleistungsvermögens bestehe angesichts des über Jahre zunehmenden Verlaufes nicht. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011 zurück und führte dazu aus, das Restleistungsvermögen der Klägerin betrage zwar spätestens seit August 2008 nur noch zwischen drei bis unter sechs Stunden täglich und spätestens seit dem erneuten Rentenantrag am 25.10.2010 nur noch unter drei Stunden täglich. Da auf Grund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes aber dem Grunde nach bereits seit August 2008 eine volle Erwerbsminderung bestanden habe, zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt waren, bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Rentengewährung. Das SG wies die von der Klägerin dagegen erhobene Klage durch Gerichtsbescheid vom 15.02.2012 (S 22 R 5893/11) wegen Versäumens der Klagefrist als unzulässig ab.
Am 19.03.2012 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag hinsichtlich des ablehnenden Rentenbescheides vom 29.11.2010 und führte dazu aus, es müsse zwischen dem Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI und dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI unterschieden werden, so dass mit Absinken des Restleistungsvermögens der Klägerin von unter sechsstündig auf unter dreistündig von einem neuen Leistungsfall auszugehen sei. Der Rentenanspruch entstehe kraft Gesetzes, wobei die einzelnen Entstehungstatbestände gesondert zu prüfen seien. Die volle Erwerbsminderung der Klägerin im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei erst im Jahre 2010 eingetreten, so dass auf diesen Zeitpunkt bezüglich des Leistungsfalles abzustellen sei. Im Zeitpunkt des Eintritts der teilweisen Erwerbsminderung 2008 habe die Beklagte im Übrigen nicht geprüft, ob der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen gewesen sei.
Mit Bescheid vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.06.2012 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab mit der Begründung, es sei unerheblich, dass die volle Erwerbsminderung im Jahr 2008 wegen des verschlossenen Arbeitsmarktes vorgelegen habe. Da der Eintritt der Leistungsminderung, der zur vollen Erwerbsminderung geführt habe, im Dezember 2008 zu verorten sei, sei die volle Erwerbsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Eine weitere Verschlechterung des Restleistungsvermögens führe zu keinem geänderten Leistungsfall.
Am 16.07.2012 hat die Klägerin die vorliegende Klage zum SG erhoben mit der Begründung, ihr stehe ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2010 zu. Die Beklagte sei medizinisch von einer teilweisen Erwerbsminderung spätestens im August 2008 ausgegangen und unterstelle nur wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ein "Durchschlagen" dieser teilweisen Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien jedoch die Begriffe "Leistungsfall" und "Versicherungsfall" zu unterscheiden, wobei mit dem Begriff "Versicherungsfall" nur Ereignisse im Leben des Versicherten umschrieben würden. Der Eintritt der vollen Erwerbsminderung sei daher im Vergleich zum Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung ein neuer Versicherungsfall, da das Restleistungsvermögen des Versicherten nochmals gesunken sei. Durch die Rechtsprechung des BSG könne sich der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung bei konkreter Betrachtungsweise zwar zu einem Leistungsfall der vollen Erwerbsminderungsrente ausdehnen, hierdurch werde der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung aber gerade nicht zum Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung. Es sei zu beachten, dass das Gesetz ausdrücklich zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung unterscheide. Da somit zwischen den beiden Tatbeständen des § 43 Abs. 1 SGB VI einerseits und des § 43 Abs. 2 SGB VI andererseits zu trennen sei, sei entscheidend, ob materiell-rechtlich die "volle Erwerbsminderung" des § 43 Abs. 2 SGB VI schon im August 2008 eingetreten sei. Da eben dies nicht der Fall gewesen sei, sei auf den Eintritt der vollen Erwerbsminderung im Jahr 2010 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, so dass ein Rentenanspruch ab dem 01.11.2010 bestehe. Im Übrigen könne die sogenannte Arbeitsmarktrente als bloße Fiktion bzw. als Richterrecht wegen des Vorbehalts des Gesetzes nicht zum Ausschluss des gesetzlich vorgesehenen Anspruchs nach § 43 Abs. 2 SGB VI führen.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 13.03.2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 29.11.2010, da ihr kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen (voller) Erwerbsminderung ab dem 01.11.2010 zustehe. Die Klägerin sei spätestens seit August 2008 teilweise erwerbsgemindert, was ebenso unstreitig sei wie der Umstand, dass im August 2008 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt waren. Zur weiteren Begründung werde insoweit auf das überzeugende Gutachten des Diplom-Psychologen Dr. S. vom 31.10.2008 verwiesen. Das Gericht sei darüber hinaus davon überzeugt, dass unter Berücksichtigung dieses Gutachtens die Klägerin nicht den Nachweis erbracht habe, spätestens im November 1996 bereits teilweise erwerbsgemindert gewesen zu sein. Insofern werde auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG vom 13.07.2009 (S 6 R 4471/07) und des Beschlusses des LSG vom 30.09.2010 (L 9 R 4385/09) verwiesen, denen sich das Gericht nach eigener Prüfung anschließe.
Die Klägerin hätte somit ab August 2008 dem Grunde nach wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (sogenannte Arbeitsmarktrente). Entgegen der Auffassung der Klägerin habe das Gericht aber keine Zweifel, dass der Teilzeitarbeitsmarkt für die Klägerin beim Eintritt ihrer gesundheitlich bedingten teilweisen Erwerbsminderung auch tatsächlich verschlossen war. Dem Versicherten sei der Arbeitsmarkt dann verschlossen, wenn ihm weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrages einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten könne (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand März 2013, § 43 SGB VI Rn. 31 m.w.N.). Die Klägerin habe bereits Mitte der 1990er-Jahre erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt. Seit 1994 habe sie keinen Arbeitsplatz mehr inne. Bei Eintritt ihrer gesundheitlich bedingten teilweisen Erwerbsminderung habe die Klägerin mithin über viele Jahre hinweg keinen (Teilzeit-)Arbeitsplatz mehr innegehabt, so dass von einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes auszugehen sei. Überdies sei nach jüngerer Rechtsprechung des BSG zur Feststellung der Erwerbsminderung eines zwischen drei und sechs Stunden einsatzfähigen Versicherten bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis solcher konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich. Bei der sogenannten arbeitsmarktabhängigen Erwerbsminderung werde die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts vielmehr bei jeder quantitativen Leistungseinschränkung berücksichtigt (BSG, Urteil vom 08.09.2005 - B 13 RJ 10/04 R -, Rn. 18 m.w.N). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze könne die Klage unabhängig von der - wohl zu bejahenden - Frage, ob eine weitere Verschlechterung des quantitativen Restleistungsvermögens der Klägerin auf unter drei Stunden täglich nach 2008 eingetreten sei, keinen Erfolg haben. Selbst wenn sich das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin nach August 2008 auf nunmehr unter drei Stunden arbeitstäglich verringert haben sollte und selbst wenn zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nunmehr erfüllt gewesen sein sollten, könne der Klägerin mangels Eintritts eines neuen Leistungsfalles kein Anspruch auf die Gewährung einer (vollen) Erwerbsminderungsrente zukommen. Der Leistungsfall für die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente sei vielmehr bereits spätestens im August 2008 eingetreten.
Gegen das ihr am 01.04.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.04.2014 beim LSG eingelegte Berufung, mit welcher die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und dazu ausgeführt hat, der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung sei bei ihr erst nach dem Gutachten von Dr. C. eingetreten und somit zu einem Zeitpunkt, zu welchem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung erfüllt gewesen seien. Soweit das BSG die gesetzlichen Vorgaben des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI durch das richterliche Institut der Arbeitsmarktrente ergänzt habe, fehle ihm hierfür die legislative Legitimität. Der Gesetzgeber habe das Institut der Arbeitsmarktrente nicht geregelt, obwohl er dies gekonnt hätte, als die Vorschriften der §§ 43 SGB VI im Jahr 2001 neu gefasst wurden. Zwar dürfe zugunsten eines Versicherten vom gesetzlichen Wortlaut abgewichen werden. Bei einem Abweichen zum Nachteil des Betroffenen bedürfe es aber der Rechtfertigung durch parlamentarisches Gesetz.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. März 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2012 zu verpflichten, den Bescheid vom 29. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2011 aufzuheben und ihr ab 1. November 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das LSG hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch Beschluss vom 10.07.2014 abgelehnt.
Unter dem 11.07.2014 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG, die Berufungsakte des Senats einschließlich der Gerichtsakten der früheren Rentenverfahren Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner, a.a.O., Rn. 58 und 30 ff.).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Rente. Der erkennende Senat hat hierzu im Beschluss vom 10.07.2014 Folgendes ausgeführt: "Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat in dem in der Hauptsache angefochtenen Urteil vom 13.03.2014 (S 19 R 3503/12) die rechtlichen Grundlagen der streitigen Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)) zutreffend dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Gewährung im vorliegenden Fall nicht gegeben sind, da die Klägerin im Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) im August 2008 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (drei Jahre Pflichtbeiträge vor Eintritt des Leistungsfalles) nicht erfüllte. Dies entspricht auch der Beurteilung des erkennenden Senats in dem im früheren Rentenverfahren der Klägerin ergangenen Beschluss vom 30.09.2010 (L 9 R 4385/09). Dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung im August 2008 nicht allein auf dem zeitlichen Leistungsvermögen der Klägerin - dieses lag nach dem schlüssigen Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 31.10.2008 zu diesem Zeitpunkt noch zwischen drei und unter sechs Stunden -, sondern zusätzlich auf der Verschlossenheit des Teilzeitmarktes beruhte, vermag daran nichts zu ändern. Insbesondere trat auch zur Überzeugung des erkennenden Senats aus den vom SG ausführlich und überzeugend dargestellten Gründen und der hierzu zitierten ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29.11.1990 - 5/4a RJ 41/87 -; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.06.2010 - L 21 R 1203/07 - (jeweils juris)) der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung nicht nochmals dadurch ein, dass das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin nach dem Gutachten von Dr. Conrad (Internist bei der ärztlichen Untersuchungsstelle der Beklagten) vom 16.06.2011 bei im Wesentlichen unverändertem Beschwerdebild zwischenzeitlich auf unter drei Stunden abgesunken war. Den Ausführungen des SG und der dort zitierten Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat aus eigener Überzeugung an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Das Berufungsvorbringen der Kläger-Seite gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Insbesondere verkennt die Kläger-Seite, dass § 43 SGB VI zwar zwischen der teilweisen Erwerbsminderung nach Abs. 1 und der vollen Erwerbsminderung nach Abs. 2 differenziert. Dies schließt aber nicht aus, dass der Tatbestand der vollen Erwerbsminderung aus Gründen erfüllt wird, die nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Versicherten beruhen, etwa der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (ebenso Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl. 2008, § 43 Rn. 42). Entscheidend ist insoweit allein die eingetretene Folge, die in beiden Fällen in der eingetretenen Erwerbsunfähigkeit besteht (BSG, Urteil vom 29.11.1990, a.a.O., Rn. 28). Hiernach war der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung bei der Klägerin bereits im August 2008 eingetreten und konnte - zumal keine zwischenzeitliche Besserung ihres Gesundheitszustandes erfolgt war - nicht noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt (Juni 2011) durch ein weiteres Absinken des gesundheitlichen Leistungsvermögens auf unter drei Stunden eintreten."
An dieser Einschätzung hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung fest. Hiernach war der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung bei der Klägerin bereits im Jahr 2008 über das richterrechtlich geschaffene Institut der Arbeitsmarktrente eingetreten. Dieser in Rechtsfortbildung der Versicherungsfälle der verminderten Erwerbsfähigkeit durch das BSG entwickelte Anspruch ist nur gegeben, wenn ein Versicherter auf den Teilzeitarbeitsmarkt (wenn er eine solche Stelle - wie hier - nicht inne hat) verwiesen werden müsste (Beschluss des Großen Senats (GS) des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; früher BSGE 43, 75). Die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung wurden mit der Rechtsfigur der Arbeitsmarktrente nicht überschritten.
Es gehört zu den Aufgaben der Dritten Gewalt, das Recht fortzuentwickeln. Dieser Befugnis sind jedoch mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art 20 Abs. 3 GG) Grenzen gesetzt. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BSG, Urteil vom 08.02.2012 - B 5 R 46/11 R - (juris); vgl. BVerfG NJW 2011, 836 Textziff 53 m.w.N.).
Hiervon ausgehend verkennt die Kläger-Seite mit der Rüge, der Rechtsprechung des BSG habe die Legitimation für die Entwicklung des Rechtsinstituts der sog. Arbeitsmarktrente gefehlt, dass der Gesetzgeber ein dieses legalisierendes sowie zugleich begrenzendes Gesetz (vgl. § 102 Abs. 2 SGB VI) geschaffen hat, in welchem er die Auswirkungen dieser Rechtsprechung des GS des BSG in einem Gesetz aufgegriffen und zugleich dadurch begrenzt hat, dass Rechte und Ansprüche, deren Entstehung im vorgenannten Sinn auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängt, also nicht nur auf Krankheit oder Behinderung, d.h. auf dem Gesundheitszustand des Versicherten beruht, grundsätzlich nur zu einer "Rente auf Zeit" (als "EU"-Rente oder "BU"-Rente) führen können (§ 102 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI; BSG, Urteil vom 14.05.1996 - 4 RA 60/94 - SozR 3-2600 § 43 Nr. 13, vgl. zur Entstehungsgeschichte dieser Art der Arbeitsmarktrente auf Zeit BSG SozR 3-2200 § 1276 Nr. 3). Hiervon ausgehend kann kein Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimität des zwischenzeitlich gewohnheitsrechtlichen Instituts der Arbeitsmarktrente bestehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.