Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) erfüllt.

Dem am ..... 1941 geborenen Kläger war durch Bescheid vom 27.12.1999 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) wegen der folgenden Gesundheitsstörungen zuerkannt worden: Funktionsbeeinträchtigung von Herz- und Kreislauf, Bluthochdruck (Einzel-GdB 50), Schlaf-Apnoe-Syndrom (Einzel-GdB 20), Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20) und chronische Bronchitis (Einzel-GdB 20).

Mit seinem im April 2005 beim Beklagten eingegangenem Änderungsantrag begehrte der Kläger die Zuerkennung der Merkzeichen "B" und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) mit der Begründung, dass ihm im Juni 2004 ein Herzschrittmacher mit Defibrilator implantiert worden sei und er sich seitdem, da es hierdurch häufiger zu Elektroschocks gekommen sei, ohne Begleitung nicht mehr aus dem Haus traue. Seinem Antrag fügte er - neben einem älteren Entlassungsbericht des Klinikums L. aus Mai 1999 - einen Befundbericht des Facharztes für Nuklearmedizin, Dr. F. aus September 2001, verschiedene Arztberichte des Universitätsklinikums B. aus Juni und Oktober 2002 sowie September 2004, den Entlassungsbericht des Universitätsklinikums E., in dem die Implantation des Schrittmachersystems beschrieben wird sowie einen Befundbericht des Kardiologen, Dr. C., ebenfalls aus September 2004, bei.

Der Beklagte holte noch einen Befundbericht des Hausarztes des Klägers, Dr. B., ein und stellte daraufhin mit Bescheid vom 02.06.2005 einen GdB von 80 fest. Der Anhebung des GdB lag die Einschätzung des Beklagten zugrunde, dass die Funktionsbeeinträchtigung von Herz und Kreislauf mit Bluthochdruck und Herzrhytmusstörungen nunmehr einen Einzel-GdB von 70 bedinge. Außerdem bestehe bei dem Kläger anstatt der chronischen Bronchitis eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, die mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet werde. Die Zuerkennung der Merkzeichen "B" und "aG" lehnte der Beklagte jedoch ab.

Mit seinem am 16.06.2005 beim Beklagten eingegangenen Widerspruch wehrte sich der Kläger dagegen, dass ihm die beantragten Merkzeichen nicht zuerkannt wurden. Sein Gesundheitszustand habe sich trotz Implantation des Schrittmachers mit Defibrilator verschlechtert. Er habe bereits bei kleinsten Strecken oder beim Treppensteigen Schweißausbrüche und Kreislaufprobleme.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2005 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 26.07.2005 erhobene Klage, mit der der Kläger zuletzt nur noch die Zuerkennung des Merkzeichens "B" begehrt hat. Er benutze ohne Begleitung keine öffentlichen Verkehrsmittel, aus Angst vor einem neuen Elektroschock. Die Therapiegruppe, in der er sich insofern befinde ("Defi-Gruppe"), sei in E. Auf Dauer könne er die Fahrtkosten dorthin für eine Begleitperson nicht tragen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 02.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2005 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "B" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist bei seiner im Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung geblieben, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "B" beim Kläger nicht vorliegen.

Das Gericht hat über den Gesundheitszustand des Klägers sowie die daraus resultierenden Behinderungen Beweis erhoben und zunächst Befundberichte von Dr. C., Dr. B. sowie des Internisten, Dr. T., eingeholt. Dr. B. befürwortete in seinem Befundbericht die Zuerkennung des Merkzeichens "B" mit der Begründung, dass der Kläger bereits mehrfach kollabiert sei. In einem später vom Kläger überreichten Befundbericht äußerte sich Dr. B. dahingehend, dass der Kläger ständig, auch zu geringsten Besorgungen, nur in Begleitung unterwegs sei. Der Kläger selbst überreichte noch ein Attest des Universitätsklinikums E. von Januar 2006, nach dem eine Begleitperson für den Kläger deshalb befürwortet werde, damit er an der der Schrittmacher- und ICD-Ambulanz angebundenen "Defi-Gruppe" der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie teilnehmen könne. Das Gericht hat sodann den Internisten und Kardiologen, Dr. C., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Gutachter ist in seinem am 29.05.2006 erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger Funktionsbeeinträchtigungen von Herz und Kreislauf, Bluthochdruck und Herzrhytmusstörungen (Einzel-GdB von 70), eine Angststörung (Einzel-GdB 40), ein Schlaf-Apnoe-Syndrom (Einzel-GdB 20), eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (Einzel-GdB 30) und ein Diabetes mellitus (Einzel-GdB 10) bestünden. Der Gesamt-GdB sei mit 80 zu bewerten. Der Kläger sei in der Lage, das Ein- und Aussteigen und die Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln ohne fremde Hilfe zu bewältigen, so dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen "B" nicht vorlägen, ebensowenig wie die des Merkzeichens "aG", da der Kläger in der Lage sei, ohne orthopädische Hilfsmittel noch (langsam) 500 bis 1000 Meter zurückzulegen.

Der Kläger ist dem Gutachten insofern entgegen getreten, als bei ihm eine Angststörung solchen Ausmaßes bestünde, die ihn nicht in die Lage versetze, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Begleitperson zu bewältigen. Mit seiner Stellungnahme hat der Kläger noch ein (aktuelles) ärztliches Attest des Universitätsklinikums E. beigefügt, wonach die Teilnahme an der "Defi-Gruppe" für therapeutisch sinnvoll erachtet und ausgeführt wurde, dass ein solches Therapieangebot in unmittelbarer Wohnortnähe des Klägers nicht bestehe. Außerdem hat der Kläger noch einen älteren Befundbericht von Dr. C. aus Oktober 2004 und den vorläufigen Entlassungsbericht des St. F.-Krankenhauses H. über einen stationären Aufenthalt im August 2006 überreicht.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das vorstehend genannte Gutachten verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die übrige Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung des Beklagten nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "B".

Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen wird auf Antrag des behinderten Menschen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IX -) von den Versorgungsbehörden vorgenommen (§ 69 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 SGB IX).

Für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX ist in Verbindung mit § 146 Abs. 2 SGB IX die Notwendigkeit ständiger Begleitung zu beurteilen. Ständige Begleitung ist bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" oder "H" (Hilflosigkeit) vorliegen) notwendig, die infolge ihrer Behinderungen zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dementsprechend ist zu beachten, ob bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels notwendig ist oder bereit sein muss oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen erforderlich sind.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass bei dem Kläger keine fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt erforderlich ist, um Gefahren für sich oder andere zu vermeiden. Der Kläger räumt selber ein, dass er keine solche Hilfe beim Ein- oder Aussteigen oder während der Fahrt an sich benötigt. Er begehrt die Zuerkennung des Merkzeichens "B", weil er ohne Begleitung Angst hat, das Haus zu verlassen. Insofern betrifft die Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln nur einen Teilbereich seines Lebens. Er bewegt sich - aus psychischen Gründen - ohne Begleitperson nicht mehr im öffentlichen Leben. Die Zuerkennung des Merkzeichens "B" ist für solche Fälle jedoch nicht vorgesehen. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 146 Abs. 2 SGB IX, sondern auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift. "B" erhalten kann nämlich nur ein Schwerbehinderter, dem gleichzeitig das Merkzeichen "H" oder "G" zusteht. Hieraus lässt sich ableiten, dass es für die Zuerkennung des Merkzeichen "B" auf die Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit ankommt. Psychische Störungen, die eine Begleitperson erforderlich machen, sind also nicht gemeint. Das verkennt sowohl Dr. B. als auch das Universitätsklinikum E. in den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen. Der Kläger ist zwar im Besitz des Merkzeichens "G", allerdings wegen seiner internistischen Leiden, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken. Diese Leiden erfordern aber nicht die ständige Begleitung in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.