Sozialgericht Duisburg - S 23 VG 224/99 - Urteil vom 08.05.2002
Ein Anspruch nach dem OEG setzt einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff voraus. Dieser ist auch bei länger zurückliegenden Taten festzustellen, wenn es sich nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um ein einmaliges gravierendes Ereignis - hier Schütteln eines Babys -, das unter diese Voraussetzungen zu subsumieren ist, gehandelt haben muss.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Gewaltopferentschädigung.
Die ... 1994 geborene Klägerin erlitt als gut 3 Monate altes Baby Verletzungen, die in der Nacht vom 15./16.11.1994 im Universitätsklinikum E. erstmals diagnostiziert wurden. Es handelte sich um einen Zustand nach Streckkrämpfen bei Zustand nach Schütteltrauma (Battered child) mit Rotaenteritis. In dem Bericht des Universitätsklinikums E. vom 28.12.19xx (Bl. 12 ff OEG-Akten) auf den verwiesen wird, wurden im Rahmen der Sonographie ein 0,7 bis 3 cm großer Subduralerguß links sowie bei späteren Untersuchungen geringe Blutansammlungen subarachnoidal im Interhemishärenspalt sowie Subdural- und Arachnoidalblutung links frontal festgestellt. Das Schädel-CT zeigte ein Subduarlhämatom links frontal sowie geringe subarachnoidale Blutungen, im weiteren Verlauf beidseits nachweisbare Subduralergüsse. Die Untersuchung vom 01.12.1994 wies ausgedehnte hypodense Läsionen im Sinne ischämischer Insulte nach. Bei den Augenuntersuchungen wurden im FUndus beidseits retrohyaloidiale und intraretinale Blutungen festgestellt. Nach dem rechtsmedizinischen Konsil wurde angegeben, das gesamte Verletzungsmuster sei wahrscheinlich im Rahmen eines Schütteltraumas entstanden.
Die Klägerin, vertreten durch ihre alleinerziehende Mutter, beantragte am 20.09.1996 Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Zum Tathergang teilte sie mit, dass dieser noch unaufgeklärt sei. Der Täter, M. H., ihr damaliger Lebensgefährte, habe auf die Klägerin an jenem Abend aufgepaßt. Zur Ermittlung des Tatherganges sei bei der Staatsanwaltschaft E. am 13.09.1996 Strafantrag gestellt worden.
Der Beklagte zog einen Bericht des behandelnden Kinderarztes Dr. K. vom 28.02.1997 nebst zahlreichen Anlagen bei, in dem dieser folgende Diagnosen mitteilte: Zustand nach Kindesmißhandlung mit Hirnblutungen, Netzhautblutungen und Krampfanfällen; schwere allgemeine Entwicklungsverzögerung mit Kontaktstörung, Wahrnehmungsstörungen und beg. Autoaggressivität, Microcephalus; Abducensparese links. Außerdem wertete der Beklagte die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten 55 Js 1577/96 aus. Das Ermittlungsverfahren wurde mit Bescheid vom 20.02.1997 von der Staatsanwaltschaft E. eingestellt, weil eine Verursachung der Verletzungen durch den Beschuldigten M. H. nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne.
Mit Bescheid vom 15.04.1997 lehnte der Beklagte den OEG-Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, nach dem Ergebnis der Sachaufklärung liege ein schädigender Tatbestand im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht vor, weil der Geschehensablauf ungeklärt geblieben sei.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin ab 16.05.1997 Widerspruch und verwies auf den Bericht des Universitätsklinikums vom 28.12.1994. Danach sei ein Schütteltrauma nachgewiesen. Ein solches könne nur Folge einer Gewalttat sein, und als Täter komme ausschließlich M. H. in Betracht.
Parallel zum Widerspruchsverfahren bei dem Beklagten war ein Zivilverfahren der Klägerin beim Landgericht E. wegen Schadenersatz und Schmerzensgeld unter dem Aktenzeichen 12 O 321/97 anhängig, die Klage wurde durch Urteil vom 01.12.1998 abgewiesen, nachdem zuvor ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. Sch., ehemaliger Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums H.- E., vom 04.12.1997 eingeholt woden war. Auf dieses Gutachten (Bl. 112 ff OEG Akten) wird verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.1999 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus, ein Anspruch der Klägerin nach dem OEG bestehe nicht, weil eine Gewalttat im Sinne des Gesetzes nicht nachgewiesen sei. Die Täterschaft des M. H. sei weder im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren noch im Zivilverfahren vor dem Landgericht E. bestätigt worden.
Am 01.10.1999 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, die Einstellung des Ermittlungsverfahrens und die Abweisung der Zivilklage gegen M. H. stünden einem OEG-Anspruch nicht entgegen. Zweifelsfrei liege ein Schütteltrauma vor, das zu einer so schweren Schädigung geführt habe, die nur durch massive Gewalteinwirkung möglich sei. Seit dem Abend des 15./16.11.19xx leide die Klägerin an einer schweren zentralen Koordinationsstörung und weiteren erheblichen Beeinträchtigungen. Am Abend des 15.11.19xx habe sich M. H. bereit erklärt, auf die Klägerin aufzupassen, da die Mutter erstmals nach der Schwangerschaft eine Betriebsfeier besuchen wollte. Als sie gegen 2 Uhr nach Hause gekommen sei, habe sie die Wohnung leer vorgefunden. Sie sei schließlich von der Schwester von Herrn H. telefonisch darüber informiert worden, daß er sich mit dem Kind im Universitätsklinikum E. befinde, wo die Klägerin auf der Kinderintensivstation behandelt werde. Das dort festgestellte Schütteltrauma könne ihr nur von dem Täter M. H. beigebracht worden sein.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1999 zu verurteilen, den bei der Klägerin vorliegenden Hirnschaden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung nach Schütteltrauma als Gewalttat nach dem Opferentschädigungsgesetz anzuerkennen und Versorgung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide und verweist auf seine dortigen Ausführungen, die er weiter vertieft.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes hat das Gericht Beweis erhoben und ein Gutachten nach Aktenlage nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von Dr. H., Facharzt für Kinderheilkunde, Neonatologie, Oberarzt der Kinderklinik und Leiter der kinderärztlichen Beratungsstelle bei Mißhandlung und bei Mißbrauch der Klinikums K. vom 31.07.2001 eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten sowie die ergänzende Stellungnahme von Dr. H. vom 05.02.2002 (Bl. 110 ff und Bl. 160 ff der Prozeßakten) Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozeßakten, der beigezogenen OEG-Akten und SchwbG-Akten des Beklagten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft E. 55 Js 1577/96 und die Akten des Landgerichts E. 12 O 321/97 verwiesen. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn sie sind rechtswidrig. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewaltopferentschädigung.
Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält derjenige wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag von Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, der im Geltungsbereich des OEG in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Wie unstreitig ist, hat die Klägerin einen Hirnschaden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung erlitten; diesen hat der Beklagte im Schwerbehindertenverfahren mit Bescheid vom 01.10.1996 - unter geänderter Leidensbezeichnung - als Behinderung anerkannt und mit einem Grad der Behinderung von 80 bewertet.
Das Gericht ist überzeugt davon, daß dieser Hirnschaden Folge eines Schütteltraumas ist, das die Klägerin in der Nacht vom 15.11.1994 auf den 16.11.1994 erlitten hat. Nach dem Bericht des Universitätsklinikums E. vom 28.12.1994 wurde dort in der Nacht Streckkrämpfe sowie ein 0,7 bis 3 cm großer Subduralerguß links und später auch subarachnoidale Blutungen sowie im Fundus der Augen beidseits retrohyaloiddddale unter intraretinale Blutungen festgestellt. Bereits im Bericht des Universitätsklinikums E. wird ein Zustand nach Schütteltrauma (Battered child) angegeben.
Das Gericht hat nach dem Ergebnis der in sozialgerichtlichen Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme keine Zweifel daran, daß die schwere gesundheitliche Schädigung, die die Klägerin erlitten hat, Folge einer Gewalttat ist. Die im Universitätsklinikum E. festgestellten subduralen Hämatome und retinalen Blutungen können nur Folge schwerster Gewalteinwirkung sein, andere denkbare Ursachen sind auszuschließen.
Diese Überzeugung hat das Gericht gewonnen durch das Sachverständigengutachten von Dr. H. vom 31.07.2001, der sorgfältig und dezidiert zunächst dargestellt hat, daß sich die in den Berichten der Universitätsklinik E. und des Kinderarztes Dr. K. beschriebenen Befunde und Symptome nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Literatur und seiner mehr als 12-jährigen kinderärztlichen Erfahrung bei Kindesmißhandlungen und Kinderunfällen nicht anders als plausibel erklären lassen als durch schwere äußere Gewalteinwirkung auf das Gehirn des Kindes. Die Kombination aus den beschriebenen Hirnblutungen (subduralen Hämatomen) und schweren Blutungen der Netzhaut (retinalen Blutungen) in Verbindung mit den für das Kind schwerwiegenden neurologischen Folgeerscheinungen sind typisch und definierend für das "Shaken Baby Syndrom" (Schüttelsyndrom des Säuglings). Dieses entsteht durch massivstes, heftiges, gewaltsames Hin- und Herschütteln des Kindes, wobei die Hirnschädigungdadurch entsteht, daß der im Verhaltnis zum Erwachsenen relativ große Kopf des Säuglings hin und her schwingt und dadurch das Gehirn jeweils mehrfach an die Knochenschale des Schädels anprallt. Das Vor- und Zurückpendeln des Kopfes führt zu unterschiedlicher Beschleunigung von Hirngewebe und Schädelknochen und damit zu einer Abscherung des Gehirns gegenüber der am Knochen haftenden harten Hirnhaut. Dies führt zu einem Einriß dazwischen senkrecht nach oben verlaufender Blutgefäße und erklärt die Unterblutungen der harten Hirnhaut (subdurale Blutungen). Besunders bedrohlich und ausschlaggebend für die Schwere der Hirnschädigung ist das unkontrollierte Umherschwingen des Kopfes, das neben den Akzelerations- und Dezelerazionskräften zu ausgeprägten Rotationskräften führt. Diese addieren und potenzieren sich überproportional zu den linearen Scherkräften, die nicht nur zwischen Gehirn und Schädelknochen, sondern auch zwischen den verschiedenen, unterschiedlich dichten und unterschiedlich schweren Hirnschichten einwirken. Dadurch reißen auch unzählige, winzige Nervenverbindungen innerhalb des Hirngewerbes (diffuses akzonales Trauma oder diffuse Hirngewebeschädigung).
Wie Dr. H. sowohl in seinem Gutachten vom 31.07.2001 als auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.02.2002 im Einzelnen dargelegt hat, sind die bei der Klägerin festgestellten Gesundheitsschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit allein Folge des Schütteltraumas, das per definitionem zwangsläufig Folge einer feinseligen, rechtswidrigen, tatsächlichen Einwirkung ist. Dieser Angriff ist von derartiger Schwere, daß auch nicht gebildeten Personen das Schädigende dieser Gewalthandlung offensichtlich ist. Ein fahrlässiger Umgang, ein Unfall oder sonstige Ursachen sind im vorliegendem Falle auszuschließen. Wie Dr. H. ausdrücklich betont hat, kann auf keinen Fall das "Herumschlenkern" oder "jemanden etwas schütteln" oder ein forscher burschikoser oder ungeschickter Umgang mit einem Säugling zu derart schweren Verletzungen führen. Das Gericht ist deshalb überzeugt davon, daß eine Gewalttat, nämlich ein vorsätzlicher, rechtswidriger, tätlicher Angriff gegen die Klägerin erfolgt ist.
Dr. H. hat in seinem Gutachten sämtliche anderen, möglichen Entstehungsursachen im Einzelnen diskutiert und ausgeschlossen. Dies gilt zum Beispiel auch für einen Sturz. Banale Stürze aus geringen Höhen führen nicht zu gravierenden Verletzungen. Aus einer Sturzhöhe bis etwa 120 bis 150 cm kommt es zwar gelegentlich zu unkomplizierten, leichten Knochenbrüchen des Schädels, aber so gut wie nie zu Verletzungen oder Blutungen des Gehirns, die dann aber meist glimpflich verlaufen und nicht von Blutungen der Netzhaut und diffusen Hirngewebeschäden begleitet sind. Blutungen bei traumatischen Geburten kommen vor, sind jedoch eher hinten als vorne gelegen, leichter und würden bei einem drei Monate alten Kind nicht den Eindruck eines frischen Hämatoms erwecken. Auch hier sind retinale Blutungen Raritäten und mild. Weitere denkbare Entstehungsmechanismen für subdurale Hämatome können im Falle der Klägerin ebenfalls ausgeschlossen werden, wie Aneurysmen, Störungen der Blutgerinnung, Herpesvirus-Encephalitis sowie die sehr seltene Stoffwechselstörung Glutarazidurie Typ I.
Wie Dr. H. darüber hinaus erläutert, sind Blutungen der Netzhaut bei Kindern sehr selten. Sie entstehen auch bei schwerster Gewalteinwirkung, wie schweren Verkehrsunfällen oder Stürzen aus mehreren Stockwerken nur gelegentlich und treten noch seltener bei einzelnen Erkrankungen wie zum Beispiel einer Gerinnungsstörung, einer Leukämie, einer Kohlenmonoxidvergiftung oder einer schweren Hirnhautentzündung oder einer Glutarazidurie auf. In Abwesenheit dieser Faktoren sind Blutungen des Augenhintergrundes alleine für sich genommen stärkste Hinweise auf eine Mißhandlung. Es kann deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei Vorliegen subduraler Hämatome einerseits und retinaler Blutungen andererseits nur von einer massiven Gewalteinwirkung, die zwangsläufig vorsätzlicher, feindseliger, rechtswidriger Natur sein muß, ausgegangen werden.
Dr. H. hat darüber hinaus präzise und detailliert ausgeführt, daß es sich nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um ein einmaliges gravierendes Ereignis gehandelt haben muß. Dies ergibt sich aus der zeitlichen Zuordnung der radiologischen Befunde, der wissenschaftlichen Erkenntnisse und physiologische Gesetzmäßigkeiten des Ablaufes bestimmter Prozesse im verletzten kindlichen Körper und anamnestischen Angaben der Beteiligten. Auch die fehlende Verfärbung des Liquors durch Blutabbau, die üblicher Weise nach etwa 12 Stunden eintritt, spricht gegen eine ältere, länger als etwa 12 Stunden zurückliegende Blutung. Vor allem aber ist für die zeitliche Zuordnung die Charakterisierung des Schütteltraumas als schwere, diffuse Hirngewebeschädigung durch Schädigung und Untergang einer Vielzahl von Nervenzellen entscheidend. Diese diffusen Schädigungen haben durch ihre Kompleyität im Gegensatz zu den subduralen Blutungen ohne Hirngewebeschädigung und im Gegensatz zu epiduralen Hämatomen kein symptomfreies Intervall. Es ist wie Dr. H. überzeugend ausgeführt hat, pathophysiologisch unmöglich, mit einer schweren diffusen Hirnschädigung beispielsweise koordiniert zu trinken oder normales aktives Babyverhalten zu zeigen. Im Gegenteil ist bei solchen schweren Schädigungen mit einer sofortigen, ausgeprägten neurologischen Symptomatik zu rechnen, bei der auch für Laien erkennbar ist, daß es sich um ein schwer krankes Kind handelt. Vor diesem Hintergrund sind nach dem Gutachten von Dr. H. die Ausführungen des im Zivilverfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Sch. bezüglich eines Zeitfensters von maximal 12 bis 18 Stunden widerlegt. Wenn Celina am Nachmittag des 15.11. von Zeugen als munter gesehen und beschrieben worden ist, kann sie zu diesem Zeitpunkt nicht "komatös" oder so schwer beeinträchtigt gewesen sein, wie ihre späteren Befunde dies nahe legen. Wenn der damalige Partner der Mutter das Kind zur Betreuung in Empfang genommen hat, ohne eine schwerwiegende Veränderung zum üblichen Verhalten des Säuglings zu bemerken und dann noch das Kind später füttern konnte, kann zu diesem Zeitpunkt eine schwere neurologische Schädigung bzw. eine schwere diffuse Hirngewebeschädigung ausgeschlossen werden. Dies hat Dr. H. überzeugend dargelegt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.02.2002 hat er nochmals betont, daß ein neurologisch schwerst beeinträchtigter Säugling, wie die Klägerin, nach dem Schütteltrauma, nicht in der Lage zu koordinierter Nahrungsaufnahme gewesen sei, und Symptome schwerer neurologischer Beeinträchtigung auch für einen medizinischen Laien ohne weiteres erkennbar gewesen seien (zum Beispiel Bewußtlosigkeit, Lethargie, Muskuläre Hypothonie oder Opistotonie, Apathie, irritiertes hyperexzitales übererregbares Verhalten, Erbrechen, Zerebrale Krampfanfälle oder Apnoeen). Störungen dieser Tragweite ließen den sichtbar bedrohlichen Zustand des Babys ohne weiteres erkennen.
Da sich Celina beim Verlassen der Wohnung durch die Mutter noch in einem normalen Gesundheitszustand befand, wie auch der Lebensgefährte der Mutter bei seiner polizeilichen Vernehmung angab, muß das Schütteltrauma am Abend des 15.11.1994 bzw. in der Nacht zum 16.11.1994 erfolgt sein. An einer Gewalttat im Sinne des OEG, die den Beklagten zu Gewährung von Versorgung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, kann deshalb kein Zweifel bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.