Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung ihrer Schwerbehinderung und die Aberkennung der Merkzeichen H und B und G.

Die am 00.00.2001 geborene, derzeit 12jährige Klägerin, lebt mit einem Spenderherz unter Immunsuppression. Das Spenderherz wurde im März 2009 transplantiert. Im Mai 2009 kam es zu einer Abstoßungsreaktion. Die Behandlung erfolgte mit der Gabe von Prednisolon, einem Immunsuppressivum, in hoher Dosis. Bei der Klägerin besteht ein erhöhtes Abstoßungsrisiko. Aufgrund der erhöhten Abstoßungsgefahr muss die Klägerin bei dem Auftreten der ersten Infektanzeichen die Herzklinik aufsuchen, da eine erneute Abstoßungsreaktion vorliegen kann. Bei der Klägerin besteht eine eingeschränkte Lungenfunktion. Die Klägerin ist in altersgerechten körperlichen Aktivitäten eingeschränkt.

Mit Bescheiden vom 17.11.2009 und vom 24.02.2010 hatte die Beklagte bei der Klägerin zunächst einen GdB von 100 und die Merkzeichen G, B und H festgestellt. Mit Anhörungsschreiben vom 07.11.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie eine Herabsetzung des GdB von 100 auf 70 und die Aberkennung der Merkzeichen G, B und H für angemessen erachte. Die Klägerin wies in ihrer Antwort darauf hin, dass das Risiko eines Rückfalls zwei Jahre nach der Transplantation auf keinen Fall erheblich reduziert sei. Die Eltern der am 00.00.2001 geborenen Klägerin seien dazu verpflichtet, akribisch genau darauf zu achten, was die Ernährung, Wohnumgebung, zwischenmenschliche und tierische Kontakte betrifft, damit eine Abstoßung nicht passiert. Auch die zwei- bis dreimonatigen Kontrollen im Herzzentrum dienten dazu, die Gefahr des lebensbedrohlichen Zustandes frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. In der häuslichen Umgebung müsse regelmäßig der Blutdruck, die Körpertemperatur und das Gewicht der Klägerin kontrolliert werden. Auch die pünktliche Verabreichung der Medikamente gehöre dazu. Es gehe um eine Kontrolle des Gesundheitszustandes der Klägerin im Kindesalter durch die Eltern rund um die Uhr. Die Lehrer der Schule seien über die Situation informiert, die Eltern jederzeit telefonisch erreichbar. Die Klägerin müsse trotz der risikoreichen Lage die Möglichkeit haben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die Voraussetzungen der Hilflosigkeit lägen bei der Klägerin vor, da sie aufgrund der bei ihr erfolgten Herztransplantation mit anschließender immunsuppressiver Behandlung an einem therapieinduzierten schweren Immundefekt leide. Der Immunmangel dauere nach wie vor an und mache eine ständige Überwachung erforderlich. Die Überwachung sei zur Meidung von Infektionsgefahren erforderlich. Daraus ergebe sich auch die Notwendigkeit ständiger Begleitung. Um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, müsse sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Als Kind sei sie dabei nicht in der Lage, die Situation abzuschätzen und den Abstand von Gefahrenquellen wie offensichtlich kranken Menschen, verschmutzten und verkeimten Griffen und Gedränge zu halten. Weiterhin bestehe die Gefahr einer Dekompensation, die in ihrem Falle ein sofortiges und gezieltes Handeln erforderlich mache, weshalb es von großer Wichtigkeit sei, um ein gefahrloses Benutzen der öffentlichen Verkehrsmittel zu gewährleisten, dass eine Begleitperson notwendig sei. Mit Bescheid vom 15.12.2011 änderte die Beklagte ihre Feststellungen dahin, dass nunmehr nur noch ein GdB von 70 bestünde und die Voraussetzungen der Merkzeichen G und B und H nicht mehr bestünden. In der zugrunde liegenden ärztlichen Stellungnahme der Ärztin des Gesundheitsamtes der Stadt C, Frau I, heißt es stichwortartig: "anhaltend gute Transplantatfunktion, seit Sommer 2010 Besuch der 3. Klasse der Grundschule, normalisierter Alltag." Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie verwies auf ihre bisherige Stellungnahme. Der besondere Hilfebedarf ergebe sich zum einen aus einer lebensnotwendigen und zu exakten Zeiten notwendigen Verabreichung der Medikamente. Zum anderen müssten die Eltern die aufgrund der Infektanfälligkeit erforderlichen Hygiene- und Ernährungsregeln zur Vermeidung von Infekten durchführen, beaufsichtigen und die Klägerin als Kind hierzu anleiten. Der Schulbesuch sei nur möglich, indem die Lehrer informiert seien und insoweit die besondere Aufsichtsfunktion freiwillig übernahmen und die Eltern in ständiger Rufbereitschaft stünden, wenn die Lehrer die Verantwortung für die Gesundheit nicht mehr übernehmen könnten, etwa weil ein anderes Kind krank am Unterricht teilnimmt oder F sich schlapp und unwohl fühlt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Widerspruchsbegründung vom 05.01.2012 Bezug genommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2012 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück. Maßgebend seien nur aktuelle Untersuchungsergebnisse ohne künftige Auswirkungen der Gesundheitsstörungen. Die Voraussetzungen der Merkzeichen G, B und H seien nicht erfüllt.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter und wiederholt ihre umfangreichen bisherigen Ausführungen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie in der Stellungnahme vom 12.07.2012 aus, die zweijährige Heilungsbewährung sei abgelaufen. Der GdB von 70 habe allein wegen der Bestimmungen der Versorgungsmedizinverordnung festgestellt werden müssen und habe nichts mit einer tatsächlichen Leistungseinschränkung zu tun. Die Voraussetzungen der Merkzeichen H und B lägen daher nicht mehr vor. In der ärztlichen Stellungnahme vom 12.08.2012 heißt es, ein regelmäßiges Angewiesensein auf fremde Hilfe bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln liege nicht mehr vor. Auch ein behinderungsbedingter Fremdhilfebedarf in erheblichem Umfang für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages liege nicht mehr vor.

Das Gericht hat einen Befundbericht des behandelnden Kinderarztes eingeholt. Auf den Inhalt dieses Befundberichts vom 30.10.2013 wird Bezug genommen. Darin heißt es insbesondere: " Bei F handelt es sich nicht um eine Herzerkrankung, die sie nicht in ihren körperlichen Leistungen beeinträchtigt, sondern vielmehr um die Gefahr der Abstoßung des transplantierten Herzens. Eine Abstoßreaktion würde ja nicht eine Einbuße der Leistungsfähigkeit bedeuten, sondern es würde in dem Fall um das Todesrisiko gehen. Insofern ist das Kind über alle Maßen gefährdet. Bei dem kleinsten Infekt muss geschaut werden, ob sich eine eventuelle Abstoßreaktion einstellt. Das Kind und die Eltern müssen ständig in Alarmbereitschaft stehen."

Zu diesem Bericht des behandelnden Kinderarztes schickt die Beklagte eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes durch die dortige Frau Dr. I, wonach keine Leistungsbeeinträchtigung für bis zu mittelschwere Belastungen bestehe. Es seien allgemeine Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung von Infekten erforderlich. Merkzeichen seien nicht zu gewähren.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Der Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2012 in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Denn die genannten Bescheide sind rechtswidrig, soweit dort der GdB von 100 auf 70 herabgesetzt und die Merkzeichen B und H aberkannt wurden. Lediglich die Aberkennung des Merkzeichens G war rechtmäßig.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellt der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständige Beklagte das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei mehreren, sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich. Für die Beurteilung des Ausmaßes der Funktionseinschränkung waren bis zum 31.12.2008 die Anhaltspunkte für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht heranzuziehen. Für die Zeit ab dem 01.01.2009 ist insoweit nun die Versorgungsmedizinverordnung anzuwenden. Diese Verordnung regelt gemäß ihrem § 1 VersMedV unter anderem die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung von Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes und für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes. Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind gemäß § 2 VersMedV in der Anlage zu § 2 enthalten. Bei dieser Anlage handelt es sich dann letztlich um eine Fortentwicklung der früheren medizinischen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht.

Zur Überzeugung der Kammer liegen bei der Klägerin weiterhin ein GdB von 100 und die Voraussetzungen der Merkzeichen B und H vor.

Nach Ziffer 9.1.4 der Versorgungsmedizinverordnung ist nach einer Herztransplantation eine Heilungsbewährung abzuwarten (im Allgemeinen zwei Jahre); während dieser Zeit ist ein GdS von 100 ohnehin anzusetzen. Danach ist der GdS selbst bei günstigem Heilungsverlauf unter Berücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression nicht niedriger als 70 zu bewerten. Ausweislich Abschnitt A1 Vorbemerkung 2c der Versorgungsmedizinverordnung setzten GdB und GdS stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und alten Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB und GdS nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, d.h. für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind.

Hiervon ausgehend ist zwar rein zeitlich eine Heilungsbewährung eingetreten, doch auch nach Ablauf der Heilungsbewährung ist der Grad der Behinderung im Lichte des Teenageralters der Klägerin mit 100 zu bewerten. Denn bei der Bestimmung des Grades der Behinderung ist das Ausmaß der Abweichung der Funktionseinschränkung von der Gesundheit eines gesunden, gleichaltrigen Menschen zu beachten. Daher sind Regelwidrigkeiten bei Kindern und Jugendlichen grundsätzlich höher zu bewerten, da Kinder und Jugendliche regelmäßig noch in voller Gesundheit stehen und noch keinen physiologischen Veränderungen im Sinne von nicht einmal ersten Alterserscheinungen unterliegen.

Die Beklagte nimmt mit dem GdB von 70 bei dem durch Ziffer 9.1.4 formulierten Beurteilungsraum den bestmöglichen Zustand an. Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil die junge Klägerin sich noch im Wachstum befindet und das transplantierte Organ im Körper der Klägerin sogar noch mitwachsen muss. Die Immunsuppression ist für einen sich noch entwickelnden Organismus eine zusätzliche Belastung. Die Notwendigkeit einer Herztransplantation im Kindesalter ist ohnehin ganz offensichtlich eine besonders starke Abweichung vom Regelzustand eines gesunden Kindes oder Jugendlichen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erachtet das Gericht hier einen GdB von 100 für die Herzerkrankung bei Totalverlust des eigenen Herzens und Transplantation eines Spenderherzens für angemessen. Gerade bei einem sehr jungen Menschen weicht eine existentielle Erkrankung besonders stark vom altersentsprechenden Gesundheitszustand ab. Und die gebotene Umsicht im Hinblick auf die existentielle Erkrankung und deren Risiken schränkt die Klägerin besonders stark in ihren Verhaltensmöglichkeiten im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen, sprich im Vergleich zu anderen Teenagern, ein. Dass sich die Klägerin dabei in dem Dilemma befindet, einerseits im Hinblick auf die Immunsuppression am besten allen Infektquellen, etwa auch nur erkälteten Menschen oder Toben und Schwitzen im Freien, aus dem Weg zu gehen und andererseits natürlich nicht sich von der Außenwelt abkapseln zu dürfen und insbesondere zur Schule gehen zu müssen, um sich in ihrem sozialen Umfeld menschlich-intellektuell entwickeln zu können und dies dann tut, reduziert nicht das Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Klägerin. Es erhöht vielmehr die Schutzbedürftigkeit der Klägerin.

Die Versorgungsmedizinverordnung geht bei der Beurteilung des Ausmaßes von Behinderungen von einem bio-psycho-sozialen Modell der Bewertung von Funktionseinschränkungen aus, wie sich aus der amtlichen Einleitung der Versorgungsmedizinverordnung ergibt. Es kommt also darauf an, wie der Betroffene durch die Behinderung im Alltag, sprich in einem abstrahierten sozialen Alltagsumfeld, beeinträchtigt wird. Diese Betrachtung ist weitergehend, als eine rein technische Betrachtungsweise, hier etwa die Beurteilung der aktuellen Pumpleistungsfunktion des Spenderherzens und der abgeheilten Eröffnung des knöchernen Brustkorbbereichs zur Erlangung des Zugangs zum Herzens bei der Transplantation. Diese biosoziale Betrachtungsweise mit der Berücksichtigung schon jetzt gegenwärtig vorhandener ganz konkreter Risiken, die jetzt schon gegenwärtig einschränkende Verhaltensweisen gebieten, ist nicht zu verwechseln mit der Erkenntnis, dass es keinen "GdB" auf Vorrat im Hinblick auf typische, künftige Verschlechterungen der Gesundheit, die aber noch nicht eingetreten sind, gibt. Hier liegt bereits jetzt und gegenwärtig gegenüber anderen gleichaltrigen Personen ein deutlich erhöhtes Infektrisiko mit konsekutiv lebensbedrohlicher Situation vor. Auch die Voraussetzungen des Merkzeichens H sind weiterhin erfüllt. Bei der Beurteilung der Hilfslosigkeit bei Kindern und Jugendlichen sind gemäß Teil A Ziffer 5 Buchstabe a der VersMedV nicht nur die bei der Hilflosigkeit genannten Verrichtungen zu beachten. Auch die Anleitungen zu diesen Verrichtungen ( ) sowie die notwendige Überwachung gehören zu diesen Hilfeleistungen, die für die Frage der Hilflosigkeit von Bedeutung sind. Nach Buchstabe c der genannten Norm führen die Besonderheiten des Kindesalters dazu, dass zwischen dem Ausmaß der Behinderung und dem Umfang der wegen der Behinderung erforderlichen Hilfeleistungen nicht immer eine Korrelation besteht, so dass - anders als bei Erwachsenen - auch schon bei niedrigerem GdS bzw. GdB Hilflosigkeit vorliegen kann. Nach Buchstabe d der Norm, dort Buchstabe nn, ist bei angeborenen, erworbenen oder therapieinduzierten schweren Immundefekten Hilflosigkeit für die Dauer des Immunmangels, der eine ständige Überwachung wegen der Infektionsgefahr erforderlich macht, anzunehmen. Insoweit ist hier die Notwendigkeit der Immunsuppression zu beachten, die zum Ziel hat, dass das Spenderherz nicht abgestoßen wird, als Nebenfolge aber andererseits eine deutlich erhöhte Infektgefahr für die Klägerin herbeiführt. Die erhöhte Infektgefahr stellt dabei für die Klägerin mit dem Spenderherz dann nochmals ein besonders hohes Risiko dar. Dies formulieren die vom Gericht schriftlich befragten Kinder- und Jugendärztinnen van I und H deutlich, indem es im Befundbericht heißt: "Bei F handelt es sich nicht um eine Herzerkrankung, die sie in ihren körperlichen Leistungen beeinträchtigt, sondern vielmehr um die Gefahr der Abstoßung des transplanierten Herzens. ( ) Eine Abstoßreaktion würde ja nicht eine Einbuße der Leistungsfähigkeit bedeuten, sondern es würde in dem Fall um das Todesrisiko gehen. Insofern ist das Kind über alle Maßen gefährdet." In der Vorläufernorm der Anhaltspunkte AHP war unter Ziffer 22 Abschnitt 4 Buchstabe o sogar der Zustand nach Organtransplantation noch als Beispiel genannt. Die neue VersMedV hat zwar auf viele Fallbeispiele oder Vergleichsbeispiele, etwa auch bei der Beschreibung des Schwerbehindertenstatus (ab GdB 50) verzichtet, weil dies manchmal den sprichwörtlichen Vergleich von "Äpfel mit Birnen" provoziert, eine inhaltliche Änderung ist mit dieser redaktionellen Änderung jedoch nicht verbunden. Die Transplantation bleibt also der typische Fall eines die Hilflosigkeit im Kindesalter auslösenden Immunmangels, der im Rahmen der Therapie notwendig gewollt herbeigeführt werden muss. Gerade Kinder und Jugendliche wollen toben, spielen, Sport machen, klettern, im Freien spielen, mit Tieren spielen etc. Hiermit sind Verletzungs- und Erkrankungsrisiken verbunden, die bei einem gesunden Menschen als eher gering einzustufen sind, sich aber bei einem Zustand nach Herztransplantation bei bestehender Immunsuppression als erhöhte Risiken zeigen. Auch hier ist zu beachten, dass gerade bei einem sehr jungen Menschen eine existentielle Erkrankung besonders stark vom altersentsprechenden Gesundheitszustand abweicht und der verantwortliche Umgang und das Bewusstsein, vieles nicht tun zu dürfen, was die anderen Gleichaltrigen machen, und die Fähigkeit, die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen, erst erlernt werden muss. Insoweit kommt der Beaufsichtigung der Klägerin durch ihre Eltern eine besondere Bedeutung zu.

Auch die Voraussetzungen des Merkzeichens B sind weiterhin erfüllt. Zum Merkzeichen B ist zu beachten, dass ständige Begleitung bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen G oder H vorliegen) notwendig ist, die infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Hier ist die Notwendigkeit der Begleitung schon aus dem oben dargelegten Aspekt der Beaufsichtigung im Hinblick auf das erhöhte Infektrisiko gegeben. Und gerade bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist es erforderlich, Gefahren- und Notfallsituationen richtig einzuschätzen. Als Gefahrenquelle für die Klägerin stellt sich dabei bereits ein Mensch mit einem Infekt, etwa einer Erkältung, dar. Und rein praktisch herrscht im öffentlichen Nahverkehr teils auch grober Umgang mit überfüllten Bussen, Gedrängel und insbesondere unter Schülern in Schulbussen mit Raufereien, Schubsen und Drängeln. Auch insoweit fällt die Klägerin unter den Schutzbereich des Merkzeichens H, nicht weil sie nicht in der Lage wäre, in den richtigen Bus einzusteigen, sondern weil sie bei der Einschätzung der Gesamtsituation im Hinblick auf die anderen Fahrgäste schutzbedürftig ist. Auch hierbei besteht natürlich das Dilemma, ihr zunehmend auch Eigenverantwortung im Hinblick auf ihre individuellen gesundheitlichen Risiken zu vermitteln und sie doch vor Fehlentscheidungen und Infekten bewahren zu wollen, und ihr dies doch vermitteln zu müssen, damit sie im Sinne der Teilhabe behinderter Menschen in der Gemeinschaft integriert werden kann. Gerade deshalb ist sie aber besonders schutzbedürftig.

Wenn die Beklagte hierzu in ihrer ärztlichen Meinungsäußerung durch das eigene Gesundheitsamt ausführt, nach Übergang in die dauerhafte Immunsuppression mit regulärem Schulbesuch seien allgemeine Vorkehrungen zur Vermeidung von Infektionen ausreichend und nach knöcherner Abheilung der Operationsfolgen seien besondere Vorsichtsmaßnahmen bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht erkennbar erforderlich, so liegen diese Ausführungen zur Überzeugung der Kammer neben der Sache. Die Klägerin muss weitaus mehr als andere Jugendliche aufpassen, dass sie sich keinen Infekt zuzieht.

Die Voraussetzungen des Merkzeichens G, das die rein tatsächliche Gehfähigkeit schützt, sind hingegen nicht mehr erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass in der rechtlichen Argumentation das Merkzeichen G schriftsätzlich nicht weiter geltend gemacht wurde, sondern lediglich aus Gründen der Einfachheit die Aufhebung des gesamten Änderungsbescheides bei Formulierung des Antrags in der mündlichen Verhandlung durch den dort anwaltlich nicht begleiteten Vater der Klägerin beantragt wurde.