Tatbestand:

Die ... geborene Klägerin begehrt die Weitergewährung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 über den 26.08.2008 hinaus.

Im Jahre 2001 wurden bei der Klägerin vier maligne Melanome in Form superfizieller spreitender Melanome (SSM) mit den Tumordicken 0,25 mm, 0,32 mm, 1,36 mm und 0,19 mm entfernt. Neben zwei dysplastischen Nävi im Jahre 2001 bzw. 2002 wurde im Jahre 2003 bei der Klägerin zudem ein Melanoma in situ entfernt.

Mit Bescheid vom 27.09.2005 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 50 fest. Der Beklagte ging dabei vom Vorliegen der folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsstörungen aus:

1. Hauterkrankung in Heilungsbewährung (Einzel-GdB von 50)
2. Funktionsstörung der Wirbelsäule und Gliedmaßen (Einzel-GdB von 10)

Im Juli 2008 leitete der Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein. Er holte einen Befundbericht der Hautärztin Dr. L. ein, in dem diese mitteilte, dass im Mai 2007 ein weiteres Melanoma in situ entdeckt und entfernt worden sei. Es würden fortlaufend - d.h. vierteljährlich - klinische Kontrollen, Röntgen- und Sonographie-Kontrollen sowie Excisionen dermatologisch suspekter Pigmentmale durchgeführt. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er beabsichtige, aufgrund des Ablaufs der Heilungsbewährung und des Ausbleibens weiterer bösartiger Erkrankungen den anerkannten GdB herabzustufen. Nach Mitteilung der Klägerin, dass sie damit nicht einverstanden sei, und Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme stellte der Beklagte mit Bescheid vom 26.08.2008 fest, dass bei der Klägerin ein GdB von zumindest 20 nicht mehr vorläge.

Zur Begründung ihres Widerspruchs trug die Klägerin vor, dass es sich zum einen bei den im Jahre 2001 entdeckten und entfernten Melanomen um solche des Stadiums II gehandelt habe, so dass ein GdB von 80 festzustellen gewesen wäre. Zum anderen stelle auch das Melanoma in situ - als Frühform des malignen Melanoms - einen hochgradig bösartigen Tumor dar, der schnell Metastasen in anderen Organen bilde. Demnach lägen typische Rezidiverkrankungen vor. Von einer Heilungsbewährung könne nicht ausgegangen werden, soweit immer wieder Melanome - gleich welchen Stadiums - entstehen und entfernt werden müssen. Die Klägerin gelte keinesfalls als geheilt, welches auch das Erfordernis engmaschiger Kontrollen beweise. Im Übrigen würden auch die Anhaltspunkte (bzw. die Versorgungsmedizinschen Grundsätze) verkennen, dass ein Melanoma in situ eine vollwertige gefährliche Krebserkrankung sei. Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2009 zurück.

Am 08.04.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2009 zu verurteilen, bei ihr weiterhin einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte

tritt der Klage entgegen.

Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte der Hautärztin Dr. L., des Orthopäden Dr. L. und der Internistin Dr. O. eingeholt. Ein Vergleichsangebot des Beklagten, mit dem dieser einen GdB von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden anerkennt, hat die Klägerin nicht angenommen.

Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist zum Teil unbegründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen sind ab dem 26.08.2008 mit einem GdB von 20 zu bewerten.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ist unter anderem gegeben, wenn der veränderte Gesundheitszustand eine Änderung des GdB von wenigstens 10 bedingt (vgl. Teil A Nr. 7 a) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG), die in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 niedergelegt sind und die bis zum 31.12.2008 geltenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" abgelöst haben, ohne dass sich daraus eine inhaltliche Änderung bzw. eine abweichende Bewertung von Behinderungen ergibt).

Eine wesentliche Änderung ist gegenüber dem Bescheid vom 27.09.2005 in Form einer Besserung eingetreten, weil ein GdB von 50 nicht mehr vorliegt. Jedoch sind die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit einem GdB von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden zu bewerten. Da es sich dabei um die einzige behinderungsrelevante Beeinträchtigung handelt, ist die bei der Klägerin vorliegende Behinderung auch insgesamt mit einem GdB von 20 zu bewerten.

Im Bereich des Funktionssystems "Rumpf" (vgl. zu den einzelnen Funktionssystemen Teil A Nr. 2 e) der VMG) liegen bei der Klägerin Funktionsstörungen der Wirbelsäule vor, die einen GdB von 20 bedingen. Gemäß Teil B Nr. 18.9 der VMG sind Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10 anzusetzen. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) werden mit einem GdB von 20 bewertet. Danach ist bei der Klägerin von einem GdB von 20 auszugehen. Denn mittlerweile sind sowohl im Halswirbelsäulenabschnitt als auch im Bereich der Lendenwirbelsäule bei röntgenologisch bestätigten degenerativen Veränderungen leicht- bis mittelgradige Beschwerden aufgetreten.

Dagegen besteht im Bereich des Funktionssystems "Haut" bei der Klägerin kein GdB von zumindest 10 mehr. Gemäß Teil B Nr. 17.13 der VMG ist nach Entfernung eines malignen Tumors der Haut in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten (Ausnahmen: z.B. Basalzellkarzinome, Bowen-Krankheit, Melanoma in situ). Der GdB während dieser Zeit nach Entfernung eines Melanoms im Stadium I beträgt 50, in anderen Stadien 80. Selbst wenn die im Jahre 2001 entfernten Melanome als solche des Stadiums II zu betrachten wären, wobei grundsätzlich bei einer Tumordicke unter 1,5 mm von einem Melanom des Stadiums I auszugehen ist, wäre auch dann die fünfjährige Heilungsbewährung abgelaufen. Denn maßgeblich ist, dass seit dem Jahre 2001 keine dem malignen Melanom entsprechende Rezidiverkrankung mehr eingetreten ist. Das Entstehen eines Melanoma in situ im Jahre 2007 vermag nicht den für maligne Tumore der Haut während der Heilungsbewährung geltenden hohen GdB zu rechtfertigen. Für diese Melanoma in situ ist gemäß Teil B Nr. 17.13 der VMG gerade eine Ausnahmebestimmung vorgesehen (vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.04.2009, L 6 SB 196/08). Ein Sachverständigengutachten musste nicht eingeholt werden. Denn die generelle Richtigkeit der Versorgungsmedizinischen Grundsätze kann nicht durch ein Einzelfallgutachten widerlegt werden. Diese Grundsätze spiegeln den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Stand der Versorgungsmedizin wider. Wenngleich das Melanoma in situ - ebenso wie die dysplastischen Nävi - eine Frühform der malignen Melanome darstellen kann, so ist deren Gefährdungsgrad im Verhältnis zum malignen Melanom äußerst gering. Melanoma in situ haben die Balsalmembran, also die Begrenzung zwischen Epidermis und Dermis, gerade nicht durchbrochen. Das Risiko einer Metastasierung liegt demnach bei 0% (vgl. z.B. Gutzmer u.a., Aktuelle Empfehlungen zum diagnostischen und therapeutischen Vorgehen bei Melanompatienten, in Niedersächsisches Ärzteblatt 10/2002, S. 23ff). Ein Melanoma in situ stellt keinen invasiv wachsenden Tumor dar; die Entfernung führt zur Heilung. Nachbehandlungen sind somit nicht erforderlich.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass bei der Klägerin lebenslang die Gefahr eines Rezidivs und einer Metastasierung besteht. Trotz dieses Restrisikos und des Erfordernisses dauerhafter Nachkontrollen ist aufgrund der eindeutigen Ausnahmeregelung gemäß Teil B Nr. 17.13 der VMG kein GdB beim Entstehen von Melanoma in situ anzuerkennen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die für die Zeit der Heilungsbewährung pauschal anerkannte psychische Beeinträchtigung, also ein typischer und verständlicher psychischer Depressionszustand ("Rezidivangst"), bei der Klägerin über die fünfjährigen Phase hinaus vorliegt. Die Klägerin befindet sich nicht in neurologisch-psychiatrischer oder vergleichbarer Behandlung, die auf ein Fortbestehen einer psychische Beeinträchtigung hinweisen könnte, so dass auch aus diesem Grund eine Herabstufung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.