Sozialgericht Dortmund - S 45 SB 154/05 - Urteil vom 25.03.2008
Bei Beeinträchtigungen des Magen-Darm-Traktes mit einem GdB von 40, der Psyche mit einem GdB von 20 und des Gehörs mit einem GdB von 20 ist unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen ein Gesamt-GdB von 50 angemessen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem Kläger ein höherer Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) als 30 anzuerkennen ist und somit bei seinem Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft neu zu bescheiden ist.
Der 1956 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger, der vom Beklagten einen ersten Bescheid unter dem 16.06.2000 mit einem Gesamt-GdB von 80 und damit auch der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft hauptsächlich wegen des Verlustes des Magens (Tumor) erhalten hatte. Unter dem 10.11.2004 leitete der Beklagte eine Nachprüfung ein, wobei als Ergebnisse der gutachtlichen Stellungnahme vom 16.01.2005 zwar der Verlust des Magens mit verbliebener Bauchspeicheldrüsenfunktionsstörung und Eisenmangelanemie festzustellen waren, jedoch lag bei Heilungsbewährung kein Tumorrezidiv vor. Der Gesamt-GdB wurde mit 30 bewertet und ein dahingehendes Anhörungsschreiben zur Vorbereitung der Abänderung des Ausgangsbescheides unter dem 20.01.2005 an den Kläger gerichtet.
Im Rahmen der Anhörung trug der Kläger, gestützt auf ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 27.01.2005 vor, dass er in seinem Gesamtgesundheitszustand geschwächt und eingefallen sei. Er könne auf Dauer nur noch leichte Arbeiten verrichten, so dass die Herabstufung auf einen Gesamt-GdB von 30 mit Sicherheit nicht gerechtfertigt sei.
Der Beklagte verblieb jedoch im Bescheid vom 23.05.2005 bei dem Ergebnis, dass nur noch ein Gesamt-GdB von 30 vorläge und hob dahingehend den Bescheid vom 16.06.2000 auf. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch mit der Maßgabe, dass allenfalls eine Rückstufung auf einen Gesamt-GdB von 50 in Frage käme, stellte der Beklagte keine weiteren Nachprüfungen an, sondern erteilte einen negativen Widerspruchsbescheid unter dem 14.07.2005.
Dagegen legte der Kläger rechtzeitig Klage ein, da der Widerspruchsbescheid nach den rechtlichen Regelungen erst drei Tage nach Aufgabe der Post am Werktag zugegangen sein kann. Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, dass zwar eine Heilungsbewährung eingetreten sei, doch es bestünden erhebliche Beeinträchtigungen des Kräfte- und Ernährungszustandes. Es herrsche ein sogenanntes Dumping-Syndrom verbunden mit einer Verdauungsinsuffizienz sowie einer Störung des Nahrungsstoffe-Transportes. Im Übrigen leide er neuerdings an Nierenschmerzen. Aufgrund seines Gesamtgesundheitszustandes sei er betrieblich umgesetzt worden und könne nur noch leichtere Tätigkeiten ausführen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2005 zu verpflichten, ihm einen Bescheid des Inhalts zu erteilen, dass der Grad der Behinderung seit Mai 2005 50 beträgt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Ansicht, dass
folgende Bewertungen der Erkrankungen und der daraus folgenden Behinderungen
richtig seien:
LBZ 1: Verlust des Magens nach Magenkarzinom, Einzel-GdB 30
LBZ 2: Schwerhörigkeit beidseits, Einzel-GdB 20.
Hieraus ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 30 ab Mai 2005. Eine weitere Nachprüfung
sei nicht erforderlich.
Zur Entwicklung der Gesundheitsstörungen des Klägers hat das Gericht verschiedene Befundberichte beigezogen: des Facharztes für Innere Medizin Dr. M. vom 21.11.2005 mit Anlagen des Arztes für Allgemeinmedizin B. vom 04.12.2005 mit Anlagen der Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. S. vom 19.01.2006 mit Tonaudiogramm Weiterhin haben dem Gericht vorgelegen ein Bericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. P. vom 18.07.2006 mit einem ergänzenden Bericht vom 18.12.2006 hinsichtlich der weiter fortlaufenden Behandlung und der Schilderung der weiteren Verschlechterung der psychischen Lage.
Zu den funktionellen Auswirkungen der Gesundheitsstörungen und zum Vorliegen von Behinderungen auf verschiedenen Fachgebieten hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten: Gemäß § 106 SGG: Medizinisches Gutachten von dem Leitenden Oberarzt Dr. M., Abteilung für Allgemeine Innere Medizin mit Gastroenterologie und Endokrinologie vom 20.03.2006 auf der Grundlage einer Untersuchung im Klinikum L. am 17.03.2006.
Auf der Grundlage des Vortrags zu einer erheblichen Gewichtsabnahme und zum
Abbau der Muskulatur des Klägers und dadurch resultierender physischer und
psychischer Erschöpfung mit zunehmender Depressivität stellte der Kläger über
seine Prozessbevollmächtigten den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach §
109 SGG. Nach Fehlschlagen der Ernennung von Frau Dr. P., Fachärztin für
Innere Medizin zur Sachverständigen änderte das Gericht auf Antrag der
Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beweisanordnung vom 21.08.2006 unter
dem 08.03.2007 ab und ernannte und beauftragte den Arzt Dr. K. mit der
Erstattung des Gutachtens gemäß § 109 SGG.
Der Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie Dr. K. erstattete das wissenschaftlich-psychosomatische Gutachten
vom 24.08.2007 auf der Grundlage einer Untersuchung vom 26.04.2007.
Wegen der Einzelergebnisse der eingeholten Gutachten gemäß § 106 SGG und § 109 SGG und somit wegen des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlich erstatteten Sachverständigengutachten verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im Umfang des gestellten Antrags begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 23.05.2005
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2005 verletzt in seinen
Rechten gemäß § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn der Beklagte
hat zu Unrecht das Vorliegen eines höheren Gesamt-GdB als 30 abgelehnt und ist
auch zur Neubescheidung über den Antrag des Klägers auf Feststellung der
Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung seit dem Mai 2005
von 50 zu verurteilen, weil die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht
entzogen werden durfte, sondern seit dem Mai 2005 bei dem Kläger fortbesteht.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - (SGB X) - ist die in dem bindend gewordenen Ausgangsbescheid
vom 16.06.2000 enthaltene Feststellung des GdB s mit Wirkung für die Zukunft
aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung nach § 69 des Sozialgesetzbuches
- Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) - zu ersetzen,
soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des
Ausgangsbescheides vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Für
die nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vom Beklagten durchzuführende Feststellung
des Vorliegens von Behinderungen und des Grades der Behinderung gelten folgende
dem Vergleich des jetzigen Gesamtzustandes an behinderungsbedingten
Funktionseinbußen mit den früheren zu Grunde zu legende Maßstäbe: Menschen
sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für
das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in
der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die
Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der
Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB
IX). Aus der in § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX enthaltenen Bezugnahme auf die
entsprechende Anwendung des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)
ergibt sich, dass der GdB auch nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung
im allgemeinen Erwerbsleben - wegen der fehlenden Bezugnahme auf § 30 Abs. 2
BVG dagegen nicht nach der besonderen beruflichen Betroffenheit - zu beurteilen
ist. Zum Zwecke der Gleichbehandlung ist bei der Festlegung des GdB im Regelfall
von den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit des
Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung aus dem Jahre 2004
(Anhaltspunkte 2004) auszugehen. Sie sind vornehmlich Hilfsmittel der
medizinischen Begutachtung und entfalten trotz ihrer immer noch fehlenden
demokratischen Legitimation durch den Gesetzgeber faktisch normative Wirkung in
der Verwaltungspraxis, ohne jedoch das Gericht bezüglich ihrer Vereinbarkeit
mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Vorgaben des Sozialgesetzbuches zu
binden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1, Nr. 6 und Nr. 10; BSG, Urteil vom 11. März
1998, B 9 SB 9/97 R; BVerG SozR 3-3870 § 3 Nr. 6 = NJW 1995, 3049, zuletzt BSG,
Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 3/02 R, SozR 4-3250 § 69 SGB IX Nr. 2).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer unter Beachtung der angeführten Bewertungsmaßstäbe gemäß § 128 Abs. 1 SGG zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte durch den Bescheid vom 23.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2005 die Gesamtheit der wesentlichen Gesundheitsstörungen des Klägers nicht zutreffend erfasst hat und eine wesentliche Veränderung im Sinne einer Verschlimmerung der Beschwerden im Funktionssystem Magen-Darm mit der Folge der notwendigen Erhöhung des Gesamt-GdB nicht zutreffend erkannt hat. Zur freien Überzeugung der Kammer liegen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens seit Mai 2005 gesundheitliche Beeinträchtigungen und Behinderungen vor, die den Fortbestand der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 50 in aller Deutlichkeit absichern. Hierbei muss auf das Gesamtergebnis und die Gesamtheit der Beeinträchtigungen für die Teilhabe des Klägers am gesellschaftlichen Leben, so wie diese im Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 SGB IX definiert sind, abgestellt werden: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate für den für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist."
Bei den Einzelergebnissen zu den vorliegenden Gesundheitsstörungen und den daraus resultierenden Behinderungen folgt die Kammer nach eingehender Beratung und eigener Bewertung der von dem Sachverständigen Dr. K. gemäß § 109 SGG getroffenen Feststellungen, dessen Einzelbewertungen, weil diese sowohl aus der Ausprägungsintensität der einzelnen Erkrankungen abgeleitet worden sind als auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Teilhabe des Klägers am normalen gesellschaftlichen Lebens ihre dem Gesetz in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX entsprechende Bewertung (vgl. Knickrehm, Die Feststellungen nach § 69 SGB IX im Lichte des "modernen Behinderungsbegriffs", SGb 2008, 220 ff. , 227) erfahren haben. Demgemäß liegen folgende Behinderungen vor:
Funktionssystem Magen-Darm-Trakt: Einzel-GdB 40 wegen eines Zustandes nach totaler Entfernung des Magens mit Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes
Funktionssystem Psyche: Einzel-GdB 20.
Die Kammer folgt dieser Bewertung unter der sachgerechten Abwägung des Sachverständigen Dr. K. welchem Funktionssystem (bei bestehender erheblicher Interferenz) in diesem Fall der höhere Einzel-GdB zuzumessen ist. Da der Ausgangspunkt der gesamten Leidensentwicklung letztlich die Magenoperation darstellt, ist es angemessen, auf der Grundlage der Prägung des Ausmaßes der körperlichen Beeinträchtigung und auf der Grundlage des Zusammenspiels der körperlichen Folgen der Magenentfernung und der nachfolgenden psychischen Selbststeuerungsfähigkeit des Klägers den höheren Einzel-GdB auf das Funktionssystem Magen-Darm-Trakt und auf den körperlichen Gesamtzustand zu beziehen, um in Ergänzung dazu das Funktionssystem Psyche (als das "Anpassungsorgan") hier mit einem Einzel-GdB im Bereich der leichteren psychovegetativen Störung zu wählen. Dabei stimmt die Kammer ausdrücklich gerade auch im Hinblick auf die Anhaltspunkte 2004 Punkt 26.3, Seite 48 der Überlegung des Sachverständigen Dr. K. zu, dass grenzwertig sicherlich auch ein "unterer 30-er Wert" hätte angenommen werden können, wobei letztlich entscheidend die sich aus den verschiedenen Faktoren zusammensetzende Bildung des Gesamt-GdB ist. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens müssen allerdings die Persönlichkeitsstörungen des Klägers schon im Anfangsbereich der stärker behindernden Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gesehen werden.
Funktionssystem Sinnesorgane (beidseitige mittelgradige Schwerhörigkeit):
Einzel-GdB 20
Mit der Übernahme dieser Einzelbewertungen folgt die Kammer dem
wissenschaftlich-psychosomatischen Gutachten von Dr. K. vom 24.08.2007 deshalb,
weil der Sachverständige Dr. K. die Gesamtheit der Gesundheitsstörungen des Klägers
und die Gesamtheit der Behinderungen in seinem Gutachten erfasst hat. Demgegenüber
hat das medizinische Gutachten gemäß § 106 SGG von Dr. M. den Schwerpunkt auf
die Gebiete der Allgemeinen Inneren Medizin mit Gastroenterologie und
Endokrinologie gelegt und auf diesen Bereichen eine gravierende Beeinträchtigung
des Kräfte- und Ernährungszustandes bzw. der Magen-Darm-Funktion im Ergebnis
verneint. Zur Überzeugung der Kammer liegen jedoch derartige Wechselbeziehungen
nach der genauen Exploration von Dr. K. zwischen dem körperlichen
Untersuchungsbefund und dem psychischem Befund vor, die zu einer ständigen
Beeinträchtigung des Klägers in der Gestalt seiner Teilhabe am wirklichen
Leben geführt haben. Die Kombination der verschiedenen Belastungsfaktoren auf
organmedizinischer Ebene und auf der Ebene der psychischen Bewältigung von
Anpassungsleistungen bestimmen insgesamt den Ausprägungsgrad an Einschränkungen
für die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft. Dieses zeigt sich auch - wenn
auch nach Darstellung von Dr. M. gravierende Krankheiten des Magen-Darm-Traktes
aus seiner Sicht nicht vorliegen - daran, dass der Kläger ängstlich, zurückgezogener
(wenn auch nicht sozial isoliert!) lebt, sich vieles nicht mehr zutraut - bis
hin zum selbständigen Autofahren - und dieser insbesondere in der Fortführung
seiner beruflichen Tätigkeit massivst unter Druck steht. Auch der berufliche
Abstieg ist ein Teil der beeinträchtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
(vgl. Mrozynski, SGB IX, Teil 1, Regelungen für behinderte und von Behinderung
bedrohte Menschen, Kommentar, München 2002, § 2 SGB IX, Rdnr. 13 - 16), weil
insoweit die Situation des Klägers im Erwerbsleben von dem für das Lebensalter
typischen Zustand abweicht.
Im Rahmen dieser Beweiswürdigung kann auch nicht der gutachterlichen Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin Dr. G. vom 23.11.2007 gefolgt werden, weil hierin die Überschneidungen der Funktionssysteme nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bzw. der Anhaltspunkte 2004 Punkt 19 Abs. 1 und Abs. 3 gesehen worden sind.
Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB s dürfen die Teil-GdB-Werte für die Auswirkungen der Funktionsstörungen in den einzelnen Funktionsbereichen nicht einfach addiert werden. Auch andere rein rechnerische Methoden scheiden aus. Maßgeblich sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei ist zu beachten, inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob sich die Behinderungen überschneiden und ob dadurch das Ausmaß einer Behinderung durch hinzutretende Gesundheitsstörungen verstärkt werden kann. In der Regel ist von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Es ist also zu beachten, ob wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen im ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Anhaltspunkte 2004, Kapitel 19, Seite 24 ff.). Das in Nr. 19 Abs. 4 der Anhaltspunkte ausgesprochene Verbot einer Gesamt-GdB-Erhöhung bei hinzutretenden nur leichten Gesundheitsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 gilt ausnahmslos nur dann, wenn die weiteren, nur geringfügigen Funktionsstörungen sich unabhängig voneinander in verschiedenen Lebensbereichen auswirken. Liegt dagegen eine besondere Fallgestaltung vor, erlauben die Anhaltspunkte die Berücksichtigung von Sonderfällen, die aufgrund ihrer individuellen Verhältnisse einer gesonderten Beurteilung bedürfen (vgl. zum Prüfungsmaßstab Bundesverfassungsgericht SozR 3-3870 § 3 Nr. 6). Eine Erhöhung des Gesamt-GdB wegen einem zusätzlichen Einzel-GdB um 10 und damit ein Ausnahmefall im Sinne der Anhaltspunkte wird nur dann in Betracht kommen, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - B 9 V 8/00 R - in SozR 3-3870 § 4 Nr. 28, Seite 108).
Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist somit von der zentralen Behinderung des Klägers, hervorgerufen nach dem Zustand totaler Entfernung des Magens mit Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes auszugehen, wobei das Funktionssystem Magen-Darm-Trakt zutreffend die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 40 erfahren hat. Gemäß den Anhaltspunkten in Punkt 19 Abs. 3 ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen im ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Bei der Anwendung der Anhaltspunkte ist der nächste Satz des Absatzes 3 unbedingt zu berücksichtigen: "Um die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung zueinander beurteilen zu können, muss aus der ärztlichen Gesamtschau beachtet werden, dass die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander unterschiedlich sein können." So können die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Bereich des täglichen Lebens betreffen. Ein derartiger Fall liegt hier vor. Einerseits ist der Kläger im Funktionssystems des Magen-Darm-Traktes beeinträchtigt. Andererseits lässt sich eine selbständige Bedeutung der Beeinträchtigung des Funktionssystems Psyche nicht widerlegen. Weiterhin besteht in Überreinstimmung mit den Anhaltspunkten 19 Abs. 3 und den Unterpunkten hinsichtlich des Funktionssystems Sinnesorgane mit beidseitiger mittelgradiger Schwerhörigkeit ein weiterer Einzel-GdB von 20, der seit Mai 2005 ebenfalls zu berücksichtigen ist. Dieses Bewertungsschema entspricht auch den gesetzlichen Vorgaben in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, denn es geht darum, ob der bei dem jeweiligen Menschen vorliegende Gesamtzustand von dem für das Lebensalter typischen Zustands abweicht, da seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Eine derartige erhebliche Beeinträchtigung liegt hier vor. Somit kann der Gesamt-GdB seit Mai 2005 insbesondere unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Funktionssystemen mit 50 bewertet werden, denn die Gesamtauswirkungen der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind so erheblich, dass der Kläger dadurch im Bereich der Teilhabe in erheblichem Umfang behindert ist. Im Bereich des Magen-Darm-Trakts bilden sich die fortbestehenden Auswirkungen auf organmedizinischer Ebene am stärksten ab. Der Kläger ist beispielsweise nicht mehr in der Lage, die medizinisch notwendige Aufteilung der Gesamtnahrungsmenge in Form von kleinen Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Denn die Nahrungsaufnahme ist anamnestisch nachvollziehbar in den Schilderungen des Klägers stets mit raschem Stuhlgang bei fehlendem Magen verbunden. Dies ergibt sich im Zusammenhang mit der häufigen Notwendigkeit zur Nahrungsaufnahme für den Kläger die Konsequenz, die Mahlzeiten auch aus diesem Grunde in der früheren Regelmäßigkeit nicht mehr durchführen zu können, ohne sein berufliches Alltagsleben zu gefährden. Weiterhin bestehen die dann zwischenzeitlich medizinisch ungünstigen größeren Nahrungsmengen mit verstärkten Symptomen wie Blähungen, Völlegefühl und Durchfällen. Die Kammer sieht nur in dem Gutachten von Dr. K. vom 24.08.2007 eine umfassende Bewertung der Beeinträchtigungen des Klägers im täglichen Leben, denn außer zu den konkreten Krankheiten nimmt das Gutachten von Dr. M. vom 23.02.2006 zu den spezifischen Auswirkungen im Alltag, insbesondere auch im Berufsalltag, aber auch in der Alltagsleistungsfähigkeit keine ausreichende Stellung. Bei dieser Sachlage ergibt sich die Notwendigkeit einer ergänzenden Bewertung zur Anhebung des Gesamt-GdB hinsichtlich der psychischen Situation, die von Dr. K. zu Recht zumindest mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet worden ist. Insgesamt sieht die Kammer die Gesamtbewertung mit einem Gesamt-GdB von 50 und damit der Anerkennung der fortbestehenden Schwerbehinderteneigenschaft als angemessenes Ergebnis an.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§, 183, 193 SGG und berücksichtigt das Fortbestehen der Schwerbehinderteneigenschaft seit dem Herabsetzungsbescheid im Mai des Jahres 2005.