Sozialgericht Dortmund - S 7 VS 450/05 - Urteil vom 05.06.2008
Nach Nr. 100 der Anhaltspunkte kommt eine Kannversorgung bei der primären dilatativen Kardiomyopathie, "bei der eine entzündliche Genese diskutiert wird", in Betracht. Letztgenannte Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass im zu beurteilenden Fall bestimmte Umstände vorliegen müssen, aufgrund derer eine entzündliche Genese konkret, zumindest theoretisch in Betracht zu ziehen ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der am 29.03.1955 geborene Ehemann der Klägerin eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat und infolge dessen am 22.02.2003 während eines Auslandeinsatzes als Soldat in Kabul verstorben ist.
Der Ehemann der Klägerin, Hauptmann N., gehörte in der Zeit vom 02.01.1978 bis zu seinem Tode der Bundeswehr an und war Berufssoldat. Mit einer Ausbildung zum Instandsetzungsoffizier Munition und zum Offizier des militärfachlichen Dienstes war er als Fachmann im Bereich der Kampfmittelerkundung und -beseitigung seit August 1996 mit der Führung eines Kampfmittelbeseitigungszuges betraut. Nachdem er in den Jahren 1999 und 2000 jeweils für 5 Monate im Auslandseinsatz im Kossevo war, wurde er zum Januar 2002 zum 1. Deutsch-Niederländischen Korps nach Münster versetzt.
Ein weiterer Auslandseinsatz war von Februar bis August 2003 in Kabul (Afghanistan) als Spezialoffizier für die Kampfmittelbeseitigung geplant. Im Anschluss an einen etwa 1 1/2 Tage andauernden Zwischenaufenthalt in Termez (Usbekistan) landete das Kontingent des Klägers am 18.02.2003 in Kabul. Am 20.02.2003 wurde um 7.50 Uhr durch den Oberstabsarzt Dr. B. (Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin, Leiter des Dt. Kontingentanteil Abt. X und LNA i.E.) der Tod von Hauptmann N. festgestellt. Am 24.02.2003 erfolgte eine Obduktion im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz mit umfangreichen feingeweblichen Untersuchungen. Im Abschlussbericht wurde als Ergebnis durch die Ärzte für Pathologie Dr. G. (OTA) und Dr. S. (OSA) ausgeführt, der Patient habe bei der Obduktion eine deutliche primäre Kardiomyopathie gezeigt, in deren Folge es zu einem akuten rechtsbetonten globalen Herzversagen gekommen sei. Weiterhin fänden sich als Erkrankungen, die im geringen Ausmaße zum Todesmechanismus beigetragen hätten, eine geringgradige allgemeine Arteriosklerose und eine geringe Koronararteriensklerose.
Am 07.03.2003 wurde vom Oberfeldarzt Dr. v. R. ein WDB-Blatt (1. ärztliche Mitteilung über eine mögliche Wehrdienstbeschädigung) angelegt. Als Sachverhalt "nach Angaben anderer Personen" wurde angegeben: "akutes Herzversagen mit Todesfolge bei Adipositas und arterieller Hypertonie; Auslösung durch einsatzbedingte Stressfaktoren anzunehmen."
Im Rahmen der sich anschließenden Ermittlungen nahm die Wehrbereichsverwaltung zunächst eine Auskunft von Oberst i. G. P. vom 03.04.2003 über die dienstlichen Belastungen von Hauptmann N. zu den Akten. Dieser führte unter Beifügung eines dienstlichen Lebenslaufes und der allgemeinen Tätigkeitsbilder "Instandsetzungsoffizier Munition" und "Kampfmittelbeseitiger" aus, die mit dem Dienst verbundenen Belastungen seien einzeln nicht mehr nachvollziehbar. Hauptmann N. sei während der gesamten Dienstzeit in herausgehobenen Verwendungen eingesetzt gewesen. Neben den besonderen Härten und Anforderungen seiner speziellen Tätigkeit als Fachmann im Bereich der Kampfmittelerkundung und Kampfmittelbeseitigung sei er zudem ständig mit der Führung eines Kampfmittelbeseitigungszuges betraut gewesen. Diese erheblichen, ständig weit über die normalen dienstlichen Anforderungen hinausgehenden Beanspruchungen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes seien besonders deutlich geworden, als zwei, von Hauptmann N. persönlich über mehrere Jahre hinweg ausgebildete und geführte Oberfeldwebel während ihres Afghanistaneinsatzes im Sommer 2002 bei der Kampfmittelbeseitigung tödlich verunglückt seien. Zusammenfassend sei festzustellen, dass Hauptmann N. besonders auch in seiner letzten Verwendung zu den Personen gehört habe, die ständig besonderen Belastungen ausgesetzt gewesen seien.
Des Weiteren nahm die Wehrbereichsverwaltung zur Aufklärung der Tätigkeiten von Hauptmann N. vom Zeitpunkt des Abmarsches in Münster bis zu seinem Tod das "Ereignisprotokoll" vom 01.04.2003 von Hauptmann P. zu den Akten. Hierin werden die Ereignisse wie folgt beschrieben:
"14.02.2003 An diesem Tag haben sich alle Teilnehmer des Kontingentes zum Abmarsch nach KABUL getroffen. Auch Hauptmann N. war gegen 09.00 Uhr mit seiner Familie beim HQ eingetroffen. Im Verlauf des Vormittages haben wir gemeinsam an der Verabschiedungszeremonie in der Prinz-Claus-Kaserne teilgenommen. Abgesehen vom normalen Abschiedsschmerz, wenn man sich für eine längere Zeitspanne von seiner Familie trennen muss, war alles ganz normal. Am gleichen Tag sind wir dann nachmittags nach MECHERNICH marschiert und haben dort bis gegen 22.00 Uhr in der Kantine gesessen. Hauptmann N. war genauso ausgeglichen und normal wie immer, er hat nicht mehr als zwei Bier getrunken.
15.02.2003 Gegen Mittag sind wir dann nach KÖLN verlegt und dann nach einiger Wartezeit nach TERMEZ (UZB) geflogen. Während des ganzen Tages und auch während des Fluges (fast 7 Stunden) keine Besonderheiten.
16.02.2003 Am späten Vormittag sind wir in TERMEZ gelandet. Da ein Weiterflug nach KABUL wegen des Wetters bis auf Weiteres nicht möglich war, hat Hauptmann N. mit mir und zwei weiteren Kameraden ein Einheitszelt bezogen. Den Rest des Tages haben wir dann mit Lesen, Schlafen und einem kurzen Besuch in der Kleinkantine verbracht. Keine Beschwerden von Hauptmann N.
17.02.2003 Ein weiterer Ruhetag in TERMEZ. Flüge waren wieder nicht möglich. Wir haben gemeinsam einen entspannten Tag, wie schon am Vortag, verbracht.
18.02.2003 Etwa zur Mittagszeit sind wir dann von TERMEZ mit einer C-160 nach KABUL geflogen. Nach dem Eintreffen in KABUL war der Rest des Tages mit Einweisungen in das Lager und administrativen Verrichtungen verplant. Abends hatten Hauptmann N. und ich dann unsere gemeinsame Stube bezogen und eingerichtet. Vor dem Schlafen haben wir uns etwa noch eine Stunde auf der Stube unterhalten und auch hier wirkte er ganz normal und ausgeglichen. Insbesondere hat er nicht über gesundheitliche Beschwerden geklagt.
19.02.2003 Der gesamte Tag war geprägt von ersten Einweisungen und Besprechungen. Auch Hauptmann N. nahm an diesen Gesprächen teil. Nachmittags ist er gemeinsam mit mir zum Flughafen KABUL gefahren um mit dem dort eingesetzten Personal Verbindung aufzunehmen. Am Abend haben wir dann unser unbegleitetes Marschgepäck empfangen und unsere Unterkunft weiter eingerichtet. Wir sind dann beide gegen 22.30 Uhr zu Bett gegangen. Auch an diesem Abend hat Hauptmann N. mir gegenüber keine gesundheitlichen Beschwerden geäussert. Wir sind beide ziemlich schnell eingeschlafen.
20.02.2003 Gegen 06.20 Uhr wurde ich durch laute und sehr ungewöhnliche Atemgeräusche geweckt. In der Annahme, Hauptmann N. würde laut schnarchen, rief ich ihn an, ohne jedoch Antwort zu bekommen. Plötzlich fiel er aus dem Bett. Ich nehme an, er hatte versucht sich zu bewegen oder aufzurichten. Erst da wurde mir der Ernst der Lage wirklich bewusst und ich bin sofort zu Hauptmann N. geeilt. Der war weder ansprechbar, noch war sein Puls zu fühlen. Daraufhin habe ich gleich einen Kameraden von der Nachbarstube geweckt, der bei Hauptmann N. verblieb, während ich zum etwa 100 Meter entfernten Sanitätszelt lief und dort den diensthabenden Sanitäter antraf, den ich über den Vorfall informierte und aufforderte, einen Arzt zu unserer Unterkunftsstube zu schicken. Bereits wenige Minuten später erschien dann der diensthabende Arzt und löste den Kameraden, der bei Hauptmann N. verblieben war, bei den Wiederbelebungsmassnahmen ab, die insgesamt etwa über 45 Minuten durchgeführt wurden. Danach beendete der Arzt die Massnahmen. Später am Vormittag wurde der Leichnam von Hauptmann N. abgeholt und zum Feldlazarett der KMNB gebracht."
Im Rahmen der medizinischen Ermittlungen zog die Wehrbereichsverwaltung den Bericht des leitenden Notarztes vom 20.02.2003, die ärztlichen Unterlagen des Instituts für Wehrmedizinalstatistik und -berichtswesen, das Sektionsprotokoll des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz mit der vorläufigen pathologisch-anatomischen Diagnose vom 24.02.2003 und den Abschlussbericht vom 14.03.2003 bei. Die ärztlichen Unterlagen des Instituts für Wehrmedizinalstatistik beinhalten u. a. mehrere Berichte des Oberfeldarztes S. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) bezogen auf die Zeit von die Zeit von September bis November 2001 über die Behandlung eines psychischen Leidens. Im Bericht vom 26.09.2001 stellte Herr S. zusammenfassend die Diagnose einer Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion (ICD-10: F 43.21) und Somatisierung.
Sodann holte die Wehrbereichsverwaltung von Herrn Dr. R. S. (Arzt für Pathologie, Oberstarzt a. D., ehem. Ltd. Arzt der Abt. Pathologie des Bundeswehrkrankenhauses Koblenz) eine gutachterliche Stellungnahme ein. Dieser äußerte unter dem 27.12.2003, nach den "Anhaltspunkten" könne bei einer primären dilatativen Kardiomyopathie - der hier durch Obduktion und ergänzende feingewebliche Untersuchung festgestellten Todesursache - eine Schädigung nach der Kannversorgung in Frage kommen, wenn es sich um eine Erkrankung entzündlicher Genese handle. Entzündliche Erkrankung durch wehrdienstliche Einflüsse, die geeignet wären, einen Herzmuskelschaden auszulösen, seien aber in den G-Unterlagen nicht dokumentiert, womit es keinen Hinweis auf eine Wehrdienstbeschädigung gebe. Die Angabe einer schädigungsbedingten MdE erübrige sich in Anbetracht des fehlenden Kausalzusammenhanges.
Mit Bescheid an die Klägerin stellte die Wehrbereichsverwaltung unter dem 16.12.2004 fest, die bei dem verstorbenen Ehemann N. festgestellten Gesundheitsstörungen "Herzvergrößerung und metabolisches Syndrom, mäßiggradige allgemeine Gefäßverkalkung; Zeichen der Gefäßverkalkung in der Lungenstrombahn, chronische Rechtsherzbelastung und Tod im akuten Rechtsherzversagen" seien nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG); ein Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG bestehe daher nicht. Zur Begründung wurde gestützt auf die durchgeführten Ermittlungen ausgeführt, die zum Tode des Gatten führenden Leiden könnten nicht auf den Wehrdienst zurückgeführt werden.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, der Ortswechsel sei nicht nur mit extremen klimatischen Veränderungen verbunden gewesen, sondern habe aufgrund der unsicheren Lage im Einsatzgebiet auch nachteilige Auswirkungen auf die Psyche gehabt. Wie der beigefügten gutachterlichen Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin, Prof. Dr. V., vom 16.02.2005 entnommen werden könne, hätten gerade Angst, Not und Entsetzen wesentlichen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen, was durch den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Belastungen und dem plötzlichen Tod dokumentiert werde.
In der dem Widerspruchsschreiben beigefügten gutachterlichen Stellungnahme führte Herr Prof. Dr. V. (Facharzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin und Sozialmedizin in E.) unter dem 16.02.2005 aus, wesentliche Faktoren für das akute Krankheitsgeschehen mit Nebenbefunden seien die klimatischen Veränderungen, der Ortswechsel, die unsichere Lage, das Elend der Bevölkerung usw. ... Bekanntlich seien die Auswirkungen auf die Psyche von ganz erheblicher Bedeutung für den Ablauf eines solchen akuten Krankheitsgeschehens mit Todesfolge. Angst, Not und Entsetzen seien in einem engen zeitlichen Zusammenhang (3 Tage) wesentliche Faktoren, was auch in Urteilen vom Bundessozialgericht festgestellt worden sei. Es könne mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass bei einem weiteren Verbleiben in der Heimat zu diesem Zeitpunkt eine solche Erkrankung nicht aufgetreten wäre.
Zur Widerspruchsbegründung nahm Herr Dr. S. unter dem 21.04.2005 ergänzend Stellung und sah weiterhin keinen Hinweis auf eine Wehrdienstbeschädigung. Er äußerte (u.a.), dass wenn die genannten Faktoren (Klima, Ortswechsel, allgemeine Lage, Elend usw.), einen solch wesentlichen Einfluss auf Leib und Leben der im Ausland eingesetzten Soldaten hätten, ähnliche Fälle und Krankheitsverläufe mit Todesfolge, öfter beobachtet werden müssten, was jedoch nachweislich nicht der Fall sei. Die äußeren Einwirkungen seien sicherlich zu beachten und ernsthaft zu bewerten, sie würden jedoch von dem unmittelbaren Weggefährten und Stubenkameraden in einer ausführlichen Stellungnahme als wenig belastend und normal beschrieben. Im konkreten Fall hätten die äußeren Umstände allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt. Die bei der Obduktion dokumentierten organischen Befunde am rechten und linken Herzen sowie am Gefäßsystem im großen und vorwiegend im kleinen Kreislauf seien hingegen weitaus höher zu bewerten. Die fortgeschrittenen Veränderungen am Herzen und an den Lungenschlagadern hätten zu jedem beliebigen Zeitpunkt den Tod bewirken können.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Bescheid vom 31.08.2005 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Wehrbereichsverwaltung West (u.a.) aus, die Anwendung der "Kannversorgung" scheitere schon an der Vorbedingung, nämlich dem Nachweis einer entzündlichen Genese der primären Kardiomyopathie. Auch die weiteren im Obduktionsbericht diagnostizierten, für den eingetretenen Tod aber nicht entscheidenden Erkrankungen, seien nicht Folgen einer Wehrdienstbeschädigung. Dies gelte für die ateriosklerotischen Veränderungen, die Überernährung und den Bluthochdruck. Die Todesursache sei auch keine ateriosklerotische Komplikation wie ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall, sondern ein akutes Herzversagen bei primärer Kardiomyopathie. Die Herzmuskelerkrankung selbst müsse schon längere Zeit bestanden haben, ohne dass hierfür vorher offensichtlich deutliche Symptome aufgetreten seien. Für diese Erkrankung, die schicksalhaft plötzlich zum Tode geführt habe, hätten die wenigen Tage des Auslandeinsatzes keine mitursächliche Bedeutung bewirkt. Auch die von Prof. Dr. V. hervorgehobenen klimatischen und psychischen Stressfaktoren des nur 3-täglichen Auslandseinsatzes seien für diese Erkrankung nicht als wesentlich zu bewerten. Darüber hinaus dürfte es nach den getroffenen Ermittlungen und Zeugenaussagen äußert strittig sein, eine konkrete existentielle körperlich oder psychisch bedrohliche Situation nachzuweisen. Letztlich ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für mögliche nachteilige gesundheitliche Folgen der ärztlichen bzw. truppenärztichen Behandlung.
Gegen die ablehnenden Entscheidungen der Wehrbereichsverwaltung wendet sich die Klägerin mit der am 04.10.2005 erhobenen Klage. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen folgendes vor: Es sei davon auszugehen, dass ihr Ehemann an den Folgen einer primären Kardiomyopathie gestorben sei. Das vorgeschädigte Herz habe keine nennenswerten Beschwerden verursacht. Durch die Beschwerdefreiheit sowie durch den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Eintreffen in Kabul und dem Auftreten der Kompensation von Herz und Kreislauf sei es hinreichend wahrscheinlich, dass die mit dem Ortswechsel verbundenen klimatischen Veränderungen sowie die unsichere Lage sich nachteilig auf die Psyche ausgewirkt und den Tod nicht nur ausgelöst, sondern ursächlich, zumindest mitursächlich, herbeigeführt hätten. Selbst wenn sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges zwischen Wehrdienst und der Erkrankung nicht feststellen ließe, weil über die Entstehung dieser Erkrankung in der medizinischen Wissenschaft Unklarheit herrsche, so wäre jedoch die Erkrankung als Wehrdienstbeschädigung im Sinne der "Kannversorgung" anzuerkennen. Krankheiten, die nicht auf ein gesichertes äußeres Geschehen zurückzuführen seien, könnten auf vielfältigen Einflüssen beruhen, so z. B. auf der persönlichen Lebensweise des Betroffenen, seinen Erbanlagen, usw ... Auch der Wehrdienst könne, insbesondere bei den besonderen Belastungen im Rahmen des Auslandeinsatzes, eine Krankheit herbeiführen. Vorliegend sei die mit dem Auslandseinsatz einhergehende psychosoziale Belastungssituation mitursächlich für den Tod ihres Ehemannes geworden. Sie sei gemeinsam mit dem vorbestehenden konstitutionellen Krankheitszustand für das tragische Ereignis verantwortlich. Hinsichtlich der Ausführungen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2004 in der Gestalt des Bescheides vom 01.09.2005 zu verurteilen, eine Wehrdienstbeschädigung, insbesondere eine primäre Kardiomyopathie sowie ein psychisches Überlastungssyndrom als Ursache für den Tod des am 20.02.2003 verstorbenen Ehemannes N. festzustellen und Versorgung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen weiterhin für rechtmäßig und überreicht insoweit auch die ärztliche Stellungnahme von Herrn Dr. S. vom 20.02.2007.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 30.01.2006 das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung Münster - Abt. Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt - beigeladen. Im Anschluss an das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen am 30.10.2007 (Straffungsgesetz) wurde der ehemalige Beigeladene durch den nun im Rubrum aufgeführten ersetzt. Der Beigeladene schließt sich schriftsätzlich den Ausführungen des Beklagten an, stellt allerdings in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag.
In der nichtöffentlichen Sitzung zur Erörterung des Sachverhaltes und zur Beweisaufnahme am 28.06.2006 hat das Gericht den Stubennachbarn und Zeugen Hauptmann P. zu den Wehrdienstbelastungen des Ehemannes der Klägerin, insbesondere ab 14.02.2003, gehört. Zudem wurde die Schwester des Klägers, Frau K. M., informell angehört.
Im Rahmen der medizinischen Ermittlungen hat das Gericht zunächst (nochmals) die vom Institut für Wehrmedizinalstatistik archivierten medizinischen Unterlagen beigezogen.
Sodann ist nach Aktenlage ein fachinternistisch-kardiologisches Gutachten eingeholt worden bei Herrn Prof. Dr. J. (ehem. Chefarzt der Inneren Abt. des Ev. Krankenhauses C). Herr Prof. Dr. J. ist in dem Gutachten vom 01.09.2006 zu dem Ergebnis gelangt, dass keine der feststellbaren Gesundheitsstörungen von Hauptmann N. möglicherweise eine Folge schädigender Einwirkungen des Wehrdienstes seien, weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung. Die ausführlichen feingeweblichen Befunde des Herzmuskels hätten keinen Nachweis für eine entzündliche Genese der Herzerkrankung erbracht, was die Voraussetzung für eine sogenannte "Kannversorgung" wäre. Die oberflächlichen und nicht einengenden Veränderungen der Lungenschlagadern könnten die krankhaften Veränderungen am Herzmuskel nicht erklären. Mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit sei neben den Auswirkungen der Linksherzschwäche (diastolische Dysfunktion bei diabetischer Kardiomyopathie) ein Schlafapnoesyndrom bei einem in der Vorgeschichte bekannten Schnarchen zu diskutieren. Den Ausführungen von Herrn Prof. Dr. V. sei schon deshalb nicht zu folgen, weil die als Ursachen diskutierten Faktoren des Herzversagens entsprechend der Dokumentation der letzten Tage des Lebens von Herrn N. nicht vorgelegen hätten.
Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht sodann ein weiteres Gutachten gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einem Arzt ihres Vertrauens eingeholt. Dieses hat Herr Prof. Dr. K. (Arzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin im Institut für Medizinische Begutachtung und Prävention, K.) unter dem 16.12.2006 erstellt. Im Gegensatz zu dem von Amts wegen bestellten Gutachter äußert Herr Prof. Dr. K. die Auffassung, zunächst könne eine stressinduzierte Kardiomyopathie nicht als Ursache des plötzlichen Herztodes ausgeschlossen werden. Zudem sei davon auszugehen, dass Hauptmann N. an einem intermittierenden psychovegetativen Erschöpfungssyndrom mit emotionaler Instabilität und depressiven Verstimmungszuständen gelitten habe. Diese Labilität habe dazu geführt, das einerseits kleinere stressogene Ereignisse zu seelischen Verstimmungszuständen geführt hätten und andererseits länger zurückliegende psychische Belastungssituationen aktuell und in Akkumulation mit anderen Störungsfaktoren zu einer psychovegetativen Erschöpfung geführt hatten. In diesem Sinne sei der psychische Zustand von Hauptmann N. am Todestag zu werten. Der plötzliche Herztod sei wahrscheinlich durch die überwiegend dienstlich bedingte individuelle Stresssituation wesentlich mitverursacht worden, womit wehrdiensteigentümliche Einflüsse als wesentliche Bedingung dafür anzusehen seien, dass der Beschädigte am 20.02.2003 verstorben sei. Des Weiteren komme eine "Kannversorgung" in Frage, denn die mangelnde Dokumentation einer entzündlichen Genese bedeute noch lange nicht, dass eine solche Entzündung nicht stattgefunden habe.
Der Beklagte ist im Gutachten von Herrn Prof. Dr. K. mit der Stellungnahme von Herrn Dr. S. vom 20.02.2007 entgegengetreten. Dieser hat ausgeführt, er könne die Ausführungen von Herrn Prof. Dr. K. in keiner Weise nachvollziehen, zumal wesentliche Befunde ignoriert würden, außerdienstliche und dienstliche Einflüsse vermengt und wage Möglichkeiten zu wesentlichen Wahrscheinlichkeiten uminterpretiert würden.
Auf Antrag der Klägerin hat sich Herr Prof. Dr. K. sodann unter dem 25.06.2007 ergänzend geäußert und ausgeführt, nach wie vor würde von Seite der Pathologen die im engen zeitlichen Zusammenhang zum plötzlichen Herztod stehende Stressakkumulation als wesentlicher Verursachungsfaktor als zu gering gewichtet bzw. negiert. Die Vorwürfe des Vorgutachters hinsichtlich der lückenhaften Würdigung interner angeblich verursachungsrelevanter Faktoren und der selektiven Herbeiziehung von Akteninhalten seien haltlos.
Zu den konträren Auffassungen hat das Gericht eine erneute gutachterliche Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. J. eingeholt. Dieser hat sodann unter dem 20.08.2007 ausgeführt, übereinstimmend zu Herrn Prof. K. sei zwar festzuhalten, dass eine entzündliche Genese der Kardiomyopathie hier nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen sei. Bedeutsamer erscheine aber, dass es keinerlei positive Verdachtsmomente für eine solche Verursachung der Herzerkrankung gäbe. Die feingeweblichen Veränderungen einer Stress-Kardiomyopathie seien völlig anders als diejenigen, wie sie bei dem Ehemann der Klägerin gefunden worden seien. Die von Herrn Prof. Dr. K. angeführten chronischen wie auch akuten seelischen Belastungen kämen weder von ihrer Intensität noch von ihrer Herkunft nach als wesentliche Teilursachen der chronischen Herzerkrankung oder des akuten Herztodes in Frage. Die wesentlichen seelischen Einflüsse entstammten dem privaten Bereich bzw. der Persönlichkeit des Ehemannes der Klägerin. Eine besondere seelische Belastung vom Zeitpunkt der Verlegung nach Afghanistan sei durch die weitgehend lückenlose Dokumentation der Ereignisse durch Zeugenaussagen ausgeschlossen. Weitaus wesentlichere Auswirkungen als die ganz entfernten und eher geringen denkbaren seelischen Einflüsse aus der Wehrdiensttätigkeit hätten die ebenfalls persönlichkeitseigenen körperlichen Faktoren des Übergewichts, wobei das Schlafapnoesyndrom als wahrscheinliche Teilkomponente zu diskutieren sei. Eine diabetische Kardiomyopathie sei ebenfalls mit Wahrscheinlichkeit am Krankheitsgeschehen beteiligt, da schon über Jahre ein Diabetes mellitus nachweislich gewesen sei.
Hinsichtlich der übrigen Einzelheiten der Beweisaufnahme und wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten bzw. auf die den Beteiligten erteilten Ablichtungen und Abschriften.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass es bezogen auf den ehemaligen Beigeladenen infolge des Straffungsgesetzes zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes gekommen ist. Ob der durch das Straffungsgesetz bestimmte Beteiligtenwechsel bzw. inwieweit dieses Gesetz als verfassungsgemäß anzusehen ist, wird derzeit durch die Senate des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) unterschiedlich beantwortet (vgl. LSG NRW Urteil vom 11.03.2008 - L 6 (10) VS 29/07 - nun anhängig beim Bundessozialgericht - BSG - B9 VS 1/08 R - und Urteil vom 05.03.2008 - L 10 V 9/05 -). Für die Beiordnung im vorliegenden Verfahren hat dieser Streit allerdings keine Relevanz, denn die Veranlassung einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nur, sofern dieser Frage Auswirkungen auf den Entscheidungsausspruch (Tenor) zukommen würde (vgl. auch Urteil LSG NRW vom 23.04.2008 - L 10 V 21/07 -).
Bezogen auf die Zulässigkeit der Klage ist hinsichtlich des gesamten Klageantrages das erforderliche Rechtschutz- und -feststellungsinteresse zu bejahen.
Die von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsansprüche ihres verstorbenen Ehemannes würden - sofern diese bestünden - als laufende Geldleistungen bei Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) auf sie als Sonderrechtsnachfolgerin übergehen. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin besteht insbesondere auch bezogen auf die Feststellung eines Ursachenzusammenhanges zwischen einer Wehrdienstbeschädigung des verstorbenen Ehemannes und dessen Tod. Über diesen Ursachenzusammenhang als Grundlage für eine Hinterbliebenenrente gem. § 38 Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat die Beklagte bei Anwendung von § 88 Abs. 2 Satz 1 a) SVG zwar nicht vorrangig zu entscheiden, gleichwohl entfaltet diese Entscheidung Anwendung von § 88 Abs. 3 SVG Bindungswirkung für den Beigeladenen. Im Regelungssatz des angefochtenen Bescheides vom 16.12.2004 hat die Beklagte auch die Feststellung getroffen, es liege kein Ursachenzusammenhang zwischen Wehrdienstbeschädigung und Tod des Ehemannes der Klägerin vor. So heißt es dort, der Tod im akuten Rechtsherzversagen sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung. Als Entscheidung der Kammer wäre zwar in Betracht gekommen, die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen bezogen auf diese Feststellung aufzuheben und die entsprechende Prüfung zwischen Wehrdienstbeschädigung und Tod für ein Verfahren auf Hinterbliebenenrente offenzulassen. Diesem ist die Kammer aber aus prozessökonomischen Gründen nicht gefolgt. Zunächst stehen die medizinischen Ermittlungen zur Prüfung einer Wehrdienstbeschädigung und die Frage einer Kausalität für den Eintritt des Todes des Ehemannes der Klägerin medizinisch im engen Zusammenhang. So drängt sich vorliegend auch der Gedanke auf, dass eine Ausgleichszahlung schon daran scheitern könnte, dass der Nachweis einer Wehrdienstbeschädigung und der Tod des Ehemannes der Klägerin als einheitlicher Vorgang anzusehen seien könnten (vgl. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" - AHP -, nunmehr vorliegend in der Fassung 2008, aber auch unverändert in der Vorauflagen Rdnr. 18 Ziffer (6)). Des Weiteren ist der Rechtstreit nach den durchgeführten Ermittlungen insoweit entscheidungsreif. Schützenswerte Interessen der Beteiligten werden nicht beeinträchtigt. Die Klägerin hat in Kenntnis der Bindungswirkung für eine Hinterbliebenenrente ausdrücklich die Feststellung eines Kausalzusammenhanges zwischen Wehrdienstbeschädigung und Tod beantragt. Die Interessen der für die Entscheidung über eine Hinterbliebenenrente zuständigen Behörde werden durch die Beiladung hinreichend gewahrt.
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung - auch im ursächlichen Zusammenhang mit dem Tod des Ehemannes der Klägerin - sowie die Zahlung eines Ausgleichs wurden durch die Beklagte in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen zu Recht verneint. Die Kammer stützt sich für die Urteilsfindung bei einer umfassenden Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles insbesondere auf die Ausführungen des von Amts wegen bestellten Gutachters Herr Prof. Dr. J. Es handelt sich bei dem benannten Gutachter um einen Sachverständigen, der insbesondere bei der Klärung von Zusammenhangsfragen überaus erfahren ist. Er ist als Kardiologe auch fachlich für die Beantwortung der gestellten Beweisfragen besonders geeignet. Demgegenüber wird das Klagebegehren durch die Ausführungen von Herrn Prof. Dr. K. nicht hinreichend und für die Kammer überzeugend gestützt.
Nach § 85 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten wegen der Folgen ihrer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulagen nach § 30 Abs. 1 und 31 des BVG. Der Klägerin steht als Sonderrechtsnachfolgerin kein Ausgleich ihres Ehemannes zu. Es fehlt - auch als Ursache für den am 20.02.2003 erlittenen Tod - die erforderliche Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 81 SVG.
Eine Wehrdienstbeschädigung ist gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist und liegt nach den in § 81 Abs. 2 SVG geregelten Sonderfällen auch vor bei einer gesundheitlichen Schädigung durch gesundheitsschädigende Verhältnisse, denen der Soldat am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war.
Bezogen auf die erforderlichen Nachweise für die Annahme einer Wehrdienstbeschädigung ist neben dem Nachweis eines entschädigungspflichtigen Tatbestandes erforderlich, dass die (Primär-)Schädigung und die Schädigungsfolgen mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind. So gilt auch hier der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen sein müssen. Beweiserleichterungen zugunsten des Betroffenen gelten im Bereich des SVG wie auch im übrigen Sozialen Entschädigungsrecht lediglich für den Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der (Primär-) Schädigung (sogenannte haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen dieser und den Schädigungsfolgen (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität). Insoweit genügt es (entgegen den diesbezüglich nicht völlig korrekten Ausführungen im Bescheid vom 01.09.2005), wenn der Ursachenzusammenhang wahrscheinlich gemacht wird (vgl. BSG-Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R-; Rundschreiben BMA vom 17.11.2000 - VI a 2 - 62 090/62 091 - BArbBl. 2001 Seite 79 -).
Im Anschluss an die durchgeführt Beweisaufnahme kommt im vorliegenden Fall - wie auch von der Klägerin im Antrag ausgeführt - das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung und einer solchen als Ursache für den Tod des Ehemannes der Klägerin im Wesentlichen unter drei Gesichtspunkten in Betracht. Bezogen auf die bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin festgestellte Kardiomyopathie ist eine Stress-Kardiomyopathie zu erwägen und zu prüfen, ob die Voraussetzungen der sogenannten "Kannversorgung" vorliegen. Des Weiteren hat die Kammer zu beurteilen, ob der Wehrdienst des verstorbenen Ehemannes der Klägerin (wesentlich mit) zu einem psychischen Leiden geführt hat, das als (Mit-) Todesursache anzusehen ist.
Zunächst ist bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin keine Wehrdienstbeschädigung in Form der von Herrn Prof. Dr. K. genannten "Stress-Kardiomyopathie" anzunehmen. So diskutiert Herr Prof. Dr. K. insoweit nicht hinreichend die erforderlichen pathologischen Herzveränderungen aufgrund derer - wie Herr Prof. Dr. J. ausführt - gerade keine "Stress-Kardiomyopathie" angenommen werden kann. Die Diagnose einer "Stress-Kardiomyopathie findet sich nicht im Ergebnis des Obduktionsberichtes wieder, in dem ausdrücklich die Diagnose einer deutlichen primären Kardiomyopathie gestellt wird.
Bezogen auf die bei dem verstorbenen Ehemann des Klägerin diagnostizierte primäre Kardiomyopathie kommt dann sowohl auf der Basis der Sachverständigengutachten als auch nach den Ausführungen in den für Begutachtungen im Sozialen Entschädigungsrecht maßgeblichen AHP (nur) eine sogenannte "Kannversorgung" in Betracht. Wie in Rdnr. 100 der AHP ausgeführt, wäre Voraussetzung für die "Kannversorgung" das Vorliegen einer primären dilatativen Kardiomyopathie, "bei der eine entzündliche Genese diskutiert wird". Entgegen den Ausführungen von Herrn Dr. S. ist auf der Basis der gutachterlichen Äußerung von Herrn Prof. Dr. J. und Herrn Prof. Dr. K. davon auszugehen, dass auch dann, wenn pathologisch nicht der Nachweis einer entzündlichen Genese der Kardiomyopathie geführt werden kann, diese nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Fraglich ist nun, ob allein diese fehlende Ausschlussmöglichkeit, unter die Passage in den AHP ("bei der eine entzündliche Genese dikutiert wird") zu subsumieren ist, wovon Herr Prof. Dr. K. ausgeht. Dies ist zur Überzeugung der Kammer allerdings zu verneinen. Den allgemeinen Ausführungen in den AHP zur "Kannversorgung" ist zu entnehmen, dass ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände in wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden muss (vgl. Rdnr. 39 Ziffer (2) b). Bezogen auf den vorliegenden Fall müssten somit bestimmte Umstände vorliegen, aufgrund derer eine entzündliche Genese konkret, zumindest theoretisch in Betracht zu ziehen wäre. Hierfür liefert der vorliegende Sachverhalt allerdings keinerlei Anhaltspunkte. Entsprechendes wird von Herrn Prof. Dr. J. ausgeführt und auch Herr Prof. Dr. K. nennt keine besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls, aufgrund derer eine entzündliche Genese konkret zu diskutieren wäre.
Letztlich kann auch bei sorgfältiger Überprüfung der Argumentation von Herrn Prof. Dr. K. kein psychisches Überlastungssyndrom bei Hauptmann N. als Wehrdienstbeschädigung und damit ein solches auch nicht als wesentliche Mitursache für den am 20.02.2003 erlittenen Tod angenommen werden. Wie bereits oben ausgeführt wurde, setzt die Annahme einer Wehrdienstbeschädigung voraus, dass Schädigung und Schädigungsfolgen mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachweisbar sind. Hieran fehlt es vorliegend.
Zunächst erscheinen die Ausführungen von Herrn Prof. Dr. K., der, gestützt auf Details in den Akten, das Bild eines zwar nach außen hin ruhigen, aber dennoch psychisch erheblich beeinträchtigten Menschen darstellt, durchaus als möglich nachvollziehbar. Diese Ausführungen entsprechen auch dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dargestellten Seelenzustand ihres Ehemannes kurz vor dessen Tode. Allerdings geht Herr Prof. Dr. K. entgegen den dargestellten Beweislastregelungen davon aus, dass es genügt, dass ein psychisches Überforderungssyndrom als wahrscheinlich angenommen werden kann (vgl. Seite 8 des Gutachtens). Bei einer Gesamtabwägung aller Umstände des vorliegenden Falles - unter Einbeziehung auch der Wertung von Herrn Prof. Dr. J. - ist zur Überzeugung der Kammer allerdings nicht nachweislich, dass bei Hauptmann N. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zeitnah zum Tode ein psychisches Überlastungssyndrom vorlag und - was auch notwendig wäre - dass dieses Überlastungssyndrom wesentlich wehrdienstbedingt ist.
Insoweit sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: Die Aussage im WDB-Blatt von Herrn Dr. R. findet keine medizinische Begründung. Es ist auch unklar, ob es sich überhaupt um eine medizinische Wertung handelt, denn die Aussage "Auslösung durch einsatzbedingte Stressfaktoren anzunehmen" erfolgt "nach Angaben anderer Personen". Diese werden nicht benannt. Herr Oberst P. weist in seiner Stellungnahme vom 03.04.2003 daraufhin, dass die mit dem Dienst verbundenen konkreten Belastungen im Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar seien. Die psychische Behandlung bei Herrn Dr. S. ab September 2001 lag zum Zeitpunkt des Todes von Hauptmann N. schon geraume Zeit zurück. Es ist der Kammer zwar nachvollziehbar, dass dem Ehemann der Klägerin der Tod der Kameraden in Afghanistan präsent wurde. Ob sich hieraus allerdings gravierende psychische Belastungsfaktoren ergaben und in welchem Ausmaß, ist ohne konkrete fachmedizinische Beurteilung zeitnah zum Tod nicht beurteilbar. Die Aussage des unmittelbaren Stubennachbarn und Weggefährten Hauptmann P., der den verstorbenen Ehemann der Klägerin im Wesentlichen als normal, beschwerdefrei und nicht psychisch auffällig beschrieb, spricht grundsätzlich gegen eine psychische Erkrankung von Hauptmann N.. Dass sich dieser nur nach außen hin ruhig zeigte, ist auf der Basis der Ausführungen von Herrn Prof. Dr. K. zwar möglich, kann aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Zudem müssen die wehrdienstbedingten psychischen Belastungsfaktoren für ein psychische Leiden von Hauptmann N. zumindest annähernd gleichwertige Bedingung seien (vgl. AHP Rdnr. 39). Insoweit ist bezogen auf den Tod ohne zeitnahe psychiatrische Untersuchung im Nachhinein nicht mehr zu differenzieren, inwieweit sich tatsächlich überwiegend wehrdienstbedingte Faktoren auf die Psyche von Hauptmann N. ausgewirkt haben oder inwieweit hier die vom Wehrdienst unabhängigen, persönlichen Stressfaktoren (insbesondere die familiäre Situation bei nicht vollendeter Baumaßnahme, die Krankheit der Mutter) und nicht wehrdienstbedingte psychische Persönlichkeitsmerkmale im Vordergrund standen.
Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer Gesundheitsstörungen, die als Wehrdienstbeschädigung von Hauptmann N. in Betracht zu ziehen wären, sieht die Kammer nicht. Die diagnostizierten Gesundheitsstörungen wurden von Herrn Prof. Dr. J. umfassend geprüft.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.