Rechtsprechung zur Pflegeversicherung / Kinder
BAYERISCHES LANDESSOZIALGERICHT
Urteil vom 19.10.1999 Az.: L 7 P 29/99
Ein an Diabetes mellitus erkranktem Kind ist in der Regel nicht Pflegebedürftig
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der beklagten Pflegekasse für die Zeit ab 24.01.1997 Pflegegeld wegen
häuslicher Pflege nach der Pflegestufe I.
Die am 1994 geborene Klägerin leidet an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, der erstmals
im November 1996 festgestellt wurde. Auf den Antrag vom 24.01.1997 auf Gewährung von Pflegegeld
wegen häuslicher Pflege ließ die Beklagte ein Gutachten ihres Medizinischen Dienstes - MDK -
erstatten. Nach einem Hausbesuch durch die Pflegefachkraft am 15.04.1997 kam Dr. im Gutachten vom
27.06.1997 zum Ergebnis, im Wesentlichen entspreche der Hilfebedarf dem Alter der damals
zweieinhalbjährigen Klägerin. Lediglich bei der Nahrungsaufnahme müsse die Klägerin angehalten
werden, die ärztlich vorgegebene Menge an Speisen zu sich zu nehmen. Diese Kontrolle falle 6 x
täglich an, wodurch aber nicht die zur Begründung der Pflegestufe I maßgebliche Zeit von mehr als
45 Minuten erreicht werde. Vierteljährlich müsse die Klägerin sich in der Diabetesambulanz der
Kinderklinik des Krankenhauses Memmingen vorstellen. Im Rahmen der hauswirtschaftlichen
Versorgung falle ein diätisch bedingter Mehrbedarf an; zweimal täglich müsse der Klägerin Insulin
gespritzt werden. Die letztgenannten Verrichtungen könnten jedoch keinen relevanten Pflegebedarf
begründen, weil sie zum einen der hauswirtschaftlichen Versorgung (Diät) und zum anderen der
Behandlungspflege (Insulinspritzen) zugeordnet werden müssten. Mit Bescheid vom 16.09.1997 lehnte
die Beklagte darauf gestützt die Gewährung von Pflegegeld ab. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg
(Widerspruchsbescheid vom 14.07.1998).
Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Dieses hat ein Gutachten des
Facharztes für innere Medizin Dr. eingeholt. Der Sachverständige ist am 15.11. 1998 zum Ergebnis
gekommen, im Bereich der Körperpflege bestehe über das altersgemäße Ausmaß die Notwendigkeit
infolge der Zuckerkrankheit die Füße, die Insulininjektionsstellen am Bauch und am Oberschenkel
sowie die Blutentnahmestellen an den Fingern zu kontrollieren. Im Bereich der Ernährung müssten
kohlehydrathaltige Bestandteile einer Mahlzeit abgewogen und den ärztlichen Vorschriften
entsprechend portioniert werden. Im Übrigen könne die Klägerin selbständig essen. Der spontane
Appetit entspreche aber häufig nicht der berechneten, medizinisch notwendigen Menge, so dass die
Klägerin ermuntert und ermahnt bzw. gezwungen werden müsse, den Teller leer zu essen. Im Bereich
der Mobilität sei im Vergleich zu gesunden, gleichaltrigen Kindern keine Hilfe in erhöhtem Maß
notwendig. Vierteljährlich müsse die Klägerin zur Diabetikerambulanz im Klinikum Memmingen und
einmal pro Monat zum Kinderarzt nach Memmingen gebracht werden. Im Bereich der
hauswirtschaftlichen Versorgung falle ein erhöhter Bedarf wegen des Einkaufens
diabetikergeeigneter Lebensmittel an. Für das Portionieren von drei Haupt- und zwei
Zwischenmahlzeiten seien 15 Minuten, für die Beaufsichtigung während der Nahrungsaufnahme mit
Anleitung und Motivation zum vollständigen Aufessen seien für fünf Mahlzeiten insgesamt 70
Minuten und für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung anläßlich des vierteljährlichen
Termins in der Diabetikerambulanz und anläßlich des monatlichen Termins beim Kinderarzt im
Durchschnitt jeweils 3 Minuten anzusetzen. Insgesamt betrage der Hilfeaufwand 88 Minuten. Das
Sozialgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.07.1999 die Mutter der Klägerin als
Zeugin vernommen. Sie hat im Wesentlichen die Anzahl der von Dr. beschriebenen Arztbesuche
bestätigt und angegeben, in Verbindung mit diesen würden Wartezeiten von durchschnittlich 30
Minuten anfallen. Dreimal täglich müsse sie ihrer Tochter Insulin spritzen. Zusätzlich sei es
erforderlich den Blutzucker zu messen. Die Speisen bereite sie entsprechend der zugelassenen
Broteinheiten zu. Das Hauptproblem bestehe darin, daß die Klägerin im Gegensatz zu ihrer jüngeren
Schwester ständig ermahnt werden müsse, die zubereitete und portionierte Nahrung aufzuessen. Sie
schätze die Zeit für die Ermahnung während der drei Hauptmahlzeiten mit insgesamt 20 Minuten und
während der zwei Zwischenmahlzeiten mit insgesamt 5 Minuten ein.
Mit Urteil vom 12.07.1999 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen
Bescheide verurteilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 24.01.1997 Leistungen nach der
Pflegestufe I bis längstens zum Schuleintritt zu erbringen. Zur Begründung hat es darauf
abgestellt, dass zwar das Ausrechnen von Broteinheiten und die Vorbereitung der Nahrung
einschließlich des diätischen Kochens in den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung falle,
was jedoch nicht für die unmittelbare Portionierung und Zuteilung der bereits zubereiteten
Speisen gelte. Hierfür seien jeweils 2 bis 3 Minuten anzusetzen. Entsprechend den Ausführungen
des Sachverständigen Dr. und den glaubhaften Angaben der Mutter der Klägerin seien zur
Sicherstellung der Nahrungsaufnahme eine zeitintensive Überwachung und Motivation der Klägerin
erforderlich. Hierfür seien insgesamt täglich 70 Minuten anzusetzen. Dies sei nicht im Sinne
eines allgemeinen Aufsichts- und Überwachungsbedarfs zu verstehen, sondern falle unmittelbar im
Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme an. Darüber hinaus benötige die Klägerin Hilfe im Bereich
der Mobilität. Zwölfmal pro Jahr müsse der Kinderarzt und viermal pro Jahr die Diabetikerambulanz
aufgesucht werden. Die Begleitung der Klägerin hierbei sei als Hilfebedarf im Sinne der §§ 14,15
des XI.Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB XI - zu verstehen. Damit seien die Voraussetzungen der
Pflegestufe I erfüllt. Leistungen seien allerdings längstens bis zum Schuleintritt zu gewähren,
weil ab diesem Zeitpunkt damit gerechnet werden könne, dass die Einsichtsfähigkeit der kindlichen
Klägerin soweit fortgeschritten sein werde, dass auf die Förderung der Eltern verzichtet werden
könne. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, das
Portionieren der Speisen gehöre zu den hauswirtschaftlichen Verrichtungen. Die Begleitung zu
Arztbesuchen sei kein maßgeblicher Hilfebedarf i.S. der §§ 14,15 SGB XI, weil dieser nicht
wenigstens wöchentlich anfalle. Das bloße Ermahnen beim Essen könne höchstens mit fünfmal
5 Minuten, insgesamt 25 Minuten, angesetzt werden, weil die beim Essen anwesende Mutter der
Klägerin daneben andere Verrichtungen, wie die eigene Nahrungsaufnahme, vornehmen könne. Im
Übrigen würde dabei lediglich Hilfe bei einer Verrichtung benötigt, so dass auch aus diesem Grund
die Voraussetzungen zur Gewährung von Pflegegeld nicht erfüllt würden.
Die Klägerin hat die von ihr zunächst eingelegte Anschlussberufung wieder zurückgenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12.07.1999 aufzuheben und die Klage gegen den
Bescheid vom 16.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1998
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12.07.1999
zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts hinsichtlich der weiteren Einzelheiten gemäß § 136
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auf den Inhalt der Aktenheftung der Beklagten sowie der
Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143,151 SGG) und auch begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von
Pflegegeld wegen häuslicher Pflege gemäß §§ 14,15 Abs.1 Nr.1 und Abs.3 Nr.1 SGB XI. Der bei der
Klägerin anfallende Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege erreicht nicht das dort festgelegte
Ausmaß von mehr als 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt. Nach § 14 Abs.1 SGB XI sind
pflegebedürftig im Sinne dieses Gesetzes solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen
oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden
Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe
bedürfen. Berücksichtigungsfähig ist in diesem Zusammenhang allein der Umfang des Pflegebedarfs
bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die Absatz 4 dieser Vorschrift
im Bereich der Körperpflege, Ernährung und Mobilität sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen
Versorgung nennt. Darüber hinaus ist im Falle der kindlichen Klägerin darauf abzustellen, ob sie
wegen ihrer Erkrankung im Vergleich zu gesunden, gleichaltrigen Kindern einen Mehrbedarf an
Pflege hat. Nach den Feststellungen des MDK und des Dr. leidet die Klägerin an insulinpflichtigem
Diabetes. Durch diese Erkrankung ist sie im Bereich der Mobilität in keiner Weise beeinträchtigt.
Ebensowenig liegt eine geistige Retadierung vor, die einen besonderen über das altersgemäße
Ausmaß hinausgehenden Hilfebedarf begründen würde. Die Klägerin ist jedoch wegen ihrer Erkrankung
darauf angewiesen, eine bestimmte Diät gewissenhaft einzuhalten. Insbesondere ist die Nahrung auf
Broteinheiten abzustellen. Die jeweilige Mahlzeit muss nicht nur berechnet, abgewogen und
zusammengestellt, sondern auch entsprechend portioniert werden. Nach den Ausführungen des
Bundessozialgerichts - BSG - in den Urteilen vom 19.02.1998 (Az.: B 3 P 11/97 R) und 17.06.1999
(Az.: B 3 P 10/98 R) fällt die Tätigkeit des Berechnens, Abwiegens, Zusammenstellens und
Zubereitens der Speisen der für diabeteserkrankte Personen erforderlichen Diät unter die
Verrichtung Kochen. Sie ist damit dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen und
nicht der Grundpflege. Etwas anderes gilt, soweit die Klägerin beaufsichtigt und angehalten
werden muss, die vorgegebene Nahrung zu sich zu nehmen. In diesem Zusammenhang hat das BSG im
Urteil vom 29.04.1999 (Az.: B 3 P 12/98 R) hervorgehoben, bei einem Kind bestehe auch dann ein
relevanter Hilfebedarf, wenn es zum Essen angehalten werden müsse, weil bei ihm die
Einsichtsfähigkeit dafür fehle, dass es aus Gesundheitsgründen notwendig sei, Widerwillen
erregende Speisen oder Speisen in großen Mengen über den Appetit hinaus einzunehmen. Während bei
einem Kleinkind die Einhaltung der erforderlichen überhöhten Nahrungsmittelzufuhr angesichts
krankheitsbedingter Appetitlosigkeit ständiger Überwachung und Kontrolle bedürfe, entwickle ein
Jugendlicher zunehmend Einsicht für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen und bedürfe schließlich
keiner fremden Hilfe mehr. Insoweit sind die Erwägungen des Sozialgerichts wohl zutreffend, als
es einen solchen Hilfebedarf bei der Klägerin nur bis zu ihrer Einschulung angenommen hat. Jedoch
reicht der hiernach relevante Hilfebedarf zum einen nicht aus, die im Gesetz vorgegebene
Mindestzeit von mehr als 45 Minuten auszufüllen und zum anderen ist keine Hilfe für eine weitere
Verrrichtung im Bereich der Grundpflege notwendig, was noch auszuführen ist. Mit zutreffenden
Gründen hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass ein ledigliches Anleiten und Ermuntern während
der drei Hauptmahlzeiten und der zwei Nebenmahlzeiten nicht die volle Zeit der Nahrungsaufnahme
umfasst und es der Pflegeperson erlaubt, nebenher andere Verrichtungen zu erledigen. Es ist zwar
eine medizinische Frage, festzustellen, ob aus gesundheitlichen Gründen eine solche Anleitung und
Kontrolle notwendig ist, der hierfür erforderliche Zeitumfang bedarf jedoch der richterlichen
Einschätzung gemäß § 287 Zivilprozeßordnung - ZPO -. Abgesehen von der Tatsache, dass die
Klägerin zum Antragszeitpunkt erst zwei Jahre alt war und zum jetzigen Zeitpunkt knapp fünf Jahre
alt ist, sich also in einem Alter befindet, in dem auch ein gesundes, gleichaltriges Kind bei der
Mahlzeit üblicherweise nicht unkontrolliert bleibt, kann der Zeitaufwand für die Ermahnung und
Kontrolle nicht mit der Gesamtdauer des Essensvorgangs gleichgesetzt werden. Angemessen erscheint
ein Zeitaufwand von fünfmal fünf Minuten im Tagesdurchschnitt, wodurch die notwendige Grenze des
maßgeblichen Hilfebedarfs von mehr als 45 Minuten nicht überschritten wird.
Darüber hinaus bedarf die Klägerin keiner weiteren Hilfe bei einer im Katalog des § 14
Abs.4 SGB XI genannten Verrichtung es Grundpflegebereichs. Entgegen der Auffassung des
Sozialgerichts ist der zeitliche Aufwand für die Begleitung bei der vierteljährlich einmal
anfallenden Fahrt zur Diabetikerambulanz und zu dem einmal pro Monat anfallenden Besuch beim
Kinderarzt nicht als Hilfe beim Verlassen und Aufsuchen der Wohnung berücksichtigungsfähig. Denn
das Gesetz stellt in § 15 Abs.3 SGB XI mit hinreichender Deutlichkeit klar, dass für die
Bemessung des für die Pflege erforderlichen Zeitaufwands auf die Woche abzustellen ist. Aus dem
gesamten in der Woche anfallenden Pflegeaufwand ist der Tagesdurchschnitt zu ermitteln. Dies
schließt es aus, bei der Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs auch Verrichtungen
einzubeziehen, die seltener als mindestens einmal wöchentlich anfallen (so BSG in Urteil vom
29.04.1999 a.a.O.). Der Frage, ob eine Begleitung zu Arztbesuchen auch bei gesunden Kindern im
Alter zwischen zwei und fünf Jahren die Regel ist, brauchte der Senat bei dieser Konstellation
nicht weiter nachzugehen. Damit steht fest, dass ausschließlich die Kontrolle und Anleitung bei
der Nahrungsaufnahme einen relevanten Pflegebedarf begründet. Die Voraussetzungen des § 15 Abs.1
Nr.1 SGB XI sind nicht erfüllt, wonach für wenigstens zwei Verrichtungen mindestens einmal
täglich eine Hilfe notwendig sein muß. Nach den Entscheidungen des BSG vom 24.06.1998 (Az.: B 3 P
1/97 R) und vom 17.06.1999 (B 3 P 10/98) ist das Erfordernis der Hilfe bei wenigstens zwei
Verrichtungen kein gesetzgeberisches Versehen. Vielmehr lässt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren
erkennen, dass ursprünglich mindestens drei Verrichtungen für notwendig erachtet wurden und
schließlich im Vermittlungsausschuß auf zwei Verrichtungen gesenkt wurden. Dies verbietet es,
eine andere Interpretation vorzunehmen. Im hier zu entscheidenden Fall wird weder die Vorgabe
eines mehr als 45 minütigen täglichen Hilfebedarfs, noch die Voraussetzung des Hilfebedarfs bei
wenigstens zwei Verrichtungen erfüllt. Damit steht fest, dass der Klägerin kein Anspruch auf
Gewährung von Pflegegeld wegen häuslicher Pflege nach den §§ 37,14,15 SGB XI zusteht. Auf die
Berufung der Beklagten war das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12.07.1999 aufzuheben und
die Klage gegen den Bescheid vom 16.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
14.07.1998 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Klärung grundsätzlicher Fragen nicht erforderlich ist
und eine Abweichung von der vorgegebenen Rechtsprechung des BSG nicht erkennbar ist (§ 160 Abs. 2
Nrn. 1 und 2 SGG).
BSG Urteil vom 5.8.99 Az: B 3 P 1/99 R
1. Die Begleitung eines pflegebedürftigen Kindes zur Schule zählt nicht zum berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf.
Tatbestand
Bei dem im Juli 1985 geborenen, bei der beklagten Pflegekasse familienversicherten Kläger wurde wegen
einer Niereninsuffizienz seit dem 15. März 1996 eine Heimdialyse durchgeführt. Am 21. März 1996
beantragte er Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung, das die Beklagte nach Begutachtung durch
den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) gemäß Pflegestufe I bewilligte (Bescheid vom 23.
April 1996); der auf Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II gerichtete Widerspruch wurde
zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 18. November 1996). Am 4. Januar 1997 wurde dem Kläger
eine Niere transplantiert, die eine weitere Dialysebehandlung entbehrlich machte.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er habe bis zum 4. Januar 1997 Pflegebedarf bei der
Nahrungsbesorgung und -zubereitung, der Anfertigung des Dialyseprotokolls und der Gerätewartung gehabt,
außerdem habe er viermal täglich 20 Minuten, ab August 1996 wegen Schulwechsels jeweils 30 Minuten
zur Schule und zurück gefahren werden müssen. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte für die Zeit vom
15. März 1996 bis zum 4. Januar 1997 zu Leistungen nach Pflegestufe II verurteilt (Urteil vom 23. Juni 1998).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 26. November
1998) und ausgeführt, die Pflegebedarfsberechnung des SG mit mindestens 160,5 Minuten täglicher
Grundpflege (Waschen, Duschen, Aufstehen/Zubettgehen, An-/Auskleiden zusammen 65 Minuten,
Arztbesuche 38,5 Minuten sowie Begleitung zur und von der Schule 57-85 Minuten) und 85 Minuten
hauswirtschaftlicher Versorgung sei im wesentlichen zutreffend. Das gelte insbesondere für den gesetzlich
vorgeschriebenen Schulbesuch. Den Schulbus habe der Kläger wegen unberechenbaren Verhaltens der
Mitschüler und der dadurch bedingten Verletzungs- und Infektionsgefahr bei außenliegendem
Dialysekatheter nicht benutzen können. Daher könne offenbleiben, ob von dem vom SG berechneten
Grundpflegebedarf die nur 10,5 Minuten täglich betragenden Wartezeiten beim Arzt abgezogen werden
müßten.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 14 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Der
Schulbesuch sei nicht zu berücksichtigen, weil er für die Aufrechterhaltung der häuslichen Lebensführung
des Klägers nicht erforderlich gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. November
1998 sowie das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23. Juni 1998
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet; die Urteile der Vorinstanzen waren abzuändern, die Klage war
abzuweisen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, weil der Kläger keinen Anspruch auf
Leistungen gemäß Pflegestufe II nach dem SGB XI hat.
Der Anspruch auf Pflegegeld, den der Kläger seit dem 1. März 1996, also einem Zeitpunkt nach dem
Inkrafttreten des Leistungsrechts der Pflegeversicherung am 1. April 1995 (Art 68 Abs 2 des
Pflege-Versicherungsgesetzes <PflegeVG> vom 26. Mai 1994, BGBl I, 1014) geltend macht, setzt gemäß §
37 Abs 1 SGB XI voraus, daß Pflegebedürftigkeit iS des § 14 SGB XI vorliegt. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind
pflegebedürftig iS des SGB XI solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen
Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf
des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Die gewöhnlich und
regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen werden in Abs 4 der Vorschrift in die Bereiche Körperpflege,
Ernährung und Mobilität (Grundpflege) sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufgeteilt.
Nach § 15 Abs 1 Nr 2 SGB XI in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl I,
1014), der durch das 1. SGB XI-Änderungsgesetz (1. SGB XI-ÄndG) vom 14. Juni 1996 (BGBl I, 830) zu §
15 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI geworden ist, setzt die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe II
(Schwerpflegebedürftige) voraus, daß er bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens
dreimal täglich zu verschiedenen Zeiten und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen
Versorgung der Hilfe bedarf. Dabei gehören zum Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden,
die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- und Blasenentleerung, zum Bereich der Ernährung
das mundgerechte Zubereiten und die Aufnahme der Nahrung und zum Bereich der Mobilität das
selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie das
Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (§ 14 Abs 4 Nrn 1 bis 3 SGB XI). Zusätzlich wird nach § 15
Abs 3 Nr 2 SGB XI (idF des 1. SGB XI-ÄndG) vorausgesetzt, daß der Zeitaufwand, den eine nicht als
Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der
hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, täglich im Wochendurchschnitt drei Stunden beträgt, wobei auf
die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen. Der Senat hat bereits entschieden, daß ein in
der ursprünglichen Fassung des § 15 Abs 3 SGB XI enthaltenes Regelungsdefizit bezüglich der für die
einzelnen Pflegestufen erforderlichen zeitlichen Mindestvoraussetzungen durch die Neufassung des § 15
Abs 3 SGB XI zum 25. Juni 1996 auch für die zurückliegende Zeit seit dem Inkrafttreten des SGB XI
ausgefüllt worden ist (Urteil vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr 6).
Bei Kindern hängt die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen grundsätzlich von denselben
Voraussetzungen ab wie bei Erwachsenen. Es ist jedoch nicht der gesamte, sondern nur der zusätzliche
Hilfebedarf (Mehrbedarf, Mehraufwand) gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend (§ 15
Abs 2 SGB XI); die Vorschrift gibt auch keine Handhabe, den fehlenden oder nicht ausreichenden oder für
eine höhere Pflegestufe nicht ausreichenden Hilfebedarf eines Kindes bei der Grundpflege mit Hilfe eines
besonders hohen hauswirtschaftlichen Mehrbedarfs - im Vergleich zu gesunden Kindern - auszugleichen (vgl
zum Ganzen BSGE 82, 27, 36 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 4, Urteil des Senats
vom 26. November 1998, B 3 P 20/97 R sowie Urteil des 10. Senats vom 27. August 1998, B 10 KR 4/97 R
- beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen gemäß der Pflegestufe II scheitert daran, daß der dafür
erforderliche Grundpflegebedarf von mindestens 120 Minuten täglich nicht vorliegt. Der im streitbefangenen
Zeitraum ca zehneinhalb bis elfeinhalb Jahre alte Kläger hatte im Vergleich zu gesunden Kindern keinen
Mehrbedarf an Grundpflege in diesem Umfang. Für die Zuordnung zu einer Pflegestufe ist, wie der Senat
bereits mit Urteil vom 19. Februar 1998 (B 3 P 3/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr 2 - inzwischen st Rspr)
entschieden hat, nur der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlichen und wiederkehrenden
Verrichtungen maßgebend, die in § 14 Abs 4 SGB XI genannt sind. Nach den unangegriffenen
Feststellungen des LSG kann beim Kläger für Waschen/Duschen, Aufstehen/Zubettgehen, An-/Auskleiden
ein Pflegebedarf von zusammen 65 Minuten täglich angesetzt werden. Darüber hinaus kann dahinstehen, ob
außerdem Arztbesuche mit Wartezeiten von 38,5 Minuten täglich einzurechnen sind. Denn der addierte
Grundpflegebedarf von höchstens 113,5 Minuten erreicht auch dann nicht den genannten Grenzwert für die
Pflegestufe II. Es kann ferner dahinstehen, ob die Begleitung des Klägers zur Schule überhaupt notwendig
war. Das LSG hat dazu keine Feststellungen getroffen, sondern ohne Prüfung der Alternative, ob der Kläger
nicht mit einem Fahrrad oder auch einem Taxi in zumutbarer Weise hätte zur Schule fahren können, ohne
eine Begleitperson in Anspruch zu nehmen, die Notwendigkeit bejaht. Deshalb bedarf es aber keiner
Zurückverweisung des Rechtsstreits.
Die Revision macht nämlich zu Recht geltend, daß die Begleitung des Klägers auf dem Schulweg nicht als
Grundpflegebedarf iS der §§ 14, 15 SGB XI gewertet werden kann. Denn diese Hilfe kann keiner der
Verrichtungen des § 14 Abs 4 SGB XI zugerechnet werden. In Betracht kommt dabei nur die Verrichtung im
Bereich der Mobilität "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI). Zu dieser
Verrichtung hat der Senat bereits entschieden, daß aus dem Wortlaut der Vorschrift, die nur den Vorgang
als solchen anführt und bezüglich der außerhalb der Wohnung verfolgten Zwecke keine Angaben macht,
nicht geschlossen werden dürfe, der Gesetzgeber habe die Hilfe zu jeglichem Zweck sowie in jedem
zeitlichen Umfang als notwendigen Hilfebedarf miteinbeziehen wollen. Die Hilfe außerhalb der Wohnung
muß vielmehr erforderlich sein, um ein Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen. Die Begleitung
einer geistig behinderten Erwachsenen zur Haltestelle des Busses, mit dem sie den Weg zu einer
Behindertenwerkstatt zurücklegt, hat der Senat nicht als Pflegebedarf iS des SGB XI gewertet (BSG SozR
3-3300 § 14 Nr 5). Ganz ähnlich hat der Senat (Urteil vom 20. November 1998, B 3 P 20/97 R - zur
Veröffentlichung vorgesehen -) die Begleitung zu einer rehabilitativen Förderungsmaßnahme für ein
entwicklungsbehindertes Kind nicht als ausreichend angesehen, weil die Maßnahme nicht für die
Aufrechterhaltung der häuslichen Existenz unerläßlich war, sondern der (rehabilitativen) Besserung des
Gesundheitszustandes diente. In einer weiteren Entscheidung (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 6) hat der Senat
mit entsprechender Begründung auch die notwendige Begleitung eines Pflegebedürftigen auf dem Weg zur
Arbeitsstelle unberücksichtigt gelassen.
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Dabei ist mit dem LSG davon auszugehen, daß der
Schulbesuch des Klägers nicht nur zur Erfüllung der Schulpflicht, sondern auch zur altersgerechten
Entwicklung und Sozialisation im schulischen wie außerschulischen Zusammenleben mit gleichaltrigen
Schulkameraden erforderlich war. Wie der Senat bereits in einer Reihe von Entscheidungen entwickelt hat,
will die gesetzliche Pflegeversicherung aber nicht sämtliche Risiken der Pflegebedürftigkeit abdecken,
sondern in mehrfacher Hinsicht nur ein begrenztes gesetzgeberisches Zielprogramm verwirklichen. Dazu
dient vor allem der abgeschlossene Katalog der Verrichtungen des § 14 Abs 4 SGB XI, der lediglich
körperliche Grundvoraussetzungen erfaßt und die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit an die Unfähigkeit zur
Ausführung dieser für die Aufrechterhaltung eines eigenen Haushalts nötigen Verrichtungen knüpft. Das hat
zur Folge, daß auch Hilfen bei dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nur insoweit zur
berücksichtigen sind, als sie für das Weiterleben in der Wohnung unerläßlich sind.
Das ist bei einer Begleitung zur Ermöglichung des Schulbesuchs, auch im Rahmen der Schulpflicht, nicht
der Fall. Das LSG hat zwar zu Recht betont, daß der Schulbesuch des Klägers das Ziel verfolge, ihn
lebenstüchtig zu machen. Insoweit mag Schulbildung auch als Grundbedürfnis zu bezeichnen sein, das
etwa bei der Versorgung mit Hilfsmitteln im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung berücksichtigt
wird (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22; SozR 2200 § 182 Nr 73). Das bedeutet aber nicht, daß eine
Schulausbildung auch im Bereich der Pflegeversicherung als Grundbedürfnis zu berücksichtigen ist, wie das
LSG anscheinend gefolgert hat. Denn die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung knüpft an
anderen Voraussetzungen an. Die Versorgung mit Hilfsmitteln hat dort zum Ziel, nicht nur die eigene
Haushaltsführung aufrechtzuerhalten, sondern auch die sonstigen existentiellen Bedürfnisse nach
Kommunikation, nach Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und auf Schaffung eines gewissen
körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 66, 245, 246 = SozR 3-2500 § 33 Nr 1; stRspr) zu erfüllen.
Daß auch die Teilnahme am Schulbesuch darunter fällt, ist auf die ursprüngliche Gesetzesfassung
zurückzuführen, die als Ziel der Hilfsmittelversorgung im Krankenversicherungsrecht die Wiederherstellung
der Arbeitsfähigkeit genannt hat (§ 187 Nr 3 RVO idF vor dem RehaAnglG). Die Rechtsprechung hat dieses
mit der Ausweitung des Kreises der Versicherten entsprechend auf die Schulfähigkeit von Schülern
ausgedehnt (vgl BSGE 30, 15 = SozR Nr 37 zu § 182 RVO). Bei den späteren Gesetzesänderungen ist das
Ziel der Hilfsmittelversorgung, die Arbeitsfähigkeit herzustellen, nicht mehr ausdrücklich genannt worden.
Die Krankenkassen sind dafür aber umfassend zur medizinischen Rehabilitation verpflichtet worden (vgl § 21
Abs 1 Nr 2 Buchst e SGB I; § 11 Abs 2 SGB V), so daß nach wie vor die Herstellung der Arbeitsfähigkeit
wie auch der Schulfähigkeit darunter fällt.
Für die Leistungspflicht der Pflegeversicherung läßt sich daraus nichts herleiten. Die Begleitung eines
Pflegebedürftigen zur Schule fällt auch nicht aus dem Grunde in den Aufgabenbereich der
Pflegeversicherung, weil sie zur Aufrechterhaltung einer eigenständigen Haushaltsführung erforderlich sei,
wie das LSG ohne nähere Begründung gemeint hat. Es ist zwar einzuräumen, daß die in der Schule
vermittelten Fähigkeiten und Kenntnisse auch der eigenständigen Haushaltsführung zugute kommen. Sie
zielen aber nicht vorrangig darauf ab, sondern sollen generell die Voraussetzungen für ein eigenständiges
Leben in der Gesellschaft und für die Ausübung eines Berufs schaffen. In dieser Zielrichtung besteht kein
Unterschied zu den Maßnahmen, mit denen bestimmte Gruppen von körperlich oder geistig Behinderten
befähigt werden sollen, sich selbst zu versorgen und ihre eigene Existenz zu sichern. Werden Hilfen in
diesem Bereichen erforderlich, fallen sie entweder in die Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers oder in
den Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe für Behinderte, für den der Sozialhilfeträger auch nach
Einführung der Pflegeversicherung (vgl § 13 Abs 2 Satz 3 SGB XI) zuständig geblieben ist. Zu den
Maßnahmen der Eingliederungshilfe zählt nach § 40 Abs 1 Nr 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
insbesondere die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung, vor allem im Rahmen der allgemeinen
Schulpflicht und durch Hilfe zum Besuch weiterführender Schulen. Darunter fällt auch eine notwendige
Begleitung auf dem Schulweg (VG Gießen, Beschluß vom 27. August 1997, 6 G 754/97, Juris), ebenso wie
dies bei der Begleitung zur Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte der Fall ist (vgl BSG SozR
3-3300 § 14 Nr 5). Sie sind gleichermaßen nicht dem Pflegebedarf der Pflegeversicherung zuzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
BSG Urteil vom 28.6.2001 Az: B 3 P 12/00 R
Zur Grundpflege gehört nach § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI - auch bei Kindern- nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme. Dies schließt bei an Stoffwechselstörungen leidenden Personen die Einbeziehung solcher Hilfe in die Grundpflege aus, die nur dazu dienen, die Verträglichkeit der Nahrung sicherzustellen (zB durch besonderes Einkaufen, Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen).
Tatbestand
Es ist streitig, ob dem Kläger zu 1. (im folgenden: der Kläger) Pflegegeld nach der Pflegestufe I und der
Klägerin zu 2. (im folgenden: die Klägerin) Pflegegeld nach der Pflegestufe II zusteht.
Der 1986 geborene Kläger und die 1991 geborene Klägerin sind im Rahmen der Familienversicherung bei
der Beklagten gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert. Sie sind Schüler und leben mit zwei nicht erkrankten Geschwistern im elterlichen Haushalt. Seit ihrer Geburt leiden sie an der sehr seltenen, in
Krisensituationen lebensbedrohlichen sog Ahornsirupkrankheit. Es handelt sich um eine angeborene
Störung im Stoffwechsel beim Abbau der Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Die Kläger haben
deswegen strenge Diätvorschriften einzuhalten.
Am 11. April 1996 beantragten die Kläger Pflegegeld. Sie trugen vor, die dreimal täglich mit einer
Gesamtmenge von je 0,2 l einzunehmenden Aminosäuremischungen hätten auch bei Zugabe mildernder
Zutaten (zB Zucker) einen unangenehmen Geschmack, so daß wegen der vorgeschriebenen
lebensnotwendigen Einnahme ständig Zuspruch, Überwachung und ggf auch Zwang erforderlich sei. Neben
der Spezialdiät dürften nur eiweißarme oder eiweißfreie Lebensmittel verzehrt werden. Der dabei zu
beachtende Gehalt an bestimmten Aminosäuren ändere sich je nach dem Ergebnis der
Blutspiegelbestimmung in der Kinderklinik in Freiburg wöchentlich, zum Teil auch in kürzeren Abständen.
Die Überwachung der Ernährung und des Stoffwechsels erfolge durch die Eltern, die geschult seien,
frühzeitig eventuelle Stoffwechselentgleisungen zu erkennen und abzufangen. Sie entnähmen auch einmal
wöchentlich, bisweilen öfter, Blutproben, schickten diese zur Untersuchung nach Freiburg und setzten die
telefonisch mitgeteilten Untersuchungsergebnisse um. Falls es zu Stoffwechselentgleisungen komme,
müsse ihnen von den Eltern eine nasogastrale Verweilsonde gelegt und hochkalorische Sondernahrung per
Infusomat verabreicht werden.
Die Beklagte hat die Anträge abgelehnt (Bescheide vom 21. Mai 1996; Widerspruchsbescheide vom 1. Juli
1997): Die bei den Klägern krankheitsbedingt erforderlichen Stoffwechselkontrollen und Venenpunktionen
sowie das Legen der nasogastralen Verweilsonde seien der Behandlungspflege zuzuordnen. Die aufwendige
Zubereitung der Diätnahrung sei Teil der hauswirtschaftlichen Versorgung. Bei den Verrichtungen der
Grundpflege gebe es nur einen Hilfebedarf bei der Ernährung (Nahrungsaufnahme), also nicht - wie
erforderlich - bei mindestens zwei Verrichtungen der Grundpflege. Zudem übersteige der durchschnittliche
tägliche Grundpflegebedarf denjenigen gesunder gleichaltriger Kinder nicht um 45 Minuten.
Das Sozialgericht (SG) hat den Klagen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Pflegegeld
nach der Pflegestufe I (Urteil vom 26. November 1997 - S 5 P 2271/97) und der Klägerin Pflegegeld nach der
Pflegestufe II ab 11. April 1996 zu gewähren (Urteil vom 26. November 1997 - S 5 P 3547/97). Das
Landessozialgericht (LSG) hat beide Verfahren miteinander verbunden und die Berufungen der Beklagten
zurückgewiesen (Urteil vom 17. Dezember 1999): Der Kläger habe einen täglichen Grundpflegebedarf von 60
Minuten und einen hauswirtschaftlichen Versorgungsbedarf von ebenfalls 60 Minuten. Die "Portionierung"
der zuvor zubereiteten speziellen Aminosäurengemische und der Spezialdiät sei der mundgerechten
Nahrungszubereitung (15 Minuten) zuzurechnen. Die intensive Kontrolle der Nahrungsaufnahme erfordere
über den Tag hinweg insgesamt weitere 15 Minuten. Der deutlich erhöhte Grundpflegebedarf bei den
regelmäßig etwa einmal monatlich auftretenden Stoffwechselentgleisungen mache auf jeden Tag eines
Jahres umgerechnet zusätzlich 30 Minuten aus. Bei der Klägerin sei der Grundpflegebedarf auf täglich 130
Minuten zu bemessen, weil die Kontrolle der Nahrungsaufnahme bei ihr noch deutlich zeitaufwendiger sei
(55 Minuten) und die Stoffwechselentgleisungen vermehrt vorkämen (zusätzlicher Grundpflegebedarf auf
jeden Tag umgerechnet 60 Minuten). Der Hilfebedarf bei der mundgerechten Nahrungszubereitung sei
demgegenüber nicht erhöht (15 Minuten); auch der hauswirtschaftliche Versorgungsbedarf entspreche dem
ihres Bruders (60 Minuten).
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 14 Abs 4 und 15 Abs 1 und 3 Sozialgesetzbuch
Elftes Buch (SGB XI): Die Zusammenstellung, Herstellung und Zuteilung jeder Form von Diätnahrung sei
allein der Verrichtung Kochen und damit der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen. Ein vermehrter
Hilfebedarf bei der Grundpflege im Falle gesundheitlicher Krisen dürfe nur berücksichtigt werden, wenn die
Krisen regelmäßig mindestens einmal wöchentlich auftreten. Damit reduziere sich der Grundpflegebedarf
beim Kläger auf täglich nur 15 Minuten, was schon in zeitlicher Hinsicht für die Pflegestufe I nicht ausreiche.
Die Klägerin habe zwar einen für die Pflegestufe I ausreichenden Grundpflegebedarf von 55 Minuten; dieser
Bedarf bestehe aber wie bei ihrem Bruder ausschließlich bei nur einer Verrichtung der Grundpflege, nämlich
der Nahrungsaufnahme. Die Pflegestufe I verlange aber einen täglichen Hilfebedarf bei wenigstens zwei
Verrichtungen der Grundpflege.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1999 und des SG
Freiburg vom 26. November 1997 zu ändern und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil als zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, weil beide Kläger
nicht, wie nach § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI gefordert, einen täglichen Hilfebedarf bei wenigstens zwei
Verrichtungen der Grundpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI) aufweisen.
A) Kläger G. S.
Der Anspruch auf Pflegegeld, den der Kläger seit dem 11. April 1996, also einem Zeitpunkt nach dem
Inkrafttreten des Leistungsrechts der Pflegeversicherung am 1. April 1995 (Art 68 Abs 2 des
Pflege-Versicherungsgesetzes <PflegeVG> vom 26. Mai 1994, BGBl I, 1014) geltend macht, setzt gemäß §
37 Abs 1 SGB XI voraus, daß Pflegebedürftigkeit iS des § 14 SGB XI vorliegt. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind
pflegebedürftig iS des SGB XI solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen
Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf
des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Zu berücksichtigen ist
mithin ausschließlich der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden
Verrichtungen, die Abs 4 der Vorschrift in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Grundpflege)
sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufteilt. Nach § 15 Abs 1 Nr 1 SGB XI in der
ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl I, 1014), der durch das 1. SGB
XI-Änderungsgesetz (1. SGB XI-ÄndG) vom 14. Juni 1996 (BGBl I, 830) zu § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI
geworden ist, setzt die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige)
voraus, daß er bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus
einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der
Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt werden. Dabei gehören zum Bereich der
Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- und
Blasenentleerung, zum Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten und die Aufnahme der Nahrung
und zum Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen,
Stehen, Treppensteigen sowie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3
SGB XI). Bei Kindern ist für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf (Mehrbedarf) gegenüber einem
gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend (§ 15 Abs 2 SGB XI). Das LSG hat zu Unrecht angenommen, daß
der Kläger einen Hilfebedarf bei zwei Verrichtungen aus dem Bereich der Ernährung habe. Hilfebedarf
besteht lediglich bei der Verrichtung "Nahrungsaufnahme" im wesentlichen in der Form der genauen
Kontrolle, nicht aber bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung.
1. Das vom Kläger geltend gemachte aufwendige diätgerechte Zusammenstellen, Zubereiten und Zuteilen
der Nahrung gehört nicht zur Grundpflege. Im Bereich der Ernährung unterscheidet § 14 Abs 4 SGB XI
zwischen der mundgerechten Zubereitung und der Aufnahme der Nahrung einerseits, wobei ein Hilfebedarf
bei diesen Verrichtungen der Grundpflege (§ 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI) zuzuordnen ist, und den Verrichtungen
"Einkaufen" und "Kochen" andererseits, die dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs 4
Nr 4 SGB XI) zugewiesen sind. Die Vorschrift differenziert allein nach dem äußeren Ablauf der
Verrichtungen; sie knüpft nicht an das mit der Verrichtung angestrebte Ziel an. Bezogen auf den
Lebensbereich "Ernährung" bedeutet dies, daß nicht umfassend alle Maßnahmen einzubeziehen sind, die
im konkreten Einzelfall im weitesten Sinn dem Ernährungsvorgang zugeordnet werden können. Zur
Grundpflege gehört nach § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI vielmehr nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst
sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der Fertigstellung der Mahlzeit
krankheits- oder behinderungsbedingt noch erforderlich wird (BT-Drucks 12/5262, S 96, 97; Wilde in:
Hauck/Wilde, SGB XI, § 14 RdNr 34b). Dies schließt, wie vom Senat bereits entschieden (Urteil vom 19.
Februar 1998 - B 3 P 3/97 R - BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2), bei an Stoffwechselstörungen
leidenden Personen die Einbeziehung solcher Hilfen in die Grundpflege aus, die nur dazu dienen, die
Verträglichkeit der Nahrung sicherzustellen (zB durch besonderes Einkaufen, Berechnen, Zusammenstellen
und Abwiegen), wenn derartige Maßnahmen nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit den im Katalog
aufgeführten Verrichtungen der Grundpflege vorgenommen werden müssen. Der Senat folgt nicht der
Auffassung, wonach bei einem an einer diätpflichtigen Stoffwechselstörung leidenden Kind das Berechnen,
Zusammenstellen und Abwiegen der Mahlzeiten zum "mundgerechten Zubereiten" der Nahrung gehöre, weil
dem Kind eine Mahlzeit nur dann "munden" könne, wenn sie mit Hilfe aufwendiger Vorbereitungen genau
berechnet sowie zubereitet sei, und es andernfalls durch die Nahrung in Lebensgefahr gebracht werde (vgl
Urteil vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr 7). Diese Auslegung wird den Vorgaben des
Gesetzes nicht gerecht, weil sie sich von dem äußeren Ablauf der Pflegemaßnahmen löst und statt dessen
auf die individuelle Bedeutung einzelner Hilfeleistungen abstellt.
In den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen über die Abgrenzung der Merkmale der
Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufen sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit
(Pflegebedürftigkeits-Richtlinien <PflRi>) vom 7. November 1994 idF vom 21. Dezember 1995 sind die
Vorgaben des Gesetzes in bezug auf den Lebensbereich "Ernährung" (Ziff 3.4) zutreffend erläutert. Danach
zählt die gesamte Vorbereitung der Nahrungsaufnahme nicht zur Grundpflege, sondern zum Bereich der
hauswirtschaftlichen Versorgung. Das im Gesetz ausdrücklich erwähnte Einkaufen umfaßt zB auch den
Überblick, welche Lebensmittel wo eingekauft werden müssen, sowie die Kenntnis der Genieß- bzw
Haltbarkeit von Lebensmitteln; zum ebenfalls erwähnten Kochen gehört auch das Vor- und Zubereiten der
Bestandteile der Mahlzeiten. Die PflRi gehen zutreffend davon aus, daß der Begriff "Kochen" den gesamten
Vorgang der Nahrungszubereitung - und zwar warme und kalte Speisen und Getränke gleichermaßen -
umfaßt. Hierzu zählen somit auch Vorbereitungsmaßnahmen wie die Erstellung eines Speiseplans unter
Berücksichtigung individueller, unter Umständen auch krankheitsbedingter Besonderheiten. Daraus folgt,
daß die Tätigkeiten des Berechnens, Abwiegens, Zusammenstellens und Zubereitens der Speisen zur
Herstellung der für den Kläger erforderlichen Diät zur Nahrungszubereitung zählen und damit der Verrichtung
"Kochen" im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen sind. Zum Zusammenstellen und
Zubereiten der Speisen zählt - als Abschluß der Verrichtung "Kochen" - auch das anhand der
Diätvorschriften vorzunehmende Bemessen und Zuteilen der zubereiteten Nahrung bzw einzelner
Nahrungsbestandteile. Dieser Vorgang stellt - entgegen der Ansicht des LSG und des Klägers - nicht
bereits die "portionsgerechte Vorgabe" der zubereiteten Nahrung dar, die gemäß Ziff 3.4.2 der PflRi sowie
Abschnitt D Ziff 5.2 (8) der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von
Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien <BRi>) vom 21. März 1997 zur Verrichtung
der mundgerechten Zubereitung der Nahrung gerechnet wird. "Portionsgerechte Vorgabe" bzw
"Portionierung" der zubereiteten Nahrung kann nur bedeuten, daß die bereits zubereitete Nahrung am
Eßtisch - ggf mit der Unterstützung des Pflegebedürftigen durch eine Pflegeperson im Rahmen der
aktivierenden Hilfe (§ 28 Abs 4 Satz 1 SGB XI) - so "mundgerecht" vorbereitet wird, daß der Pflegebedürftige
sie durch den Mund aufnehmen kann (zB Zerkleinern der Nahrung; Trennung nicht eßbarer Bestandteile der
zubereiteten Nahrung wie etwa Heraustrennen eines Knochens und Entfernen von Gräten; Einfüllen von
Getränken in Trinkgefäße bei Funktionsstörungen oder Fehlen der Hände; Einweichen von harter Nahrung
bei Kaustörungen). Die Einbeziehung auch der Bemessung und Zuteilung der zubereiteten Diätnahrung
würde nicht hinreichend berücksichtigen, daß § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI ausdrücklich nur die "mundgerechte
Zubereitung" der Nahrung als Grundpflege beschreibt, es dort also nicht allgemein um die "Zubereitung"
oder um die "krankheitsgerechte Zubereitung" geht.
2. Die wöchentliche Entnahme der Blutproben zur Blutspiegelbestimmung zählt ebenfalls nicht zur
Grundpflege. Es sind krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen (Behandlungspflege), die nur dann zu
berücksichtigen sind, wenn sie einer der in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen zugerechnet
werden können (BSG Urteile vom 19. Februar 1998 - B 3 P 3/97 R - BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2
und - B 3 P 11/97 R - SozVers 1998, 253). Daran fehlt es. Die Blutspiegelbestimmungen dienen als
Vorbereitungshandlungen dem oben erwähnten Berechnen, Zusammenstellen, Abwiegen und Zuteilen der
Mahlzeiten. Die Entnahme der Blutproben ist zeitlich zu weit vom Vorgang des Essens entfernt, um noch
unter "Aufnahme der Nahrung" (§ 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI) subsumiert zu werden; es handelt sich somit um
eine selbständige Maßnahme der Behandlungspflege o h n e Bezug zu einer der Verrichtungen des
Katalogs in § 14 Abs 4 SGB XI (BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 7).
3. Im Bereich der Grundpflege weist der Kläger somit nur einen regelmäßigen täglichen Hilfebedarf bei der
Nahrungsaufnahme auf. Bei sonstigen Verrichtungen der Grundpflege besteht kein Hilfebedarf, der über
denjenigen gleichaltriger gesunder Kinder (§ 15 Abs 2 SGB XI) hinausgeht. Dies gilt auch für die
krisenhaften Zeiten der Stoffwechselentgleisungen. Der Hilfebedarf ist in diesen Zeiten zwar deutlich erhöht,
beschränkt sich aber nach den nicht angegriffenen und daher für das Revisionsgericht nach § 163
Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindenden Feststellungen des LSG auch hier nur auf den Bereich der
Nahrungsaufnahme, die über eine nasogastrale Verweilsonde erfolgt.
Auf die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung, daß Hilfebedarf bei "wenigstens zwei Verrichtungen"
bestehen muß, kann nicht verzichtet werden, wie vom Senat bereits entschieden worden ist (BSG SozR
3-3300 § 15 Nr 7). Der Einwand, angesichts der in § 15 Abs 3 SGB XI aufgestellten detaillierten zeitlichen
Voraussetzungen für die einzelnen Pflegestufen müsse allein dieser Zeitfaktor als maßgeblich für den
Pflegebedarf angesehen werden, so daß es nicht darauf ankommen könne, ob ein Pflegebedarf von
beispielsweise 60 Minuten bei einer, zwei oder mehr Verrichtungen der Grundpflege anfalle, greift nicht
durch. Zwar hätte der Gesetzgeber aufgrund des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums die Frage
des Pflegebedarfs auch allein anhand zeitlicher Kriterien regeln können. Dies hat er jedoch nicht getan. Die
Pflegebedürftigkeit wurde von Anfang an aufgrund einer Kombination von zeitlichen (§ 15 Abs 3 SGB XI) und
verrichtungsbezogenen Anforderungen (§ 15 Abs 1 SGB XI) definiert, und zwar - in unterschiedlicher
Ausprägung - für alle drei Pflegestufen. Die in der Zeit seit dem Inkrafttreten des Leistungsrechts der
Pflegeversicherung am 1. April 1995 bis zum 25. Juni 1996 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des 1. SGB
XI-ÄndG, vgl dessen Art 8 Abs 1) geltende ursprüngliche Fassung des SGB XI enthielt zwar die jetzt in § 15
Abs 3 SGB XI detailliert aufgeführten zeitlichen Voraussetzungen noch nicht. § 15 Abs 3 SGB XI aF
ermächtigte seinerzeit aber die Spitzenverbände der Pflegekassen bzw das Bundesministerium für Arbeit
und Sozialordnung, den in den einzelnen Pflegestufen jeweils mindestens erforderlichen zeitlichen
Pflegeaufwand in den Pflegerichtlinien nach § 17 SGB XI bzw in der Verordnung nach § 16 SGB XI zu
regeln. Die PflRi vom 7. November 1994 haben diese Ermächtigung umgesetzt und in Ziff 4.1.1, 4.1.2 und
4.1.3 zeitliche Staffelungen vorgesehen, die inhaltlich im wesentlichen mit der zum 25. Juni 1996
geschaffenen gesetzlichen Regelung der zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufen I, II und III in § 15 Abs
3 SGB XI nF übereinstimmten. Der Gesetzgeber hat also nicht erst durch die Neuregelung des § 15 Abs 3
SGB XI zum 25. Juni 1996, sondern auch schon durch die vorher geltende Ermächtigung in § 15 Abs 3 SGB
XI aF zum Ausdruck gebracht, daß für ihn die Frage der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu den
verschiedenen Pflegestufen allein aus einer Kombination von zeitlichen und verrichtungsbezogenen Kriterien
zu beantworten ist und nicht schon die Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen ausreicht. Der Verzicht auf
die Streichung des Tatbestandsmerkmals des Hilfebedarfs bei "wenigstens zwei Verrichtungen" der
Pflegestufe I in § 15 Abs 1 Nr 1 SGB XI im Zuge der Einfügung der zeitlichen Voraussetzungen für die
Pflegestufen in § 15 Abs 3 SGB XI nF kann nicht als bloßes gesetzgeberisches Versehen eingestuft
werden, sondern entspricht dem Willen des Gesetzgebers und steht mit der Aufrechterhaltung
verrichtungsbezogener Kriterien auch für die Pflegestufen II und III in Einklang.
4. Da verfassungsrechtliche Bedenken gegen die bestehende Regelung nicht erkennbar sind, scheitert der
Anspruch des Klägers also bereits daran, daß sein Hilfebedarf sich auf nur eine Verrichtung der Grundpflege
beschränkt. Die Frage, ob der Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme vom LSG mit 45 Minuten (15 + 30
Minuten) zutreffend ermittelt worden ist und dabei der zusätzliche Bedarf bei der Bewältigung der
Stoffwechselentgleisungen überhaupt berücksichtigt werden durfte, kann daher offenbleiben. Ebenso ist es
unerheblich, ob der Kläger einen so großen Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung hat, daß
dieser zusammen mit dem Hilfebedarf bei der Grundpflege mindestens 90 Minuten ausmacht; denn auch bei
Kindern kann ein unzureichender Hilfebedarf bei der Grundpflege nicht durch einen erhöhten Bedarf bei der
hauswirtschaftlichen Versorgung ausgeglichen werden (BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2).
B) Klägerin L. S.
Nach vorstehenden Ausführungen ist auch die Klage der Klägerin unbegründet, obgleich sie im Bereich der
Grundpflege zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung Ende 1999 einen durchschnittlichen
täglichen Hilfebedarf von mindestens 55 Minuten, also - wie erforderlich - von "mehr als 45 Minuten" (§ 15
Abs 3 Nr 1 SGB XI) aufwies. Denn auch bei der Klägerin beschränkt sich der Hilfebedarf auf nur eine
Verrichtung der Grundpflege, nämlich die Nahrungsaufnahme. Demgemäß erfüllt auch sie nicht die
Voraussetzungen des § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI, wonach schon die Pflegstufe I einen täglichen
Hilfebedarf bei wenigstens zwei Verrichtungen der Grundpflege erfordert. Da nicht einmal die
Voraussetzungen der Pflegestufe I vorliegen, kam auch eine Einordnung in die von ihr geltend gemachte
Pflegestufe II nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
zurück
BSG Urteil vom 24.06.1998 Az: B 3 P 1/97 R
Ermittlung des Hilfebedarfs bei der Pflege zweier Kinder mit derselben Stoffwechselerkrankung.
Tatbestand
Die 1986 bzw 1989 geborenen Kläger leiden an der Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie, bei der nur unter
strenger Diättherapie die annähernd normale körperliche und geistige Entwicklung eines Kindes
gewährleistet ist. Von Anfang April 1991 bis Ende September 1996 erhielten die Kläger vom beigeladenen
Landkreis als Träger der Sozialhilfe Pflegegeld, und zwar zuletzt gemäß Art 51 Pflege-Versicherungsgesetz
(PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I, 1014) in Höhe von je DM 295,- -monatlich.
Am 1. März 1995 beantragten die bei der beklagten Pflegekasse familienversicherten Kläger Pflegegeld
nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte die Anträge ab (Bescheide vom 8. Juni 1995
sowie Widerspruchsbescheide vom 21. September 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen, da nur Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen
Versorgung vorliege (Urteile vom 31. Mai 1996). Das Landessozialgericht (LSG) hat- nach Verbindung der
Verfahren - der Berufung der Kläger stattgegeben und die Beklagte verurteilt, beiden Klägern Pflegegeld
nach der Pflegestufe I zu zahlen, und zwar für die Zeit vom 1. April 1995 bis 30. September 1996 abzüglich
der vom Sozialhilfeträger gezahlten Beträge (Urteil vom 24. September 1996). Das LSG hat ausgeführt, im
Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung liege durch die Notwendigkeit zeitaufwendigen Einkaufens und
Essenzubereitens ein Hilfebedarf über demjenigen gesunder gleichaltriger Kinder hinaus von mindestens 72,
höchstens 95 Minuten täglich pro Kläger vor; daneben sei gemäß § 15 Abs 2 SGB XI bei Kindern ein
Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege nicht erforderlich. Im übrigen liege aber auch ein Grundpflegebedarf
vor, weil bei der Nahrungsaufnahme eine Aufsicht im Umfang von 20 bis 30 Minuten täglich pro Kläger nötig
sei. Jedenfalls mache der Pflegebedarf insgesamt mehr als 90 Minuten täglich pro Kläger aus. Daß die
Mutter der Kläger durch Rationalisierungseffekte bei zwei Pflegebedürftigen tatsächlich insgesamt weniger
als 180 Minuten benötige, sei unerheblich.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 14, 15 SGB XI. Da die Kläger nicht an psychischen
Defekten litten, ergebe sich die erforderliche Aufsicht bei der Nahrungsaufnahme lediglich aus Alter und
Entwicklungsstand der Kläger. Der dann nur noch bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bestehende
Pflegebedarf könne die Pflegestufe I allein nicht rechtfertigen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 24. September 1996
aufzuheben und die Berufungen der Kläger gegen die Urteile des
Sozialgerichts Altenburg vom 31. Mai 1996 zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat die klageabweisenden Urteile des SG zu Unrecht
abgeändert und die Beklagte zur Leistung verurteilt. Der Anspruch auf Pflegegeld gemäß Pflegestufe I
scheitert daran, daß auch bei der gleichzeitigen Pflege von mehreren Kindern im Bereich der Grundpflege
ein täglicher Pflegebedarf bei wenigstens zwei verschiedenen Verrichtungen iS von § 14 Abs 4 SGB XI mit
einem Zeitaufwand von mehr als 45 Minuten pro Kind bestehen muß.
1. Der Anspruch auf Pflegegeld, den die Kläger ab dem Inkrafttreten des Leistungsrechts der gesetzlichen
Pflegeversicherung am 1. April 1995 (Art 68 Abs 2 des PflegeVG) geltend machen, setzt gemäß den §§ 36
Abs 1 Satz 1, 37 Abs 1 SGB XI voraus, daß Pflegebedürftigkeit iS des § 14 SGB XI vorliegt; § 15 Abs 1
Satz 1 Nr 1 SGB XI verlangt für die Zuordnung zur Pflegestufe I ein Mindestmaß an Hilfebedarf bei der
Grundpflege. Zu Unrecht hat das LSG bei Kindern keinen derartigen Grundpflegebedarf gefordert und-
hilfsweise - den von ihm angenommenen geringen Grundpflegebedarf ausreichen lassen.
Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder
seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden
Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen.
Gewöhnliche oder regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen sind nach § 14 Abs 4 SGB XI das Waschen,
Duschen, Baden, Zahnpflegen, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleeren (Körperpflege), das
mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung (Ernährung), das selbständige Aufstehen und
Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der
Wohnung (Mobilität) sowie das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und
Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen (hauswirtschaftliche Versorgung). Hilfe im genannten
Sinne besteht nach Abs 3 dieser Vorschrift in der Unterstützung, teilweise oder vollständigen Übernahme
der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel
der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen. Für die Leistungen nach dem SGB XI sind die
Pflegebedürftigen gemäß § 15 Abs 1 Nrn 1 bis 3 SGB XI (§ 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XI idF des 1.
SGB XI-ÄndG) einer der drei Pflegestufen zuzuordnen. Dabei sind nach Nr 1 in Pflegestufe I diejenigen
Personen einzuordnen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei
Verrichtungen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei
der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
2. Die Kläger leiden an einer Krankheit und haben nach den Feststellungen des LSG jedenfalls bei der
hauswirtschaftlichen Versorgung (zeitaufwendiges Einkaufen, Essenszubereitung) einen Pflegemehrbedarf
im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Kindern. Gleichwohl haben sie keinen Anspruch auf Pflegegeld,
weil sie in den Bereichen der Körperpflege, Ernährung und Mobilität (sog Grundpflege, vgl Udsching, SGB
XI, 1995/1996, § 14 RdNr 14) allenfalls bei der Nahrungsaufnahme, also nur einer einzigen Verrichtung, einer
Hilfe, nämlich der Aufsicht, bedürfen und auch der dazu erforderliche Zeitaufwand zu gering ist.
Wegen der Eindeutigkeit des Wortlauts von § 15 Abs 1 Nr 1 SGB XI ("für wenigstens zwei Verrichtungen ...
mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen") scheidet eine einschränkende Auslegung aus, und zwar auch
im Hinblick auf Kinder. Selbst eine verfassungskonforme Auslegung darf nicht mit dem Wortlaut und dem
klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten (BVerfGE 88, 145, 166; 71, 81, 105). Das
Erfordernis der Hilfe bei wenigstens zwei Verrichtungen ist kein gesetzgeberisches Versehen. Im
Gesetzgebungsverfahren hatte der Regierungsentwurf für die Pflegestufe I zunächst nur einen Hilfebedarf bei
einer Verrichtung verlangt (BT-Drucks 12/5262, S 14). Der zuständige Ausschuß erhöhte diese Anforderung
auf mindestens drei Verrichtungen (BT-Drucks 12/5952, S 35), im Vermittlungsausschuß wurde sie auf
lediglich zwei Verrichtungen gesenkt (BT-Drucks 12/6424, S 2, zu Art 1 Nr 5); die schon dabei ausdrücklich
zur Sprache gekommenen finanziellen Auswirkungen (Plenarprotokoll 12/200, 17330 B) schließen- auch
unabhängig von der Schranke des Wortlauts - jede Interpretation in Richtung einer weiteren Absenkung der
Anforderungen aus. Die gesetzliche Pflegeversicherung war von vornherein nicht als Rundumabsicherung
gedacht, von intensiven Diskussionen ihrer Finanzierbarkeit begleitet (vgl dazu Urteil des Senats vom 19.
Februar 1998, B 3 P 5/97 R - zur Veröffentlichung vorgesehen) und wirft hinsichtlich einer derartigen
"Eingangsschwelle" in Form eines Mindestpflegebedarfs auch keine verfassungsrechtlichen Probleme auf.
Es handelt sich um ein sachgerechtes Abgrenzungskriterium der Leistungsberechtigten iS der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Gleichheitsgrundsatz (BVerfGE 38, 187, 197; 28,
324, 348). Ob dieses Abgrenzungskriterium weiterhin unabdingbar ist, nachdem mit dem 1. SGB XI-ÄndG in
§ 15 Abs 3 auch zeitliche Mindestanforderungen für den Hilfebedarf aufgestellt worden sind, kann
dahinstehen; dies ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, die im gesetzgeberischen Ermessen liegt, und keine
Frage der Rechtmäßigkeit. Aus denselben Gründen begegnen auch die grundsätzliche Unterscheidung
zwischen einem Hilfebedarf bei der Grundpflege und einem solchen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung
sowie das vom Gesetzgeber aufgestellte Erfordernis eines Pflegebedarfs auch bei der Grundpflege keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
3. Bei Kindern läßt sich entgegen der Meinung des LSG auch nicht aus der Vorschrift des § 15 Abs 2 SGB
XI, wonach bei Kindern für die Zuordnung zu den Pflegestufen "der zusätzliche Bedarf gegenüber einem
gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend" ist, etwas anderes herleiten. Aus der Berücksichtigung allein des
Mehrbedarfs an Pflege bei behinderten oder kranken Kindern folgt nicht, daß auf das Erfordernis eines
Mehrbedarfs an Pflege im Bereich der Grundpflege zu verzichten ist.
Zu den §§ 53 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hatte die Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) allerdings bei Kleinkindern (Kinder unter drei Jahren) sowie Säuglingen (Kinder
unter 12 Monaten) den zeitlichen Mehrbedarf gegenüber einem gesunden Kind insgesamt, also ohne
Unterscheidung zwischen grund- und hauswirtschaftlicher Versorgung, berücksichtigt, soweit er überhaupt
drei Stunden täglich überstieg (BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 7, 8). Dies entspricht aber nicht mehr der jetzigen
Rechtslage. Die Gesetzesmaterialien zum SGB XI gehen zwar auf die Unterscheidung zwischen
Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung bei Kindern nicht ausdrücklich ein (BT-Drucks 12/5262, S
98 zu Abs 2). In den Begutachtungsrichtlinien (Richtlinien der Spitzenverbände zur Begutachtung von
Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 21. März 1997- BRi -, abgedruckt in Hauck/Wilde, SGB XI, Stand
September 1997, C 410) und in der Literatur zum SGB XI gibt es auch unterschiedliche Vorstellungen, ab
welchem Alter sowie in welcher Art und Weise ein Hilfebedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung bei
Kindern überhaupt verlangt werden kann (vgl zum Ganzen die Darstellung im Urteil des Senats vom 19.
Februar 1998, B 3 P 5/97 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dafür, daß bei Kindern auf einen
Pflegemehraufwand im Bereich der Grundpflege ganz verzichtet werden sollte, findet sich aber nicht der
geringste Anhalt und auch kein überzeugender Grund. Insbesondere ist nicht erkennbar, daß
pflegebedürftige Kinder andernfalls gegenüber erwachsenen Pflegebedürftigen benachteiligt werden könnten.
Daß nur der jeweilige Pflegemehraufwand berücksichtigt wird, ist keine Benachteiligung, sondern rechtlich
geboten. Mit der Regelung in § 15 Abs 2 SGB XI sollte, anknüpfend an die dargestellte Rechtsprechung des
BSG zu den §§ 53 ff SGB V, lediglich klargestellt werden, daß der "natürliche, altersentsprechende
Pflegeaufwand" unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand
abzustellen ist (BT-Drucks aaO).
Ein Verzicht auf das Erfordernis eines Mehrbedarfs an Grundpflege bei Kindern würde auch gegen die
Grundstrukturen der neuen Pflegeversicherung verstoßen. Der Gesetzgeber hat der Grundpflege gegenüber
der hauswirtschaftlichen Versorgung eine größere Bedeutung zuerkannt, was sich aus den in § 15 Abs 1
Nrn 1 bis 3 SGB XI verlangten Häufigkeiten eines Hilfebedarfs ablesen läßt: Wird bei der Grundpflege in
allen drei Pflegestufen eine zumindest täglich notwendige Hilfe verlangt, so genügt bei der
hauswirtschaftlichen Versorgung eine Hilfe "mehrfach in der Woche"; die Steigerungen zwischen den
Pflegestufen werden sogar allein durch die steigenden Häufigkeiten bei der Grundpflege bedingt. Noch
deutlicher ist diese gesetzgeberische Gewichtung bei den zeitlichen Mindestgrenzen in § 15 Abs 3 Nrn 1
bis 3 SGB XI idF des 1. SGB XI-ÄndG; danach muß die Grundpflege mehr als die Hälfte bis vier Fünftel des
Gesamtpflegebedarfs ausmachen. Die Belastung der Pflegeperson, die vor allem durch die Grundpflege
eintritt und der durch die Staffelung der Pflegestufen Rechnung getragen wird, findet sich aber bei
pflegebedürftigen Kindern und Erwachsenen in gleicher Weise.
Es trifft auch nicht zu, daß durch diese Regelung Kinder praktisch vom Pflegegeld ausgeschlossen werden.
Gesunde und normal entwickelte Kinder entfalten jedenfalls im Alter ab drei Jahren in den Bereichen von
Körperpflege, Ernährung und Mobilität eine zunächst geringe, schon bald erhebliche und ständig weiter
wachsende Selbständigkeit in vieler Hinsicht, so daß im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von
kranken und behinderten Kindern "über den natürlichen, altersentsprechenden Pflegeaufwand" hinaus schon
früh in hohem Maße auftreten kann (vgl dazu den Fall eines Kindes im Alter von drei Jahren bis vier Jahren
und neun Monaten in der Entscheidung BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 8). Dieser Unterschied wird in den BRi
berücksichtigt, wo für alle Verrichtungen der Grundpflege das durchschnittliche Alter der selbständigen
Durchführung durch fast alle Kinder (es liegt je nach Verrichtung zwischen eineinhalb und zwölf Jahren mit
Schwergewicht beim vollendeten sechsten bis siebten Lebensjahr) und ein Höchstbedarf gesunder Kinder
genannt werden, der vom Hilfebedarf kranker bzw behinderte Kinder als nur alters- und nicht krankheits- bzw
behinderungsbedingt abzuziehen ist.
4. Soweit das LSG hilfsweise einen Hilfebedarf bei der Grundpflege für jedes Kind von höchstens 30 Minuten
täglich angenommen hat (Aufsicht beim Essen) führt auch dies nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen für
die Pflegestufe I. Das LSG hat schon keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Aufsicht die Mutter der
Kläger örtlich und zeitlich so bindet, daß daneben andere Dinge zu tun keine Gelegenheit verbleibt (vgl Urteil
des Senats vom 19. Februar 1998, B 3 P 7/97 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies kann aber
offenbleiben, weil der Hilfebedarf auch dann jedenfalls weniger als die zu fordernden 45 Minuten Grundpflege
täglich ausmacht.
Weiterhin scheitert der Anspruch auch daran, daß jedes der beiden Kinder der Hilfe im Bereich der
Grundpflege nur bei einer Verrichtung bedürfte. Da die Ansprüche beider Kläger getrennt zu beurteilen sind
und - zu Recht - auch nebeneinander geltend gemacht werden, können weder die Anzahl der Verrichtungen
noch die notwendigen Pflegezeiten allein deshalb addiert werden, weil es sich um eine Pflegeperson
handelt. Für den Anspruch auf Pflegegeld ist vielmehr ohne Belang, durch wieviele Personen die Pflege
tatsächlich sichergestellt wird oder was die einzelne Pflegeperson tatsächlich leistet. Das Gesetz legt in §
15 Abs 3 SGB XI allein den Maßstab des sachlich gebotenen Zeitaufwands für die Pflege einer Person
durch eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Person zugrunde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
zurück
BSG Urteil vom 26.11.1998 20.97 Az: B 3 P 20/97 R
1. Zur Frage der Ermittlung des "Mehrbedarfs" an Hilfe bei Kindern.
2. Der Hilfebedarf bei einer Verrichtung ist auch insoweit zu berücksichtigen, als er nur wegen der Folgen einer Krankheit anfällt oder vergrößert wird.
3. Zur Frage, der Bindungswirkungen der Feststellung von Hilflosigkeit durch das Versorgungsamt oder den Sozialhilfeträger für die Feststellung von Pflegebedürftigkeitnach dem SGB XI.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III.
Die im Januar 1993 geborene Klägerin leidet seit ihrer Geburt an einem schwerwiegenden Defekt der Lunge.
Bei ihr fehlen die Lungenbläschen (Alveolen), was eine ständige künstliche Sauerstoffzufuhr erforderlich
macht. Daneben besteht eine Neurodermitis. Das Versorgungsamt Oldenburg hat die Klägerin mit Bescheid
vom 27. Oktober 1993 als Schwerbehinderte anerkannt und einen Grad der Behinderung (GdB) von 100
sowie das Vorliegen der Voraussetzungen der Merkzeichen G, H und B festgestellt. Auf den Antrag der
Klägerin auf Gewährung von Pflegeleistungen kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK)
in einem Gutachten vom April 1995 zu dem Ergebnis, daß bei der Klägerin wegen der Notwendigkeit einer
Langzeit-Sauerstoff-Beatmung, gänzlich fehlender Mobilität sowie der Notwendigkeit der Ernährung über
eine Nasensonde erhöhter Pflegebedarf bestehe. Der bei der Klägerin im Bereich der Körperpflege, der
Nahrungsaufnahme und der Mobilität im Verhältnis zu einem gleichaltrigen gesunden Kind bestehende
Mehrbedarf an Pflege betrage täglich 1,5 Stunden. Auf der Grundlage dieses Gutachtens bewilligte die
Beklagte mit Bescheid vom 18. Mai 1995 Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 1. April 1995. Hiergegen
erhob die Klägerin Widerspruch. Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens legte sie einen Bescheid der
Gemeinde B (vom 18. Mai 1995) vor, wonach der Klägerin Schwerstpflegegeld nach dem
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für den Zeitraum vom 15. Januar 1994 bis 31. März 1995 gewährt wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1995 gab die Beklagte dem Widerspruch teilweise statt und
ordnete die Klägerin der Pflegestufe II zu.
Im Verlaufe des nachfolgenden Klageverfahrens brachte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK (vom
12. Dezember 1996) bei. Danach errechnete der MDK insgesamt einen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf
von etwa 190 bis 200 Minuten täglich.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Dezember 1996). Die Berufung blieb erfolglos
(Beschluß des Landessozialgerichts <LSG> Niedersachsen vom 11. November 1997). Zur Begründung hat
das LSG ausgeführt, der bei der Klägerin bestehende zusätzliche Hilfebedarf im Vergleich zu einem
gleichaltrigen gesunden Kind erreiche nicht die in § 15 Abs 3 Nr 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)
für die Pflegestufe III festgesetzten Grenzwerte. Bei Kindern müsse nach den Begutachtungsrichtlinien der
Spitzenverbände der Pflegekassen vom 21. März 1997 (BRi) der Hilfebedarf in zwei Schritten ermittelt
werden. Zunächst sei im konkreten Einzelfall der Gesamtpflegeaufwand bei den einzelnen Verrichtungen der
Grundpflege zu ermitteln. Davon seien sodann die in einer Tabelle aufgeführten Durchschnittszeitwerte für
die Wartung und Pflege gesunder und altersentsprechend entwickelter Kinder in Abzug zu bringen (BRi
Abschn D 5 III 7). Die Richtlinien seien zwar für die Gerichte rechtlich nicht bindend. Sie seien aber dann zu
beachten, wenn sie sich - wie vorliegend - an der maßgebenden gesetzlichen Grundlage orientierten und
keine Gesichtspunkte erkennbar seien, die einer Anwendung der Richtlinien entgegenstünden. Die vom
MDK angesetzten Zeitwerte für den Pflegemehraufwand seien zutreffend, mit Ausnahme des für die
Durchführung des täglichen Pflegebades angesetzten Zeitbedarfs von 20 Minuten. Das Pflegebad müsse
dem Bereich der sogenannten Behandlungspflege zugeordnet werden und könne, da es nicht im zeitlichen
Zusammenhang mit der Wahrnehmung einer Verrichtung der Grundpflege durchgeführt werde, nicht als
Pflegebedarf berücksichtigt werden. Der MDK habe in seinem Gutachten zutreffend die Gabe von
Medikamenten und die tägliche Überprüfung der Sauerstoffversorgung der Klägerin sowie die Hilfen für die
Durchführung der Frühförderung bzw Krankengymnastik nicht als maßgebende Hilfeleistungen angesehen.
Wegen der Komplikationen, die durch die Notwendigkeit der ständigen Mitführung eines Sauerstoffgerätes
im Bereich der Körperpflege verursacht würden, müsse entgegen der Einschätzung im Gutachten des MDK
ein zeitlicher Mehrbedarf von 20 Minuten täglich berücksichtigt werden. Der zeitliche Mehrbedarf im Bereich
der Ernährung betrage 105 Minuten, im Bereich der Mobilität 15 Minuten. Danach sei insgesamt von einem
zeitlichen Pflegemehrbedarf der Klägerin von täglich ca 140 Minuten auszugehen.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Sie rügt Verletzungen der §§ 14, 15
SGB XI und macht darüber hinaus geltend, daß die Regelung in § 15 Abs 2 SGB XI, wonach bei Kindern nur
der Mehrbedarf an Pflege gegenüber einem gleichaltrigen gesunden Kind zu berücksichtigen sei, gegen Art
3 Abs 1 Grundgesetz verstoße. Das LSG habe darüber hinaus nicht beachtet, daß die Beklagte an die
Einstufung der Klägerin als schwerstpflegebedürftig durch den Träger der Sozialhilfe gebunden sei. Der
Begriff der Schwerstpflegebedürftigkeit nach § 69a Abs 3 BSHG bzw § 69 Abs 4 Satz 2 BSHG aF sei
identisch mit demjenigen in § 15 Abs 1 Nr 3 SGB XI. Darüber hinaus habe das LSG auch die Bewertung
des GdB mit 100 vH durch das Versorgungsamt nicht gewürdigt. Im Bereich der Körperpflege habe das LSG
zu Unrecht den täglich anfallenden Pflegebedarf für ein Pflegebad nicht berücksichtigt. Es sei nicht
nachvollziehbar, warum das tägliche Bad als Reinigungsakt Berücksichtigung finde, nicht aber, wenn dem
Badewasser ein medizinischer Zusatz beigefügt werde. Das LSG sei darüber hinaus auch zu Unrecht davon
ausgegangen, daß es sich bei dem Katalog in § 14 Abs 4 SGB XI um eine abschließende Regelung
handele. Aus der Tatsache, daß der Bereich der Kommunikation nach § 28 Abs 4 Satz 2 SGB XI als
generelles Bedürfnis des Pflegebedürftigen zu berücksichtigen sei, wenn die Gefahr der Vereinsamung
bestehe, ergebe sich, daß bei der Bemessung des Pflegebedarfs weitere Verrichtungen zu berücksichtigen
seien.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. November 1997,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 12. Dezember 1996 und den
Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 1995 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 1995 zu ändern und die Beklagte zu
verurteilen, der Klägerin ab 1. April 1995 Pflegegeld in Höhe von 1.300 DM
monatlich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin ein
Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von 1.300 DM nicht zusteht.
Der Anspruch auf Pflegegeld in dem Umfang, wie ihn die Klägerin seit dem Inkrafttreten des Leistungsrechts
der Pflegeversicherung am 1. April 1995 (Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos
der Pflegebedürftigkeit - Pflege-Versicherungsgesetz - <PflegeVG>) geltend macht, setzt gemäß § 37 Abs
1 Satz 3 Nr 3 SGB XI voraus, daß Pflegebedürftigkeit iS des § 14 SGB XI in einem Ausmaß vorliegt, das in
§ 15 Abs 1 Nr 3 und § 15 Abs 3 Nr 3 SGB XI festgelegt ist. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß diese
Voraussetzungen bei der Klägerin nicht vorliegen, weil der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege einen
Zeitaufwand von vier Stunden nicht erreicht.
1. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind pflegebedürftig iS des SGB XI solche Personen, die wegen einer
körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig
wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße
der Hilfe bedürfen. Zu berücksichtigen ist hierbei, wie der Senat grundsätzlich bereits mit Urteil vom 19.
Februar 1998 (B 3 P 3/97 R = SozR 3-3300 § 14 Nr 2) entschieden hat, ausschließlich der Umfang des
Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die Abs 4 der Vorschrift
in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen
Versorgung aufteilt. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß bei der im Zeitpunkt des
Leistungsbeginns zwei- und heute fünfjährigen Klägerin nach § 15 Abs 2 SGB XI nur der im Vergleich zu
einem gesunden gleichaltrigen Kind bestehende Mehrbedarf an Hilfe maßgebend ist (hierzu unter 3). Unter
Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorgaben hat das LSG einen Hilfebedarf bei der Körperpflege, der
Ernährung und der Mobilität in einem zeitlichen Umfang von 140 Minuten täglich festgestellt. Hierbei hat es
lediglich einen Hilfebedarf wegen eines täglich notwendigen Pflegebades im zeitlichen Umfang von 20
Minuten sowie weitere 20 Minuten wegen des nachfolgenden Einfettens der Haut zu Unrecht nicht
berücksichtigt (hierzu unter 2a). Ob daneben ein Mehrbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung
besteht, läßt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Dies kann jedoch offenbleiben, weil die
Klägerin auch bei Unterstellung des Zeitbedarfs, den § 15 Abs 3 Nr 3 SGB XI für die hauswirtschaftliche
Versorgung vorsieht, wegen des zu geringen Maßes an Grundpflege nicht der Pflegestufe III zugeordnet
werden kann. Aus diesem Grund kann ebenfalls offenbleiben, ob die Zuordnung zur Pflegestufe III nicht
bereits deshalb ausscheidet, weil bei der Klägerin nicht ständig auch nachts Pflegebedarf besteht (vgl hierzu
das Urteil des Senats vom 19. Februar 1998, B 3 P 7/97 R = SozR 3-3300 § 15 Nr 1). Das LSG hat die zur
Beurteilung dieser Voraussetzung erforderlichen Feststellungen ebenfalls nicht getroffen. Aus dem von ihm
zugrunde gelegten Gutachten des MDK ergibt sich zwar, daß die Mutter der Klägerin die Sicherstellung der
Sauerstoffversorgung auch nachts kontrollieren muß und sie durch das Sauerstoffgerät in jeder Nacht
mehrmals alarmiert wird. Diese Hilfeleistung kann jedoch, worauf noch einzugehen ist, keiner Verrichtung iS
von § 14 Abs 4 SGB XI zugeordnet werden und muß daher auch bei der Frage des nächtlichen Hilfebedarfs
unberücksichtigt bleiben. Ob darüber hinaus, wie die Klägerin in den Vorinstanzen geltend gemacht hat,
nachts Hilfeleistungen im Bereich der Ernährung erbracht werden müssen, läßt sich dem Gutachten nicht
entnehmen.
2. Bei der Bemessung des für die Zuordnung zur Pflegestufe III maßgebenden Pflegebedarfs können die
folgenden von der Klägerin geltend gemachten Hilfeleistungen nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht zu
den in § 14 Abs 4 SGB XI aufgeführten gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen zählen:
a) alle durch die Lungenfunktionsstörung der Klägerin verursachten
Maßnahmen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit einer Verrichtung iS des §
14 Abs 4 SGB XI anfallen, insbesondere die Versorgung der Klägerin mit
Sauerstoff einschließlich aller damit zusammenhängenden Tätigkeiten,
b) die Durchführung der sog Frühforderung und die im häuslichen Bereich
durchgeführte Krankengymnastik,
c) Hilfeleistungen im Bereich der Kommunikation.
Zu a): Soweit die ständige Verbindung der Klägerin mit einem Sauerstoffgerät bei einzelnen Verrichtungen,
wie etwa dem An- und Ausziehen oder auch der Körperpflege einen zeitlichen Mehrbedarf an Hilfeleistungen
bei diesen Verrichtungen verursacht, hat das LSG dies bei den betroffenen Verrichtungen berücksichtigt.
Hinsichtlich des Hilfebedarfs bei der Körperpflege hat es hervorgehoben, daß es wegen dieses Umstandes
über die Einschätzung des MDK-Gutachtens hinausgehe. Im übrigen sind die Versorgung der Klägerin mit
Sauerstoff und die weiteren durch die Lungenfunktionsstörung der Klägerin verursachten Maßnahmen jedoch
nicht zu berücksichtigen, weil sie unabhängig von einer der maßgebenden Verrichtungen anfallen und
deshalb nicht zur Grundpflege zählen. Der Senat hat im bereits erwähnten Urteil vom 19. Februar 1998
darauf hingewiesen, daß eine Einbeziehung krankheitsspezifischer Pflegemaßnahmen (das sind
Hilfeleistungen, die nur durch eine bestimmte Erkrankung verursacht werden, sog Behandlungspflege) in die
Bemessung des Pflegebedarfs durchaus einem Ziel entspräche, das der Gesetzgeber als wesentlichen
Grund für die Einführung von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit genannt hatte, nämlich durch die Förderung
der Bereitschaft zur häuslichen Pflege die kostenintensive stationäre Pflege zurückzudrängen (BT-Drucks
11/2237, S 148 und 182 in bezug auf die Einführung der §§ 53 ff SGB V; BT-Drucks 12/5262, S 61 ff in
bezug auf die Einführung des SGB XI) und daß auch der Gesichtspunkt der nahtlosen Verknüpfung von
gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung für eine Berücksichtigung von Behandlungspflegemaßnahmen
gerade bei sogenannten Vitalfunktionen wie der Atmung spricht. § 14 SGB XI schreibt jedoch in seinen Abs
1 und 4 ausdrücklich eine ausschließlich verrichtungsbezogene Bemessung des Pflegebedarfs vor und läßt,
wie der Senat bereits eingehend dargelegt hat, eine Ergänzung auch im Hinblick auf Maßnahmen der
Behandlungspflege bei Vitalfunktionen nicht zu. Der Katalog der für die Einstufung maßgebenden Kriterien
ist abschließend. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Entstehungsgeschichte der
Regelung, auch wenn die im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens abgegebenen Meinungsäußerungen
(BT-Drucks 12/5262, S 98 zu § 13 Abs 1 Nr 3 des Entwurfs) nicht immer widerspruchsfrei und konsequent
gewesen sind. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Beispiele lassen nicht auf einen generellen Willen des
Gesetzgebers schließen, entgegen der letztlich verabschiedeten Gesetzesfassung krankheitsbedingten
Pflegebedarf jedweder Art neben der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung zu
berücksichtigen, also eine unbewußte Regelungslücke anzunehmen, die durch eine erweiternde
Gesetzesauslegung zu füllen wäre. Auch die Bedeutung einer Maßnahme für den Hilfebedürftigen und die
damit einhergehende Belastung für die Pflegeperson lassen es nicht zu, die Anordnung des Gesetzes, daß
nur auf bestimmte Verrichtungen im Bereich der Grundpflege abzustellen ist, zu übergehen.
Hieraus hat der Senat abgeleitet, daß krankheitsspezifische Maßnahmen, auch wenn sie zur
Aufrechterhaltung von Grundfunktionen erforderlich sind, nur dann zur Grundpflege zählen, wenn sie
notwendigerweise im zeitlichen Zusammenhang mit einer der im Katalog des § 14 Abs 4 SGB XI
aufgeführten Verrichtungen anfallen, denn § 14 SGB XI stellt bei der Beschreibung der Voraussetzungen für
die Annahme von Pflegebedürftigkeit nur darauf ab, ob bei den in Abs 4 dieser Vorschrift aufgeführten
Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens überhaupt Hilfebedarf besteht, ohne nach dessen Ursache,
nach der Art der benötigten Hilfeleistungen und deren finaler Ausrichtung zu differenzieren. Dem ist der 10.
Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 27. August 1998 (B 10 KR 4/97 R, zur
Veröffentlichung vorgesehen) im Grundsatz gefolgt. Diese Begrenzung des für die Feststellung von
Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen maßgebenden Hilfebedarfs ist nicht
verfassungswidrig, wie der Senat im einzelnen im oben genannten Urteil ausgeführt hat. Hierbei hat der
Senat auch darauf hingewiesen, daß das Pflegerisiko in erheblichem Umfang auch von anderen
Sozialleistungssystemen, etwa der gesetzlichen Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung
abgedeckt wird und die von der Pflegeversicherung nicht erfaßten Bereiche des Pflegerisikos schließlich in
den Verantwortungsbereich der Sozialhilfe fallen, wenn der einzelne nicht in der Lage ist, die für
Pflegemaßnahmen erforderlichen Aufwendungen aus eigenen Mitteln aufzubringen.
Die isolierte Behandlungspflege fällt in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Der
Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) wird, wie sich
aus § 13 Abs 2 SGB XI ergibt, durch das Leistungsrecht der Pflegeversicherung nicht verdrängt. Eine
Berücksichtigung isolierter Behandlungspflegemaßnahmen bei der Bemessung des Pflegebedarfs iR der §§
14, 15 SGB XI würde für ein und dieselbe Bedarfssituation die Möglichkeit der doppelten Inanspruchnahme
von Leistungen eröffnen. Dies ist zwar auch bei der verrichtungsbezogenen Behandlungspflege nicht immer
auszuschließen. Hier kann einer möglichen Überschneidung jedoch durch die Ausgestaltung der
Vergütungsregelungen für Pflegesachleistungen nach Leistungskomplexen begegnet werden.
Entgegen der Auffassung des LSG ist der MDK allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß das wegen
der Neurodermitis-Erkrankung der Klägerin täglich notwendige Pflegebad einschließlich des nachfolgenden
Einfettens der Haut Bestandteil der Hilfe beim Baden ist. Insoweit gilt der Grundsatz, daß Hilfeleistungen
bei einer Verrichtung nicht deshalb unter dem Gesichtspunkt der Behandlungspflege außer Betracht
bleiben, weil sie nur wegen einer Erkrankung erforderlich sind. Bei der Klägerin ist die Durchführung der
Verrichtung "Baden" mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden, weil die bei ihr bestehende
Neurodermitis-Erkrankung ein Baden in üblicher Form nicht zuläßt. Dies gilt sowohl für die zeitaufwendige
Form des Badens als auch für das nachfolgende Einfetten der Haut, das der durch die Neurodermitis
verursachten Gefahr des Austrocknens der Haut entgegenwirken soll. Beides zählt ebenso zum
berücksichtigungsfähigen Pflegeaufwand wie krankheits- oder behinderungsbedingte Erschwernisse bei
anderen Verrichtungen, hier etwa der krankheitsbedingt erforderlichen Sondenernährung. Eine Reduzierung
des für die Verrichtung "Baden" anzusetzenden Zeitaufwandes ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt
gerechtfertigt, daß die Klägerin wiederum krankheitsbedingt häufiger und unter Umständen länger badet als
ein Gesunder. Denn der Hilfebedarf bei einer Verrichtung richtet sich jeweils nach den individuellen
Bedürfnissen des zu Pflegenden, soweit diese sachlich begründet sind. Liegen im Einzelfall Umstände vor,
die den Zeitbedarf für die Hilfe bei einer Verrichtung erheblich erhöhen, so kommt eine Begrenzung auf den
Rahmen der in den Begutachtungs-Richtlinien (vom 21. März 1997, Anhang 1 "Orientierungswerte zur
Pflegezeit-Bemessung") genannten Pflegezeiten nicht in Betracht. Auch der erhöhte Aufwand beim Baden
kann allerdings eine Zuordnung der Klägerin zur Pflegestufe III nicht begründen, denn zusätzlich zu dem
vom LSG errechneten Zeitbedarf von ca 140 Minuten sind unter Berücksichtigung des MDK-Gutachtens
allenfalls weitere 20 Minuten für das tägliche Pflegebad und weitere 20 Minuten für das Einfetten der Haut
anzurechnen. Hieraus ergibt sich für die Grundpflege ein Zeitaufwand von 3 Stunden; der für eine Zuordnung
zur Pflegestufe III erforderliche Grenzwert von 4 Stunden wird damit nicht erreicht.
Zu b) Der erkennende Senat hat bereits zum Anspruch auf Pflegeleistungen nach den §§ 53 ff SGB V aF
entschieden, daß besondere Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung behinderter Kinder bei der
Feststellung von (Schwer-)Pflegebedürftigkeit nicht ohne weiteres als Hilfebedarf gewertet werden können
(BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 8). Zielen derartige Maßnahmen allgemein darauf ab, die Fähigkeit zu
eigenständiger Lebensführung zu stärken, so dienen sie vorrangig dem Ziel, den Pflegeaufwand in späteren
Lebensabschnitten zu vermeiden oder geringer zu halten. Von daher sind sie dem Bereich der Rehabilitation
zuzuordnen. Rehabilitative Maßnahmen zur Vermeidung von Pflege wurden von den §§ 53 ff SGB V aF und
werden auch von den §§ 14, 15 SGB XI nicht erfaßt. Nach § 5 iVm § 31 SGB XI ist die Rehabilitation zur
Vermeidung von Pflegebedürftigkeit nicht Aufgabe der Pflegeversicherung. Zuständig ist vielmehr derjenige
Sozialleistungsträger, der im Einzelfall die Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen hat. Dies ist vor allem
die gesetzliche Krankenversicherung, zu deren Leistungen nach § 11 Abs 2 SGB V auch medizinische oder
ergänzende Leistungen zur Rehabilitation zählen, die notwendig sind, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden
oder zu mindern. Bei der Bemessung des Pflegebedarfs iR der §§ 14, 15 SGB XI bleiben derartige
Maßnahmen nicht nur dann unberücksichtigt, wenn sie von einer familiären Pflegeperson, wie hier der
Mutter der Klägerin, oder auf Kosten der Krankenversicherung durch einen professionellen
Leistungserbringer im Haushalt des Pflegebedürftigen erbracht werden, sondern auch dann, wenn die
Pflegeperson den Pflegebedürftigen zur Praxis des Leistungserbringers begleitet. Der für die Begleitung
eines Pflegebedürftigen auf Wegen außerhalb seiner Wohnung erforderliche Zeitaufwand kann nur
berücksichtigt werden, wenn die außerhalb der Wohnung zu erledigende Verrichtung, etwa der Besuch
eines Krankengymnasten, für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unerläßlich ist (zur
Begrenzung der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" vgl bereits das Urteil des
Senats vom 6. August 1998, B 3 P 17/97 R = SozR 3-3300 § 14 Nr 6). Dient die krankengymnastische
Behandlung dagegen (überwiegend) einer für die Zukunft angestrebten Besserung des
Gesundheitszustandes, so muß auch die hiermit im Zusammenhang stehende Hilfeleistung bei der
Bemessung des Pflegebedarfs unberücksichtigt bleiben, weil sie dem nicht von der Pflegeversicherung
abgedeckten Bereich der Rehabilitation zuzuordnen ist.
Maßnahmen der Rehabilitation sind andererseits abzugrenzen von solchen Hilfeleistungen, die den
Charakter einer verrichtungsbezogenen Anleitung haben. Die Anleitung hat zum Ziel, die Erledigung der
täglich wiederkehrenden Verrichtungen durch den Pflegebedürftigen iS einer Motivation zur Selbsthilfe
sicherzustellen. Anleitungen, die etwa darauf abzielen, behinderten Kindern die eigenständige Ausführung
solcher Verrichtungen zu vermitteln, die von gleichaltrigen gesunden Kindern bereits ohne fremde Hilfe
erbracht werden, zählen zum Pflegeaufwand iS von § 14 SGB XI (BT-Drucks 12/5262, S 96). Dies ist
allerdings in erster Linie bei geistig behinderten Kindern von Bedeutung. Die Klägerin ist dagegen, wie sich
aus den Feststellungen des MDK ergibt, auf die das LSG seine Entscheidung gestützt hat, geistig normal
entwickelt. Die mit ihr durchgeführte Frühförderung und die im häuslichen Bereich betriebene
Krankengymnastik stehen nicht in einem Zusammenhang mit einer der maßgebenden Verrichtungen und
zielen nicht darauf ab, die eigenständige Durchführung einzelner täglich wiederkehrender Verrichtungen zu
unterstützen.
Zu c): Die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Pflegebedarfs auf die in § 14 Abs 4 SGB XI
aufgeführten Verrichtungen schließt zugleich die Einbeziehung eines zusätzlichen Hilfebedarfs im Bereich
der Kommunikation aus, wie es die Klägerin im Revisionsverfahren fordert. Ob insoweit ein zusätzlicher
Hilfebedarf gegenüber einem gleichaltrigen gesunden Kind, etwa wegen der auf psychischem Gebiet
bestehenden Begleiterscheinungen der schwerwiegenden Grunderkrankungen der Klägerin, besteht, ist von
den Vorinstanzen nicht festgestellt worden. Solche Feststellungen sind auch nicht erforderlich. Die
Kommunikation ist bewußt nicht in den Katalog der für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit oder die
Zuordnung zu einer Pflegestufe maßgebenden Verrichtungen aufgenommen worden. Im
Gesetzgebungsverfahren wurde ausdrücklich klargestellt, daß ein Hilfebedarf im Bereich der Kommunikation
nicht zum maßgebenden Pflegebedarf zu rechnen ist (BT-Drucks 12/5262, S 96, zu § 12 Abs 4 des
Gesetzentwurfs). Etwas anderes folgt auch nicht aus § 28 Abs 4 Satz 2 SGB XI. Danach sollen, um der
Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die
Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Diese Aufforderung richtet
sich an alle, die Pflegeleistungen erbringen und deren Dienstleistungen entweder direkt (bei der ambulanten
Pflegesachleistung und der stationären Pflege) oder zumindest indirekt (bei nicht erwerbsmäßig tätigen
Pflegepersonen durch die Teilhabe am Pflegegeld) von der Pflegeversicherung finanziert werden. Auf die
Bemessung des Pflegebedarfs, die im zweiten Kapitel des SGB XI geregelt ist, hat diese Vorschrift, die sich
im vierten Kapitel befindet, das die Leistungen der Pflegeversicherung regelt, keinen Einfluß.
3. Die Klägerin geht zu Unrecht davon aus, bei Kindern dürfe kein "Abzug" desjenigen Hilfebedarfs
vorgenommen werden, der auch bei gesunden gleichaltrigen Kindern anfalle. § 15 Abs 2 SGB XI, wonach bei
Kindern für die Zuordnung zu den Pflegestufen der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden
gleichaltrigen Kind maßgebend ist, geht zurück auf die Rechtsprechung des BSG zur Feststellung von
Schwerpflegebedürftigkeit bei Kindern nach den außer Kraft getretenen §§ 53 ff SGB V (BSG SozR 3-2500
§ 53 Nrn 7 und 8). Die Regelung bewirkt keine Schlechterstellung hilfebedürftiger Kinder gegenüber
Erwachsenen, sondern stellt lediglich klar, daß "der natürliche, altersentsprechende Pflegebedarf von
Kindern" unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand
abzustellen ist (BT-Drucks 12/5262, S 98 zu § 13 Abs 2 des Entwurfs). Daß nur der krankheits- oder
behinderungsbedingte Pflegemehraufwand berücksichtigt wird, ist keine Benachteiligung, sondern rechtlich
geboten. Die Regelung läßt, weil gesunde und normal entwickelte Kinder jedenfalls im Alter ab drei Jahren
in vieler Hinsicht in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität eine zunächst geringe, schon bald
erhebliche und ständig weiter wachsende Selbständigkeit entfalten, Raum dafür, daß im Bereich der
Grundpflege ein Hilfebedarf von kranken und behinderten Kindern "über den natürlichen,
altersentsprechenden Pflegeaufwand" hinaus schon früh in hohem Maße berücksichtigt werden kann (vgl
dazu den Fall eines Kindes im Alter von drei Jahren bis vier Jahren und neun Monaten in der Entscheidung
BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 8). Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des LSG, § 15 Abs 2 SGB XI
zwinge dazu, bei Kindern den zeitlichen Pflegebedarf stets in zwei Schritten zu ermitteln. Zunächst müsse
der Gesamtpflegeaufwand bei den maßgebenden Verrichtungen im konkreten Fall festgestellt werden.
Davon sei sodann der Pflegeaufwand für ein gesundes gleichaltriges Kind abzuziehen; hierzu könnten die in
den BRi in einer Tabelle aufgeführten Durchschnittswerte in Ansatz gebracht werden. Im vorliegenden Fall
kann der zusätzliche Pflegebedarf der Klägerin gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind jedoch auch
dadurch ermittelt werden, daß auf den konkret bestehenden Mehraufwand abgestellt wird, der durch die
Notwendigkeit der Sauerstoffversorgung und die Neurodermitiserkrankung bei den Verrichtungen des § 14
Abs 4 SGB XI verursacht wird. Einer Differenzberechnung nach allgemeinen Durchschnittswerten bedarf es
in den Fällen nicht, in denen Krankheiten oder Behinderungen einen konkret faßbaren Mehrbedarf
verursachen, weil das Kind im übrigen normal entwickelt ist und sich als gesundes Kind mit dem dann noch
vorhandenen Pflegebedarf vorstellen läßt. Dies dürfte als Grundlage für eine tatrichterliche Schätzung des
Mehrbedarfs in der Regel ausreichen. Ob dies anders ist, wenn der gesamte Entwicklungsstand eines
Kindes von demjenigen eines gesunden gleichaltrigen Kindes abweicht, wie dies insbesondere bei Kindern
mit geistiger Behinderung der Fall ist, war vorliegend nicht zu entscheiden. Der Senat weist jedoch darauf
hin, daß er insoweit bereits zu den §§ 53 ff SGB V entschieden hat, daß auch die Verwendung allgemeiner