Die kostenlose Onlinezeitschrift. Herausgeber und verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes Karen Schillings, Spessartstr. 15, 41239 Mönchengladbach. Die Zeitschrift erscheint zunächst alle 2 Monate. Ausgabe 6 / 2003 vom 02.11.03.
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Liebe Leser unserer Onlinezeitschrift, Die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries plant offenbar die Abschaffung der Sozialgerichtsbarkeit. Gegenüber dpa erklärte sie erst kürzlich wieder, die Modernisierung der Justiz stehe erst am Anfang. „Es müsse z.B. über die Zusammenlegung von Sozial- und Verwaltungsgerichten nachgedacht werden“ (NJW-aktuell Heft 44/2003). Über den Sinn oder Unsinn einer derartigen Zusammenlegung soll hier nicht weiter spekuliert werden. Jedenfalls würde eine „Zusammenlegung“ - angesichts der Größe der beiden Gerichtsbarkeiten - einer Eingliederung der Sozialgerichtsbarkeit in die Verwaltungsgerichtsbarkeit gleichkommen. Überlegungen zu einer solchen Eingliederung dürften - angesichts der Haushaltslage von Bund und Ländern – im Wesentlichen vor dem Hintergrund mutmaßlicher Einsparungen erfolgen. Einen Vorgeschmack darauf, wie dieser Einspareffekt aussehen soll, wurde im Rahmen der Diskussion, ob das sogenannte Arbeitslosengeld II (Hartz- Reform) den Sozialgerichten oder den Verwaltungsgerichten zugeschlagen werden soll, dahingehend formuliert, die Sozialgerichte hätten nur deshalb eine höhere Erledigungsquote pro Richter, weil sie die Entscheidungsfindung auf medizinische Sachverständige auslagern würden. Diese Vorgehensweise der Sozialgerichte koste das Land NRW jährlich 50 Millionen Euro. Bei näherem Hinsehen beinhaltet die Argumentation das Versprechen der Verwaltungsgerichte, diesen Betrag zumindest erheblich zu reduzieren, falls das Sozialrecht künftig von den Verwaltungsgerichten bearbeitet würde. Tatsächlich wurde der Gesetzentwurf zum Arbeitslosengeld II daraufhin auch geändert und die Materie fällt zukünftig wohl an die Verwaltungsgerichtsbarkeit. <> <> <> <> <> <> Die Entwicklung sollte medizinische Sachverständige, die bisher für die Sozialgerichte tätig waren, hellhörig machen. Tatsächlich holen die Verwaltungsgerichte – auch in gutachtenrelevanten Bereichen wie z:B. dem Beamtenrecht – viel seltener als die Sozialgerichte Gutachten ein. Ob eine Bandscheibenschädigung berufsbedingt ist, entscheidet man vor den Verwaltungsgerichten auch schon mal mit dem eigenen Sachverstand des Gerichts und zur Beantwortung der Frage, ob ein Sozialhilfeempfänger arbeitsfähig ist, brauchen die Verwaltungsgerichte häufig kein medizinisches Gutachten. Der von den Sozialgerichten geschätzte medizinische Sachverstand der Gutachter, könnte also künftig seltener gefragt sein. <> <> <> <> <> <> Vor diesem Hintergrund sollten medizinische Sachverständige über die Gründung eines bundesweiten Interessenverbandes nachdenken. Ein solcher Interessenverband könnte die Leistung der medizinischen Sachverständigen für eine schnelle und richtige - und damit gerechte – Entscheidungsfindung in sozialrechtlichen Fällen herausstellen. Darüber hinaus könnte eine Interessenvertretung der immerhin bundesweit ca. 12.000 Ärzte, die in die Sachverständigenverzeichnisse der Gerichte eingetragen sind, längst überfällige Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei sozialmedizinischen Gutachten erarbeiten. Nicht vergessen werden sollte auch, dass ein Arbeitsfeld einer solchen Interessenvertretung eine angemessene und einheitliche Vergütung für medizinische Gutachten sein könnte. Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu diesem Thema. |
Verfahrensrecht
Ein Rentenversicherungsträger muss anlässlich der Gewährung eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung nicht über mögliche Konsequenzen für einen beamtenrechtlichen Beihilfeanspruch aufklären.
Die Klägerin hatte Anspruch auf Beihilfe. Der vom beklagten Rentenversicherungsträger der Klägerin gewährte Zuschuss zur Krankenversicherung führte zu einer Einschränkung der Beihilfeleistungen. Die Klägerin vertrat die Auffassung, die Beklagte habe Sie hierüber nicht ausreichend aufgeklärt und verlangte Ersatz im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Das BSG führt hierzu aus:
„Eine sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Obhutspflicht der Leistungsträger findet ihre Rechtfertigung ua schon in § 2 Abs 2 Satz 2 SGB I. Der Sozialleistungsträger soll danach eine möglichst weit gehende Verwirklichung der sozialen Rechte sicherstellen. Im Hinblick hierauf trifft den Sozialleistungsträger im Rahmen seiner Zuständigkeit eine Pflicht zur ausreichenden Information und Beratung über die sozialen Rechte nach dem SGB, wenn der Bürger dies beantragt. Die Pflicht zu einer konkreten individuellen (Spontan-)Beratung besteht auch nur im Blick auf die Verwirklichtung der sozialen Rechte des SGB und nur dann, wenn sich dem Sozialleistungsträger eine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit zu Gunsten des Versicherten aufdrängt. § 2 Abs 2 SGB I enthält somit eine Zielvorgabe und Schutzgrenze (ua) für das Herstellungsrecht . Einerseits sind die Sozialleistungsträger im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit verpflichtet, alles zu veranlassen, damit die im SGB umschriebenen sozialen Rechte verwirklicht werden. Andererseits ergibt sich bereits aus der Thematik und dem insoweit angesprochenen Kreis der Sozialleistungsträger eine Begrenzung dahingehend, dass im Bereich der Massenverwaltung ein derartiger Träger nicht von Amts wegen für jeden einzelnen Versicherten eine an alle Eventualitäten angepasste individuelle Beratung vornehmen kann, sondern lediglich eine solche, die sich auf Grund von konkreten Fallgestaltungen unschwer ergibt, etwa wenn eine klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit besteht, die so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde. Eine die Grenzen des SGB überschreitende Beratungs- oder Informationspflicht bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (vgl § 15 Abs 4 SGB I)“ (BSG Urteil vom 24.7.2003, Az.: B 4 RA 13/03 R).
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Zum Umfang der Anhörung vor Erlass eines Gerichtsbescheides. Bevor ein Gericht über einen Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheidet, müssen die Beteiligten zu dieser Entscheidungsform angehört werden (§ 105 SGG). Diesem Erfordernis wird das Gericht nicht gerecht, wenn eine lediglich formularmäßige Mitteilung ergeht, dass beabsichtigt ist durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Vielmehr muss die Anhörung zumindest kurze und vor allem fallbezogene Hinweise enthalten, aus denen hervorgeht warum das Gericht durch Gerichtsbescheid entscheiden will und wie es gedenkt zu entscheiden (LSG NRW, Urteil vom 12.06.2003 Az.: L 7 SB 129/01). |
Sachverständiger muss den Kläger persönlich untersuchen. Ein vom Gericht bestellter medizinischer Sachverständiger muss den Kläger mindestens auch (mit-) untersuchen. Zwar können einzelne Untersuchungen anlässlich des Gutachtens delegiert werden, der Sachverständige selbst muss sich aber ein eigenes Bild vom Kläger machen. Der häufig gebrauchte Zusatz: „einverstanden auf Grund eigener Urteilsbildung“ ist nicht ausreichend (BSG Beschluss vom 18.09.2003, Az.: B 9 VU 2/03 B). |
Schwerbehinderten-/ Versorgungsrechtt
Absenkung der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage in den neuen Bundesländern verfassungswidrig.. Die Schwerstbeschädigtenzulage und die Beschädigtengrundrente, nicht aber die Ausgleichsrente, sind – nach verfassungskonformer Auslegung – in den neuen Bundesländern ab dem 01.01.1999 ohne Absenkung zu zahlen (BSG Urteil vom 12.06.2003 , Az.: B 9 V 2/02 R). |
Für die Höhe des GdB sind Diagnosen nicht von Bedeutung. Entscheidend für die Feststellung eines GdB sind nicht die getroffenen Diagnosen, sondern allein das Ausmaß der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Versorgungsverwaltung hat nämlich im Verfügungsteil eines Feststellungsbescheides nicht dergestalt über das "Vorliegen einer Behinderung" zu entscheiden, dass sie einzelne Krankheiten oder Syndrome feststellt und ihrer Entscheidung zugrunde legt. Festzustellen ist nicht, wie ein Antragsteller behindert ist, sondern lediglich dass eine (unbenannte) Behinderung als denknotwendige Voraussetzung für die Feststellung ihres Grades besteht. So ist ein GdB nicht einmal dann falsch gesetzt, wenn sich eine angenommene Krankheit als Fehldiagnose erweist. Der GdB wäre nur dann fehlerhaft, wenn die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung falsch eingeschätzt worden wären. Die fehlerhafte Beurteilung der Krankheit, die der Funktionsbeeinträchtigung zugrunde liegt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides ohne Bedeutung. Unter Behinderung ist nicht der regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, also eine Krankheit zu verstehen, sondern die nachteiligen Folgen dieses Zustandes für das Erwerbsleben und den gesellschaftlichen Bereich. Dementsprechend verpflichtet das Amtsermittlungsprinzip die Gerichte nicht zur Durchführung einer Ausschlussdiagnostik bei der Feststellung des GdB. Für die Sachaufklärung ist hinreichend, wenn das Ausmaß der durch die (unbenannte) Behinderung verursachten Funktionsstörung zuverlässig abgeschätzt werden kann (Bay. LSG, Urteil vom 23.07.2003, Az.: L 18 SB 8/02). |
Krankenversicherung
Bandscheibenmatratzen sind „allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und müssen von der Krankenkasse nicht bezahlt werden. Allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind von der Arznei-Heil- und Hilfsmittelversorgung ausgeschlossen. Ein solcher allgemeiner Gebrauchsgegenstand ist auch eine Bandscheibenmatratze. Dabei ist nicht entscheidend, ob Matratzen einer besonderen Qualität begehrt werden oder ob von der Matratze eine besondere therapeutische Wirksamkeit ausgeht (SG Gelsenkirchen, Urteil vom 21.03.2003, Az.: S 24 KR 69/02). |
Viagra kann in Einzelfällen zu Lasten der Krankenversicherung beschafft werden.. Das „Potenzmittel“ Viagra ist – nach Auffassung des LSG Niedersachsen/Bremen – ein Arzneimittel, dass bei einem an einer erektilen Dysfunktion leidenden Kläger zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig ist. Die Behandlung mit Viagra entspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V und Viagra sei kein sogenanntes Bagatell- Arzneimittel. Soweit die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen dem entgegenstehen, hält das LSG diese für unbeachtlich (LSG Niedersachsen- Bremen, Urteil vom 16.07.2003, Az.: L 4 KR 162/01). |
Pflegeversicherung
Richtlinien zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit sind im Einzelfall nicht verbindlich. Die Zeitkorridore in den „Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit“ sind lediglich Orientierungswerte bei der Feststellung des zeitlichen Umfangs des Hilfebedarfs. Maßgebend ist die individuelle Pflegesituation. Die Zeitkorridore wirken im gerichtlichen Verfahren als antizipierte Beweiswürdigungsregel, die im Einzelfall widerlegbar ist.
Ein Schiedsgutachten in der privaten Pflegeversicherung ist nur dann nicht verbindlich, wenn sich nachweisen lässt, dass ein Gutachten „offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht“ (LSG NRW, Urteil vom 14.07.2003, Az.: L 3 P 37/02) |
Rentenversicherung
Wer 20 Minuten für eine Fußwegstrecke von 500 m braucht ist erwerbsunfähig. Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 500 m ist üblicherweise erforderlich, um eine Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen. Bei Gesunden ist hierzu eine Zeit von ca. 7,5 Minuten erforderlich. Wer mehr als doppelt so lang zur Zurücklegung dieser Wegstrecke benötigt ist daher erwerbsunfähig (Bay. LSG, Urteil vom 09.07.2003, Az.: L 20 RJ 461/02). |
Unfallversicherung
Gesundheitsschäden, die auf mehreren Arbeitsunfällen beruhen, sind getrennt zu beurteilen. Beruhen Gesundheitsschäden auf mehreren Arbeitsunfällen, so sind diese getrennt zu beurteilen. Die Bildung einer Gesamt- MDE kommt insoweit nicht in Betracht. Bei Vorliegen mehrerer Arbeitsunfälle ist die konkrete Feststellung erforderlich, welche gesundheitlichen Schäden jeder dieser Unfälle im Einzelnen verursacht hat und welchen Grad der MdE die jeweiligen Unfallfolgen – für jeden Unfall getrennt – bedingen. Nur auf dieser Grundlage ist zu beurteilen, ob und in welcher Höhe Anspruch auf Verletztenrente besteht (BSG, Urteil vom 19.08.2003, Az.: B 2 U 50/02 R). |
Zur Anerkennung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen Die Umschreibung bandscheibenbedingter Lendenwirbelsäulenerkrankungen als Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist zwar auslegungsbedürftig, sie entspricht aber auch gegenwärtig noch dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (BSG, Urteil vom 18.03.2003, Az.: B 2 U 13/02 R). |
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Wissenschaftliche Beiträge unserer Leser
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (Lebensqualität), ganzheitliche Beurteilung einer Behinderung gemäss SGB IX/2 am Beispiel des CLAU-S Fragebogens.
Von Internist Dr. med Klaus. Laros, Düsseldorf / Krumpendorf (A)
Gemäss SGB IX/2 sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtig ist. Dies entspricht grundsätzlich der WHO Definition der Behinderung:
Sie bezeichnet zunächst den körperlichen Schaden (Impairment) sodann die resultierende funktionelle Einschränkung (Disability) und die soziale Beeinträchtigung (Handicap) mit ihrem persönlichen Folgen wie Einschränkung der Unabhängigkeit ,der Beweglichkeit ,der Freizeitaktivität, der sozialen Integration, der wirtschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten, der familiären Folgen wie Pflegebedarf, Störung der sozialen Beziehungen ,wirtschaftliche Belastung, gesellschaftliche Folgen wie Produktivitätsverlust, gestörte soziale Eingliederung usw.
Mit dem SGB IX/2 tritt ein Paradigmenwechsel der sozialmedizinischen Begutachtung eines Behinderten ein. Sie bedeutet eine Abkehr von der rein funktionalen Beurteilung und Hinwendung zu einer ganzheitlichen Beurteilung. Sie findet nunmehr den Anschluss an die Behinderungsdefinition der WHO. Die so definierte Behinderung ist äußerst komplex und stellt an den sozialmedizinischen Sachverständigen hohe Anforderungen. Aus der Resultante der Behinderungen in der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft erwächst die Lebensqualität . Sie ist seit 1993 nach internationaler Übereinkunft zu definieren als „gesundheitsbezogene Lebensqualität“.
Diese ist (BULLINGER1999) zu bezeichnen als: “Die vom Patienten selbst berichtete Befindlichkeit und Funktionsfähigkeit in körperlicher, mentaler und sozialer Hinsicht“.
Inzwischen sind zahlreiche wissenschaftlich gesicherte psychometrische Instrumente entwickelt worden, die auch dem sozialmedizinischen Gutachter erlauben, mit einfach zu handhabenden Inventaren einen Einblick in die Lebensqualität seiner zu beurteilenden Patienten bei verschiedenen Erkrankungen zu gewinnen Das Ergebnis wird ihm helfen, in Erfüllung der Vorgaben den SGB IX/2 den Grad der Behinderung in ganzheitlicher Sicht einzuschätzen .Das gilt besonders bei Behinderungen, deren Grade einen Ermessensspielraum enthalten.
Interessant ist u.a. eine Untersuchung von KILIAN et.al. an 1700 Gesunden und 200 hospitalisierten Patienten mit den Diagnosen : Krebs , Herzinsuffizienz, Diabetes, multiple Sklerose, Gelenkentzündung, Erkrankungen des Atemtraktes und Schizophrenie mit dem WHOQO-BREF. Die psychische Lebensqualität von Krankenhauspatienten nach den Diagnosegruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zeigte sich mit Ausnahme der Schizophrenie um 30 bis 40 % eingeschränkt. ( Siehe Abb. 2)
Nachfolgend wird bei ambulant behandelten Patienten mit Claudicatio intermittens ein krankheitsspezifischer Fragebogen von DIETZE et al. vorgestellt ,der die Einschätzung der Lebensqualität vor und während medikamentöser Behandlung mit Naftidrofuryl in guter Trennschärfe erlaubt.
Es wurden untersucht 100 Patienten mit pAVK Stadium II .In Deutschland leiden etwa 4,5 Millionen Menschen an dieser Erkrankung. Sie ist daher auch von erheblicher sozialmedizinischer Bedeutung.
Als krankheitsspezifische Befunde wurden erhoben die schmerzfreie Gehstrecke am Laufbandergometer, die Dopplerindizes. Den objektiven Befunden wurde gegenübergestellt die subjektive Einschätzung der Gehstrecke. Insgesamt enthält der CLAU-S 86 Items in 9 Subgruppen ( Alltag, Schmerz, sonstige Beschwerden, Angst, Niedergeschlagenheit, Müdigkeit, Initiativverlust, Auswirkungen auf das soziale Leben)
Ergebnisse:
Die Lebensqualität wurde am stärksten beeinträchtigt durch Behinderungen im Ablauf des täglichen Lebens und durch die Schmerzen. Die Subskalen Missmut, Niedergeschlagenheit, Müdigkeit und Initiativverlust zeigten eine gute Trennschärfe innerhalb der Schweregrade der Erkrankung innerhalb des Stadiums II.
Die Mehrzahl der Erkrankten waren Raucher oder Exraucher sowie Übergewichtige! Auf der Basis des CLAU-S-Fragebogens wurde nunmehr die NIQOL-Europastudie durchgeführt mit insgesamt 709 Patienten in Deutschland, Frankreich und Belgien. Es wurden aufgenommen Patienten zwischen 4o und 8o Jahren. Die Patienten wiesen eine subjektiv schmerzfreie Gehstrecke von 50-500 m auf und hatten einen Knöchel-Arm-Index unter 0,85. Die Therapie erfolgte entweder mit Dusodril oder Placebo 6 Monate lang. Zu Beginn und nach 6 Monaten beantworteten die Patienten die Dimensionen Alltagsleben, Schmerz, Sozialleben, krankheitsspezifische Ängste und Stimmungslage. Übereinstimmend in den 3 Einzelstudien wiesen die Parameter der Lebensqualität während der Behandlung eine signifikante Verbesserung gegenüber der Ausgangslage auf. Die hohe diskriminante Validität des Tests ist aus der Abb.1 ersichtlich.
Inzwischen ist eine komprimierte Fassung des Tests erschienen.(ClAU-S SF9) Er ist als Kopiervorlage zu erhalten im „ Indikationsführer Dusodril“( zu beziehen über MERCK-DARMSTADT Tel.06151-72 61 51 Herrn Christoph Schöneich).
Zusammenfassung :
Es sollte gezeigt werden, dass leicht praktikable valide und reliable psychometrische Tests für den sozialmedizinischen Gutachter eine Hilfe sein können, die Vorgaben des SGB XI/2 für die seinem Urteil anvertrauten Patienten zu nutzen.
Eine weitere Entwicklung krankheitsspezifischer Tests im Vergleich zu Gesunden, die in Annäherung eine Quantifizierung der Behinderung in der Teilhabe an der Gesellschaft und der damit verbundenen Lebensqualität erlaubt, bleibt zu erwarten .
Anhang:
2 Abbildungen
Literatur:
1) Dietze, Kirchberger, Spengel, van Laak . “ Die Claudication Skala, ein krankheitsspezifischer Fragebogen zur Erfassung der Lebensqualität von Patienten mit Claudicatio intermittens: Entwicklung und Validierung“. Gefässchirurgie /1997)2-11-17, Springer-Verlag.
2.) Kilian, Matschinger, Angermeyer: “ Die subjektive Lebensqualität bei Patienten mit somatischen und psychischen Erkrankungen in staionärer Behandlung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung: Eine Anwendung des WHOQOL-BREF“.
3) Koller,Celik,Junge et al.: “Ein Fragebogenmodul zur Messung von Symptomen bei Knieverletzungen, Entwicklung und erste Ergebnisse zu Reliabilität und Validität“.
4) Faller, Vogel ,Bosch: „Lebensqualität und Funktionskapazität bei Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen“
5) Rose, Fliege, Hildebrandt et al: “Gesundheitsbezogene Lebensqualität, ein Teil der allgemeinen Lebensqualität“
6) Siegrist, Starke, Laubach, Brähler: “Soziale Lage und gesundheitsbezogene Lebensqualität“ Befragungsergebnisse einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung
7) Thomas, Abel, Duetz, Niemann: “Statistische Zusammenhänge selbst berichteter Gesundheitsindikatoren“. Eine explorative Analyse von Befragungsdaten bei 55 bis 65 jährigen.
Anmerkung: Literaturangaben 2-7 in 8) Bullinger, Siegrist, Ravens-Sieberer: “Lebensqualitätsforschung aus medizinischer und soziologischer Perspektive“ Jahrbuch der Medizinischen Psychologie 18, Hogrefe. Verlag für Psychologie Göttingen Bern, Toronto .Seattle. EMail -Anschrift des Verfassers: [email protected] |
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Rezension
S. Bartholomeyczik, D. Hunstein, V. Koch, A. Zegelin – Abt Zeitrichtlinien zur Begutachtung des Pflegebedarfs (Evaluation der Orientierungswerte für die Pflegezeitbemessung) Mabuse – Verlag, Reihe Wissenschaft, Band 59, 2001, 283 Seiten, € 26, - ISBN 3 – 933050 – 86 – 3
Inhalt dieses Buches ist ein Forschungsprojekt, das im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) im Zeitraum 1998 – 2000 durchgeführt wurde. Die Begutachtungsrichtlinien der Pflegebedürftigkeit nach SGB XI (Einstufung der Versicherten in eine Pflegestufe) wurden hierzu überprüft. Die Verfasser (zwei Professorinnen für Pflegewissenschaft und Betriebswirtschaftslehre, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Institut für Pflegewissenschaft und der Leiter der Abt. Pflegeforschung einer Klinik) haben intensive Datenerhebung betrieben: In 71 Tabellen und 34 Abbildungen werden die Zeitvorgaben der Spitzenverbände der Pflegekassen und die tatsächlichen Zeitwerte, die von nichtprofessionellen Pflegekräften bei der Pflege ermittelt wurden, gegenübergestellt. Ergänzt wird dieses durch Beschreibung der einzelnen Haushalte und der Probleme bei der Zeiterfassung. Nach der Darstellung des Ist – Zustandes wird die Ermittlung von Hilfebedarf und Pflegebedürftigkeit anhand von Pflegetheorien und Methoden der Bedarfserfassung behandelt.
Für die praktische Arbeit mag das Werk zu "theorielastig" sein; jedoch finden hier insbesondere Bevollmächtigte eine umfangreiche "Fundgrube" an Daten, da die Autoren Pflegebeziehungen unter jedem nur denkbaren Aspekt beleuchtet haben. Theorie (Zeitvorgaben des medizinischen Dienstes der Krankenkassen) und Praxis (Zeitaufwand der Laienpfleger) werden hier erschöpfend einander gegenübergestellt.
RA Marianne Schörnig, Düsseldorf |